Table.Briefing: Africa

Neue Afrika-Vereins-Vorsitzende: Der Westen ist ideenlos + Ärger um Lieferketten-Richtlinie + Senegal blockiert Internet

Liebe Leserin, lieber Leser,

die neue Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft zu Gast bei Table.Media: Sabine Dall’Omo ist eine Kennerin des Kontinents. Seit fast 20 Jahren lebt sie dort und leitet inzwischen als CEO die Geschäfte und Interessen des Siemens-Konzerns auf diesem Erdteil. Man sollte ihr also genau zuhören, wenn es um die Frage geht, wie Afrika endlich ein Kontinent der Chancen wird. Ihre nüchterne Analyse: Der Einfluss des Westens ist kontinuierlich geschrumpft, während China, Russland und andere Länder ihren Impact vergrößert haben. Sie fordert neue Ideen und Strategien, um diesen Vormarsch zu stoppen.

Um Augenhöhe geht es auch in unserer zweiten Analyse. Die neue EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in den Lieferketten sorgt für heftigen Streit im Europäischen Parlament. Die afrikanische Wirtschaft, die von diesen Regulierungen in hohem Maße betroffen ist, spricht von Neokolonialismus und wittert Strafen und Handelshemmnisse. Eigentlich selbstverständlich, dass man solche Regelungen vorab mit den Betroffenen bespricht. Genau das aber ist möglicherweise unterblieben – die Afrikaner stehen vor vollendeten Tatsachen.

Entwicklungspolitik ist ein streitbares Feld. Das gilt auch für die Frage, wer bekommt wieviel Geld und wofür. Das in Bonn ansässige DEval, ein Institut für Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit, kritisiert nun das BMZ: Zu viele Entwicklungsgelder, zu breit gestreut, fehlende Fokussierung auf besonders bedürftige Länder. Horand Knaup hat sich die Studie des DEval genau angeschaut.

Wie immer für Sie auch in dieser Ausgabe Nachrichten, ein Meinungsbeitrag zu Nigerias Kurs in der Wirtschaft sowie der Blick in internationale Medien.

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Ihr
Harald Prokosch
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  • Lieferketten

Interview

Der Westen ist ideenlos

Sabine Dall’Omo beim Besuch der Table.Media-Redaktion in Berlin.

Im Gespräch mit Table.Media kritisiert die Managerin, die Industrieländer würden bei vielen Entscheidungen die Folgen für den afrikanischen Kontinent zu wenig bedenken. Seit 2014 ist die Managerin CEO von Siemens Southern and Eastern Africa und nun auch neue Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

Es ist unverkennbar: Viele afrikanische Länder treten inzwischen deutlich selbstbewusster auf als früher. Wie sollten wir damit umgehen?

Wir dürfen nicht nur Versprechen machen, sondern müssen auch liefern. Afrika ist durch die Pandemie und die Gründung der kontinentalen Freihandelszone näher zusammen gerückt. Der westliche Einfluss auf dem Kontinent ist geschrumpft, während China, Russland und andere Länder ihren Impact vergrößert haben. Hier hat es den westlichen Ländern bis jetzt an Ideen und Strategien gefehlt.

Auf der Suche nach neuen Energiequellen für mehr Diversifizierung scheint Afrika plötzlich für Deutschland interessant geworden zu sein. 

Ja, und wir sollten verstehen, dass die Partnerschaft mit unserem Nachbarkontinent nicht nur wirtschaftlich von immenser Bedeutung ist, sondern auch politisch immer wichtiger wird. Frühere Erfahrungen sind dabei nicht vergessen. Unsere koloniale Vergangenheit ist vielen Menschen in Afrika noch im Gedächtnis. Während der Pandemie sind Covid-Impfungen in Afrika verspätet angelaufen, weil die Industrieländer Impfstoffe für ihre eigene Bevölkerung gehortet hatten. Derweil müssen wir den multiplen Krisen der Gegenwart partnerschaftlich begegnen. Das gilt für die durch den Ukrainekrieg verschärfte Ernährungskrise in einigen afrikanischen Ländern genauso wie für den Aufbau einer Gesundheitsinfrastruktur oder die Folgen der Klimaerwärmung. Obwohl der Kontinent weniger als vier Prozent der globalen Emissionen verursacht, ist Afrika überproportional von den Klimafolgen betroffen. Zugleich gibt es einen enormen Bedarf bei Energieversorgung, Industrialisierung und in der Infrastruktur.

Kann Afrika direkt in das Zeitalter Erneuerbarer Energien einsteigen, ohne fossile Umwege?

Wir müssen sehen, dass afrikanische Länder eigenes Öl, Gas und Kohle nicht importieren und damit auch nicht teuer bezahlen müssen. Wenn wir die verstärkte Nutzung fossiler Brennstoffe verhindern wollen, müssen wir Alternativen anbieten. Also, wie können wir Afrikaner dabei unterstützen, Erneuerbare zur Verbesserung ihrer Energieversorgung zu nutzen?

Mir scheint, wir haben bisher zu wenig Ideen entwickelt, um die Beziehungen zwischen Europa und Afrika auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. Es fehlt zum Beispiel an Finanzierungskonzepten für Erneuerbare Energien gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen. Afrikanische Länder können insgesamt attraktiv werden für Investitionen, aber hier muss auch die deutsche Politik ihre Unternehmen durch entsprechende Risikoabsicherungen und Finanzierungsangebote unterstützen.

Bisher ist der Kontinent häufig vor allem ein Absatzmarkt. Große Investitionen und wertschöpfende Prozesse deutscher Unternehmen fehlen meist. Wie lässt sich das ändern?

Das stimmt leider: Afrika wird zu oft als Rohstofflager gesehen, die Wertschöpfung erfolgt woanders. Es fehlt an Infrastruktur, oft sind die globalen Lieferketten außerdem zu günstig, und der innerafrikanische Warenaustausch funktioniert bisher noch nicht im benötigten Maße. Dabei weisen viele afrikanische Länder ein signifikantes Wirtschaftswachstum auf, die Mittelschicht wächst, und noch viel stärker der Anteil der Jugend an der Gesamtbevölkerung. Dadurch hat sich Afrika in den vergangenen Jahren schneller und dynamischer entwickelt als jede andere Weltregion. Aus meiner Sicht braucht es drei Dinge: Ausbau der Infrastruktur, Qualifizierung der jungen Bevölkerung und wirtschaftliche Kooperation – dann kommt eine bessere Integration in globale Wertschöpfungsketten automatisch.

Ist Afrika als Chancenkontinent auch auf der Chefetage bei Siemens angekommen?

Wir sind seit 160 Jahren auf diesem Kontinent vertreten und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Digitalisierung, Energieerzeugung und -verteilung, Infrastruktur – das alles sind unsere Themen, seit Jahrzehnten. Mit dem Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes für die Bahn in Ägypten haben wir mit 8,1 Milliarden Euro einen der größten deutschen Industrieaufträge in Afrika überhaupt gewonnen.

Was können wir eigentlich von Afrika und seinen Menschen lernen?

Ich bin jetzt fast 20 Jahre für Siemens dort tätig. Was mich auch heute noch beeindruckt, ist die Adaptionsfähigkeit der Menschen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Trotz eines oft problembeladenen Lebens schauen sie meist positiv in die Zukunft. Vieles entsteht aus Notwendigkeit zur Improvisation, und es gibt schon heute viele gut ausgebildete Menschen.

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Analyse

EU-Richtlinie zu Lieferketten belastet Beziehungen zu Afrika

Die Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in den Lieferketten der Unternehmen hat zu heftigen Kontroversen im Europäischen Parlament geführt. Die Richtlinie, ein Pendant zum deutschen Lieferkettengesetz, soll Unternehmen für Umweltzerstörung und Verletzungen der Menschenrechte sowohl innerhalb wie auch außerhalb der EU zur Rechenschaft ziehen. CSDD heißt die Richtlinie, wobei das Kürzel für corporate sustainability due diligence directive steht.

Die Regeln sollen für europäische Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten, sowie für Nicht-EU-Unternehmen, die mindestens 150 Millionen Euro ihres Umsatzes in der EU erzielen. In einem zweiten Schritt soll die Schwelle auf Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro gesenkt werden.

Nach einer hitzigen Debatte stimmten 366 Abgeordnete für die Richtlinie, 225 dagegen. In Deutschland hatte noch die alte Koalition ein Lieferkettengesetz beschlossen, das Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die EU-Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die europäische Richtlinie in nationales Recht zu überführen.

“Aus der Zeit gefallen”

“Die Richtlinie ist ein bisschen aus der Zeit gefallen”, sagte Axel Voss, EVP-Abgeordneter und Chefverhandler von CDU und CSU, am Freitag auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Köln. Er befürchtet Nachteile für die europäische Wirtschaft. Vertreter von NGOs auf der Konferenz dagegen bezeichneten die Regulierung als notwendig und überfällig. Wichtig sei es, Transparenz in den Lieferketten zu schaffen, sagte die Vertreterin einer zivilgesellschaftlichen NGO.

Wir sehen einen Regulierungsimperialismus der EU, bei dem sich Brüssel als Exporteur von Regeln in Drittländer sieht – als Gesetzgeber der Welt”, kritisierte kürzlich Philippe De Baere, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltskanzlei Van Bael & Bellis in Brüssel und spezialisiert auf EU- und WTO-Handelsrecht.

Lange Listen mit Klagen

Doch nicht nur in Europa, auch in Afrika sorgen die europäischen Lieferkettengesetze für Kontroversen. Die Kritik lässt sich auf einige Kernpunkte zusammenfassen:

  • Afrikanische Institutionen wie die Afrikanische Union seien an der Formulierung der Lieferkettenregulierung nicht beteiligt worden.
  • Die Vorschriften erhöhten den Aufwand und die Nachweispflichten für afrikanische Unternehmen, wodurch diese im Handel mit Europa weiter benachteiligt würden.
  • Anstatt die afrikanischen Unternehmen zu Sorgfalt zu ermutigen, drohen ihnen Strafen.
  • Europa habe sich ohne Diskussion auf Gesetze und bürokratische Verfahren festgelegt. Alternativen auf freiwilliger Basis wie “name and shame”, Zertifizierungen oder Gütesiegel habe Europa verworfen.
  • Europa setze unter Missachtung internationaler Handelsinstitutionen wie der WTO neue Handelsbarrieren.

Auch er hätte eine Einbeziehung der WTO besser gefunden, gab der EU-Abgeordnete Voss zu. Doch es sei leider illusorisch, solche Initiativen über die WTO in Gang setzen zu wollen.

Afrika steht besonders im Fokus der Lieferkettengesetze der EU und der nationalen Staaten. Die Landwirtschaft gilt als anfällig für Verstöße, zum Beispiel beim Anbau von Kakao und Tropenfrüchten. Dort kommt es immer wieder zu teils schweren Verstößen gegen das Verbot von Kinderarbeit und zu anderen Menschrechtsverletzungen. Der Bergbau in Afrika ist außerdem kritisch in Bezug auf die Einhaltung grundlegender Umweltstandards.

Die oft informelle Funktionsweise der afrikanischen Wirtschaft erschwert die Umsetzung von ESG-Systemen und die Erhebung von Sozial- und Umweltdaten, die für alle Unternehmen aus den Verpflichtungen im Zusammenhang mit der EU-Lieferketten-Richtlinie gefordert werden”, beklagt der Afrika-Journalist Pierre-Samuel Guedj.

EU will auch positive Anreize setzen

Auch Markus Pieper, Europa-Abgeordneter der CDU und Mittelstandssprecher der CDU/CSU-Gruppe, griff die Kritik aus Afrika auf: “So hat der kongolesische Verband der Kleinbauern die EU-Vorgaben bereits als ,Neokolonialisierung’ bezeichnet“, schreibt er in einer Stellungnahme. “Wenn man per GPS belegen soll, dass Kakao zwischen den Bäumen und nicht anstelle von Bäumen angepflanzt wird, bleiben Kleinbauern auf der Strecke.”

Neben den Sanktionen, die die Lieferketten-Richtlinie vorsieht, will die Europäische Kommission auch positive Anreize setzen. So hat Leopoldo Rubinacci, stellvertretender Leiter der Generaldirektion Handel, in der vergangenen Woche bekräftigt, dass die EU auf “Win-Win-Partnerschaften” mit Afrika im Rohstoffsektor setze.

Alle bisher erschienen Texte der Serie “Reguliert Europa die Welt?” lesen Sie hier.

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  • Lieferkettengesetz
  • Reguliert Europa die Welt?
  • Rohstoffe

BMZ-Entwicklungsarbeit: Zu viele Gelder, zu breit gestreut

Die Fachwelt ist sich eigentlich einig: In der Entwicklungspolitik ist eine Konzentration der Mittel, sektoral und regional, allemal effektiver als eine breite Streuung der zur Verfügung stehenden Gelder. Das hatte sich schon BMZ-Ressortchefin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vor 20 Jahren zu eigen gemacht. Vier Beschlüsse hat die Bundesregierung seither verabschiedet, um die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) stärker zu konzentrieren. Zuletzt im Reformkonzept “BMZ 2030”, das 2020 unter Gerd Müller (CSU) verabschiedet und maßgeblich von seinem Staatssekretär Martin Jäger entwickelt worden war.

Das in Bonn beheimatete DEval (Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit) hat nun in einer Studie herausgearbeitet, dass die Beschlüsse Makulatur geblieben sind. Die Bestrebungen hätten weder zu einer “deutlichen Reduktion der Länder”, noch zu “einer signifikanten geografischen Konzentration der Zusagen geführt. Im Gegenteil, trotz erheblicher Bemühungen erwiesen sich die Ausgabemuster seit dem Jahr 2000 als weitgehend stabil: “eine Konzentration der Mittel hat nicht stattgefunden”. Die Studie ist schon ein paar Monate alt, Aufmerksamkeit erfuhr sie seither erstaunlich wenig.

“Eine Reduktion der geförderten Schwerpunkte ist nicht erkennbar”

Bilaterale Hilfen haben sich zwischen den Jahren 2000 und 2020 sogar mehr als vervierfacht. Was auch damit zu tun hatte, auch wenn nicht in der Studie explizit erwähnt, dass die Minister Dirk Niebel (FDP) und Gerd Müller (CSU) keine Freunde großer multilateraler Hilfszusagen waren. Sie hatten mehr übrig für bilaterale Vereinbarungen. Bilanz der Studie: “Die Bemühungen mehrerer Regierungen, die deutschen Entwicklungsmittel zu konzentrieren, sind weitgehend erfolglos geblieben.” Und: “Genauso wenig ist eine Reduktion der durchschnittlich in einem Jahr geförderten Schwerpunkte erkennbar.”

Bis zu 85 Kooperationsländer gleichzeitig habe es zeitweise gegeben. Bis 2020 sei die Zahl auf 60 zurückgegangen, im Jahr 2021 kam mit Sierra Leone wieder ein neuer Partner hinzu. Dabei seien einerseits besonders bedürftige, andererseits eher demokratisch regierte Länder bedacht worden. Tatsächlich habe sich gute Regierungsführung für die Partnerländer ausgezahlt. So heißt es in der Studie: “Besser regierte Länder finden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auf der Liste bilateraler Partner.”

Obendrein, so konstatiert das DEval, hätten “außenwirtschaftliche Interessen und die Nähe zu Deutschland die Mittelvergabe beeinflusst”. Oder anders: Länder, in die Deutschland freizügig Waren exportieren kann und die in Afrika oder im Nahen Osten liegen, waren bei der Mittelvergabe im Vorteil.

Für die nächsten Jahre, so schreibt das DEval, zeichneten sich schwierige Abwägungsprozesse ab. Die Mittelvergabe zu konzentrieren, führe naturgemäß dazu, die Zusammenarbeit mit dem einen oder anderen Partner zu beenden. Dies sei “ein mit großen Herausforderungen verbundener Schritt”. Denn die Erfahrung sei: “In den hier untersuchten 20 Jahren gab es nach jeder Konzentration kurz darauf eine Gegenbewegung”.

Gestiegene internationale Erwartungen an die deutsche EZ

Vor allem aber: Schlecht oder autoritär regierte Länder sind meist besonders hilfsbedürftig. Aber soll man Autokraten auch noch mit bilateralen Abkommen unter die Arme greifen? Dazu schreiben die Autoren: “Es wird auch weiterhin eine anspruchsvolle Aufgabe sein, dieses Spannungsfeld gut auszutarieren.”                           

Das heute von Svenja Schulze (SPD) geführte BMZ hat nach Erscheinen der Studie seinen Politikansatz begründet – und der Kritik in Teilen widersprochen. Eine inflationsbereinigte Vervierfachung des Volumen der bilateralen Mittel sei mit neuen und erweiterten Zielsetzungen einhergegangen. Hinzu kämen gestiegene internationale Erwartungen an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland sei inzwischen international zweitgrößter Geber (unter den OECD-Ländern). Und schließlich gebe es eine Reihe neuer Aufgaben, etwa im Klimabereich, beim globalen Gesundheitsschutz oder beim Thema Flucht und Migration

Außerdem, so heißt es in der Stellungnahme, sehe das Konzept “BMZ 2030” bei bilateralen Partnern eine Fokussierung der Zusammenarbeit auf maximal drei Kernthemen vor. Das werde in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt.

Und, so ergänzt eine Sprecherin: In einer multipolaren Welt sei eine Vielzahl von Partnerschaften auf allen Kontinenten für Deutschland enorm wichtig. Darum könne es “bei aller wünschenswerten Fokussierung auch immer wieder gute Gründe geben, Kooperationsmodelle anzupassen und Partnerschaften auszuweiten”.

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News

Senegal blockiert mobiles Internet nach schweren Unruhen

Im Senegal, einem engen demokratischen Partner Deutschlands in Westafrika, sind nach Behördenangaben mindestens 16 Menschen bei schweren Ausschreitungen getötet worden, viele durch Schussverletzungen. Das Rote Kreuz sprach von 357 Verletzten, davon 36 Sicherheitskräften. Die Regierung von Präsident Macky Sall blockierte den Zugang zu mobilem Internet. Zur Begründung teilte diese mit, dass über soziale Medien “hasserfüllte und subversive” Nachrichten online gestellt worden seien. Bis zum Redaktionsschluss war die Blockade nicht aufgehoben.

Schon in der vergangenen Woche hatte die Regierung den Zugang zu bestimmten Messaging-Plattformen beschnitten. Viele Internetnutzer konnten jedoch diese Einschränkung durch die Nutzung virtueller privater Netzwerke umgehen. Diese verschleiern den Standort des Benutzers. Der Ausfall wurde am Wochenende auf alle Daten auf mobilen Internetgeräten in bestimmten Gebieten und zu bestimmten Zeiten ausgeweitet, hieß es weiter.

Nach der Verurteilung des prominenten Oppositionspolitikers Ousmane Sonko am vergangenen Donnerstag gingen zehntausende Demonstranten landesweit an mehreren Tagen auf die Straße. Der besonders bei der senegalesischen Jugend beliebte Sonko wurde in Abwesenheit wegen der Verführung einer jungen Frau im Alter von weniger als 21 Jahren zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil könnte ihn von der Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2024 ausschließen. Präsident Macky Sall erwägt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, obwohl dies nach Meinung von Experten und Zivilgesellschaft gegen die Verfassung verstößt.

In Dakar sowie der im Süden des Landes gelegenen Stadt Ziguinchor, in der Sonko Bürgermeister ist, warfen Demonstrierende mit Steinen und legten Feuer. Auch Supermärkte und Tankstellen französischer Unternehmen wurden angegriffen. Polizei und Gendarmerie setzten Tränengas ein. In Teilen Dakars waren Soldaten der senegalesischen Armee auf den Straßen.

ECOWAS, AU, EU, UN-Generalsekretär Guterres sowie die USA und Frankreich verurteilten die Gewalt und riefen zu friedlichem Dialog auf. Der Senegal ist eines der Partnerländer der 2017 gestarteten Initiative “Compact With Africa”, die die wirtschaftliche Entwicklung in ausgewählten afrikanischen Ländern fördern soll. Sie wurde unter der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 initiiert.

Die tagelangen Ausschreitungen dürften einen schweren wirtschaftlichen Schaden verursacht haben. Das Land verfolgt ein ambitioniertes Entwicklungsprogramm und will noch in diesem Jahr mit der Ausbeutung von Gasressourcen beginnen. Schulen und Universitäten waren tagelang geschlossen und Geschäfte stark eingeschränkt. An vielen Bankautomaten in der Hauptstadt Dakar war kein Bargeld verfügbar. lcw

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Kenia auf der Suche nach Geldquellen

Kenias Präsident William Ruto hat von seinem Vorgänger Uhuru Kenyatta jede Menge Schulden übernommen. Laut der kenianischen Zentralbank lag die Gesamtverschuldung Ende 2021 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) bei 8,2 Billionen Schilling (55 Milliarden Euro). Die Auslandsverschuldung betrug damals 27,6 Milliarden Euro. Die Schuldenquote beträgt rund 67 Prozent des BIP.

Vergangene Woche erhielt die Regierung von einem Bankenkonsortium einen Kredit über 500 Millionen Dollar. Zum Konsortium zählen die Citibank, British Standard Chartered Bank, Stanbic Bank und RMB aus Südafrika, die bisher als Rand Merchant Bank firmierte. Dieser Kredit wurde durch die Zusage neuer Mittel seitens der Weltbank und des IWF möglich. So kommt von der Weltbank eine Finanzierung über eine Milliarde Dollar.

Unterdessen haben kenianische Banken ihren Bestand an kenianischen Staatsanleihen seit Jahresbeginn reduziert. Dies geht aus den jüngsten Quartalsberichten hervor. So besaß Standard Chartered am Ende des ersten Quartals Staatsanleihen von 95 Milliarden Schillling (639 Millionen Euro). Das sind 6,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Cooperative Bank reduzierte ihr Staatsanleihebestand um 2,3 Prozent auf 179 Milliarden Schilling (1,2 Milliarden Euro). Die Equity Bank senkte ihr Portfolio um 7,7 Prozent auf 216 Milliarden Schilling (1,4 Milliarden Euro).

Der IWF und die kenianische Regierung haben sich vor rund zwei Wochen auf eine Finanzierungshilfe über eine Milliarde Dollar verständigt. Die Vereinbarung umfasst die Überprüfung der im April 2021 genehmigten Vereinbarungen zur erweiterten Fondsfazilität (Extended Fund Facility, EFF) und zur erweiterten Kreditfazilität (Extended Credit Facility, ECF) sowie eine neue Vereinbarung im Rahmen der Resilienz- und Nachhaltigkeitsfazilität (Resilience and Sustainability Facility, RSF).

Die Vereinbarungen über die EFF und die ECF sollen um zehn Monate bis April 2025 verlängert werden. Der Betrag, den Kenia im Rahmen dieser beiden Fazilitäten erhält, soll um etwa 544 Millionen Dollar erhöht werden. Kenia soll außerdem rund 544 Millionen Dollar im Rahmen der RSF herhalten. Im Rahmen der Budgethilfe soll Kenia zudem umgerechnet 410 Millionen Dollar erhalten, wodurch Kenias Verschuldung gegenüber dem IWF auf rund zwei Milliarden Dollar steigt. Der vereinbarte Gesamtrahmen liegt bisher bei 2,4 Milliarden Dollar. Die Vereinbarung will das Exekutivdirektorium des IWF im Juli formal beschließen. hlr

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Frisches Geld für Kamerun 

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat bei Regierungsverhandlungen neue Mittel für die Entwicklungsarbeit in Kamerun zugesagt. Insgesamt geht es um einen Betrag von 60 Millionen Euro, unter anderem für ländliche Entwicklung und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

Rund 20 Millionen Euro davon sind für den Schutz des zentralafrikanischen Kongo-Regenwaldes gedacht, einem für das globale Klima besonders wichtigen Ökosystem mit großer Artenvielfalt und zugleich von zentraler Bedeutung als Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Der Kongo-Regenwald liegt im Kongobecken in der Mitte des afrikanischen Kontinents über mehrere Länder hinweg, etwa Angola, die Zentralafrikanische Republik, Kongo-Brazzaville und die DR Kongo.

Kameruns Süden bildet den westlichen Ausläufer des riesigen Waldes. Im Kongobecken wächst rund ein Viertel der weltweit noch vorhandenen tropischen Regenwälder. Mit den neuen Mitteln für den Waldschutz unterstützt das BMZ in Kamerun Projekte gegen die Rodung, die zugleich neue Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung schaffen. ajs

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Flasbarth besucht Horn von Afrika 

Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Jochen Flasbarth, ist zurzeit auf Reisen in Ostafrika. Bis zum 6. Juni besucht Flasbarth drei Länder am Horn von Afrika und den Sitz der Afrikanischen Union (AU). Erste Station ist Somalia, wo der deutsche Staatssekretär mit Regierungsvertretern über die anhaltende Dürre in der Region sowie über Überschwemmungen spricht. Außerdem geht es bei der Visite um die angespannte Sicherheitslage sowie die Rechte von Frauen und Kindern. 

In Kenia geht es um die deutsch-kenianische Klima- und Entwicklungspartnerschaft, ebenso neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die junge Bevölkerung. Kenia will mit deutscher Unterstützung die berufliche Bildung fördern. Flasbarth wird auch Gespräche über die deutsche Unterstützung des ersten afrikanischen Klimagipfels führen, den Kenia im September ausrichten will. 

In Äthiopien schließlich geht es um den Friedens- und Versöhnungsprozess nach dem Bürgerkrieg in der nördlichen Region Tigray. Darüber hinaus besucht Flasbarth den Sitz der AU in Addis Abeba, um dort über die aktuelle Unsicherheit am Horn von Afrika sowie die Friedensinitiativen der AU zu sprechen. Im Fokus stehen dabei Sudan und Äthiopien. ajs

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Standpunkt

Tinubus Wirtschaftsprogramm bleibt zu vage

Von Jeremy Gaines
Nigeria-Kenner Jeremy Gaines.

Seit gut einer Woche hat Nigeria den fünften Präsidenten seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1999. Der Milliardär Bola Ahmed Tinubu, Geschäftsmann und ehemaliger Gouverneur des Staates Lagos, wurde feierlich in sein Amt eingeführt. Doch Tinubu ist offensichtlich nicht bei bester Gesundheit. Unmittelbar nach der Wahl verbrachte er einen Monat für medizinische Behandlungen in Europa. Verschlechtert sich sein Gesundheitszustand, wird dies zur Belastung für die neue Regierung.

Seine langatmige Antrittsrede ist voller großartiger Aussagen über die Größe Nigerias und der Nigerianer, aber wo sie konkret werden sollte, bleibt sie vage. “Wir werden unsere Wirtschaft umgestalten, um Wachstum und Entwicklung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Ernährungssicherheit und ein Ende der extremen Armut zu erreichen”, sagt er beispielsweise.

Die Frage, wie dieser “Umbau” aussehen soll, lässt Tinubu unbeantwortet. So kündigt er eine Haushaltsreform an, “die die Wirtschaft anregt, ohne Inflation zu erzeugen”. Es ist richtig, dass seit Jahren eine hohe Inflation herrscht, die Buhari unter anderem durch die Schließung der Grenzen für bestimmte Lebensmittel verursacht hat. Wie diese Reform aussehen soll, behält Tinubu bisher für sich. Sein zweiter Punkt ist, die heimische Produktion zu fördern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Doch wie will er das bewerkstelligen? Wie will er Zölle und Steuern senken, wo doch Nigeria für seine geringen Steuereinnahmen und seine Zollbürokratie bekannt ist?

Wie soll Strom erschwinglicher werden?

Sein dritter Punkt: Elektrizität soll zugänglicher und erschwinglicher werden. Die Stromerzeugung will er nahezu verdoppeln und das Stromnetz verbessern. “Wir werden die Bundesstaaten ermutigen, auch lokale Quellen zu erschließen“, kündigt er an. Das ist nichts Neues. Alle Präsidenten versprechen mehr Strom, und die Bundesstaaten werden bereits durch die jüngsten Gesetze einbezogen.

Die Aussage ist in anderer Hinsicht problematisch: Wie soll der Strom günstiger werden, wenn der Preis, zu dem er an die Abnehmer abgegeben wird, jetzt schon die Energieversorger in den Ruin treibt? Genauso die Absicht, die Kapazität zu verdoppeln: Sieben Gigawatt an Kraftwerken werden einen hohen Preis haben, und die Regierung sieht sich bereits heute mit dem Schuldendienst aus zu hohen Krediten der Weltbank zur Verbesserung des Stromnetzes konfrontiert.

Das große Haushaltsproblem ist aus Sicht von IWF und Weltbank die Treibstoffsubvention. Tinubu wollte sie im Wahlkampf noch abschaffen. Und nun? Er bleibt vage und kündigt nur an, diese Mittel in die öffentliche Infrastruktur, in Bildung, Gesundheitsfürsorge und Arbeitsplätze umzuleiten. Auf ein konkretes Datum will er sich nicht festlegen. Und es bahnt sich jetzt schon massiver Widerstand an.

Einmischung in die Geldpolitik

In Bezug auf die Geldpolitik verwechselt Tinubu die Kompetenzen der Regierung mit denen der verfassungsmäßig unabhängigen Zentralbank. Er sagt: “Die Geldpolitik muss gründlich gereinigt werden. Die Zentralbank muss auf einen einheitlichen Wechselkurs hinarbeiten. Dies wird die Mittel weg von der Arbitrage hin zu sinnvollen Investitionen in Anlagen und Arbeitsplätze lenken, die die Realwirtschaft antreiben. Die Zinssätze müssen gesenkt werden, um die Investitionen und die Kaufkraft der Verbraucher so zu steigern, dass die Wirtschaft auf einem höheren Niveau bleibt.” Der Zentralbank Anweisungen geben zu wollen, ist problematisch, auch wenn eine Abwertung der Naira dem Land helfen würde.

Während er all diese undefinierten “Nice-to-haves” aufzählt, witzelt er: “Wir werden dafür sorgen, dass Investoren und ausländische Unternehmen ihre hart verdienten Dividenden und Gewinne nach Hause bringen.” Damit wird indirekt die Kernfrage deutlich, die er unbeantwortet lässt: In welche Bereiche sollen Investitionen fließen? All das Gerede über Elektrizität, landwirtschaftliche Zentren und Infrastruktur ist Gerede über Dinge, die Geld kosten. Und die Regierung hat keins.

Die immensen Schulden, die Nigeria angehäuft hat, lasten auf der Regierung. Der Schuldendienst und die Gehälter der Regierung verschlingen 90 Prozent des laufenden Haushalts. Da bleiben nur höchstens zehn Prozent für Investitionen und Kopfschmerzen für die Finanzpolitiker übrig. Der Beweis dafür, ob Tinubu es ernst meint und ein besseres Nigeria schafft, werden nicht weitere Runden plakativer Ankündigungen und Gemeinplätze sein. Er muss vielmehr eine Antwort auf die Frage geben, wie er die katastrophale Schuldenlast senken und den Haushalt sanieren will. Das allein würde genügen, ihn als erfolgreichen Präsidenten in die Geschichtsbücher eingehen zu lassen.

Dr. Jeremy Gaines ist Inhaber der Unternehmensberatung Gaines Consulting in Frankfurt.

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Presseschau

CBS News: Südafrikas Regierung wird Putin nicht festnehmen. Als Vertragspartei des Internationalen Strafgerichtshofs wäre die Republik am Kap zur Verhaftung des russischen Präsidenten verpflichtet, wenn dieser im August zum BRICS-Gipfel das Land besucht. Um dem zu entgehen, sucht die Regierung nun nach einem rechtlichen Schlupfloch.

Africanews: Opposition will Putin-Besuch verhindern. Die Democratic Alliance, Südafrikas größte Oppositionspartei, ersucht die Gerichte des Landes um eine Anordnung, den Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs Folge zu leisten und Wladimir Putin zu verhaften.

IC Intelligence: 20 Jahre BRICS. In einem Interview beschreibt Jim O’Neill, ehemaliger Chefökonom von Goldman Sachs und Erfinder des Begriffs “BRICS”, was die fünf Mitgliedsstaaten verbindet, warum die Gruppe relevanter denn je ist, und wohin sie sich entwickeln könnte. Dabei geht es vor allem auch um die Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent.

Mail & Guardian: US-Botschafter soll Vorwürfe ohne Rückendeckung erhoben haben. Der amerikanische Botschafter in Pretoria, Reuben Brigety, hat seine Anschuldigungen gegen Südafrika offenbar auf eigene Faust und ohne Absprache mit dem State Department erhoben. Brigety hatte behauptet, Südafrika habe heimlich Waffen an Russland geliefert. Die USA distanzieren sich von Brigetys Vorstoß.

Project Syndicate: Finanzielle Ungleichheiten beseitigen. Ohne Afrika ist eine grüne, gerechte und wohlhabende gemeinsame Zukunft nicht möglich, meinen zwei Gastautoren in einem Meinungsbeitrag. Deshalb liege es im Interesse der Welt, den Kontinent zu unterstützen, und zwar nicht durch Wohltätigkeit, sondern durch die Förderung von Lösungen unter afrikanischer Führung.

The Guardian: Ghanaische Altkleiderhändler fordern Unterstützung. Die riesigen Mengen gebrauchter Kleidung, die von Europa nach Westafrika exportiert werden, verschmutzen dort die Umwelt in erheblichem Maße. Eine Gruppe ghanaischer Händler reiste nun nach Brüssel mit dem Ziel, die Verursacherländer finanziell stärker in die Verantwortung für die Schäden zu nehmen.

Foreign Policy: Tunesien verschließt die Augen vor Antisemitismus. Nach dem tödlichen Angriff auf eine Synagoge im Norden des Landes weist Präsident Saieds Regierung alle Vorwürfe von sich. Ihm wird vorgeworfen, die im Land verbreiteten antisemitischen Ressentiments zu befeuern anstatt die tunesischen Juden in Schutz zu nehmen.

New York Times: Verwirrung um Benin-Bronzen. Die Bemühungen um die Rückgabe der Bronzen wurden durch die Nachricht beflügelt, dass in Nigeria ein Museum für die Schätze geplant war. Dann sorgte eine überraschende Ankündigung für Unsicherheit.

Heads

Karl-Werner Schulte – Vater der Immobilienökonomie in Afrika

Karl-Werner Schulte, Professor für Immobilien-Ökonomie.
Karl-Werner Schulte, Professor für Immobilienökonomie.

Nur ein Mal seit dem Jahr 2000 hat Karl-Werner Schulte auf der Jahreskonferenz der African Real Estate Society (AfRES) gefehlt. Das war 2022 wegen einer lange geplanten Reise in die Arktis. Die Konferenz wechselt im Uhrzeigersinn den Veranstaltungsort. Im September dieses Jahres wird sie in Nairobi stattfinden, nächstes Jahr voraussichtlich in Botsuana. Die AfRES vereint laut Schulte alle wichtigen Vertreter der Immobilienforschung auf dem Kontinent. Viele Jahre lange war der BWL-Professor “Chief” der Vereinigung, Nana Obuanipa AfRES I.

Damit hatte er schon früh vor mehr als 20 Jahren einen Trend erkannt, der nun erst zum Tragen kommt. Mit der Urbanisierung, der Entstehung größerer Unternehmen und der Industrialisierung bilden sich in vielen afrikanischen Metropolen institutionalisierte Immobilienmärkte heraus mit Investoren, die aus finanziellem Interesse in Immobilien investieren. An Börsen wie Johannesburg werden bereits Investmentvehikel wie Real Estate Investment Trusts (REITs) gehandelt. Auch beginnen Pensionsfonds, die immer größere Bedeutung in Afrika gewinnen, systematisch in afrikanische Immobilien zu investieren.

Lehrstuhl für Immobilienökonomie im Rheingau

Schulte ist zweifelsohne einer der kreativsten Köpfe in der deutschen Betriebswirtschaftslehre. 1986 baute er an der privaten Hochschule European Business School (EBS) im Rheingau den Lehrstuhl für Investition und Finanzierung auf. 1990 gründete er an der EBS das von ihm so benannte Fachgebiet Immobilienökonomie.

Ziel der neuen Fachrichtung ist es laut Schulte, das Thema Immobilien “in interdisziplinärer Weise auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Sicht” zu behandeln. Dabei fließen Volkswirtschaftslehre, Immobilienrecht, Stadtplanung, Architektur und das Bauingenieurwesen hinein. “Dieses Modell kam unglaublich gut an”, erinnert sich Schulte.

Zunächst hatte er an der EBS-Immobilienakademie einen berufsbegleitenden Aufbaustudiengang entworfen, in dem sich gestandene Manager ein Jahr lang über 60 Tage hinweg das notwendige Wissen erarbeiten konnten. Später kam ein Stiftungslehrstuhl hinzu und der Einbau der Immobilienökonomie als Wahlfach ins BWL-Studium. 2006 kam ein großer Wechsel für Schulte: Er wechselte mit der Immobilienakademie und dem Stiftungslehrstuhl an die Universität Regensburg und gründete dort die International Real Estate Business School (IREBS). Die Zahl seiner Absolventen schätzt Schulte auf “gut 5000”.

Globales Netzwerk zur Immobilienforschung

Schon 1991 gründete Schulte eine Gesellschaft zur immobilienwirtschaftlichen Forschung, als zeitgleich die European Real Estate Society entstand. Diese ist Teil eines globalen Netzwerks, zu der auch die African Real Estate Society gehört. Als Schulte Weltpräsident der Real Estate Society wurde, nahm er an einer Immobilienkonferenz in Arusha, Tansania, teil. “Da hatte mich die Leidenschaft für Afrika gepackt”, erzählt er.

Damals beschränkte sich das Immobilienstudium in Afrika auf Property Rights, Rural Planning, Surveying, Valuation. Schulte dagegen erkannte das Defizit und förderte eine betriebswirtschaftliche Betrachtung von Immobilien auf dem Kontinent. So wurde er zum Vater der Immobilienökonomie in Afrika – mit Erfolg. “Heute beziehen die meisten Studiengänge Wirtschaftswissenschaften ein”, sagt der Ökonom.

Andere Bedürfnisse an Gebäude

Die Immobilienwirtschaft in Afrika unterscheidet sich dennoch in vielen Aspekten: “In Europa spielt die Schutzfunktion von Immobilien keine große Rolle mehr, in Afrika schon”, sagte Schulte. Deshalb seien zwischen Kapstadt und Algier bezahlbares Wohnen und die Schaffung von menschenwürdigem Wohnraum auch für die Forschung wichtige Themen. Und: “Mit der Entstehung der Mittelschicht wachsen die Bedürfnisse”, sagt Schulte. “Damit werden mehr Einkaufszentren notwendig, Büros, Bahnhöfe, Hotels, Flughäfen und viele andere Formen von Immobilien.”

Trotz aller Nähe zur Praxis sorgt sich Schulte weiter um die Forschung: “Wir müssen mehr Möglichkeiten schaffen, damit die Studenten eine Promotion finanzieren können.” Das größte Problem für die Immobilienforschung in Afrika ist jedoch, dass die meisten ökonomischen Fachzeitschriften Artikel aus Afrika ablehnen. Aber auch hier geht Schulte einen innovativen Weg: Seine Stiftung begann, eine eigene Zeitschrift zu verlegen, in der afrikanische Immobilienökonomen nun ihre Forschungsergebnisse publizieren können. Christian von Hiller

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Africa.Table Redaktion

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    die neue Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft zu Gast bei Table.Media: Sabine Dall’Omo ist eine Kennerin des Kontinents. Seit fast 20 Jahren lebt sie dort und leitet inzwischen als CEO die Geschäfte und Interessen des Siemens-Konzerns auf diesem Erdteil. Man sollte ihr also genau zuhören, wenn es um die Frage geht, wie Afrika endlich ein Kontinent der Chancen wird. Ihre nüchterne Analyse: Der Einfluss des Westens ist kontinuierlich geschrumpft, während China, Russland und andere Länder ihren Impact vergrößert haben. Sie fordert neue Ideen und Strategien, um diesen Vormarsch zu stoppen.

    Um Augenhöhe geht es auch in unserer zweiten Analyse. Die neue EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in den Lieferketten sorgt für heftigen Streit im Europäischen Parlament. Die afrikanische Wirtschaft, die von diesen Regulierungen in hohem Maße betroffen ist, spricht von Neokolonialismus und wittert Strafen und Handelshemmnisse. Eigentlich selbstverständlich, dass man solche Regelungen vorab mit den Betroffenen bespricht. Genau das aber ist möglicherweise unterblieben – die Afrikaner stehen vor vollendeten Tatsachen.

    Entwicklungspolitik ist ein streitbares Feld. Das gilt auch für die Frage, wer bekommt wieviel Geld und wofür. Das in Bonn ansässige DEval, ein Institut für Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit, kritisiert nun das BMZ: Zu viele Entwicklungsgelder, zu breit gestreut, fehlende Fokussierung auf besonders bedürftige Länder. Horand Knaup hat sich die Studie des DEval genau angeschaut.

    Wie immer für Sie auch in dieser Ausgabe Nachrichten, ein Meinungsbeitrag zu Nigerias Kurs in der Wirtschaft sowie der Blick in internationale Medien.

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    Ihr
    Harald Prokosch
    Bild von Harald  Prokosch
    • BMZ
    • Lieferketten

    Interview

    Der Westen ist ideenlos

    Sabine Dall’Omo beim Besuch der Table.Media-Redaktion in Berlin.

    Im Gespräch mit Table.Media kritisiert die Managerin, die Industrieländer würden bei vielen Entscheidungen die Folgen für den afrikanischen Kontinent zu wenig bedenken. Seit 2014 ist die Managerin CEO von Siemens Southern and Eastern Africa und nun auch neue Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

    Es ist unverkennbar: Viele afrikanische Länder treten inzwischen deutlich selbstbewusster auf als früher. Wie sollten wir damit umgehen?

    Wir dürfen nicht nur Versprechen machen, sondern müssen auch liefern. Afrika ist durch die Pandemie und die Gründung der kontinentalen Freihandelszone näher zusammen gerückt. Der westliche Einfluss auf dem Kontinent ist geschrumpft, während China, Russland und andere Länder ihren Impact vergrößert haben. Hier hat es den westlichen Ländern bis jetzt an Ideen und Strategien gefehlt.

    Auf der Suche nach neuen Energiequellen für mehr Diversifizierung scheint Afrika plötzlich für Deutschland interessant geworden zu sein. 

    Ja, und wir sollten verstehen, dass die Partnerschaft mit unserem Nachbarkontinent nicht nur wirtschaftlich von immenser Bedeutung ist, sondern auch politisch immer wichtiger wird. Frühere Erfahrungen sind dabei nicht vergessen. Unsere koloniale Vergangenheit ist vielen Menschen in Afrika noch im Gedächtnis. Während der Pandemie sind Covid-Impfungen in Afrika verspätet angelaufen, weil die Industrieländer Impfstoffe für ihre eigene Bevölkerung gehortet hatten. Derweil müssen wir den multiplen Krisen der Gegenwart partnerschaftlich begegnen. Das gilt für die durch den Ukrainekrieg verschärfte Ernährungskrise in einigen afrikanischen Ländern genauso wie für den Aufbau einer Gesundheitsinfrastruktur oder die Folgen der Klimaerwärmung. Obwohl der Kontinent weniger als vier Prozent der globalen Emissionen verursacht, ist Afrika überproportional von den Klimafolgen betroffen. Zugleich gibt es einen enormen Bedarf bei Energieversorgung, Industrialisierung und in der Infrastruktur.

    Kann Afrika direkt in das Zeitalter Erneuerbarer Energien einsteigen, ohne fossile Umwege?

    Wir müssen sehen, dass afrikanische Länder eigenes Öl, Gas und Kohle nicht importieren und damit auch nicht teuer bezahlen müssen. Wenn wir die verstärkte Nutzung fossiler Brennstoffe verhindern wollen, müssen wir Alternativen anbieten. Also, wie können wir Afrikaner dabei unterstützen, Erneuerbare zur Verbesserung ihrer Energieversorgung zu nutzen?

    Mir scheint, wir haben bisher zu wenig Ideen entwickelt, um die Beziehungen zwischen Europa und Afrika auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. Es fehlt zum Beispiel an Finanzierungskonzepten für Erneuerbare Energien gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen. Afrikanische Länder können insgesamt attraktiv werden für Investitionen, aber hier muss auch die deutsche Politik ihre Unternehmen durch entsprechende Risikoabsicherungen und Finanzierungsangebote unterstützen.

    Bisher ist der Kontinent häufig vor allem ein Absatzmarkt. Große Investitionen und wertschöpfende Prozesse deutscher Unternehmen fehlen meist. Wie lässt sich das ändern?

    Das stimmt leider: Afrika wird zu oft als Rohstofflager gesehen, die Wertschöpfung erfolgt woanders. Es fehlt an Infrastruktur, oft sind die globalen Lieferketten außerdem zu günstig, und der innerafrikanische Warenaustausch funktioniert bisher noch nicht im benötigten Maße. Dabei weisen viele afrikanische Länder ein signifikantes Wirtschaftswachstum auf, die Mittelschicht wächst, und noch viel stärker der Anteil der Jugend an der Gesamtbevölkerung. Dadurch hat sich Afrika in den vergangenen Jahren schneller und dynamischer entwickelt als jede andere Weltregion. Aus meiner Sicht braucht es drei Dinge: Ausbau der Infrastruktur, Qualifizierung der jungen Bevölkerung und wirtschaftliche Kooperation – dann kommt eine bessere Integration in globale Wertschöpfungsketten automatisch.

    Ist Afrika als Chancenkontinent auch auf der Chefetage bei Siemens angekommen?

    Wir sind seit 160 Jahren auf diesem Kontinent vertreten und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Digitalisierung, Energieerzeugung und -verteilung, Infrastruktur – das alles sind unsere Themen, seit Jahrzehnten. Mit dem Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes für die Bahn in Ägypten haben wir mit 8,1 Milliarden Euro einen der größten deutschen Industrieaufträge in Afrika überhaupt gewonnen.

    Was können wir eigentlich von Afrika und seinen Menschen lernen?

    Ich bin jetzt fast 20 Jahre für Siemens dort tätig. Was mich auch heute noch beeindruckt, ist die Adaptionsfähigkeit der Menschen, mit schwierigen Situationen umzugehen. Trotz eines oft problembeladenen Lebens schauen sie meist positiv in die Zukunft. Vieles entsteht aus Notwendigkeit zur Improvisation, und es gibt schon heute viele gut ausgebildete Menschen.

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    Analyse

    EU-Richtlinie zu Lieferketten belastet Beziehungen zu Afrika

    Die Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in den Lieferketten der Unternehmen hat zu heftigen Kontroversen im Europäischen Parlament geführt. Die Richtlinie, ein Pendant zum deutschen Lieferkettengesetz, soll Unternehmen für Umweltzerstörung und Verletzungen der Menschenrechte sowohl innerhalb wie auch außerhalb der EU zur Rechenschaft ziehen. CSDD heißt die Richtlinie, wobei das Kürzel für corporate sustainability due diligence directive steht.

    Die Regeln sollen für europäische Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten, sowie für Nicht-EU-Unternehmen, die mindestens 150 Millionen Euro ihres Umsatzes in der EU erzielen. In einem zweiten Schritt soll die Schwelle auf Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro gesenkt werden.

    Nach einer hitzigen Debatte stimmten 366 Abgeordnete für die Richtlinie, 225 dagegen. In Deutschland hatte noch die alte Koalition ein Lieferkettengesetz beschlossen, das Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die EU-Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die europäische Richtlinie in nationales Recht zu überführen.

    “Aus der Zeit gefallen”

    “Die Richtlinie ist ein bisschen aus der Zeit gefallen”, sagte Axel Voss, EVP-Abgeordneter und Chefverhandler von CDU und CSU, am Freitag auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in Köln. Er befürchtet Nachteile für die europäische Wirtschaft. Vertreter von NGOs auf der Konferenz dagegen bezeichneten die Regulierung als notwendig und überfällig. Wichtig sei es, Transparenz in den Lieferketten zu schaffen, sagte die Vertreterin einer zivilgesellschaftlichen NGO.

    Wir sehen einen Regulierungsimperialismus der EU, bei dem sich Brüssel als Exporteur von Regeln in Drittländer sieht – als Gesetzgeber der Welt”, kritisierte kürzlich Philippe De Baere, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltskanzlei Van Bael & Bellis in Brüssel und spezialisiert auf EU- und WTO-Handelsrecht.

    Lange Listen mit Klagen

    Doch nicht nur in Europa, auch in Afrika sorgen die europäischen Lieferkettengesetze für Kontroversen. Die Kritik lässt sich auf einige Kernpunkte zusammenfassen:

    • Afrikanische Institutionen wie die Afrikanische Union seien an der Formulierung der Lieferkettenregulierung nicht beteiligt worden.
    • Die Vorschriften erhöhten den Aufwand und die Nachweispflichten für afrikanische Unternehmen, wodurch diese im Handel mit Europa weiter benachteiligt würden.
    • Anstatt die afrikanischen Unternehmen zu Sorgfalt zu ermutigen, drohen ihnen Strafen.
    • Europa habe sich ohne Diskussion auf Gesetze und bürokratische Verfahren festgelegt. Alternativen auf freiwilliger Basis wie “name and shame”, Zertifizierungen oder Gütesiegel habe Europa verworfen.
    • Europa setze unter Missachtung internationaler Handelsinstitutionen wie der WTO neue Handelsbarrieren.

    Auch er hätte eine Einbeziehung der WTO besser gefunden, gab der EU-Abgeordnete Voss zu. Doch es sei leider illusorisch, solche Initiativen über die WTO in Gang setzen zu wollen.

    Afrika steht besonders im Fokus der Lieferkettengesetze der EU und der nationalen Staaten. Die Landwirtschaft gilt als anfällig für Verstöße, zum Beispiel beim Anbau von Kakao und Tropenfrüchten. Dort kommt es immer wieder zu teils schweren Verstößen gegen das Verbot von Kinderarbeit und zu anderen Menschrechtsverletzungen. Der Bergbau in Afrika ist außerdem kritisch in Bezug auf die Einhaltung grundlegender Umweltstandards.

    Die oft informelle Funktionsweise der afrikanischen Wirtschaft erschwert die Umsetzung von ESG-Systemen und die Erhebung von Sozial- und Umweltdaten, die für alle Unternehmen aus den Verpflichtungen im Zusammenhang mit der EU-Lieferketten-Richtlinie gefordert werden”, beklagt der Afrika-Journalist Pierre-Samuel Guedj.

    EU will auch positive Anreize setzen

    Auch Markus Pieper, Europa-Abgeordneter der CDU und Mittelstandssprecher der CDU/CSU-Gruppe, griff die Kritik aus Afrika auf: “So hat der kongolesische Verband der Kleinbauern die EU-Vorgaben bereits als ,Neokolonialisierung’ bezeichnet“, schreibt er in einer Stellungnahme. “Wenn man per GPS belegen soll, dass Kakao zwischen den Bäumen und nicht anstelle von Bäumen angepflanzt wird, bleiben Kleinbauern auf der Strecke.”

    Neben den Sanktionen, die die Lieferketten-Richtlinie vorsieht, will die Europäische Kommission auch positive Anreize setzen. So hat Leopoldo Rubinacci, stellvertretender Leiter der Generaldirektion Handel, in der vergangenen Woche bekräftigt, dass die EU auf “Win-Win-Partnerschaften” mit Afrika im Rohstoffsektor setze.

    Alle bisher erschienen Texte der Serie “Reguliert Europa die Welt?” lesen Sie hier.

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    • Lieferkettengesetz
    • Reguliert Europa die Welt?
    • Rohstoffe

    BMZ-Entwicklungsarbeit: Zu viele Gelder, zu breit gestreut

    Die Fachwelt ist sich eigentlich einig: In der Entwicklungspolitik ist eine Konzentration der Mittel, sektoral und regional, allemal effektiver als eine breite Streuung der zur Verfügung stehenden Gelder. Das hatte sich schon BMZ-Ressortchefin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vor 20 Jahren zu eigen gemacht. Vier Beschlüsse hat die Bundesregierung seither verabschiedet, um die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) stärker zu konzentrieren. Zuletzt im Reformkonzept “BMZ 2030”, das 2020 unter Gerd Müller (CSU) verabschiedet und maßgeblich von seinem Staatssekretär Martin Jäger entwickelt worden war.

    Das in Bonn beheimatete DEval (Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit) hat nun in einer Studie herausgearbeitet, dass die Beschlüsse Makulatur geblieben sind. Die Bestrebungen hätten weder zu einer “deutlichen Reduktion der Länder”, noch zu “einer signifikanten geografischen Konzentration der Zusagen geführt. Im Gegenteil, trotz erheblicher Bemühungen erwiesen sich die Ausgabemuster seit dem Jahr 2000 als weitgehend stabil: “eine Konzentration der Mittel hat nicht stattgefunden”. Die Studie ist schon ein paar Monate alt, Aufmerksamkeit erfuhr sie seither erstaunlich wenig.

    “Eine Reduktion der geförderten Schwerpunkte ist nicht erkennbar”

    Bilaterale Hilfen haben sich zwischen den Jahren 2000 und 2020 sogar mehr als vervierfacht. Was auch damit zu tun hatte, auch wenn nicht in der Studie explizit erwähnt, dass die Minister Dirk Niebel (FDP) und Gerd Müller (CSU) keine Freunde großer multilateraler Hilfszusagen waren. Sie hatten mehr übrig für bilaterale Vereinbarungen. Bilanz der Studie: “Die Bemühungen mehrerer Regierungen, die deutschen Entwicklungsmittel zu konzentrieren, sind weitgehend erfolglos geblieben.” Und: “Genauso wenig ist eine Reduktion der durchschnittlich in einem Jahr geförderten Schwerpunkte erkennbar.”

    Bis zu 85 Kooperationsländer gleichzeitig habe es zeitweise gegeben. Bis 2020 sei die Zahl auf 60 zurückgegangen, im Jahr 2021 kam mit Sierra Leone wieder ein neuer Partner hinzu. Dabei seien einerseits besonders bedürftige, andererseits eher demokratisch regierte Länder bedacht worden. Tatsächlich habe sich gute Regierungsführung für die Partnerländer ausgezahlt. So heißt es in der Studie: “Besser regierte Länder finden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auf der Liste bilateraler Partner.”

    Obendrein, so konstatiert das DEval, hätten “außenwirtschaftliche Interessen und die Nähe zu Deutschland die Mittelvergabe beeinflusst”. Oder anders: Länder, in die Deutschland freizügig Waren exportieren kann und die in Afrika oder im Nahen Osten liegen, waren bei der Mittelvergabe im Vorteil.

    Für die nächsten Jahre, so schreibt das DEval, zeichneten sich schwierige Abwägungsprozesse ab. Die Mittelvergabe zu konzentrieren, führe naturgemäß dazu, die Zusammenarbeit mit dem einen oder anderen Partner zu beenden. Dies sei “ein mit großen Herausforderungen verbundener Schritt”. Denn die Erfahrung sei: “In den hier untersuchten 20 Jahren gab es nach jeder Konzentration kurz darauf eine Gegenbewegung”.

    Gestiegene internationale Erwartungen an die deutsche EZ

    Vor allem aber: Schlecht oder autoritär regierte Länder sind meist besonders hilfsbedürftig. Aber soll man Autokraten auch noch mit bilateralen Abkommen unter die Arme greifen? Dazu schreiben die Autoren: “Es wird auch weiterhin eine anspruchsvolle Aufgabe sein, dieses Spannungsfeld gut auszutarieren.”                           

    Das heute von Svenja Schulze (SPD) geführte BMZ hat nach Erscheinen der Studie seinen Politikansatz begründet – und der Kritik in Teilen widersprochen. Eine inflationsbereinigte Vervierfachung des Volumen der bilateralen Mittel sei mit neuen und erweiterten Zielsetzungen einhergegangen. Hinzu kämen gestiegene internationale Erwartungen an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland sei inzwischen international zweitgrößter Geber (unter den OECD-Ländern). Und schließlich gebe es eine Reihe neuer Aufgaben, etwa im Klimabereich, beim globalen Gesundheitsschutz oder beim Thema Flucht und Migration

    Außerdem, so heißt es in der Stellungnahme, sehe das Konzept “BMZ 2030” bei bilateralen Partnern eine Fokussierung der Zusammenarbeit auf maximal drei Kernthemen vor. Das werde in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt.

    Und, so ergänzt eine Sprecherin: In einer multipolaren Welt sei eine Vielzahl von Partnerschaften auf allen Kontinenten für Deutschland enorm wichtig. Darum könne es “bei aller wünschenswerten Fokussierung auch immer wieder gute Gründe geben, Kooperationsmodelle anzupassen und Partnerschaften auszuweiten”.

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    News

    Senegal blockiert mobiles Internet nach schweren Unruhen

    Im Senegal, einem engen demokratischen Partner Deutschlands in Westafrika, sind nach Behördenangaben mindestens 16 Menschen bei schweren Ausschreitungen getötet worden, viele durch Schussverletzungen. Das Rote Kreuz sprach von 357 Verletzten, davon 36 Sicherheitskräften. Die Regierung von Präsident Macky Sall blockierte den Zugang zu mobilem Internet. Zur Begründung teilte diese mit, dass über soziale Medien “hasserfüllte und subversive” Nachrichten online gestellt worden seien. Bis zum Redaktionsschluss war die Blockade nicht aufgehoben.

    Schon in der vergangenen Woche hatte die Regierung den Zugang zu bestimmten Messaging-Plattformen beschnitten. Viele Internetnutzer konnten jedoch diese Einschränkung durch die Nutzung virtueller privater Netzwerke umgehen. Diese verschleiern den Standort des Benutzers. Der Ausfall wurde am Wochenende auf alle Daten auf mobilen Internetgeräten in bestimmten Gebieten und zu bestimmten Zeiten ausgeweitet, hieß es weiter.

    Nach der Verurteilung des prominenten Oppositionspolitikers Ousmane Sonko am vergangenen Donnerstag gingen zehntausende Demonstranten landesweit an mehreren Tagen auf die Straße. Der besonders bei der senegalesischen Jugend beliebte Sonko wurde in Abwesenheit wegen der Verführung einer jungen Frau im Alter von weniger als 21 Jahren zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil könnte ihn von der Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2024 ausschließen. Präsident Macky Sall erwägt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, obwohl dies nach Meinung von Experten und Zivilgesellschaft gegen die Verfassung verstößt.

    In Dakar sowie der im Süden des Landes gelegenen Stadt Ziguinchor, in der Sonko Bürgermeister ist, warfen Demonstrierende mit Steinen und legten Feuer. Auch Supermärkte und Tankstellen französischer Unternehmen wurden angegriffen. Polizei und Gendarmerie setzten Tränengas ein. In Teilen Dakars waren Soldaten der senegalesischen Armee auf den Straßen.

    ECOWAS, AU, EU, UN-Generalsekretär Guterres sowie die USA und Frankreich verurteilten die Gewalt und riefen zu friedlichem Dialog auf. Der Senegal ist eines der Partnerländer der 2017 gestarteten Initiative “Compact With Africa”, die die wirtschaftliche Entwicklung in ausgewählten afrikanischen Ländern fördern soll. Sie wurde unter der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 initiiert.

    Die tagelangen Ausschreitungen dürften einen schweren wirtschaftlichen Schaden verursacht haben. Das Land verfolgt ein ambitioniertes Entwicklungsprogramm und will noch in diesem Jahr mit der Ausbeutung von Gasressourcen beginnen. Schulen und Universitäten waren tagelang geschlossen und Geschäfte stark eingeschränkt. An vielen Bankautomaten in der Hauptstadt Dakar war kein Bargeld verfügbar. lcw

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    Kenia auf der Suche nach Geldquellen

    Kenias Präsident William Ruto hat von seinem Vorgänger Uhuru Kenyatta jede Menge Schulden übernommen. Laut der kenianischen Zentralbank lag die Gesamtverschuldung Ende 2021 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) bei 8,2 Billionen Schilling (55 Milliarden Euro). Die Auslandsverschuldung betrug damals 27,6 Milliarden Euro. Die Schuldenquote beträgt rund 67 Prozent des BIP.

    Vergangene Woche erhielt die Regierung von einem Bankenkonsortium einen Kredit über 500 Millionen Dollar. Zum Konsortium zählen die Citibank, British Standard Chartered Bank, Stanbic Bank und RMB aus Südafrika, die bisher als Rand Merchant Bank firmierte. Dieser Kredit wurde durch die Zusage neuer Mittel seitens der Weltbank und des IWF möglich. So kommt von der Weltbank eine Finanzierung über eine Milliarde Dollar.

    Unterdessen haben kenianische Banken ihren Bestand an kenianischen Staatsanleihen seit Jahresbeginn reduziert. Dies geht aus den jüngsten Quartalsberichten hervor. So besaß Standard Chartered am Ende des ersten Quartals Staatsanleihen von 95 Milliarden Schillling (639 Millionen Euro). Das sind 6,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Cooperative Bank reduzierte ihr Staatsanleihebestand um 2,3 Prozent auf 179 Milliarden Schilling (1,2 Milliarden Euro). Die Equity Bank senkte ihr Portfolio um 7,7 Prozent auf 216 Milliarden Schilling (1,4 Milliarden Euro).

    Der IWF und die kenianische Regierung haben sich vor rund zwei Wochen auf eine Finanzierungshilfe über eine Milliarde Dollar verständigt. Die Vereinbarung umfasst die Überprüfung der im April 2021 genehmigten Vereinbarungen zur erweiterten Fondsfazilität (Extended Fund Facility, EFF) und zur erweiterten Kreditfazilität (Extended Credit Facility, ECF) sowie eine neue Vereinbarung im Rahmen der Resilienz- und Nachhaltigkeitsfazilität (Resilience and Sustainability Facility, RSF).

    Die Vereinbarungen über die EFF und die ECF sollen um zehn Monate bis April 2025 verlängert werden. Der Betrag, den Kenia im Rahmen dieser beiden Fazilitäten erhält, soll um etwa 544 Millionen Dollar erhöht werden. Kenia soll außerdem rund 544 Millionen Dollar im Rahmen der RSF herhalten. Im Rahmen der Budgethilfe soll Kenia zudem umgerechnet 410 Millionen Dollar erhalten, wodurch Kenias Verschuldung gegenüber dem IWF auf rund zwei Milliarden Dollar steigt. Der vereinbarte Gesamtrahmen liegt bisher bei 2,4 Milliarden Dollar. Die Vereinbarung will das Exekutivdirektorium des IWF im Juli formal beschließen. hlr

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    Frisches Geld für Kamerun 

    Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat bei Regierungsverhandlungen neue Mittel für die Entwicklungsarbeit in Kamerun zugesagt. Insgesamt geht es um einen Betrag von 60 Millionen Euro, unter anderem für ländliche Entwicklung und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

    Rund 20 Millionen Euro davon sind für den Schutz des zentralafrikanischen Kongo-Regenwaldes gedacht, einem für das globale Klima besonders wichtigen Ökosystem mit großer Artenvielfalt und zugleich von zentraler Bedeutung als Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Der Kongo-Regenwald liegt im Kongobecken in der Mitte des afrikanischen Kontinents über mehrere Länder hinweg, etwa Angola, die Zentralafrikanische Republik, Kongo-Brazzaville und die DR Kongo.

    Kameruns Süden bildet den westlichen Ausläufer des riesigen Waldes. Im Kongobecken wächst rund ein Viertel der weltweit noch vorhandenen tropischen Regenwälder. Mit den neuen Mitteln für den Waldschutz unterstützt das BMZ in Kamerun Projekte gegen die Rodung, die zugleich neue Einkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung schaffen. ajs

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    Flasbarth besucht Horn von Afrika 

    Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Jochen Flasbarth, ist zurzeit auf Reisen in Ostafrika. Bis zum 6. Juni besucht Flasbarth drei Länder am Horn von Afrika und den Sitz der Afrikanischen Union (AU). Erste Station ist Somalia, wo der deutsche Staatssekretär mit Regierungsvertretern über die anhaltende Dürre in der Region sowie über Überschwemmungen spricht. Außerdem geht es bei der Visite um die angespannte Sicherheitslage sowie die Rechte von Frauen und Kindern. 

    In Kenia geht es um die deutsch-kenianische Klima- und Entwicklungspartnerschaft, ebenso neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die junge Bevölkerung. Kenia will mit deutscher Unterstützung die berufliche Bildung fördern. Flasbarth wird auch Gespräche über die deutsche Unterstützung des ersten afrikanischen Klimagipfels führen, den Kenia im September ausrichten will. 

    In Äthiopien schließlich geht es um den Friedens- und Versöhnungsprozess nach dem Bürgerkrieg in der nördlichen Region Tigray. Darüber hinaus besucht Flasbarth den Sitz der AU in Addis Abeba, um dort über die aktuelle Unsicherheit am Horn von Afrika sowie die Friedensinitiativen der AU zu sprechen. Im Fokus stehen dabei Sudan und Äthiopien. ajs

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    Standpunkt

    Tinubus Wirtschaftsprogramm bleibt zu vage

    Von Jeremy Gaines
    Nigeria-Kenner Jeremy Gaines.

    Seit gut einer Woche hat Nigeria den fünften Präsidenten seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1999. Der Milliardär Bola Ahmed Tinubu, Geschäftsmann und ehemaliger Gouverneur des Staates Lagos, wurde feierlich in sein Amt eingeführt. Doch Tinubu ist offensichtlich nicht bei bester Gesundheit. Unmittelbar nach der Wahl verbrachte er einen Monat für medizinische Behandlungen in Europa. Verschlechtert sich sein Gesundheitszustand, wird dies zur Belastung für die neue Regierung.

    Seine langatmige Antrittsrede ist voller großartiger Aussagen über die Größe Nigerias und der Nigerianer, aber wo sie konkret werden sollte, bleibt sie vage. “Wir werden unsere Wirtschaft umgestalten, um Wachstum und Entwicklung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Ernährungssicherheit und ein Ende der extremen Armut zu erreichen”, sagt er beispielsweise.

    Die Frage, wie dieser “Umbau” aussehen soll, lässt Tinubu unbeantwortet. So kündigt er eine Haushaltsreform an, “die die Wirtschaft anregt, ohne Inflation zu erzeugen”. Es ist richtig, dass seit Jahren eine hohe Inflation herrscht, die Buhari unter anderem durch die Schließung der Grenzen für bestimmte Lebensmittel verursacht hat. Wie diese Reform aussehen soll, behält Tinubu bisher für sich. Sein zweiter Punkt ist, die heimische Produktion zu fördern und die Abhängigkeit von Importen zu verringern. Doch wie will er das bewerkstelligen? Wie will er Zölle und Steuern senken, wo doch Nigeria für seine geringen Steuereinnahmen und seine Zollbürokratie bekannt ist?

    Wie soll Strom erschwinglicher werden?

    Sein dritter Punkt: Elektrizität soll zugänglicher und erschwinglicher werden. Die Stromerzeugung will er nahezu verdoppeln und das Stromnetz verbessern. “Wir werden die Bundesstaaten ermutigen, auch lokale Quellen zu erschließen“, kündigt er an. Das ist nichts Neues. Alle Präsidenten versprechen mehr Strom, und die Bundesstaaten werden bereits durch die jüngsten Gesetze einbezogen.

    Die Aussage ist in anderer Hinsicht problematisch: Wie soll der Strom günstiger werden, wenn der Preis, zu dem er an die Abnehmer abgegeben wird, jetzt schon die Energieversorger in den Ruin treibt? Genauso die Absicht, die Kapazität zu verdoppeln: Sieben Gigawatt an Kraftwerken werden einen hohen Preis haben, und die Regierung sieht sich bereits heute mit dem Schuldendienst aus zu hohen Krediten der Weltbank zur Verbesserung des Stromnetzes konfrontiert.

    Das große Haushaltsproblem ist aus Sicht von IWF und Weltbank die Treibstoffsubvention. Tinubu wollte sie im Wahlkampf noch abschaffen. Und nun? Er bleibt vage und kündigt nur an, diese Mittel in die öffentliche Infrastruktur, in Bildung, Gesundheitsfürsorge und Arbeitsplätze umzuleiten. Auf ein konkretes Datum will er sich nicht festlegen. Und es bahnt sich jetzt schon massiver Widerstand an.

    Einmischung in die Geldpolitik

    In Bezug auf die Geldpolitik verwechselt Tinubu die Kompetenzen der Regierung mit denen der verfassungsmäßig unabhängigen Zentralbank. Er sagt: “Die Geldpolitik muss gründlich gereinigt werden. Die Zentralbank muss auf einen einheitlichen Wechselkurs hinarbeiten. Dies wird die Mittel weg von der Arbitrage hin zu sinnvollen Investitionen in Anlagen und Arbeitsplätze lenken, die die Realwirtschaft antreiben. Die Zinssätze müssen gesenkt werden, um die Investitionen und die Kaufkraft der Verbraucher so zu steigern, dass die Wirtschaft auf einem höheren Niveau bleibt.” Der Zentralbank Anweisungen geben zu wollen, ist problematisch, auch wenn eine Abwertung der Naira dem Land helfen würde.

    Während er all diese undefinierten “Nice-to-haves” aufzählt, witzelt er: “Wir werden dafür sorgen, dass Investoren und ausländische Unternehmen ihre hart verdienten Dividenden und Gewinne nach Hause bringen.” Damit wird indirekt die Kernfrage deutlich, die er unbeantwortet lässt: In welche Bereiche sollen Investitionen fließen? All das Gerede über Elektrizität, landwirtschaftliche Zentren und Infrastruktur ist Gerede über Dinge, die Geld kosten. Und die Regierung hat keins.

    Die immensen Schulden, die Nigeria angehäuft hat, lasten auf der Regierung. Der Schuldendienst und die Gehälter der Regierung verschlingen 90 Prozent des laufenden Haushalts. Da bleiben nur höchstens zehn Prozent für Investitionen und Kopfschmerzen für die Finanzpolitiker übrig. Der Beweis dafür, ob Tinubu es ernst meint und ein besseres Nigeria schafft, werden nicht weitere Runden plakativer Ankündigungen und Gemeinplätze sein. Er muss vielmehr eine Antwort auf die Frage geben, wie er die katastrophale Schuldenlast senken und den Haushalt sanieren will. Das allein würde genügen, ihn als erfolgreichen Präsidenten in die Geschichtsbücher eingehen zu lassen.

    Dr. Jeremy Gaines ist Inhaber der Unternehmensberatung Gaines Consulting in Frankfurt.

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    Presseschau

    CBS News: Südafrikas Regierung wird Putin nicht festnehmen. Als Vertragspartei des Internationalen Strafgerichtshofs wäre die Republik am Kap zur Verhaftung des russischen Präsidenten verpflichtet, wenn dieser im August zum BRICS-Gipfel das Land besucht. Um dem zu entgehen, sucht die Regierung nun nach einem rechtlichen Schlupfloch.

    Africanews: Opposition will Putin-Besuch verhindern. Die Democratic Alliance, Südafrikas größte Oppositionspartei, ersucht die Gerichte des Landes um eine Anordnung, den Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs Folge zu leisten und Wladimir Putin zu verhaften.

    IC Intelligence: 20 Jahre BRICS. In einem Interview beschreibt Jim O’Neill, ehemaliger Chefökonom von Goldman Sachs und Erfinder des Begriffs “BRICS”, was die fünf Mitgliedsstaaten verbindet, warum die Gruppe relevanter denn je ist, und wohin sie sich entwickeln könnte. Dabei geht es vor allem auch um die Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent.

    Mail & Guardian: US-Botschafter soll Vorwürfe ohne Rückendeckung erhoben haben. Der amerikanische Botschafter in Pretoria, Reuben Brigety, hat seine Anschuldigungen gegen Südafrika offenbar auf eigene Faust und ohne Absprache mit dem State Department erhoben. Brigety hatte behauptet, Südafrika habe heimlich Waffen an Russland geliefert. Die USA distanzieren sich von Brigetys Vorstoß.

    Project Syndicate: Finanzielle Ungleichheiten beseitigen. Ohne Afrika ist eine grüne, gerechte und wohlhabende gemeinsame Zukunft nicht möglich, meinen zwei Gastautoren in einem Meinungsbeitrag. Deshalb liege es im Interesse der Welt, den Kontinent zu unterstützen, und zwar nicht durch Wohltätigkeit, sondern durch die Förderung von Lösungen unter afrikanischer Führung.

    The Guardian: Ghanaische Altkleiderhändler fordern Unterstützung. Die riesigen Mengen gebrauchter Kleidung, die von Europa nach Westafrika exportiert werden, verschmutzen dort die Umwelt in erheblichem Maße. Eine Gruppe ghanaischer Händler reiste nun nach Brüssel mit dem Ziel, die Verursacherländer finanziell stärker in die Verantwortung für die Schäden zu nehmen.

    Foreign Policy: Tunesien verschließt die Augen vor Antisemitismus. Nach dem tödlichen Angriff auf eine Synagoge im Norden des Landes weist Präsident Saieds Regierung alle Vorwürfe von sich. Ihm wird vorgeworfen, die im Land verbreiteten antisemitischen Ressentiments zu befeuern anstatt die tunesischen Juden in Schutz zu nehmen.

    New York Times: Verwirrung um Benin-Bronzen. Die Bemühungen um die Rückgabe der Bronzen wurden durch die Nachricht beflügelt, dass in Nigeria ein Museum für die Schätze geplant war. Dann sorgte eine überraschende Ankündigung für Unsicherheit.

    Heads

    Karl-Werner Schulte – Vater der Immobilienökonomie in Afrika

    Karl-Werner Schulte, Professor für Immobilien-Ökonomie.
    Karl-Werner Schulte, Professor für Immobilienökonomie.

    Nur ein Mal seit dem Jahr 2000 hat Karl-Werner Schulte auf der Jahreskonferenz der African Real Estate Society (AfRES) gefehlt. Das war 2022 wegen einer lange geplanten Reise in die Arktis. Die Konferenz wechselt im Uhrzeigersinn den Veranstaltungsort. Im September dieses Jahres wird sie in Nairobi stattfinden, nächstes Jahr voraussichtlich in Botsuana. Die AfRES vereint laut Schulte alle wichtigen Vertreter der Immobilienforschung auf dem Kontinent. Viele Jahre lange war der BWL-Professor “Chief” der Vereinigung, Nana Obuanipa AfRES I.

    Damit hatte er schon früh vor mehr als 20 Jahren einen Trend erkannt, der nun erst zum Tragen kommt. Mit der Urbanisierung, der Entstehung größerer Unternehmen und der Industrialisierung bilden sich in vielen afrikanischen Metropolen institutionalisierte Immobilienmärkte heraus mit Investoren, die aus finanziellem Interesse in Immobilien investieren. An Börsen wie Johannesburg werden bereits Investmentvehikel wie Real Estate Investment Trusts (REITs) gehandelt. Auch beginnen Pensionsfonds, die immer größere Bedeutung in Afrika gewinnen, systematisch in afrikanische Immobilien zu investieren.

    Lehrstuhl für Immobilienökonomie im Rheingau

    Schulte ist zweifelsohne einer der kreativsten Köpfe in der deutschen Betriebswirtschaftslehre. 1986 baute er an der privaten Hochschule European Business School (EBS) im Rheingau den Lehrstuhl für Investition und Finanzierung auf. 1990 gründete er an der EBS das von ihm so benannte Fachgebiet Immobilienökonomie.

    Ziel der neuen Fachrichtung ist es laut Schulte, das Thema Immobilien “in interdisziplinärer Weise auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Sicht” zu behandeln. Dabei fließen Volkswirtschaftslehre, Immobilienrecht, Stadtplanung, Architektur und das Bauingenieurwesen hinein. “Dieses Modell kam unglaublich gut an”, erinnert sich Schulte.

    Zunächst hatte er an der EBS-Immobilienakademie einen berufsbegleitenden Aufbaustudiengang entworfen, in dem sich gestandene Manager ein Jahr lang über 60 Tage hinweg das notwendige Wissen erarbeiten konnten. Später kam ein Stiftungslehrstuhl hinzu und der Einbau der Immobilienökonomie als Wahlfach ins BWL-Studium. 2006 kam ein großer Wechsel für Schulte: Er wechselte mit der Immobilienakademie und dem Stiftungslehrstuhl an die Universität Regensburg und gründete dort die International Real Estate Business School (IREBS). Die Zahl seiner Absolventen schätzt Schulte auf “gut 5000”.

    Globales Netzwerk zur Immobilienforschung

    Schon 1991 gründete Schulte eine Gesellschaft zur immobilienwirtschaftlichen Forschung, als zeitgleich die European Real Estate Society entstand. Diese ist Teil eines globalen Netzwerks, zu der auch die African Real Estate Society gehört. Als Schulte Weltpräsident der Real Estate Society wurde, nahm er an einer Immobilienkonferenz in Arusha, Tansania, teil. “Da hatte mich die Leidenschaft für Afrika gepackt”, erzählt er.

    Damals beschränkte sich das Immobilienstudium in Afrika auf Property Rights, Rural Planning, Surveying, Valuation. Schulte dagegen erkannte das Defizit und förderte eine betriebswirtschaftliche Betrachtung von Immobilien auf dem Kontinent. So wurde er zum Vater der Immobilienökonomie in Afrika – mit Erfolg. “Heute beziehen die meisten Studiengänge Wirtschaftswissenschaften ein”, sagt der Ökonom.

    Andere Bedürfnisse an Gebäude

    Die Immobilienwirtschaft in Afrika unterscheidet sich dennoch in vielen Aspekten: “In Europa spielt die Schutzfunktion von Immobilien keine große Rolle mehr, in Afrika schon”, sagte Schulte. Deshalb seien zwischen Kapstadt und Algier bezahlbares Wohnen und die Schaffung von menschenwürdigem Wohnraum auch für die Forschung wichtige Themen. Und: “Mit der Entstehung der Mittelschicht wachsen die Bedürfnisse”, sagt Schulte. “Damit werden mehr Einkaufszentren notwendig, Büros, Bahnhöfe, Hotels, Flughäfen und viele andere Formen von Immobilien.”

    Trotz aller Nähe zur Praxis sorgt sich Schulte weiter um die Forschung: “Wir müssen mehr Möglichkeiten schaffen, damit die Studenten eine Promotion finanzieren können.” Das größte Problem für die Immobilienforschung in Afrika ist jedoch, dass die meisten ökonomischen Fachzeitschriften Artikel aus Afrika ablehnen. Aber auch hier geht Schulte einen innovativen Weg: Seine Stiftung begann, eine eigene Zeitschrift zu verlegen, in der afrikanische Immobilienökonomen nun ihre Forschungsergebnisse publizieren können. Christian von Hiller

    • Wirtschaft

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