Table.Briefing: Africa

Lage in Niger nach dem Putsch + Investitionsrisiken überschätzt + Japan in Afrika

Liebe Leserin, lieber Leser,

offenbar will die Militärjunta in Niger sich dem internationalen Druck nicht beugen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hat sie einen Ministerpräsidenten ernannt. Auch haben sich jetzt die USA in den Konflikt eingeschaltet und eine ranghohe Unterhändlerin zu Gesprächen nach Niamey geschickt. Wir berichten Ihnen die aktuellen Nachrichten bis in die frühen Morgenstunden am heutigen Dienstag.

Auch die längerfristigen Auswirkungen des Staatsstreichs beschäftigen uns. So gehen wir der Frage nach, welche Folgen dieser Putsch für die Region haben wird und welchen Nutzen die deutsche Politik künftig überhaupt noch in der Region stiften kann.

Das Scheitern des Präsidenten Bazoum ist aber auch eine Niederlage für Paris und Berlin. Sowohl der sicherheitspolitisch-militärische Ansatz Frankreichs wie auch das entwicklungspolitische Modell Deutschlands sind gescheitert. Niger haben sie zu einer Vorzeigedemokratie hochstilisiert. Das war, wie sich heute zeigt, verfrüht.

Trotz der angespannten Lage im Sahel haben wir für Sie weitere spannende Analysen, Nachrichten und Einschätzungen aus Afrika. Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre.

Gestatten Sie mir bitte noch einen Glückwunsch in eigener Sache: Heute Morgen um sechs Uhr, ist bei Table.Media die 500. Ausgabe des Europe.Table erschienen. Fünfhundert Briefings, vollgepackt mit News zur Europäischen Politik in Brüssel und tiefgründigen Analysen der EU-Gesetze und -Verordnungen. An (fast) jedem Werktag seit dem 3. August 2021 liefert das Team um Till Hoppe Aktualität, Relevanz und journalistische Qualität. Hier geht’s zum kostenfreien Test.

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Ihr
Christian von Hiller
Bild von Christian  von Hiller

Analyse

Sahelzone wird auf Jahre hinaus instabil bleiben

Trotz des großen internationalen Drucks will die Militärjunta in Niger offenbar weiter Fakten schaffen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hat sie einen Ministerpräsidenten und einen neuen Kommandeur der Präsidentengarde ernannt. Der Ökonom Ali Mahaman Lamine Zeine soll als Premierminister künftig Niger regieren. Er ist ein alter Bekannter der nigrischen Politik. Er war schon Wirtschafts- und Finanzminister des 2010 gestürzten Präsidenten Mamadou Tandja und arbeitete nigrischen Medien zufolge zuletzt als Ökonom für die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) im Nachbarland Tschad. Zudem wurde Oberstleutnant Habibou Assoumane zum Kommandeur der Präsidentengarde ernannt.

Am Sonntag ließ die Militärjunta ein Ultimatum der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verstreichen. Bis dahin sollte die Militärjunta den Weg freimachen für eine Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum. Es war erwartet worden, dass die Ecowas daraufhin militärisch einschreiten könnte. Doch zunächst wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Organisation am Donnerstag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja treffen, teilte die Ecowas mit.

Offenbar streben die Ecowas-Länder eine Lösung auf dem Verhandlungsweg an. Auch die amerikanische Diplomatin Victoria Nuland war als Unterhändlerin am Montag nach Niamey gereist. Sie ist im US-Außenministerium Staatssekretärin für politische Angelegenheiten und damit die Nummer zwei. “Diese Gespräche waren äußerst offen und teilweise recht schwierig”, berichtete sie im Anschluss Pressevertretern. Sie habe den neuen Chef der Armee Moussa Salaou Barmou gesprochen. Weder den neuen Machthaber Abdourahame Tchiani noch den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum habe sie getroffen. Sie habe der Militärjunta “zahlreiche Optionen” aufgezeigt, um den Staatsstreich zu beenden. “Ich hoffe, sie lassen eine Tür offen für die Diplomatie”, sagte Nuland weiter.

Auswärtiges Amt warnt Militärjunta

In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte die Militärjunta den Luftraum über Niger geschlossen. “Jeder Versuch, den Luftraum zu verletzen” werde zu “einer energischen und sofortigen Reaktion” führen, teilten die Putschisten am Montagmorgen mit. Auch hat sich offenbar die Sicherheit des ehemaligen Präsidenten Mohamed Bazoum verschlechtert. Die Putschisten müssten “mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen”, sollte Bazoum und seiner Familie etwas zustoßen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag. “Wir würden das genauso wie unsere afrikanischen Partner als eine Eskalation wahrnehmen.”

Allein die nigerianische Armee wäre wohl in der Lage, eine Militärintervention gegen die Junta in Niamey zu führen. Von der mehr als 400.000 Einwohner großen Stadt Sokoto im Nordwesten Nigerias sind es weniger als 500 Kilometer bis nach Niamey. Nigers Hauptstadt zählt noch zum Ausbreitungsgebiet der Hausa, einer Ethnie, die ihre Heimat nicht nur im Norden Nigerias hat. Etwa 13 Millionen der 25 Millionen Einwohner von Niger sind Hausa. Auch hat der Sultan von Sokoto, ein geistlicher Führer von rund 70 Millionen Muslimen in Nigeria, auch im Nachbarland Niger Einfluss. Seit 2006 übt Muhammad Sa’ad Abubakar das Amt aus. Er ist auch in die Vermittlungsversuche der Ecowas eingebunden.

Die Hoffnungen innerhalb der Ecowas-Gruppe und bei den westlichen Unterstützern Bazoums beruhen offenbar darauf, dass die Kombination aus internationalen Vermittlungsgesprächen und Sanktionen gegen Niger rasch Wirkung zeigen wird. So liefert Nigeria keinen Strom mehr nach Niger, und auch die Bargeldversorgung in Niger wird angeblich schwieriger.

Unterstützung vom ehemaligen Militärattaché in Berlin

Nicht nur wegen der Nähe zu Niamey, auch wegen der Stärke der Armee ist Nigeria der einzige Ecowas-Staat, der eine Militäroperation gegen die Putschisten führen könnte. Sicher, die Präsidentengarde von Abdourahamane Tchiani hat die Unterstützung der Armee bekommen. Das war für ihn wesentlich. Denn Tchiani hat als Mitglied der Präsidentengarde keine Kampferfahrung gesammelt. Dementsprechend gering war sein Ansehen bei der kämpfenden Truppe und bei der Bevölkerung, die unter den wiederholten Übergriffen von Terrorgruppen leidet.

Der Oberste Kommandierende der nigrische Armee, Salifou Mody, ist hinter Tchiani die Nummer zwei der Putschisten. Besonders für die Bundesregierung ist das bitter. Denn in Deutschland hat sich Mody in seiner Zeit als Militärattaché hohes Ansehen erworben. 2020, nach seiner Rückkehr aus Berlin, wurde er zum Chef der Generalstabs ernannt, bis er vor wenigen Wochen, im Juni, als Botschafter in die Vereinigten Arabischen Emiraten entsandt wurde – oder wäre abgeschoben das bessere Wort?

Mody spricht nicht nur gut deutsch. Er war auch der Gewährsmann Deutschlands – und Frankreichs – für die Aufrüstung der nigrischen Armee und ihre Ausbildung durch europäische Truppen. Unter anderem beteiligte sich die Bundeswehr seit Februar 2023 an der EU-Mission EUMPM Niger. Das Mandat sah vor, bis zu 60 Soldaten zu stellen. Tatsächlich wurden in der vergangenen Woche nur zwei Soldaten ausgeflogen, die für EUMPM in Niger waren. Die Mission sah vor, nigrische Spezialkräfte, unter anderem im militärischen Nachrichtenwesen und der Aufklärung, zu trainieren.

Schlüsselrolle für Algerien

Dank der Unterstützung aus Frankreich, Deutschland und der EU hat Niger kräftig aufgerüstet. Der gestürzte Präsident Mohamed Bazoum hatte im Februar 2022 angekündigt, die Truppenstärke bis 2025 auf 50.000 zu erhöhen. Aktuell läge sie bei 30.000, sagte Bazoum damals. Wie realistisch diese Zahl jemals war, lässt sich nicht abschätzen. Auf Wikipedia wird die Truppenstärke mit 5700 angegeben.

Damit kann Niger deutlich weniger Truppen aufbieten als allein Nigeria mit seiner 230.000 Mann starken Armee. Allerdings sind große Teile der nigerianischen Truppen im Kampf gegen Boko Haram im Nordosten Nigerias gebunden. Dabei wird eine Militärintervention nicht nur militärisch entschieden.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt Algerien. Staatschef Abdelmadjid Tebboune ließ am Samstag verbreiten, dass er eine Militärintervention der Ecowas in Niger kategorisch ablehne. “Das war eine echte Überraschung”, sagte der Journalist und Experte für Geopolitik Anthony Bellanger im Radiosender France Inter. “Damit machte er klar, dass es keine Lösung ohne die Einbindung Algeriens geben werde.” Da Algerien nicht Mitglied der Ecowas ist, wird diese Algerien wohl miteinbinden müssen.

Algier hat eine Schlüsselrolle für die Region, nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen Macht, die auf Erdöl und Erdgas gründet, sondern auch wegen seiner langen Grenzen mit Libyen, Mali und Niger. Algerien hat sein Militärbudget laut Bellanger auf 22 Milliarden Dollar erhöht.

Dabei hatte Algerien anfangs selbst zur Regionalisierung des Islamismus beigetragen, als die Armee um 2010 begann, Terrorgruppen über die Grenzen in die Nachbarländer zu verdrängen. Tebboune war aber auch 2015 maßgeblich am Abkommen von Algier beteiligt, das eine politische Lösung für die Konflikte im Sahel bringen sollte. Algerien strebt einen größeren Einfluss an, zumal nach dem Tod von Muammar al-Gaddafi sich mit dem Zerfall Libyens eine Lücke ergeben hat, die Tebboune ausfüllen will.

Anarchie auf 6,4 Millionen Quadratkilometern?

Noch ist offen, wie der Konflikt um die Militärjunta in Niamey ausgehen wird. Im besten Fall findet hinter verschlossenen Türen eine Geheimdiplomatie statt mit dem Ziel, die Putschisten unter Zusicherung ihrer persönlichen Unversehrtheit zur Aufgabe zu bewegen. Vielleicht findet die afrikanische Staatengemeinschaft die Kraft, die Junta aus dem Amt zu heben.

Doch gleichgültig wie der Machtkampf in Niamey ausgeht, langfristig droht die Region zu zerfallen. Libyen, Mali, Burkina Faso, aber auch die Zentralafrikanische Republik und Niger sind nicht mehr in der Lage, ihr Territorium zu kontrollieren. Der Tschad dürfte der nächste Fall sein. Auch die Zukunft des Sudan ist ungewiss.

Damit stünde eine Region von 6,4 Millionen Quadratkilometern de facto ohne Regierung da, eine Fläche anderthalbmal so groß wie die Europäische Union. Unter Einschluss Sudans breitete sich die Anarchie sogar über 8,3 Millionen Quadratkilometer aus.

Die Folge wäre, dass die Region faktisch von konkurrierenden Warlords, Condottieri, Bandenanführern oder anderen Terrorgruppen kontrolliert würde, die sich über Drogenschmuggel, Rohstoffe, die Erpressung der Bevölkerung und vielleicht über Menschenhandel finanzieren.

Eine Rückkehr zum alten Regime in Niger wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Und Europa wird diesem Ende nach der Klatsche von Niger nicht mehr viel entgegenzusetzen haben. Sowohl der sicherheitspolitisch-militärische Ansatz Frankreichs wie auch das entwicklungspolitische Modell Deutschlands sind beide gescheitert.

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Europa braucht eine Idee für Afrika

Das deutsche Entwicklungsministerium hat seine Hilfe umgehend gestoppt, ebenso die Weltbank, die EU und natürlich Frankreich. Dabei ist Niger auf westliche Hilfe besonders angewiesen. Der für die EU bislang so wichtige Partner bei der Eindämmung irregulärer Migration aus den Subsahara-Ländern hatte eine Hilfszusage über rund eine halbe Milliarde Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2024. Damit sollten vor allem Regierungsführung und Bildung vorangebracht werden.

Mit dem Tag des Putsches hat sich all das erst einmal zerschlagen. Niger steuert ohne finanzielle Unterstützung und Entwicklungszusammenarbeit auf ein Desaster zu, wie der Afrika-Experte und Ökonom Robert Kappel sagt. Nach wie vor ist die Lage unübersichtlich. Das macht auch die Zeitachse schwer berechenbar. Je mehr Zeit jetzt ohne Verhandlungen verstreicht, desto fester werden die Putschisten im Sattel sitzen. Militärische Drohungen und Druck auf die Putschisten machten die Lage noch brisanter. Die Folge wäre nicht nur eine massive Verschlechterung der Versorgungslage im Land, sondern auch die Gefahr einer großen Zahl von Binnenflüchtlingen.

In der Falle von Unkenntnis

Mit der Fehleinschätzung der Lage im Niger hat sich die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik eine erstaunliche Schlappe geleistet. An warnenden Stimmen fehlte es nicht, zum Beispiel als der ehemalige französische Botschafter Gérard Araud kürzlich davor mahnte, “Niger sei für Frankreich das, was Afghanistan für die USA ist”. Seiner Regierung in Paris empfahl er, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien zu normalisieren und die afrikanischen Partner als souveräne Nationen zu behandeln. Militärische Präsenz fördere nur die Frustration der lokalen Bevölkerung über Frankreichs koloniales Erbe.

Aus Kappels Sicht ist die deutsche Politik in eine “Falle von Unkenntnis” getappt. Daraufhin habe sich Deutschland weitgehend an Frankreich orientiert, das allerdings mit seinem Fokus auf wirtschaftliche Ausbeutung einen völlig anderen Ansatz in der Zusammenarbeit beider Länder verfolgt habe.
Der Putsch hat ein doppeltes Dilemma offengelegt: Der sicherheitspolitische Ansatz des Westens ist ebenso gescheitert wie der entwicklungspolitische. Die auch von der Bundesregierung verbreitete Erzählung vom “Stabilitätsanker Niger” war Wunschdenken. Die westliche Sahel-Politik, also der ambitionierte Versuch, die Ausbreitung fundamentalistischer und terroristischer Gruppen in einer notorisch instabilen Region durch militärische Präsenz zu unterbinden, ist gescheitert. Überall wurde der “demokratische Machtwechsel” vom Februar 2021 gelobt und die “stabilen Verhältnisse im Land” gepriesen.

Tatsächlich haben weder Deutschland noch Frankreich die Notwendigkeit einer endogenen Entwicklungshilfe erkannt. Besonders Frankreich sieht Kappel in einer Großkrise der Afrikapolitik. Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, kürzlich in einem Post die Ansicht vertrat, Deutschland müsse sich in diesen Fragen jetzt kritisch mit Frankreich auseinandersetzen.

Mehr Wirtschaft in der Entwicklungspolitik

Zum Chaos in der Region trägt aber auch die mangelnde Einigkeit in der EU über eine gemeinsame Afrika-Strategie bei. Einerseits ist die EU zwar ein wichtiger Geber von Entwicklungshilfe, doch über das Vorgehen in der Sahelzone sind sich die EU-Länder uneins. Ex-Botschafter Araud nennt das ein “europäisches Versagen”. Afrika-Experte Robert Kappel pflichtet dem uneingeschränkt bei. Europa habe bis heute versagt darin, ein Konzept für ein Miteinander mit beiderseitigem Nutzen zu entwerfen.
Dabei habe Europa noch immer Assets, mit denen man nicht nur in Niger Punkte machen könne.

Entwicklungspolitik müsse endlich so gemacht werden, dass sie wirtschaftliche Dynamik entfache und Jobs schaffe. Investitionen in Bildung, Startups, Universitätskooperationen, aber auch industrielle gehörten unbedingt dazu. Auf militärische Kriterien sollte sich der Westen jedenfalls nicht stützen, darin weiß sich Kappel mit Ex-Botschafter Araud im Einklang. In wirtschaftlichen Dimensionen denken und sich nicht am französischen Modell von Afrika als Hinterhof orientieren, so müsste für Kappel ein Neustart der Entwicklungszusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent aussehen.

Wie es scheint, hat Nigers Putsch in Afrika eine Grundsatzdebatte über Sicherheits- und Entwicklungspolitik losgetreten, die längst überfällig gewesen wäre. Der Westen kann niemanden von außen entwickeln. Nur endogene Entwicklung verdient diese Bezeichnung, also was Menschen kraft ihres Geistes und ihrer Hände zu leisten imstande und ihr Leben verbessert. Das ist die Lektion für die Entwicklungspolitik.

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Riela setzt im Afrika-Geschäft auf Besuche im Teutoburger Wald

Klaus Kunkemöller ist kein Mann großer Worte. Der Exportleiter beim Anlagehersteller Riela beantwortet Fragen meist mit wenigen Sätzen, manchmal einsilbig mit Ja oder Nein. Dabei hat er Spannendes zu erzählen. Er leitet beim Mittelständler Riela in Hörstel bei Münster den Vertrieb in Afrika und verkauft Maisrebler, Siebreiniger und Lagerungssilos, also verschiedenste Anlagen, mit denen sich Feldfrüchte reinigen, trocknen und lagern lassen.

Für afrikanische Staaten sind solche Anlagen von großer Bedeutung. Das sogenannte African Postharvest Losses Information System zeigt, dass auf dem Kontinent in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt ein Fünftel der Maisernte verloren ging, bevor sie bei den Kunden ankam. Falsche Lagerung und falscher Transport sind wichtige Ursachen dafür, weshalb Agrarprodukte verderben. Werden sie vor der Lagerung nicht gereinigt, faulen sie oder werden von Schädlingen befallen. Viele Institutionen arbeiten an Lösungen, auch die Afrikanische Union. Im September richtet diese zum vierten Mal einen panafrikanischen Kongress zu diesem Thema aus.

Geht es nach Kunkemöller, sollen ein Teil der Lösung Riela-Anlagen aus dem Teutoburger Wald sein. Das Unternehmen ist bisher vor allem in Osteuropa aktiv. “Und weil das Geschäft dort damals gut lief, haben wir vor fast zehn Jahren angefangen, neue Märkte in den Blick zu nehmen: vor allem Afrika”, sagt der Exportleiter.

Der Bedarf wächst mit dem Markt

Die Landwirtschaft sei für den Kontinent wichtig. Die Konkurrenz durch andere Anlagenbauer ist relativ gering, auch wenn Wettbewerber aus China, Indien und der Türkei stärker werden. Der Bedarf für großformatige Anlagen wachse, je stärker sich die Landwirtschaft vor Ort industrialisiere.

Wie andere deutsche Unternehmen steht auch der Mittelständler vor der Frage, wie man den Vertrieb auf dem Kontinent am besten angeht. Das Messewesen im Bereich Landwirtschaft stehe erst am Anfang, sagt Kunkemöller. In vielen Ländern gebe es, wenn überhaupt, nur kleine, regionale Events. Nationale Veranstaltungen wie die jährliche Messe Agrofood Nigeria blieben die Ausnahme. “Das gibt der Markt in vielen Ländern südlich der Sahara noch nicht her”, sagt der Exportleiter. “Das industrielle Niveau der Landwirtschaft in afrikanischen Staaten lässt sich in etwa mit der Landwirtschaft in Deutschland in den 50- oder 60er-Jahren vergleichen.”

Für Riela bedeutet das: Obwohl der Bedarf groß ist und steigt, ist der Markt kleinteilig. Will Kunkemöller ein neues Land erschließen, nimmt er zunächst an einer Markterschließungsreise teil oder besucht auf eigene Initiative kleine Veranstaltungen vor Ort. Dort knüpft er am liebsten Kontakte zu Genossenschaften. Die sind nämlich die spannenden Kunden für Riela: Für einzelne Landwirte sind die Anlagen in der Regel zu groß und zu teuer.

Ein Besuch in Deutschland wirkt am besten

Steht der erste Kontakt, lädt Kunkemöller potentielle Kunden und Regierungsvertreter nach Deutschland ein. Sein Unternehmen betreibt am Sitz in Hörstel eine Ausstellungshalle, in der er die Maschinen zeigen kann. Neben der Technik sei der Service ein wichtiger Aspekt im Verkauf, sagt der Manager. Dafür betreibt Riela großen Aufwand: “Wir beraten die Kunden, wir schulen das Personal vor Ort, und wir empfehlen ihnen Partner aus unserem Netzwerk, falls sie Equipment brauchen, das wir nicht verkaufen.” Reine Nettigkeit ist das nicht: Der Service ist ein wichtiges Argument, um sich von günstigeren Anbietern aus China oder Indien zu unterscheiden.

Zur Unterstützung des Afrika-Geschäfts brauche es bessere Exportkreditgarantien des Bundes für die Region, sagt Klaus Kunkemöller. Das fordert auch der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft immer wieder. Außerdem müsse die Visavergabe für Geschäftsreisende aus Afrika schneller werden, sagt der Manager. “Es gibt Kunden, die der komplizierte Vergabeprozess abschreckt. Die kommen gar nicht erst.”

Sind die Kunden aber erst einmal in Hörstel, steigen die Chancen für einen Verkauf. Stehen die Anlagen dann vor Ort, fragt Kunkemöller die Betreiber, ob sie mit Riela einen Tag der Offenen Tür ausrichten wollen. So können andere Genossenschaften die Anlagen besichtigen. “Manche Kunden machen das, andere scheuen die Konkurrenz”, sagt er. “Aber nachzufragen, ob ein solches Event möglich ist, lohnt sich auf alle Fälle.”

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Interview

“Das Risiko von Investitionen wird oft zu hoch eingeschätzt”

Rob Floyd ist Direktor Innovation und Digitalpolitik beim African Center for Economic Transformation (ACET) in Accra.
Rob Floyd ist Direktor Innovation und Digitalpolitik beim African Center for Economic Transformation (ACET) in Accra.

Welche Länder sind aus Ihrer Sicht die Vorreiter der digitalen Transformation in Afrika?

Kenia ist ein gutes Beispiel. Sie haben die Revolution des mobilen Geldes angeführt, bevor wir überhaupt darüber nachgedacht haben, dass Digitalisierung ein Teil der Wirtschaft sein könnte. Ruanda hat ein sehr starkes Ökosystem für Start-ups und Innovationen. Südafrika hat enorme Mittel in Institutionen und Universitäten investiert, um Innovation und digitale Technologien zu fördern. Und dann haben Länder wie die Elfenbeinküste, Ghana und Senegal, die in bestimmten Teilbereichen gute Fortschritte gemacht, die vielversprechend sind.

Warum ist diese digitale Transformation so wichtig?

Es ist eine Chance für Afrika, einen großen Sprung zu machen. Wenn sie es nicht tun, besteht aber auch ein großes Risiko, dass sie zurückbleiben. Wenn die Länder keine gute Datenschutzpolitik haben, werden sie keine Investitionen erhalten und zurückfallen.

Viele afrikanische Staaten haben aktuell wirtschaftlich aber ganz andere Sorgen und leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges.

Die Exportstruktur vieler afrikanischer Staaten ist nicht viel anders als in den 1960er Jahren. Es überwiegen unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse und Rohstoffe. Die Länder müssen also zum einen ihre Exportbasis verbreitern. Noch wichtiger ist aber, dass sie mehr Wertschöpfung im eigenen Land betreiben.

Welche Länder machen in dieser Hinsicht Fortschritte?

Äthiopien hat in produktive Sektoren und die Bekleidungsindustrie investiert. Die Zahl der Arbeitsplätze, besonders für Frauen und in der verarbeitenden Industrie, ist gestiegen. Togo beispielsweise hat stark in digitale Strategien und Innovation investiert und in diesen Sektoren Arbeitsplätze geschaffen.

Am Ende brauchen die Länder für solche Transformationen Geld. Wo soll das herkommen?

Letztendlich muss das der private Sektor leisten. Die Entwicklungsmittel reichen nicht aus. Investmentfonds werden nur dann investieren, wenn sie überzeugt sind, dass sich die Investition auszahlen wird. Der Schlüssel liegt also darin, das Umfeld für Wirtschaft und Investitionen richtig zu gestalten. Die internationale Gemeinschaft kann hier eine wichtige Rolle spielen.

Private Investitionen in Afrika aus Deutschland zum Beispiel sind verhältnismäßig gering. Wie lässt sich das ändern?

Das Risiko von Investitionen wird oft höher eingeschätzt, als es möglicherweise wirklich ist. Dies liegt zum Teil an den Ratingagenturen. Sie sind in Afrika kaum präsent und haben nicht das gleiche Verständnis für den Kontinent wie für Europa oder die Vereinigten Staaten. Diese Risikowahrnehmung zu verändern ist also von zentraler Bedeutung, damit mehr Investitionen fließen.

Ein weiteres Investitionshindernis ist die hohe Schuldenlast vieler afrikanischer Staaten. Was muss sich in der Schuldenpolitik gegenüber Afrika ändern?

Im ACET setzen wir uns für eine Überarbeitung des derzeit geltenden Systems zur Umschuldung ein. So wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht. Wenn Länder nicht aus ihren Schuldenkrisen herauskommen, stecken sie in einem Kreislauf fest, der Wachstum verhindert.

Sind Sie optimistisch, dass das gelingt?

Ich bin nicht optimistisch, dass der gemeinsame Rahmen in naher Zukunft geändert werden wird. Leider ist der politische Wille nicht mehr so groß wie vor einigen Jahrzehnten. 2005 haben sich einige Staaten verpflichtet, 0,7 Prozent ihres BIP für Entwicklungshilfe auszugeben. Daran haben sich viele nicht gehalten.

Könnte die Weltbank die afrikanischen Staaten besser unterstützen?

Es gibt derzeit Bemühungen, die multilateralen Entwicklungsbanken zu reformieren. Die Eigentümer der Weltbank aber – die Länder der Welt – müssen auch zusätzliche Mittel bereitstellen. Wenn die Länder mit niedrigem Einkommen keine Zuschüsse erhalten, wird sich das auf die SDGs auswirken, also auf Gesundheit, Ernährung und Bildung.

Das Gespräch führte Julian Hilgers.

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News

IWF lobt Tansania

Der stellvertretende geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Bo Li, hat bei seinem Besuch in Tansania die dortige Regierung gelobt. “Ich habe das Engagement der Behörden gelobt, die makroökonomische Stabilität Tansanias in einem schwierigen globalen Umfeld zu erhalten”, sagte er in einer Pressemitteilung vom 1. August. “Die rasche politische Reaktion der Behörden hat dazu beigetragen, die Inflation einzudämmen und die Wirtschaft vor den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu schützen.” 

Im April hatte der IWF die erste Überprüfung des Programms der Extended Credit Facility (ECF) abgeschlossen, wodurch etwa 153 Millionen Dollar für Budgethilfe freigegeben wurden. Damit hat Tansania im Rahmen des Programms Zugriff auf knapp 305 Millionen Dollar. Insgesamt hatte der IWF im Juli vergangenen Jahres etwa 1,04 Milliarden Dollar über drei Jahre in Aussicht gestellt. Die Auszahlung der Budgethilfen ist jedoch an regelmäßige Überprüfungen gebunden. Etwa 152 Millionen waren sofort ausgezahlt worden. 

Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und inländische Faktoren haben die wirtschaftliche Erholung Tansanias von der Pandemie belastet, so dass sich das Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent im Jahr 2021 auf schätzungsweise 4,7 Prozent im Jahr 2022 verlangsamt hat. Für das laufende Jahr wird eine Erholung des tansanischen Wirtschaftswachstums auf 5,2 Prozent prognostiziert, da die globalen Rohstoffpreisschocks nachlassen und sich das Geschäftsumfeld verbessert. ajs

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Japan sucht Partner in Afrika

Die japanische Regierung plant, mit drei afrikanischen Ländern zusammenzuarbeiten, um Lieferketten für Kobalt und andere Mineralien, die für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge wichtig sind, zu entwickeln. Dies berichtet die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei. Tokio wird sich mit Sambia, der DR Kongo und Namibia zusammentun, um die gemeinsame Exploration in den Ländern auszuweiten. Die Projekte sollen noch in diesem Jahr anlaufen. Japans Wirtschafts-, Handels- und Industrieminister Yasutoshi Nishimura besucht die drei Länder auf seiner achttägigen Afrikareise, die am 13. August endet. Der Minister besucht außerdem auch Angola und Madagaskar.  

Japan und Sambia werden damit beginnen, das gesamte afrikanische Land zu erschließen und die Exploration von Kobalt und Kupfer auf Nickel auszuweiten. Über die staatliche Japanische Organisation für Metalle und Energiesicherheit (JOGMEC) wird Japan Fernerkundungstechnologie zur Verfügung stellen, um potenzielle Abbaustätten anhand von Satellitenbildern zu identifizieren. Im Kongo werden die Explorationen für Kupfer und Lithium ausgeweitet. Mit Unterstützung der Japan International Cooperation Agency wird in dem Land ein Fernerkundungszentrum aufgebaut. JOGMEC wird unter anderem dabei helfen, die Menschen vor Ort in dieser Technologie zu schulen. Für Namibia wird Japan einem Arbeitsplan mit Epangelo, der staatlichen Bergbaugesellschaft Namibias, zustimmen, um die Lieferkette für Seltene Erden und andere Mineralien auszubauen. Obwohl Namibia reich an Zink, Kupfer und anderen Ressourcen ist, ist die Lieferkette unterentwickelt. Namibia verfügt jedoch über einen großen Hafen, der das Land zu einem wichtigen afrikanischen Exportzentrum machen könnte.  

Japan ist bestrebt, sich frühzeitig an der Erschließung afrikanischer Minen zu beteiligen, mit dem Ziel, Ressourcen aus der Region zu importieren. Tokio will die Beziehungen zu den drei Ländern vertiefen mit Blick auf den Aufbau einer afrikanischen Lieferkette, die in der Lage ist, wichtige Mineralien zu fördern, zu veredeln und zu transportieren. 

In der vergangenen Woche hat der japanische Außenminister Yoshimasa Hayashi Südafrika, Uganda und Äthiopien besucht. Dabei ging es etwa um die Vertiefung der bilateralen Beziehungen, die afrikanische Friedensinitiative im Ukrainekrieg sowie die Fortführung des von Russland aufgekündigten Schwarzmeerabkommens zum Export von Getreide (Black Sea Grain Initiative, BSGI). Japan unterstützt die afrikanischen Länder in ihrem Drängen gegenüber Russland, die BSGI fortzuführen. Darüber hinaus sprach der japanische Außenminister mit seinen afrikanischen Amtskollegen über verschiedene Krisen auf dem Kontinent, wie etwa den Putsch in Niger, die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Sudan und Äthiopien und die Sicherheitslage im Norden Mosambiks und im Osten der DR Kongo

Hayashis Afrikatour schloss an eine Reihe von Besuchen in Südwestasien an. Die Visiten in Indien, Sri Lanka und den Malediven zeugen von Japans wachsendem Engagement für die Zusammenarbeit mit Ländern im Indopazifik. In einer Erklärung wies Hayashi darauf hin, wie wichtig es sei, einen freien und offenen Geist der Zusammenarbeit im indopazifischen Raum zu gewährleisten. Ganz allgemein zielt Japans Haltung jedoch auch darauf ab, der wachsenden Dominanz Pekings in der Region und in Afrika entgegenzuwirken, wo China bei den nationalen Regierungen erhebliche Fortschritte gemacht hat. ajs

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Trafigura sucht Investoren für Minen in DR Kongo 

Der internationale Rohstoffhändler Trafigura ist auf der Suche nach neuen Investoren für sein Vorzeigeprojekt in der DR Kongo. Dies berichtet der Finanznachrichtendienst Bloomberg unter Berufung auf nicht genannte Insider. Das Kupfer-Kobalt-Projekt, das von Chemaf SA, einem langjährigen Partner von Trafigura, entwickelt wird, ist aufgrund von Kostenüberschreitungen und niedrigen Kobaltpreisen in Schwierigkeiten geraten. Im vergangenen Jahr hatte Trafigura ein Darlehen von 600 Millionen Dollar für Chemaf begeben. Damit sollte am Standort Mutoshi in der Provinz Haut-Katanga eine der größten Kupfer- und Kobaltminen in DR Kongo eingerichtet werden, sowie eine Verarbeitungsanlage. Eine weitere Aufbereitungsanlage war am Standort Etoile in Lubumbashi geplant. Das Projekt hatte jedoch sein Budget überschritten und kann mit dem derzeitigen Darlehen nicht abgeschlossen werden. Trafigura sucht nun Investoren für weitere 200 bis 300 Millionen Dollar. 

Das 600-Millionen-Dollar-Geschäft zum Bau einer “vollmechanisierten” Mine konzentriert sich mit Mutoshi auf einen Standort, an dem seit Jahren von Hand geschürft wird. Trafigura und Chemaf starteten 2018 ein Pilotprojekt zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen für die in Mutoshi arbeitenden Bergmänner. Dieses wurde jedoch 2020 aufgegeben, als die kongolesische Regierung ein staatlich kontrolliertes Monopol für den Verkauf von handgeschürftem Kobalt einführte. ajs

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Kenia strebt in Eishockey-Weltverband

Am Äquator könnte Eishockey künftig eine internationale Sportart werden. Kenia will Mitglied im Weltverband für Eishockey, der International Ice Hockey Federation (IIHF), werden. Diese richtet unter anderem die Eishockey-Weltmeisterschaft aus. Seit 2005 gibt es in Kenia die erste Eissporthalle Ostafrikas, den Solar Ice Rink im Panari Hotel in Nairobi. Mit der Aufnahme in den IIHF könnte das kenianische Eishockey an internationalen Turnieren teilnehmen und bekäme besseren Zugang zu Fördermitteln.

Im Zentrum des kenianischen Eishockeys steht die Mannschaft Kenya Ice Lions, in der begeisterte Spielerinnen und Spieler dem Puck nachjagen. Das Männer-Team gab 2019 sein Debüt als kenianische Nationalmannschaft, als es im vergangenen Jahr in einem Spiel Last Game All Stars auf den Klimawandel aufmerksam machte. Im Panari Hotel treffen sich auch regelmäßig Amateurspieler. Dies wird von einer skandinavischen Botschaft in Nairobi organisiert.

Tim Colby, Cheftrainer der Ice Lions und damit auch der Nationalmannschaft, kündigte auf Instagram an, dass das kenianische Eishockey eine Strategie entwerfe mit dem Ziel, dem Weltverband beizutreten. “Ich vermisse das Eis in der Nebensaison, da die Ice Lions jetzt in Besprechungsräumen spielen, um eine Satzung, einen strategischen Plan und Ethikrichtlinien auszuarbeiten, um ein offizieller Sportverband zu werden und als nächstes der International Ice Hockey Federation beizutreten”, schrieb Colby. “Der Traum geht weiter.” Die kenianischen Eishockeyspieler wollen über Crowd Funding das Geld für die Aufnahmegebühr und den Jahresbeitrag im Verband sammeln.

Die Kenya Ice Lions sind bisher die einzige Eishockeymannschaft in Ostafrika. Dank dieser Tatsache und durch eine geschickte PR hat die Mannschaft großes Interesse in internationalen Medien hervorgerufen. Die Eisfläche erreicht nicht die Normmaße, sodass sie ihre Spiele nur mit drei anstatt mit fünf Feldspielern ausrichten. Die nächsten Gegner spielen ohnehin rund 3000 Kilometer entfernt in Südafrika. Es mag anachronistisch klingen, am Äquator Eissport zu betreiben. Doch der Energiebedarf von Eishallen lässt sich durch moderne Baukonzepte stark reduzieren und die Abwärme beispielsweise für Krankenhäuser, Schulen oder Schwimmbäder nutzen. hlr

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Standpunkt

Wir brauchen einen neuen Afrika-Journalismus

Von Daniel Schönwitz
Daniel Schönwitz
Daniel Schönwitz, Wirtschaftsjournalist, Autor und Berater.

“Eine der größten Nationen der Welt versinkt in einem Strudel aus kaum fassbaren Grausamkeiten, Terror, ethnischen und religiösen Konflikten”: So begann jüngst eine Spiegel-Reportage aus Nigeria. Derart martialische Formulierungen sind leider keine Ausnahme. Wer in deutschen Medien Beiträge über Afrika liest, gewinnt oft den Eindruck, der Kontinent sei ein hoffnungsloser Fall. Neben der Neigung zur Zuspitzung liegt das an der Fixierung auf Krisen, Konflikte und Katastrophen: Positive Entwicklungen scheinen nicht berichtenswert, getreu der Devise “Bad news are good news”.

Das liegt übrigens nicht an den Afrika-Korrespondenten. Er kenne viele Kolleginnen und Kollegen, “die sich regelmäßig ein Bein ausreißen, um jenseits der drei K (Krisen, Kriege, Katastrophen, Anm. d. Red.) sowie den gängigen Klischees zu berichten”, schrieb mir jüngst ein langjähriger Auslandsberichterstatter. Sie scheiterten jedoch “allzu oft am Desinteresse ihrer Heimatredaktionen”.

Damit sind wir beim Kern des Problems: Viele Journalisten und Medienmacher möchten sich auf keinen Fall dem Verdacht aussetzen, Kuscheljournalismus zu betreiben. Sie wollen sich als kritische Geister profilieren, die Missstände aufdecken und Fehlentwicklungen beleuchten.

Fokus auf das Negative

Natürlich: Demokratien brauchen hartnäckige recherchierende Journalisten, die den Mächtigen auf die Finger schauen. Zugleich müssen Medien aber den Anspruch haben, ein realistisches Weltbild zu vermitteln – und das gelingt allzu häufig nicht: Hans Rosling hat in seinem Bestseller “Factfulness” eindrucksvoll gezeigt, dass Menschen die Welt negativer sehen, als sie tatsächlich ist.

Die mediale Fokussierung aufs Negative hat somit schwerwiegende Nebenwirkungen: Sie befeuert Abstiegsängste und spielt damit Populisten in die Karten, die negative Emotionen aufgreifen. Und sie erhöht die Gefahr wirtschaftlicher Fehlentscheidungen – gerade mit Blick auf Afrika.

Denn obwohl der Kontinent große Chancen bietet, auch mit Blick auf das vielbeschworene “De-Risking” von China, zögern viele deutsche Unternehmer noch immer. Daran konnten bisher auch eindringliche Appelle von Experten nichts ändern. “Wer Afrika nur mit Krise verbindet, unterschätzt das Potenzial gewaltig”, sagt etwa Professor Dirk Dohse vom Institut für Weltwirtschaft. “Afrika ist der Kontinent der ungenutzten Chancen.”

Eine bessere Balance

Die große Frage ist: Wie werden Medien besser, ohne in Wischi-Waschi-Journalismus zu verfallen? Wie bleiben sie kritisch, ohne ein verzerrtes Weltbild zu vermitteln? Skeptisch bin ich, was einen Paradigmenwechsel in Richtung “konstruktiver Journalismus” angeht. Dessen Apologeten haben wollen nicht nur Fehlentwicklungen beleuchten, sondern stets auch Lösungen aufzeigen. In der Praxis verschwimmt aber oft die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus. Zudem besteht die Gefahr, dass die Funktion von Journalisten als vierte Gewalt zu weit in den Hintergrund rückt.

Was wir wirklich brauchen, ist eine bessere Balance: Neben Kritischem und Investigativem sollten Medien stärker positive Entwicklungen wahrnehmen. Dazu sind klare Signale von Verlegern, Chefredakteuren und Ressortleitern notwendig: Wer solche Beiträge anbietet, wird nicht als unkritischer Geist abgestempelt und schmälert auch nicht seine Karriere- oder Auftragschancen.

Darüber hinaus wünsche ich mir mehr sprachliche Sensibilität. Martialische Formulierungen wie in der eingangs zitierten Spiegel-Reportage sind kein Ausdruck von Kreativität, sondern schlicht unangemessen: Sie appellieren an niedere Instinkte wie Sensationslust und Katastrophenvoyeurismus. Wer Leser nicht mit überraschenden Überschriften und intelligenten Storylines locken kann, muss es eben mit der Holzhammer-Methode versuchen. Das sollten Qualitätsmedien nicht nötig haben.  

Daniel Schönwitz ist Volkswirt, Wirtschaftsjournalist und Autor. Er ist mit Mitglied des Africa First Networks, das der Unternehmer Martin A. Schoeller gegründet hat. Zuletzt erschienen: “Afrika First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft” (mit Martin A. Schoeller).

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Presseschau

Bloomberg: Der lange Arm des Kremls in der Uran-Politik. Auf Russland entfallen fast 45 Prozent des Weltmarktes für Uranumwandlung und -anreicherung. Sollten die nigrischen Uranminen unter russische Kontrolle geraten, wäre die Welt bei der Atomenergie noch stärker von Moskau und seinen Verbündeten abhängig.

The Intercept: Russisches Facebook-Netzwerk produziert Propaganda für Afrika. Während Russland seine Beziehungen zu den Regierungen in den französischsprachigen Teilen West- und Zentralafrikas ausbaut, sind die Nutzer sozialer Medien in der Region mit einem Schwall von Pro-Moskau-Kampagnen konfrontiert: eine Flut von Videos, Bildern und Nachrichten, die Russland in einem positiven Licht darstellen – in der Regel auf Kosten Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht der Region.

Africa Defense Forum: Wagner dominiert Diamantenhandel in Zentralafrikanischer Republik. Die russische Söldnertruppe hat sich wie ein Virus ausgebreitet und die Regierung, das Militär und die Wirtschaft der Zentralafrikanischen Republik derart infiziert, dass Experten sagen, das Land sei inzwischen ein Testlabor für russische Einflussnahme.

Al Jazeera: Äthiopien erklärt Notstand. Die äthiopische Zentralregierung hat am Freitag nach tagelangen Zusammenstößen zwischen dem Militär und lokalen bewaffneten Kämpfern in der Region Amhara den Ausnahmezustand verhängt. Die in der zweitbevölkerungsreichsten Region Äthiopiens ausgebrochenen Kämpfe zwischen der Fano-Miliz und der Armee haben sich zu einer Sicherheitskrise entwickelt.

The East African: VAE setzen auf Investitionen in Afrika. Ein neuer Report der Beratungsgesellschaft Knight Frank zeigt auf, dass die Vereinigten Arabischen Emirate unter den Golfstaaten am stärksten in Afrika engagiert sind. Die Emirate konzentrieren sich auf die wachstumsstarken Sektoren des Kontinents wie Infrastruktur, Energie, Verkehr, Logistik und Technologie.

The East African: Kenia und Uganda suchen Finanziers für Eisenbahn. Der Ausbau der Eisenbahn von der kenianischen Küste bis an die ugandischen Grenzen zu Ruanda und der DR Kongo war zuletzt ins Stocken geraten. Nun suchen die Länder Investoren aus Europa und dem Nahen Osten, um das Projekt abzuschließen. Der Bau soll noch in diesem Jahr anlaufen.

Washington Post: Arbeiter leiden unter Abbau seltener Mineralien in DR Kongo. Nach den Enthüllungen über Kinderarbeit und menschenunwürdige Bedingungen in vielen Kobaltminen haben Autohersteller und Bergbauunternehmen erklärt, dass sie sich an internationale Sicherheitsstandards halten werden. Trotz der Reformen leiden viele Arbeiter schwer unter den Arbeitsbedingungen.

New York Times: Ägyptische Eltern setzen für ihre Kinder auf Privatschulen. In dem von Wirtschaftskrisen gebeutelten Land wenden sich Familien oft an private Bildungszentren statt an öffentliche Schulen, um eine bessere Zukunft für ihre Kinder zu finden. Deren Klassenzimmer sind leer, während Privatlehrer gut verdienen.

Financial Times: Pharmakonzern GSK verlässt Nigeria. Der Arzneimittelhersteller hat angekündigt, angesichts des sich verschärfenden wirtschaftlichen Drucks keine direkten Geschäfte mehr in Nigeria zu tätigen. Damit stoppt das Unternehmen seine Aktivitäten in der größten Volkswirtschaft Afrikas nach mehr als einem halben Jahrhundert der Präsenz vor Ort.

Business Insider: Weltbank plant Mikro-Solaranlagen in Nigeria. In Zusammenarbeit mit Nigerias öffentlichem und privatem Sektor will die Weltbank den Aufbau von 1000 Mikro-Solarstromnetzen in dem Land unterstützen. Dies sagte Weltbank-Präsident Ajay Banga am Samstag. 568 Millionen Menschen südlich der Sahara haben bisher keinen Zugang zu Elektrizität.

Heads

André de Ruyter – Kohle, Korruption, Giftanschlag: Ex-Eskom-CEO packt aus

André de Ruyter, ehemaliger Vorstandschef des staatlichen südafrikanischen Stromversorgers Eskom.

André de Ruyter hat drei aufsehenerregende Jahre hinter sich: Er wurde vergiftet, war laut eigener Aussage Kopf einer unternehmensinternen Geheimdienstoperation und musste Südafrika schließlich verlassen. Die Geschichte des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Eskom klingt eher nach dem Plot einer Netflix-Crime-Serie als nach dem Leben eines CEO. Doch de Ruyters entschlossener Kampf gegen die tief sitzende Korruption bei Eskom und in Südafrika hätten ihn zum Feind der Korrupten und Kriminellen im Umfeld des Unternehmens gemacht: So jedenfalls beschreibt de Ruyter seine Zeit bei Eskom im Buch “Thruth To Power: My Three Years Inside Eskom” (2023, Penguin Random House South Africa). Seine Schilderungen zeigen, in welch schwierigem Umfeld die Energiewende Südafrikas umgesetzt werden muss.

Der 55-jährige Jurist mit jahrelanger Erfahrung als Manager in Südafrika, China und auch Deutschland – er leitete unter anderem die Abteilung für internationalen Kohlehandel bei dem südafrikanischen Unternehmen Sasol – wird im Dezember 2019 zum CEO von Eskom ernannt. Südafrika befand sich damals mitten in der Aufklärung der Korruptionsskandale um Ex-Präsident Jacob Zuma, der Gupta-Familie und ihrer Gefolgsleute. “Eskom war zu einem Futtertrog” für diese Kreise geworden, so de Ruyter. Hatte die Financial Times das Unternehmen noch 2001 zum besten Stromversorger der Welt gekürt, sei Eskom zu seinem Amtsantritt technisch insolvent gewesen. Die Stromausfälle häuften sich. De Ruyters Ziel: Das Unternehmen wieder auf Kurs bringen, die Stromversorgung sicherstellen und die hohe Abhängigkeit von der Kohle reduzieren.

Stromausfälle, Kohleabhängigkeit und überteuertes Klopapier

Doch de Ruyter merkte schnell, dass ihm die Korruption auf allen Ebenen Eskoms im Weg steht. In “Truth to Power” schildert er die Ausbeutung Eskoms bis ins kleinste Detail: Wie Mafia-ähnliche Banden den Kohletransport an sich reißen und LKW-Ladungen voll hochwertiger Kohle gegen Steine und minderwertigen Brennstoff austauschen, der dann die Kraftwerke zerstört; wie Equipment in den Kohlemeilern mutwillig zerstört wird und neue Anlagen bei kriminellen Unternehmern eingekauft werden; und wie selbst Klopapier und Mülltüten zu künstlich überhöhten Preisen über Mittelsmänner eingekauft wurden und ein Teil der Kosten in dunkle Kanäle floss.

Die selbst von Politikern der Regierungspartei ANC eingeräumten Verknüpfungen hochrangiger ANC-Vertreter mit den Kriminellen bei Eskom und die Untätigkeit der Polizei erschweren den Kampf de Ruyters und seiner Verbündeten gegen die Korruption. Finanziert von Kontakten in der südafrikanischen Unternehmenswelt startet de Ruyter eine unternehmensinterne Geheimdienstoperation, um mehr Informationen zu erlangen und der Staatsanwaltschaft selbst Beweise für die tief verwurzelte Ausbeutung vorzulegen. Dabei habe er sich Feinde innerhalb Eskoms gemacht, bei den staatlichen Sicherheitsdiensten und den Kreisen, die Eskom ausplünderten, so der CEO im Rückblick.

Zyanid im Kaffeebecher

Auch mit seinem Bestreben zum Ausbau der Erneuerbaren Energien macht sich de Ruyter nicht viele Freunde beim ANC, den Gewerkschaften und im Umfeld von Eskom. “Die zahlreichen Möglichkeiten für Korruption, Diebstahl und Betrug” im Kohlesektor verdeutlichen, “dass die grüne Energie ein Ökosystem stören wird, von dem viele Interessengruppen profitieren”, schreibt der ehemalige Konzernchef. Diese Einschätzung verheißt nichts Gutes für die Just Energy Transition Partnership Südafrikas mit westlichen Staaten, die de Ruyter laut eigenen Angaben mitverhandelt hat.

De Ruyters Zeit bei Eskom endet mit einem Knall. Am 12. Dezember 2022 reicht er seinen Rücktritt ein. Einen Tag später wird seine Kaffeetasse mit Zyanid versetzt. De Ruyter hat Glück, dass sein Arzt ihm hoch dosiertes Vitamin D als Gegenmittel gegen die Zyanid-Vergiftung verabreicht. Schon vorher hatte er Angst um seine Sicherheit. In “Truth to Power” nennt er zwei Morde an Korruptionskämpfern, die ihn um seine persönliche Sicherheit bangen ließen.

Nach der Vergiftung verlässt de Ruyter fluchtartig das Land. Er werde für eine Weile im Ausland untertauchen, habe jedoch keine Absicht, Südafrika langfristig zu verlassen, sagte der ehemalige Eskom-CEO gegenüber der Financial Times: “Ich werde einfach aufpassen, wer mich zum Kaffee einlädt”. Nico Beckert

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Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    offenbar will die Militärjunta in Niger sich dem internationalen Druck nicht beugen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hat sie einen Ministerpräsidenten ernannt. Auch haben sich jetzt die USA in den Konflikt eingeschaltet und eine ranghohe Unterhändlerin zu Gesprächen nach Niamey geschickt. Wir berichten Ihnen die aktuellen Nachrichten bis in die frühen Morgenstunden am heutigen Dienstag.

    Auch die längerfristigen Auswirkungen des Staatsstreichs beschäftigen uns. So gehen wir der Frage nach, welche Folgen dieser Putsch für die Region haben wird und welchen Nutzen die deutsche Politik künftig überhaupt noch in der Region stiften kann.

    Das Scheitern des Präsidenten Bazoum ist aber auch eine Niederlage für Paris und Berlin. Sowohl der sicherheitspolitisch-militärische Ansatz Frankreichs wie auch das entwicklungspolitische Modell Deutschlands sind gescheitert. Niger haben sie zu einer Vorzeigedemokratie hochstilisiert. Das war, wie sich heute zeigt, verfrüht.

    Trotz der angespannten Lage im Sahel haben wir für Sie weitere spannende Analysen, Nachrichten und Einschätzungen aus Afrika. Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre.

    Gestatten Sie mir bitte noch einen Glückwunsch in eigener Sache: Heute Morgen um sechs Uhr, ist bei Table.Media die 500. Ausgabe des Europe.Table erschienen. Fünfhundert Briefings, vollgepackt mit News zur Europäischen Politik in Brüssel und tiefgründigen Analysen der EU-Gesetze und -Verordnungen. An (fast) jedem Werktag seit dem 3. August 2021 liefert das Team um Till Hoppe Aktualität, Relevanz und journalistische Qualität. Hier geht’s zum kostenfreien Test.

    Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und falls Ihnen diese Mail selbst weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.

    Ihr
    Christian von Hiller
    Bild von Christian  von Hiller

    Analyse

    Sahelzone wird auf Jahre hinaus instabil bleiben

    Trotz des großen internationalen Drucks will die Militärjunta in Niger offenbar weiter Fakten schaffen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hat sie einen Ministerpräsidenten und einen neuen Kommandeur der Präsidentengarde ernannt. Der Ökonom Ali Mahaman Lamine Zeine soll als Premierminister künftig Niger regieren. Er ist ein alter Bekannter der nigrischen Politik. Er war schon Wirtschafts- und Finanzminister des 2010 gestürzten Präsidenten Mamadou Tandja und arbeitete nigrischen Medien zufolge zuletzt als Ökonom für die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) im Nachbarland Tschad. Zudem wurde Oberstleutnant Habibou Assoumane zum Kommandeur der Präsidentengarde ernannt.

    Am Sonntag ließ die Militärjunta ein Ultimatum der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verstreichen. Bis dahin sollte die Militärjunta den Weg freimachen für eine Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum. Es war erwartet worden, dass die Ecowas daraufhin militärisch einschreiten könnte. Doch zunächst wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Organisation am Donnerstag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja treffen, teilte die Ecowas mit.

    Offenbar streben die Ecowas-Länder eine Lösung auf dem Verhandlungsweg an. Auch die amerikanische Diplomatin Victoria Nuland war als Unterhändlerin am Montag nach Niamey gereist. Sie ist im US-Außenministerium Staatssekretärin für politische Angelegenheiten und damit die Nummer zwei. “Diese Gespräche waren äußerst offen und teilweise recht schwierig”, berichtete sie im Anschluss Pressevertretern. Sie habe den neuen Chef der Armee Moussa Salaou Barmou gesprochen. Weder den neuen Machthaber Abdourahame Tchiani noch den gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum habe sie getroffen. Sie habe der Militärjunta “zahlreiche Optionen” aufgezeigt, um den Staatsstreich zu beenden. “Ich hoffe, sie lassen eine Tür offen für die Diplomatie”, sagte Nuland weiter.

    Auswärtiges Amt warnt Militärjunta

    In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte die Militärjunta den Luftraum über Niger geschlossen. “Jeder Versuch, den Luftraum zu verletzen” werde zu “einer energischen und sofortigen Reaktion” führen, teilten die Putschisten am Montagmorgen mit. Auch hat sich offenbar die Sicherheit des ehemaligen Präsidenten Mohamed Bazoum verschlechtert. Die Putschisten müssten “mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen”, sollte Bazoum und seiner Familie etwas zustoßen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag. “Wir würden das genauso wie unsere afrikanischen Partner als eine Eskalation wahrnehmen.”

    Allein die nigerianische Armee wäre wohl in der Lage, eine Militärintervention gegen die Junta in Niamey zu führen. Von der mehr als 400.000 Einwohner großen Stadt Sokoto im Nordwesten Nigerias sind es weniger als 500 Kilometer bis nach Niamey. Nigers Hauptstadt zählt noch zum Ausbreitungsgebiet der Hausa, einer Ethnie, die ihre Heimat nicht nur im Norden Nigerias hat. Etwa 13 Millionen der 25 Millionen Einwohner von Niger sind Hausa. Auch hat der Sultan von Sokoto, ein geistlicher Führer von rund 70 Millionen Muslimen in Nigeria, auch im Nachbarland Niger Einfluss. Seit 2006 übt Muhammad Sa’ad Abubakar das Amt aus. Er ist auch in die Vermittlungsversuche der Ecowas eingebunden.

    Die Hoffnungen innerhalb der Ecowas-Gruppe und bei den westlichen Unterstützern Bazoums beruhen offenbar darauf, dass die Kombination aus internationalen Vermittlungsgesprächen und Sanktionen gegen Niger rasch Wirkung zeigen wird. So liefert Nigeria keinen Strom mehr nach Niger, und auch die Bargeldversorgung in Niger wird angeblich schwieriger.

    Unterstützung vom ehemaligen Militärattaché in Berlin

    Nicht nur wegen der Nähe zu Niamey, auch wegen der Stärke der Armee ist Nigeria der einzige Ecowas-Staat, der eine Militäroperation gegen die Putschisten führen könnte. Sicher, die Präsidentengarde von Abdourahamane Tchiani hat die Unterstützung der Armee bekommen. Das war für ihn wesentlich. Denn Tchiani hat als Mitglied der Präsidentengarde keine Kampferfahrung gesammelt. Dementsprechend gering war sein Ansehen bei der kämpfenden Truppe und bei der Bevölkerung, die unter den wiederholten Übergriffen von Terrorgruppen leidet.

    Der Oberste Kommandierende der nigrische Armee, Salifou Mody, ist hinter Tchiani die Nummer zwei der Putschisten. Besonders für die Bundesregierung ist das bitter. Denn in Deutschland hat sich Mody in seiner Zeit als Militärattaché hohes Ansehen erworben. 2020, nach seiner Rückkehr aus Berlin, wurde er zum Chef der Generalstabs ernannt, bis er vor wenigen Wochen, im Juni, als Botschafter in die Vereinigten Arabischen Emiraten entsandt wurde – oder wäre abgeschoben das bessere Wort?

    Mody spricht nicht nur gut deutsch. Er war auch der Gewährsmann Deutschlands – und Frankreichs – für die Aufrüstung der nigrischen Armee und ihre Ausbildung durch europäische Truppen. Unter anderem beteiligte sich die Bundeswehr seit Februar 2023 an der EU-Mission EUMPM Niger. Das Mandat sah vor, bis zu 60 Soldaten zu stellen. Tatsächlich wurden in der vergangenen Woche nur zwei Soldaten ausgeflogen, die für EUMPM in Niger waren. Die Mission sah vor, nigrische Spezialkräfte, unter anderem im militärischen Nachrichtenwesen und der Aufklärung, zu trainieren.

    Schlüsselrolle für Algerien

    Dank der Unterstützung aus Frankreich, Deutschland und der EU hat Niger kräftig aufgerüstet. Der gestürzte Präsident Mohamed Bazoum hatte im Februar 2022 angekündigt, die Truppenstärke bis 2025 auf 50.000 zu erhöhen. Aktuell läge sie bei 30.000, sagte Bazoum damals. Wie realistisch diese Zahl jemals war, lässt sich nicht abschätzen. Auf Wikipedia wird die Truppenstärke mit 5700 angegeben.

    Damit kann Niger deutlich weniger Truppen aufbieten als allein Nigeria mit seiner 230.000 Mann starken Armee. Allerdings sind große Teile der nigerianischen Truppen im Kampf gegen Boko Haram im Nordosten Nigerias gebunden. Dabei wird eine Militärintervention nicht nur militärisch entschieden.

    Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt Algerien. Staatschef Abdelmadjid Tebboune ließ am Samstag verbreiten, dass er eine Militärintervention der Ecowas in Niger kategorisch ablehne. “Das war eine echte Überraschung”, sagte der Journalist und Experte für Geopolitik Anthony Bellanger im Radiosender France Inter. “Damit machte er klar, dass es keine Lösung ohne die Einbindung Algeriens geben werde.” Da Algerien nicht Mitglied der Ecowas ist, wird diese Algerien wohl miteinbinden müssen.

    Algier hat eine Schlüsselrolle für die Region, nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen Macht, die auf Erdöl und Erdgas gründet, sondern auch wegen seiner langen Grenzen mit Libyen, Mali und Niger. Algerien hat sein Militärbudget laut Bellanger auf 22 Milliarden Dollar erhöht.

    Dabei hatte Algerien anfangs selbst zur Regionalisierung des Islamismus beigetragen, als die Armee um 2010 begann, Terrorgruppen über die Grenzen in die Nachbarländer zu verdrängen. Tebboune war aber auch 2015 maßgeblich am Abkommen von Algier beteiligt, das eine politische Lösung für die Konflikte im Sahel bringen sollte. Algerien strebt einen größeren Einfluss an, zumal nach dem Tod von Muammar al-Gaddafi sich mit dem Zerfall Libyens eine Lücke ergeben hat, die Tebboune ausfüllen will.

    Anarchie auf 6,4 Millionen Quadratkilometern?

    Noch ist offen, wie der Konflikt um die Militärjunta in Niamey ausgehen wird. Im besten Fall findet hinter verschlossenen Türen eine Geheimdiplomatie statt mit dem Ziel, die Putschisten unter Zusicherung ihrer persönlichen Unversehrtheit zur Aufgabe zu bewegen. Vielleicht findet die afrikanische Staatengemeinschaft die Kraft, die Junta aus dem Amt zu heben.

    Doch gleichgültig wie der Machtkampf in Niamey ausgeht, langfristig droht die Region zu zerfallen. Libyen, Mali, Burkina Faso, aber auch die Zentralafrikanische Republik und Niger sind nicht mehr in der Lage, ihr Territorium zu kontrollieren. Der Tschad dürfte der nächste Fall sein. Auch die Zukunft des Sudan ist ungewiss.

    Damit stünde eine Region von 6,4 Millionen Quadratkilometern de facto ohne Regierung da, eine Fläche anderthalbmal so groß wie die Europäische Union. Unter Einschluss Sudans breitete sich die Anarchie sogar über 8,3 Millionen Quadratkilometer aus.

    Die Folge wäre, dass die Region faktisch von konkurrierenden Warlords, Condottieri, Bandenanführern oder anderen Terrorgruppen kontrolliert würde, die sich über Drogenschmuggel, Rohstoffe, die Erpressung der Bevölkerung und vielleicht über Menschenhandel finanzieren.

    Eine Rückkehr zum alten Regime in Niger wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Und Europa wird diesem Ende nach der Klatsche von Niger nicht mehr viel entgegenzusetzen haben. Sowohl der sicherheitspolitisch-militärische Ansatz Frankreichs wie auch das entwicklungspolitische Modell Deutschlands sind beide gescheitert.

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    Europa braucht eine Idee für Afrika

    Das deutsche Entwicklungsministerium hat seine Hilfe umgehend gestoppt, ebenso die Weltbank, die EU und natürlich Frankreich. Dabei ist Niger auf westliche Hilfe besonders angewiesen. Der für die EU bislang so wichtige Partner bei der Eindämmung irregulärer Migration aus den Subsahara-Ländern hatte eine Hilfszusage über rund eine halbe Milliarde Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2024. Damit sollten vor allem Regierungsführung und Bildung vorangebracht werden.

    Mit dem Tag des Putsches hat sich all das erst einmal zerschlagen. Niger steuert ohne finanzielle Unterstützung und Entwicklungszusammenarbeit auf ein Desaster zu, wie der Afrika-Experte und Ökonom Robert Kappel sagt. Nach wie vor ist die Lage unübersichtlich. Das macht auch die Zeitachse schwer berechenbar. Je mehr Zeit jetzt ohne Verhandlungen verstreicht, desto fester werden die Putschisten im Sattel sitzen. Militärische Drohungen und Druck auf die Putschisten machten die Lage noch brisanter. Die Folge wäre nicht nur eine massive Verschlechterung der Versorgungslage im Land, sondern auch die Gefahr einer großen Zahl von Binnenflüchtlingen.

    In der Falle von Unkenntnis

    Mit der Fehleinschätzung der Lage im Niger hat sich die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik eine erstaunliche Schlappe geleistet. An warnenden Stimmen fehlte es nicht, zum Beispiel als der ehemalige französische Botschafter Gérard Araud kürzlich davor mahnte, “Niger sei für Frankreich das, was Afghanistan für die USA ist”. Seiner Regierung in Paris empfahl er, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien zu normalisieren und die afrikanischen Partner als souveräne Nationen zu behandeln. Militärische Präsenz fördere nur die Frustration der lokalen Bevölkerung über Frankreichs koloniales Erbe.

    Aus Kappels Sicht ist die deutsche Politik in eine “Falle von Unkenntnis” getappt. Daraufhin habe sich Deutschland weitgehend an Frankreich orientiert, das allerdings mit seinem Fokus auf wirtschaftliche Ausbeutung einen völlig anderen Ansatz in der Zusammenarbeit beider Länder verfolgt habe.
    Der Putsch hat ein doppeltes Dilemma offengelegt: Der sicherheitspolitische Ansatz des Westens ist ebenso gescheitert wie der entwicklungspolitische. Die auch von der Bundesregierung verbreitete Erzählung vom “Stabilitätsanker Niger” war Wunschdenken. Die westliche Sahel-Politik, also der ambitionierte Versuch, die Ausbreitung fundamentalistischer und terroristischer Gruppen in einer notorisch instabilen Region durch militärische Präsenz zu unterbinden, ist gescheitert. Überall wurde der “demokratische Machtwechsel” vom Februar 2021 gelobt und die “stabilen Verhältnisse im Land” gepriesen.

    Tatsächlich haben weder Deutschland noch Frankreich die Notwendigkeit einer endogenen Entwicklungshilfe erkannt. Besonders Frankreich sieht Kappel in einer Großkrise der Afrikapolitik. Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, dass Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, kürzlich in einem Post die Ansicht vertrat, Deutschland müsse sich in diesen Fragen jetzt kritisch mit Frankreich auseinandersetzen.

    Mehr Wirtschaft in der Entwicklungspolitik

    Zum Chaos in der Region trägt aber auch die mangelnde Einigkeit in der EU über eine gemeinsame Afrika-Strategie bei. Einerseits ist die EU zwar ein wichtiger Geber von Entwicklungshilfe, doch über das Vorgehen in der Sahelzone sind sich die EU-Länder uneins. Ex-Botschafter Araud nennt das ein “europäisches Versagen”. Afrika-Experte Robert Kappel pflichtet dem uneingeschränkt bei. Europa habe bis heute versagt darin, ein Konzept für ein Miteinander mit beiderseitigem Nutzen zu entwerfen.
    Dabei habe Europa noch immer Assets, mit denen man nicht nur in Niger Punkte machen könne.

    Entwicklungspolitik müsse endlich so gemacht werden, dass sie wirtschaftliche Dynamik entfache und Jobs schaffe. Investitionen in Bildung, Startups, Universitätskooperationen, aber auch industrielle gehörten unbedingt dazu. Auf militärische Kriterien sollte sich der Westen jedenfalls nicht stützen, darin weiß sich Kappel mit Ex-Botschafter Araud im Einklang. In wirtschaftlichen Dimensionen denken und sich nicht am französischen Modell von Afrika als Hinterhof orientieren, so müsste für Kappel ein Neustart der Entwicklungszusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent aussehen.

    Wie es scheint, hat Nigers Putsch in Afrika eine Grundsatzdebatte über Sicherheits- und Entwicklungspolitik losgetreten, die längst überfällig gewesen wäre. Der Westen kann niemanden von außen entwickeln. Nur endogene Entwicklung verdient diese Bezeichnung, also was Menschen kraft ihres Geistes und ihrer Hände zu leisten imstande und ihr Leben verbessert. Das ist die Lektion für die Entwicklungspolitik.

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    Riela setzt im Afrika-Geschäft auf Besuche im Teutoburger Wald

    Klaus Kunkemöller ist kein Mann großer Worte. Der Exportleiter beim Anlagehersteller Riela beantwortet Fragen meist mit wenigen Sätzen, manchmal einsilbig mit Ja oder Nein. Dabei hat er Spannendes zu erzählen. Er leitet beim Mittelständler Riela in Hörstel bei Münster den Vertrieb in Afrika und verkauft Maisrebler, Siebreiniger und Lagerungssilos, also verschiedenste Anlagen, mit denen sich Feldfrüchte reinigen, trocknen und lagern lassen.

    Für afrikanische Staaten sind solche Anlagen von großer Bedeutung. Das sogenannte African Postharvest Losses Information System zeigt, dass auf dem Kontinent in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt ein Fünftel der Maisernte verloren ging, bevor sie bei den Kunden ankam. Falsche Lagerung und falscher Transport sind wichtige Ursachen dafür, weshalb Agrarprodukte verderben. Werden sie vor der Lagerung nicht gereinigt, faulen sie oder werden von Schädlingen befallen. Viele Institutionen arbeiten an Lösungen, auch die Afrikanische Union. Im September richtet diese zum vierten Mal einen panafrikanischen Kongress zu diesem Thema aus.

    Geht es nach Kunkemöller, sollen ein Teil der Lösung Riela-Anlagen aus dem Teutoburger Wald sein. Das Unternehmen ist bisher vor allem in Osteuropa aktiv. “Und weil das Geschäft dort damals gut lief, haben wir vor fast zehn Jahren angefangen, neue Märkte in den Blick zu nehmen: vor allem Afrika”, sagt der Exportleiter.

    Der Bedarf wächst mit dem Markt

    Die Landwirtschaft sei für den Kontinent wichtig. Die Konkurrenz durch andere Anlagenbauer ist relativ gering, auch wenn Wettbewerber aus China, Indien und der Türkei stärker werden. Der Bedarf für großformatige Anlagen wachse, je stärker sich die Landwirtschaft vor Ort industrialisiere.

    Wie andere deutsche Unternehmen steht auch der Mittelständler vor der Frage, wie man den Vertrieb auf dem Kontinent am besten angeht. Das Messewesen im Bereich Landwirtschaft stehe erst am Anfang, sagt Kunkemöller. In vielen Ländern gebe es, wenn überhaupt, nur kleine, regionale Events. Nationale Veranstaltungen wie die jährliche Messe Agrofood Nigeria blieben die Ausnahme. “Das gibt der Markt in vielen Ländern südlich der Sahara noch nicht her”, sagt der Exportleiter. “Das industrielle Niveau der Landwirtschaft in afrikanischen Staaten lässt sich in etwa mit der Landwirtschaft in Deutschland in den 50- oder 60er-Jahren vergleichen.”

    Für Riela bedeutet das: Obwohl der Bedarf groß ist und steigt, ist der Markt kleinteilig. Will Kunkemöller ein neues Land erschließen, nimmt er zunächst an einer Markterschließungsreise teil oder besucht auf eigene Initiative kleine Veranstaltungen vor Ort. Dort knüpft er am liebsten Kontakte zu Genossenschaften. Die sind nämlich die spannenden Kunden für Riela: Für einzelne Landwirte sind die Anlagen in der Regel zu groß und zu teuer.

    Ein Besuch in Deutschland wirkt am besten

    Steht der erste Kontakt, lädt Kunkemöller potentielle Kunden und Regierungsvertreter nach Deutschland ein. Sein Unternehmen betreibt am Sitz in Hörstel eine Ausstellungshalle, in der er die Maschinen zeigen kann. Neben der Technik sei der Service ein wichtiger Aspekt im Verkauf, sagt der Manager. Dafür betreibt Riela großen Aufwand: “Wir beraten die Kunden, wir schulen das Personal vor Ort, und wir empfehlen ihnen Partner aus unserem Netzwerk, falls sie Equipment brauchen, das wir nicht verkaufen.” Reine Nettigkeit ist das nicht: Der Service ist ein wichtiges Argument, um sich von günstigeren Anbietern aus China oder Indien zu unterscheiden.

    Zur Unterstützung des Afrika-Geschäfts brauche es bessere Exportkreditgarantien des Bundes für die Region, sagt Klaus Kunkemöller. Das fordert auch der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft immer wieder. Außerdem müsse die Visavergabe für Geschäftsreisende aus Afrika schneller werden, sagt der Manager. “Es gibt Kunden, die der komplizierte Vergabeprozess abschreckt. Die kommen gar nicht erst.”

    Sind die Kunden aber erst einmal in Hörstel, steigen die Chancen für einen Verkauf. Stehen die Anlagen dann vor Ort, fragt Kunkemöller die Betreiber, ob sie mit Riela einen Tag der Offenen Tür ausrichten wollen. So können andere Genossenschaften die Anlagen besichtigen. “Manche Kunden machen das, andere scheuen die Konkurrenz”, sagt er. “Aber nachzufragen, ob ein solches Event möglich ist, lohnt sich auf alle Fälle.”

    • Handel
    • Landwirtschaft
    • Lebensmittel

    Interview

    “Das Risiko von Investitionen wird oft zu hoch eingeschätzt”

    Rob Floyd ist Direktor Innovation und Digitalpolitik beim African Center for Economic Transformation (ACET) in Accra.
    Rob Floyd ist Direktor Innovation und Digitalpolitik beim African Center for Economic Transformation (ACET) in Accra.

    Welche Länder sind aus Ihrer Sicht die Vorreiter der digitalen Transformation in Afrika?

    Kenia ist ein gutes Beispiel. Sie haben die Revolution des mobilen Geldes angeführt, bevor wir überhaupt darüber nachgedacht haben, dass Digitalisierung ein Teil der Wirtschaft sein könnte. Ruanda hat ein sehr starkes Ökosystem für Start-ups und Innovationen. Südafrika hat enorme Mittel in Institutionen und Universitäten investiert, um Innovation und digitale Technologien zu fördern. Und dann haben Länder wie die Elfenbeinküste, Ghana und Senegal, die in bestimmten Teilbereichen gute Fortschritte gemacht, die vielversprechend sind.

    Warum ist diese digitale Transformation so wichtig?

    Es ist eine Chance für Afrika, einen großen Sprung zu machen. Wenn sie es nicht tun, besteht aber auch ein großes Risiko, dass sie zurückbleiben. Wenn die Länder keine gute Datenschutzpolitik haben, werden sie keine Investitionen erhalten und zurückfallen.

    Viele afrikanische Staaten haben aktuell wirtschaftlich aber ganz andere Sorgen und leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges.

    Die Exportstruktur vieler afrikanischer Staaten ist nicht viel anders als in den 1960er Jahren. Es überwiegen unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse und Rohstoffe. Die Länder müssen also zum einen ihre Exportbasis verbreitern. Noch wichtiger ist aber, dass sie mehr Wertschöpfung im eigenen Land betreiben.

    Welche Länder machen in dieser Hinsicht Fortschritte?

    Äthiopien hat in produktive Sektoren und die Bekleidungsindustrie investiert. Die Zahl der Arbeitsplätze, besonders für Frauen und in der verarbeitenden Industrie, ist gestiegen. Togo beispielsweise hat stark in digitale Strategien und Innovation investiert und in diesen Sektoren Arbeitsplätze geschaffen.

    Am Ende brauchen die Länder für solche Transformationen Geld. Wo soll das herkommen?

    Letztendlich muss das der private Sektor leisten. Die Entwicklungsmittel reichen nicht aus. Investmentfonds werden nur dann investieren, wenn sie überzeugt sind, dass sich die Investition auszahlen wird. Der Schlüssel liegt also darin, das Umfeld für Wirtschaft und Investitionen richtig zu gestalten. Die internationale Gemeinschaft kann hier eine wichtige Rolle spielen.

    Private Investitionen in Afrika aus Deutschland zum Beispiel sind verhältnismäßig gering. Wie lässt sich das ändern?

    Das Risiko von Investitionen wird oft höher eingeschätzt, als es möglicherweise wirklich ist. Dies liegt zum Teil an den Ratingagenturen. Sie sind in Afrika kaum präsent und haben nicht das gleiche Verständnis für den Kontinent wie für Europa oder die Vereinigten Staaten. Diese Risikowahrnehmung zu verändern ist also von zentraler Bedeutung, damit mehr Investitionen fließen.

    Ein weiteres Investitionshindernis ist die hohe Schuldenlast vieler afrikanischer Staaten. Was muss sich in der Schuldenpolitik gegenüber Afrika ändern?

    Im ACET setzen wir uns für eine Überarbeitung des derzeit geltenden Systems zur Umschuldung ein. So wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht. Wenn Länder nicht aus ihren Schuldenkrisen herauskommen, stecken sie in einem Kreislauf fest, der Wachstum verhindert.

    Sind Sie optimistisch, dass das gelingt?

    Ich bin nicht optimistisch, dass der gemeinsame Rahmen in naher Zukunft geändert werden wird. Leider ist der politische Wille nicht mehr so groß wie vor einigen Jahrzehnten. 2005 haben sich einige Staaten verpflichtet, 0,7 Prozent ihres BIP für Entwicklungshilfe auszugeben. Daran haben sich viele nicht gehalten.

    Könnte die Weltbank die afrikanischen Staaten besser unterstützen?

    Es gibt derzeit Bemühungen, die multilateralen Entwicklungsbanken zu reformieren. Die Eigentümer der Weltbank aber – die Länder der Welt – müssen auch zusätzliche Mittel bereitstellen. Wenn die Länder mit niedrigem Einkommen keine Zuschüsse erhalten, wird sich das auf die SDGs auswirken, also auf Gesundheit, Ernährung und Bildung.

    Das Gespräch führte Julian Hilgers.

    • Investitionen
    • Wirtschaftspolitik

    Neu: Agrifood.Table Professional Briefing – jetzt kostenlos anmelden. Wie unsere Lebensgrundlagen geschaffen, gesichert und reguliert werden. Für die entscheidenden Köpfe in Landwirtschaft und Ernährung in Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, Verbänden und NGO. Von Table.Media. (Anmelden)

    News

    IWF lobt Tansania

    Der stellvertretende geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Bo Li, hat bei seinem Besuch in Tansania die dortige Regierung gelobt. “Ich habe das Engagement der Behörden gelobt, die makroökonomische Stabilität Tansanias in einem schwierigen globalen Umfeld zu erhalten”, sagte er in einer Pressemitteilung vom 1. August. “Die rasche politische Reaktion der Behörden hat dazu beigetragen, die Inflation einzudämmen und die Wirtschaft vor den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu schützen.” 

    Im April hatte der IWF die erste Überprüfung des Programms der Extended Credit Facility (ECF) abgeschlossen, wodurch etwa 153 Millionen Dollar für Budgethilfe freigegeben wurden. Damit hat Tansania im Rahmen des Programms Zugriff auf knapp 305 Millionen Dollar. Insgesamt hatte der IWF im Juli vergangenen Jahres etwa 1,04 Milliarden Dollar über drei Jahre in Aussicht gestellt. Die Auszahlung der Budgethilfen ist jedoch an regelmäßige Überprüfungen gebunden. Etwa 152 Millionen waren sofort ausgezahlt worden. 

    Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und inländische Faktoren haben die wirtschaftliche Erholung Tansanias von der Pandemie belastet, so dass sich das Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent im Jahr 2021 auf schätzungsweise 4,7 Prozent im Jahr 2022 verlangsamt hat. Für das laufende Jahr wird eine Erholung des tansanischen Wirtschaftswachstums auf 5,2 Prozent prognostiziert, da die globalen Rohstoffpreisschocks nachlassen und sich das Geschäftsumfeld verbessert. ajs

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    Japan sucht Partner in Afrika

    Die japanische Regierung plant, mit drei afrikanischen Ländern zusammenzuarbeiten, um Lieferketten für Kobalt und andere Mineralien, die für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge wichtig sind, zu entwickeln. Dies berichtet die japanische Wirtschaftszeitung Nikkei. Tokio wird sich mit Sambia, der DR Kongo und Namibia zusammentun, um die gemeinsame Exploration in den Ländern auszuweiten. Die Projekte sollen noch in diesem Jahr anlaufen. Japans Wirtschafts-, Handels- und Industrieminister Yasutoshi Nishimura besucht die drei Länder auf seiner achttägigen Afrikareise, die am 13. August endet. Der Minister besucht außerdem auch Angola und Madagaskar.  

    Japan und Sambia werden damit beginnen, das gesamte afrikanische Land zu erschließen und die Exploration von Kobalt und Kupfer auf Nickel auszuweiten. Über die staatliche Japanische Organisation für Metalle und Energiesicherheit (JOGMEC) wird Japan Fernerkundungstechnologie zur Verfügung stellen, um potenzielle Abbaustätten anhand von Satellitenbildern zu identifizieren. Im Kongo werden die Explorationen für Kupfer und Lithium ausgeweitet. Mit Unterstützung der Japan International Cooperation Agency wird in dem Land ein Fernerkundungszentrum aufgebaut. JOGMEC wird unter anderem dabei helfen, die Menschen vor Ort in dieser Technologie zu schulen. Für Namibia wird Japan einem Arbeitsplan mit Epangelo, der staatlichen Bergbaugesellschaft Namibias, zustimmen, um die Lieferkette für Seltene Erden und andere Mineralien auszubauen. Obwohl Namibia reich an Zink, Kupfer und anderen Ressourcen ist, ist die Lieferkette unterentwickelt. Namibia verfügt jedoch über einen großen Hafen, der das Land zu einem wichtigen afrikanischen Exportzentrum machen könnte.  

    Japan ist bestrebt, sich frühzeitig an der Erschließung afrikanischer Minen zu beteiligen, mit dem Ziel, Ressourcen aus der Region zu importieren. Tokio will die Beziehungen zu den drei Ländern vertiefen mit Blick auf den Aufbau einer afrikanischen Lieferkette, die in der Lage ist, wichtige Mineralien zu fördern, zu veredeln und zu transportieren. 

    In der vergangenen Woche hat der japanische Außenminister Yoshimasa Hayashi Südafrika, Uganda und Äthiopien besucht. Dabei ging es etwa um die Vertiefung der bilateralen Beziehungen, die afrikanische Friedensinitiative im Ukrainekrieg sowie die Fortführung des von Russland aufgekündigten Schwarzmeerabkommens zum Export von Getreide (Black Sea Grain Initiative, BSGI). Japan unterstützt die afrikanischen Länder in ihrem Drängen gegenüber Russland, die BSGI fortzuführen. Darüber hinaus sprach der japanische Außenminister mit seinen afrikanischen Amtskollegen über verschiedene Krisen auf dem Kontinent, wie etwa den Putsch in Niger, die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Sudan und Äthiopien und die Sicherheitslage im Norden Mosambiks und im Osten der DR Kongo

    Hayashis Afrikatour schloss an eine Reihe von Besuchen in Südwestasien an. Die Visiten in Indien, Sri Lanka und den Malediven zeugen von Japans wachsendem Engagement für die Zusammenarbeit mit Ländern im Indopazifik. In einer Erklärung wies Hayashi darauf hin, wie wichtig es sei, einen freien und offenen Geist der Zusammenarbeit im indopazifischen Raum zu gewährleisten. Ganz allgemein zielt Japans Haltung jedoch auch darauf ab, der wachsenden Dominanz Pekings in der Region und in Afrika entgegenzuwirken, wo China bei den nationalen Regierungen erhebliche Fortschritte gemacht hat. ajs

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    Trafigura sucht Investoren für Minen in DR Kongo 

    Der internationale Rohstoffhändler Trafigura ist auf der Suche nach neuen Investoren für sein Vorzeigeprojekt in der DR Kongo. Dies berichtet der Finanznachrichtendienst Bloomberg unter Berufung auf nicht genannte Insider. Das Kupfer-Kobalt-Projekt, das von Chemaf SA, einem langjährigen Partner von Trafigura, entwickelt wird, ist aufgrund von Kostenüberschreitungen und niedrigen Kobaltpreisen in Schwierigkeiten geraten. Im vergangenen Jahr hatte Trafigura ein Darlehen von 600 Millionen Dollar für Chemaf begeben. Damit sollte am Standort Mutoshi in der Provinz Haut-Katanga eine der größten Kupfer- und Kobaltminen in DR Kongo eingerichtet werden, sowie eine Verarbeitungsanlage. Eine weitere Aufbereitungsanlage war am Standort Etoile in Lubumbashi geplant. Das Projekt hatte jedoch sein Budget überschritten und kann mit dem derzeitigen Darlehen nicht abgeschlossen werden. Trafigura sucht nun Investoren für weitere 200 bis 300 Millionen Dollar. 

    Das 600-Millionen-Dollar-Geschäft zum Bau einer “vollmechanisierten” Mine konzentriert sich mit Mutoshi auf einen Standort, an dem seit Jahren von Hand geschürft wird. Trafigura und Chemaf starteten 2018 ein Pilotprojekt zur Verbesserung der Sicherheitsbedingungen für die in Mutoshi arbeitenden Bergmänner. Dieses wurde jedoch 2020 aufgegeben, als die kongolesische Regierung ein staatlich kontrolliertes Monopol für den Verkauf von handgeschürftem Kobalt einführte. ajs

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    Kenia strebt in Eishockey-Weltverband

    Am Äquator könnte Eishockey künftig eine internationale Sportart werden. Kenia will Mitglied im Weltverband für Eishockey, der International Ice Hockey Federation (IIHF), werden. Diese richtet unter anderem die Eishockey-Weltmeisterschaft aus. Seit 2005 gibt es in Kenia die erste Eissporthalle Ostafrikas, den Solar Ice Rink im Panari Hotel in Nairobi. Mit der Aufnahme in den IIHF könnte das kenianische Eishockey an internationalen Turnieren teilnehmen und bekäme besseren Zugang zu Fördermitteln.

    Im Zentrum des kenianischen Eishockeys steht die Mannschaft Kenya Ice Lions, in der begeisterte Spielerinnen und Spieler dem Puck nachjagen. Das Männer-Team gab 2019 sein Debüt als kenianische Nationalmannschaft, als es im vergangenen Jahr in einem Spiel Last Game All Stars auf den Klimawandel aufmerksam machte. Im Panari Hotel treffen sich auch regelmäßig Amateurspieler. Dies wird von einer skandinavischen Botschaft in Nairobi organisiert.

    Tim Colby, Cheftrainer der Ice Lions und damit auch der Nationalmannschaft, kündigte auf Instagram an, dass das kenianische Eishockey eine Strategie entwerfe mit dem Ziel, dem Weltverband beizutreten. “Ich vermisse das Eis in der Nebensaison, da die Ice Lions jetzt in Besprechungsräumen spielen, um eine Satzung, einen strategischen Plan und Ethikrichtlinien auszuarbeiten, um ein offizieller Sportverband zu werden und als nächstes der International Ice Hockey Federation beizutreten”, schrieb Colby. “Der Traum geht weiter.” Die kenianischen Eishockeyspieler wollen über Crowd Funding das Geld für die Aufnahmegebühr und den Jahresbeitrag im Verband sammeln.

    Die Kenya Ice Lions sind bisher die einzige Eishockeymannschaft in Ostafrika. Dank dieser Tatsache und durch eine geschickte PR hat die Mannschaft großes Interesse in internationalen Medien hervorgerufen. Die Eisfläche erreicht nicht die Normmaße, sodass sie ihre Spiele nur mit drei anstatt mit fünf Feldspielern ausrichten. Die nächsten Gegner spielen ohnehin rund 3000 Kilometer entfernt in Südafrika. Es mag anachronistisch klingen, am Äquator Eissport zu betreiben. Doch der Energiebedarf von Eishallen lässt sich durch moderne Baukonzepte stark reduzieren und die Abwärme beispielsweise für Krankenhäuser, Schulen oder Schwimmbäder nutzen. hlr

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    Standpunkt

    Wir brauchen einen neuen Afrika-Journalismus

    Von Daniel Schönwitz
    Daniel Schönwitz
    Daniel Schönwitz, Wirtschaftsjournalist, Autor und Berater.

    “Eine der größten Nationen der Welt versinkt in einem Strudel aus kaum fassbaren Grausamkeiten, Terror, ethnischen und religiösen Konflikten”: So begann jüngst eine Spiegel-Reportage aus Nigeria. Derart martialische Formulierungen sind leider keine Ausnahme. Wer in deutschen Medien Beiträge über Afrika liest, gewinnt oft den Eindruck, der Kontinent sei ein hoffnungsloser Fall. Neben der Neigung zur Zuspitzung liegt das an der Fixierung auf Krisen, Konflikte und Katastrophen: Positive Entwicklungen scheinen nicht berichtenswert, getreu der Devise “Bad news are good news”.

    Das liegt übrigens nicht an den Afrika-Korrespondenten. Er kenne viele Kolleginnen und Kollegen, “die sich regelmäßig ein Bein ausreißen, um jenseits der drei K (Krisen, Kriege, Katastrophen, Anm. d. Red.) sowie den gängigen Klischees zu berichten”, schrieb mir jüngst ein langjähriger Auslandsberichterstatter. Sie scheiterten jedoch “allzu oft am Desinteresse ihrer Heimatredaktionen”.

    Damit sind wir beim Kern des Problems: Viele Journalisten und Medienmacher möchten sich auf keinen Fall dem Verdacht aussetzen, Kuscheljournalismus zu betreiben. Sie wollen sich als kritische Geister profilieren, die Missstände aufdecken und Fehlentwicklungen beleuchten.

    Fokus auf das Negative

    Natürlich: Demokratien brauchen hartnäckige recherchierende Journalisten, die den Mächtigen auf die Finger schauen. Zugleich müssen Medien aber den Anspruch haben, ein realistisches Weltbild zu vermitteln – und das gelingt allzu häufig nicht: Hans Rosling hat in seinem Bestseller “Factfulness” eindrucksvoll gezeigt, dass Menschen die Welt negativer sehen, als sie tatsächlich ist.

    Die mediale Fokussierung aufs Negative hat somit schwerwiegende Nebenwirkungen: Sie befeuert Abstiegsängste und spielt damit Populisten in die Karten, die negative Emotionen aufgreifen. Und sie erhöht die Gefahr wirtschaftlicher Fehlentscheidungen – gerade mit Blick auf Afrika.

    Denn obwohl der Kontinent große Chancen bietet, auch mit Blick auf das vielbeschworene “De-Risking” von China, zögern viele deutsche Unternehmer noch immer. Daran konnten bisher auch eindringliche Appelle von Experten nichts ändern. “Wer Afrika nur mit Krise verbindet, unterschätzt das Potenzial gewaltig”, sagt etwa Professor Dirk Dohse vom Institut für Weltwirtschaft. “Afrika ist der Kontinent der ungenutzten Chancen.”

    Eine bessere Balance

    Die große Frage ist: Wie werden Medien besser, ohne in Wischi-Waschi-Journalismus zu verfallen? Wie bleiben sie kritisch, ohne ein verzerrtes Weltbild zu vermitteln? Skeptisch bin ich, was einen Paradigmenwechsel in Richtung “konstruktiver Journalismus” angeht. Dessen Apologeten haben wollen nicht nur Fehlentwicklungen beleuchten, sondern stets auch Lösungen aufzeigen. In der Praxis verschwimmt aber oft die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus. Zudem besteht die Gefahr, dass die Funktion von Journalisten als vierte Gewalt zu weit in den Hintergrund rückt.

    Was wir wirklich brauchen, ist eine bessere Balance: Neben Kritischem und Investigativem sollten Medien stärker positive Entwicklungen wahrnehmen. Dazu sind klare Signale von Verlegern, Chefredakteuren und Ressortleitern notwendig: Wer solche Beiträge anbietet, wird nicht als unkritischer Geist abgestempelt und schmälert auch nicht seine Karriere- oder Auftragschancen.

    Darüber hinaus wünsche ich mir mehr sprachliche Sensibilität. Martialische Formulierungen wie in der eingangs zitierten Spiegel-Reportage sind kein Ausdruck von Kreativität, sondern schlicht unangemessen: Sie appellieren an niedere Instinkte wie Sensationslust und Katastrophenvoyeurismus. Wer Leser nicht mit überraschenden Überschriften und intelligenten Storylines locken kann, muss es eben mit der Holzhammer-Methode versuchen. Das sollten Qualitätsmedien nicht nötig haben.  

    Daniel Schönwitz ist Volkswirt, Wirtschaftsjournalist und Autor. Er ist mit Mitglied des Africa First Networks, das der Unternehmer Martin A. Schoeller gegründet hat. Zuletzt erschienen: “Afrika First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft” (mit Martin A. Schoeller).

    • Deutschland
    • Medien

    Presseschau

    Bloomberg: Der lange Arm des Kremls in der Uran-Politik. Auf Russland entfallen fast 45 Prozent des Weltmarktes für Uranumwandlung und -anreicherung. Sollten die nigrischen Uranminen unter russische Kontrolle geraten, wäre die Welt bei der Atomenergie noch stärker von Moskau und seinen Verbündeten abhängig.

    The Intercept: Russisches Facebook-Netzwerk produziert Propaganda für Afrika. Während Russland seine Beziehungen zu den Regierungen in den französischsprachigen Teilen West- und Zentralafrikas ausbaut, sind die Nutzer sozialer Medien in der Region mit einem Schwall von Pro-Moskau-Kampagnen konfrontiert: eine Flut von Videos, Bildern und Nachrichten, die Russland in einem positiven Licht darstellen – in der Regel auf Kosten Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht der Region.

    Africa Defense Forum: Wagner dominiert Diamantenhandel in Zentralafrikanischer Republik. Die russische Söldnertruppe hat sich wie ein Virus ausgebreitet und die Regierung, das Militär und die Wirtschaft der Zentralafrikanischen Republik derart infiziert, dass Experten sagen, das Land sei inzwischen ein Testlabor für russische Einflussnahme.

    Al Jazeera: Äthiopien erklärt Notstand. Die äthiopische Zentralregierung hat am Freitag nach tagelangen Zusammenstößen zwischen dem Militär und lokalen bewaffneten Kämpfern in der Region Amhara den Ausnahmezustand verhängt. Die in der zweitbevölkerungsreichsten Region Äthiopiens ausgebrochenen Kämpfe zwischen der Fano-Miliz und der Armee haben sich zu einer Sicherheitskrise entwickelt.

    The East African: VAE setzen auf Investitionen in Afrika. Ein neuer Report der Beratungsgesellschaft Knight Frank zeigt auf, dass die Vereinigten Arabischen Emirate unter den Golfstaaten am stärksten in Afrika engagiert sind. Die Emirate konzentrieren sich auf die wachstumsstarken Sektoren des Kontinents wie Infrastruktur, Energie, Verkehr, Logistik und Technologie.

    The East African: Kenia und Uganda suchen Finanziers für Eisenbahn. Der Ausbau der Eisenbahn von der kenianischen Küste bis an die ugandischen Grenzen zu Ruanda und der DR Kongo war zuletzt ins Stocken geraten. Nun suchen die Länder Investoren aus Europa und dem Nahen Osten, um das Projekt abzuschließen. Der Bau soll noch in diesem Jahr anlaufen.

    Washington Post: Arbeiter leiden unter Abbau seltener Mineralien in DR Kongo. Nach den Enthüllungen über Kinderarbeit und menschenunwürdige Bedingungen in vielen Kobaltminen haben Autohersteller und Bergbauunternehmen erklärt, dass sie sich an internationale Sicherheitsstandards halten werden. Trotz der Reformen leiden viele Arbeiter schwer unter den Arbeitsbedingungen.

    New York Times: Ägyptische Eltern setzen für ihre Kinder auf Privatschulen. In dem von Wirtschaftskrisen gebeutelten Land wenden sich Familien oft an private Bildungszentren statt an öffentliche Schulen, um eine bessere Zukunft für ihre Kinder zu finden. Deren Klassenzimmer sind leer, während Privatlehrer gut verdienen.

    Financial Times: Pharmakonzern GSK verlässt Nigeria. Der Arzneimittelhersteller hat angekündigt, angesichts des sich verschärfenden wirtschaftlichen Drucks keine direkten Geschäfte mehr in Nigeria zu tätigen. Damit stoppt das Unternehmen seine Aktivitäten in der größten Volkswirtschaft Afrikas nach mehr als einem halben Jahrhundert der Präsenz vor Ort.

    Business Insider: Weltbank plant Mikro-Solaranlagen in Nigeria. In Zusammenarbeit mit Nigerias öffentlichem und privatem Sektor will die Weltbank den Aufbau von 1000 Mikro-Solarstromnetzen in dem Land unterstützen. Dies sagte Weltbank-Präsident Ajay Banga am Samstag. 568 Millionen Menschen südlich der Sahara haben bisher keinen Zugang zu Elektrizität.

    Heads

    André de Ruyter – Kohle, Korruption, Giftanschlag: Ex-Eskom-CEO packt aus

    André de Ruyter, ehemaliger Vorstandschef des staatlichen südafrikanischen Stromversorgers Eskom.

    André de Ruyter hat drei aufsehenerregende Jahre hinter sich: Er wurde vergiftet, war laut eigener Aussage Kopf einer unternehmensinternen Geheimdienstoperation und musste Südafrika schließlich verlassen. Die Geschichte des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Eskom klingt eher nach dem Plot einer Netflix-Crime-Serie als nach dem Leben eines CEO. Doch de Ruyters entschlossener Kampf gegen die tief sitzende Korruption bei Eskom und in Südafrika hätten ihn zum Feind der Korrupten und Kriminellen im Umfeld des Unternehmens gemacht: So jedenfalls beschreibt de Ruyter seine Zeit bei Eskom im Buch “Thruth To Power: My Three Years Inside Eskom” (2023, Penguin Random House South Africa). Seine Schilderungen zeigen, in welch schwierigem Umfeld die Energiewende Südafrikas umgesetzt werden muss.

    Der 55-jährige Jurist mit jahrelanger Erfahrung als Manager in Südafrika, China und auch Deutschland – er leitete unter anderem die Abteilung für internationalen Kohlehandel bei dem südafrikanischen Unternehmen Sasol – wird im Dezember 2019 zum CEO von Eskom ernannt. Südafrika befand sich damals mitten in der Aufklärung der Korruptionsskandale um Ex-Präsident Jacob Zuma, der Gupta-Familie und ihrer Gefolgsleute. “Eskom war zu einem Futtertrog” für diese Kreise geworden, so de Ruyter. Hatte die Financial Times das Unternehmen noch 2001 zum besten Stromversorger der Welt gekürt, sei Eskom zu seinem Amtsantritt technisch insolvent gewesen. Die Stromausfälle häuften sich. De Ruyters Ziel: Das Unternehmen wieder auf Kurs bringen, die Stromversorgung sicherstellen und die hohe Abhängigkeit von der Kohle reduzieren.

    Stromausfälle, Kohleabhängigkeit und überteuertes Klopapier

    Doch de Ruyter merkte schnell, dass ihm die Korruption auf allen Ebenen Eskoms im Weg steht. In “Truth to Power” schildert er die Ausbeutung Eskoms bis ins kleinste Detail: Wie Mafia-ähnliche Banden den Kohletransport an sich reißen und LKW-Ladungen voll hochwertiger Kohle gegen Steine und minderwertigen Brennstoff austauschen, der dann die Kraftwerke zerstört; wie Equipment in den Kohlemeilern mutwillig zerstört wird und neue Anlagen bei kriminellen Unternehmern eingekauft werden; und wie selbst Klopapier und Mülltüten zu künstlich überhöhten Preisen über Mittelsmänner eingekauft wurden und ein Teil der Kosten in dunkle Kanäle floss.

    Die selbst von Politikern der Regierungspartei ANC eingeräumten Verknüpfungen hochrangiger ANC-Vertreter mit den Kriminellen bei Eskom und die Untätigkeit der Polizei erschweren den Kampf de Ruyters und seiner Verbündeten gegen die Korruption. Finanziert von Kontakten in der südafrikanischen Unternehmenswelt startet de Ruyter eine unternehmensinterne Geheimdienstoperation, um mehr Informationen zu erlangen und der Staatsanwaltschaft selbst Beweise für die tief verwurzelte Ausbeutung vorzulegen. Dabei habe er sich Feinde innerhalb Eskoms gemacht, bei den staatlichen Sicherheitsdiensten und den Kreisen, die Eskom ausplünderten, so der CEO im Rückblick.

    Zyanid im Kaffeebecher

    Auch mit seinem Bestreben zum Ausbau der Erneuerbaren Energien macht sich de Ruyter nicht viele Freunde beim ANC, den Gewerkschaften und im Umfeld von Eskom. “Die zahlreichen Möglichkeiten für Korruption, Diebstahl und Betrug” im Kohlesektor verdeutlichen, “dass die grüne Energie ein Ökosystem stören wird, von dem viele Interessengruppen profitieren”, schreibt der ehemalige Konzernchef. Diese Einschätzung verheißt nichts Gutes für die Just Energy Transition Partnership Südafrikas mit westlichen Staaten, die de Ruyter laut eigenen Angaben mitverhandelt hat.

    De Ruyters Zeit bei Eskom endet mit einem Knall. Am 12. Dezember 2022 reicht er seinen Rücktritt ein. Einen Tag später wird seine Kaffeetasse mit Zyanid versetzt. De Ruyter hat Glück, dass sein Arzt ihm hoch dosiertes Vitamin D als Gegenmittel gegen die Zyanid-Vergiftung verabreicht. Schon vorher hatte er Angst um seine Sicherheit. In “Truth to Power” nennt er zwei Morde an Korruptionskämpfern, die ihn um seine persönliche Sicherheit bangen ließen.

    Nach der Vergiftung verlässt de Ruyter fluchtartig das Land. Er werde für eine Weile im Ausland untertauchen, habe jedoch keine Absicht, Südafrika langfristig zu verlassen, sagte der ehemalige Eskom-CEO gegenüber der Financial Times: “Ich werde einfach aufpassen, wer mich zum Kaffee einlädt”. Nico Beckert

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    Africa.Table Redaktion

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