Table.Briefing: Africa

Lage in Mali + Abkommen zwischen Äthiopien und Somalia + UNDP-Chef Steiner im Interview

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor knapp einem Jahr hat die Bundeswehr Mali verlassen. Meine Kollegin Lucia Weiß hat vor Ort zur aktuellen Lage in dem Sahelland recherchiert. Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das ein wichtiger Standort für die Logistik des russischen Afrikakorps war, ist fraglich, wie es mit den russischen Kämpfern im Sahel weitergeht. Zudem bleiben die versprochenen Erfolge gegen die islamistischen Terroristen in Mali aus.

Wir blicken außerdem auf den Konflikt zwischen Somalia und Äthiopien. Unter der Vermittlung des türkischen Präsidenten haben sich beide Länder darauf geeinigt, künftig friedlich miteinander kooperieren zu wollen. Der Deal wirft jedoch noch Fragen auf.

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David Renke
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Analyse

Mali: Ein Jahr nach dem Bundeswehrabzug ist Lage weiter fragil

Zur Feier der Deutschen Einheit in der deutschen Botschaft in Bamako ist auch der malische Außenminister Abdoulaye Diop gekommen. Der Diplomat ist kein ungern gesehener Gast, im Gegenteil. Obwohl das Auswärtige Amt die Militärregierung immer wieder scharf kritisiert hat, gestaltet sich die Zusammenarbeit vor Ort harmonischer. Zwischen der internationalen Gemeinschaft und – insbesondere zivilen – Vertretern der Junta von General Assimi Goïta gibt es durchaus gute Arbeitsbeziehungen, wie Table.Briefings bei Recherchen vor Ort erfahren hat.

Auch zwischen der EU und der malischen Regierung gebe es wieder mehr hochrangige Gespräche seit Anfang des Jahres, hieß es aus EU-Kreisen in Bamako. Entsprechend soll auch die Eucap Sahel Mission für zwei Jahre verlängert werden. Seit gut einem Monat besetzt ein Deutscher den Posten des EU-Botschafters in Mali. Thomas Eckert war zuvor EU-Botschafter in Algerien. Positiv wahrgenommen wurde vor Ort, dass die Sahel-Sonderbeauftragte Emanuela Del Re sich sehr für eine Weiterführung des Engagements der EU in der Region eingesetzt hatte. Zum Abschluss ihrer Amtszeit besuchte Del Re auch nochmals Mauretanien und Mali.

EU lädt zur Woche für Klimadiplomatie

Für das Wochenende hat die EU im Rahmen der Woche für Klimadiplomatie nach Ségou eingeladen, das rund 235 Kilometer nordöstlich von Bamako liegt. Auf der Straße von Bamako nach Ségou liegen zwei Kasernen der staatlichen Streitkräfte, die von Wagner-Truppen unterstützt werden. Augenzeugen berichten von hellhäutigen Männern, die zuweilen in Pickups mit Logo dort unterwegs sind oder den Kaserneneingang bewachen.

Jenseits des Flusses Niger sind Dschihadisten von der Al-Kaida nahen Jama’at Nusrat al-Islam wa al-Muslimeen (JNIM) aktiv: Die Bevölkerung versucht, sich mit ihnen zu arrangieren, um Gewalt möglichst zu vermeiden, wie es im jüngsten Bericht von Human Rights Watch heißt. Allerdings berichten Augenzeugen gegenüber Human Rights Watch auch von Gewalt und Übergriffen durch Wagner-Kämpfer und Regierungstruppen (FAMA). Insgesamt ist es seit dem Ende der UN-Mission Minusma extrem schwierig geworden, überhaupt noch an Informationen zu gelangen, einschließlich zur Menschenrechtslage, heißt es in dem Bericht. Besonders betroffen sei der Norden Malis, wo FAMA und Wagner seit Mai mindestens 32 Zivilisten absichtlich getötet hätten.

Zukunft des russischen Afrikakorps unklar

Nicht zuletzt der Doppelanschlag im September in Bamako hat gezeigt, dass es den malischen Sicherheitskräften an Effizienz fehlt. Mit dem Sturz von Assad stellt sich nun auch grundsätzlich die Frage, wie es künftig mit den Wagner-Truppen in Afrika auf dem Kontinent weitergehen könnte

Das langjährige deutsche Engagement war nicht so wirkungsvoll, wie es hätte sein können: Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das habe vor allem an mangelnder “Strategie und Steuerung” der “erheblichen Ressourcen” gelegen, wie der Afrika-Experte Denis M. Tull in einem Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik schreibt.

Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt

Die Meinungsfreiheit in Mali ist weiterhin eingeschränkt. Verpönt und geahndet wird, sobald Journalisten öffentlich das “J-Wort” gebrauchen, also die Militärregierung als “Junta” bezeichnen. Die Tendenz gehe zur Selbstzensur, wie ein malischer Journalist gegenüber Table.Briefings äußerte. Akteure der malischen Zivilgesellschaft stünden unter genauer Beobachtung im In- aber auch im Ausland. Dies hatten auch Teilnehmende der Jahresversammlung der Sahel-Allianz im Juli in Berlin in Gesprächen geäußert und ein mangelndes Bewusstsein von Seiten deutscher Akteure dafür angemerkt.

Rückführungen nach Mali nehmen zu

Für 2025 sind Wahlen in Mali geplant, die Beobachter für nicht unwahrscheinlich halten. Der kürzlich gefeuerte Premier Choguel Maiga könnte er sich als Kandidat und Alternative zu den Militärs präsentieren. Derweil verlassen jedoch so viele Menschen wie seit Jahren nicht Mali, wie Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) belegen. Allerdings werden nach Schätzungen aus der malischen Zivilgesellschaft auch mehr von ihnen wieder zurückgebracht, vor allem durch die sogenannte freiwillige Rückkehr, unterstützt von der IOM.

Alle paar Tage landen Flüge mit Rückkehrern in Bamako. Nach Informationen von Table.Briefings oft aus Libyen – etwa mit 161 Menschen, davon 41 Kindern vergangene Woche. Aber auch aus dem Tschad oder Algerien. Nach Zahlen des Hohen Rates der Malier im Ausland, die Table.Briefings vorliegen, sind allein bis Juni 2024 rund 4700 Malier und Malierinnen zurückgebracht worden. Für 2024 liegt die Zahl bei mehr als 8000, wie vorläufige Berechnungen zeigen.

Malische Regierung warnt vor irregulärer Migration

Die Herkunft der Rückkehrer – die oft das Angebot der IOM annehmen, weil sie sich in finanziellen und persönlichen Notlagen befinden – zeigt, dass Sicherheit keineswegs der größte Faktor ist, sondern dass es eher um Armut geht. Eindringlich illustriert wird die desolate wirtschaftliche Lage unter anderem durch die gravierende Stromkrise, bedingt durch schlechte Infrastruktur und mangelnden Treibstoff für die Kraftwerke.

Die malischen Migranten kommen nach Table.Briefings-Informationen vor allem aus Kayes, Koulikouro, Sikasso, Ségou. Alle diese Gegenden sind nicht die am stärksten von Gewalt betroffenen. In Bamako kleben an Hauptverkehrsachsen der Stadt Plakate, die vor den Risiken von irregulärer Migration warnen. Sie sind Teil einer neuen Kampagne der Regierung.

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Einigung zwischen Äthiopien und Somalia: Fragen bleiben offen

Äthiopien und Somalia haben ihren seit Monaten schwelenden Konflikt über einen Zugang Äthiopiens zum Roten Meer mit einem gemeinsamen Abkommen unter Vermittlung der Türkei offenbar beigelegt. Das verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch in Ankara. Erdoğan hatte zwischen den Konfliktparteien vermittelt und den somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud sowie Äthiopiens Ministerpräsidenten Ahmed Abiy zu den Verhandlungen in der türkischen Hauptstadt eingeladen. Zuvor hatte es bereits zwei Verhandlungsrunden in der Türkei gegeben.

Am Donnerstag gratulierte schließlich auch der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, Somalia und Äthiopien, eine Lösung für den Konflikt gefunden zu haben. Die beschlossenen Maßnahmen müssten nun unverzüglich umgesetzt werden, hieß es in der Stellungnahme. Zudem dankte Moussa Faki dem türkischen Präsidenten für dessen Unterstützung bei den Verhandlungen.

Streit um Meerzugang für Äthiopien

Der Streit zwischen Äthiopien und Somalia begann Anfang des Jahres, als Äthiopien eine Vereinbarung mit dem von Somalia de-facto unabhängigen Somaliland unterzeichnete. In der Vereinbarung erklärte Somaliland, Äthiopien eine 20 Kilometer lange Küstenlinie überlassen zu wollen. Damit will sich Äthiopien Zugang zum Roten Meer sichern. Im Gegenzug sollte Somaliland finanzielle Unterstützung von Äthiopien bekommen. Zudem versprach Äthiopien, Somaliland offiziell anerkennen zu wollen. Bislang wird die Region im Norden Somalias international nur von Taiwan anerkannt. Somalia hatte der Schritt verärgert, da das Land Somaliland weiterhin als Teil seines Territoriums betrachtet und jede Vereinbarung als Verletzung seiner territorialen Integrität ansieht.

Entsprechend drohte Somalia die äthiopischen Truppen, die im Rahmen der AU-Mission Atmis in Somalia stationiert sind, aus dem Land zu werfen. Äthiopien hat seit 2006 Truppen in Somalia, die zur Bekämpfung der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab entsandt wurden. Stattdessen hatte Somalia Ägypten gebeten, Soldaten zu schicken, um im Kampf gegen die Terroristen zu helfen. Dies wiederum war als Provokation gegenüber Äthiopien zu verstehen. Ägypten und Äthiopien haben ihren jahrelangen Streit um den Grand Ethiopian Renaissance Damm (GERD) noch immer nicht beigelegt.

Zentraler Konfliktpunkt jedoch nicht gelöst

Entsprechend groß war die Sorge zuletzt, die Spannungen in der Region könnten sich in einem militärischen Konflikt entladen. Dies hätte die ohnehin schon instabile Region zusätzlich destabilisiert. Vor allem mit Blick auf das Rote Meer und die Handelsroute durch den Suezkanal hätte dies auch Auswirkungen auf Deutschland. Schon jetzt ist die Route durch Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen gefährdet.

Zwar zeigten sich Äthiopien und Somalia nach den Verhandlungen versöhnt, der zentrale Konfliktpunkt zwischen den Parteien – die Vereinbarung zwischen Äthiopien und Somaliland – wurde jedoch nicht erwähnt. Am Donnerstag hatte das somalische Präsidialbüro lediglich mitgeteilt, dass das Land “die vielfältigen Vorteile anerkennt”, die ein Meerzugang für Äthiopien hätte. Äthiopien ist das bevölkerungsreichste Binnenland der Welt. In der Stellungnahme wies das Präsidialbüro zudem auf die Opfer hin, die äthiopische Soldaten durch seinen Einsatz in Somalia erbracht hätten.

Türkei gewinnt an Einfluss

Im Rahmen bilateraler Vereinbarungen will Somalia demnach nun Äthiopien Zugang zum Meer “unter der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Somalia ermöglichen“. Wie dies konkret funktionieren könnte, blieb zunächst unklar.

Für Erdoğan ist das Abkommen jedoch unstrittig ein Erfolg und sichert ihm weiteren Einfluss in der Region. “Als Symbol unserer prinzipiellen Haltung zur Gewährleistung der Souveränität, Einheit und territorialen Integrität von Ländern, ist es unsere wichtigste Erwartung, Frieden und Stabilität in dieser bedeutenden Ecke Afrikas zu gewährleisten”, schrieb Erdoğan am Mittwoch auf dem Nachrichtendienst X. Die Türkei kooperiert wirtschaftlich und militärisch eng mit Somalia. So unterzeichneten beide Länder Anfang des Jahres ein Seeverteidigungsabkommen, zudem will Türkei Öl- und Gas in Somalia fördern. Auch mit Äthiopien hält Ankara gute wirtschaftliche Beziehungen.

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UNDP-Chef Steiner: “Vorreiter sind immer häufiger Entwicklungsländer”

Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP.

Herr Steiner, ist der Beschluss von Baku zu Finanzhilfen von 300 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer in 2035 ein Erfolg für diese Länder oder ein “Pflaster auf eine Schusswunde”, wie es eine NGO nannte?

100 Milliarden sind ja der Mindestbetrag. Deshalb war es wichtig, dass es in Baku eine bedeutende Erhöhung der Finanzzusagen gab. Jeder wusste, dass das vor dem Hintergrund der gegenwärtigen finanziellen wie politischen Turbulenzen schwierig werden würde. Die Entwicklungsländer haben mit Bezug auf internationale Studien eine Summe von 1,3 Billionen Dollar gefordert, es war aber auch klar, dass diese Summe nicht allein aus öffentlichen Mitteln kommen kann. Am Ende war die Dynamik bei den Verhandlungen zu sehr von den weit auseinanderliegenden Erwartungen geprägt. Trotzdem sind 300 Milliarden ein wichtiger nächster Schritt.

Entscheiden diese 300 Milliarden über den Kurs im globalen Klimaschutz?

Das ist eine Wegmarke, an der niemand vorbeikommt. Sollten wir im kommenden Jahr nicht weiterkommen, kann das schnell dazu führen, dass Länder weniger ambitionierte Ziele in ihren nationalen Plänen vorsehen. Wichtig wird auch, wie sich das weltweit auf die Energiemärkte und Investitionen auswirkt. Was im Weißen Haus mit einem Präsidenten Trump passiert, schafft weiter Unsicherheit. Aber der Rest der Welt hat in Baku noch einmal bekräftigt, gemeinsam voranzugehen. Und da geht es deutlich in Richtung Erneuerbare und weg von den fossilen Investitionen. Das Pariser Abkommen lebt. Und nicht zu vergessen: In Baku gab es Entscheidungen über die Kohlenstoffmärkte nach Artikel 6 des Pariser Abkommens. Auch das hat das Potenzial für mehr Finanzierung, aus Sicht der Entwicklungsländer.

Bis zur nächsten COP soll es zur Finanzierung eine “Road to Belem” geben. Was erwarten Sie davon?

Zu den 300 Milliarden muss es klare Zusagen von Staaten oder Finanzierungsmöglichkeiten geben. Die abstrakte Summe wird nicht ausreichen, vor allem, weil schon das alte Versprechen mit den 100 Milliarden aus Sicht der Entwicklungsländer nicht eingehalten wurde. Die 300 Milliarden sind erst einmal eine sehr hohe Zahl. Was aber in der westlichen Öffentlichkeit oft übersehen wird: Die Entwicklungsländer finanzieren bereits einen beträchtlichen Anteil ihrer Klimapolitik selbst. Sie zahlen schon jetzt ein Vielfaches der 300 Milliarden für eigene Klimamaßnahmen. Das sind hunderte von Milliarden Dollar, die diese Länder aus ihren eigenen öffentlichen und privaten Mitteln aufbringen. Die Gelder aus den Industrieländern müssen vor allem für die ärmeren Entwicklungsländer dazukommen, aber das sind ja Investitionen, die uns allen zugutekommen. Wir müssen endlich rauskommen aus der verzerrten Wahrnehmung seitens der Industrieländer, dass sie die einzigen sind, die Klimapolitik finanzieren.

Schon seit Jahren leiden die ärmsten Länder unter einer Schuldenkrise, die auch Klimainvestitionen verhindert. Hat sich daran etwas geändert?

Im Prinzip Nein. Die Verschuldungsproblematik ist eher noch ernster geworden. Die G20 haben sich bislang geweigert, dieses Problem konsequent anzugehen, weil sie andere Prioritäten haben. Aus Sicht vieler G20-Staaten ist die Verschuldungskrise in den ärmsten Länder keine akute Bedrohung für die Stabilität der globalen Finanzmärkte. Angesichts ihrer eigenen Haushaltslage und dem politischen Druck zuhause wird das Problem an den Rand geschoben. Einziger Lichtblick sind die Entwicklungsbanken, die zur Zeit ihre Kreditvergabe für Klimaprogramme in Entwicklungsländern aufstocken. Aber auch das hilft den ärmsten Ländern nur bedingt, weil es letztlich noch mehr Schulden bedeutet.

Weltbank und IWF haben gerade Entwarnung gegeben: Die Weltwirtschaft werde ein “soft landing” hinlegen, hieß es, also ein sanftes Ende der Krisen.

Für manche Länder mag das zutreffen. Aber für 50 Entwicklungsländer ist das Gegenteil Realität. Sie zahlen inzwischen zehn Prozent oder mehr ihres Budgets nur für Zinstilgung. Sie gehen nur deswegen nicht pleite, weil sie die Gelder in ihren Haushalten, die eigentlich für Gesundheit und Bildung vorgesehen sind, für den Schuldendienst ausgeben. Und diese Länder können auch nicht in dringend nötige Vorsorge oder Infrastruktur investieren, die mit den Klimaproblemen einhergehen. Von einem “soft landing” sind diese Ärmsten der Armen weit entfernt.

Unter den jetzt versprochenen 300 Milliarden US-Dollar im Jahr werden viele Kredite sein. Werden sie dieses Problem nicht noch verschärfen?

Das muss man differenziert sehen. Eine ganze Reihe von Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen können es sich leisten, dieses Geld durch Kredite zu finanzieren. Ihnen helfen diese günstigen Kredite durchaus. Die größten Volkswirtschaften wie China und Indien finanzieren die Erneuerbaren-Infrastruktur, die bei ihnen entsteht, ohnehin aus ihrem eigenen Haushalt und auf ihren eigenen Finanzmärkten. Aber für die ärmsten Entwicklungsländer, also auch die etwa 50, die am Rand des Staatsbankrotts balancieren, kann in der Tat ein Finanzierungssystem über Kredite und Anleihen die Verschuldung verschlimmern.

Was muss sich in den Ländern des Globalen Südens verändern, damit diese Hilfe effektiv ankommen?  

Wir sollten erst einmal anerkennen, dass viele Entwicklungsländer in diesem Bereich vorangehen. Die Vorreiter im Klimaschutz sind nicht mehr Deutschland, Europa oder die anderen sogenannten Industrieländer. Die Länder, die heute führend bei Erneuerbaren sind, sind immer häufiger Schwellen- und Entwicklungsländer. China hat ein Riesenprogramm für Erneuerbare, Indien will in den nächsten Jahren 300 Gigawatt Solarenergie aufbauen, das ist mehr als die gesamte deutsche Kapazität von etwa 250 Gigawatt. Das ist eine ungeheuer große Leistung. Länder wie Kenia und Uruguay sind inzwischen bei 80 oder 90 Prozent erneuerbarer Stromversorgung. Ganz Lateinamerika produziert zusammengenommen 60 Prozent seines Strombedarfs mit sauberen Energiequellen.

In anderen Ländern, etwa in Afrika, kommen dagegen sehr wenig Investitionen an.

Ja, und das muss sich dringend ändern. Dafür gibt es strukturelle Gründe (kleine Volkswirtschaften, fehlende Rahmenbedingungen und Investitionsanreize) aber auch mangelnde Bereitschaft seitens Investoren und Finanzmärkten, in Afrika zu investieren. Kenia, das in den letzten Jahren seine Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Strom verdreifacht hat, bleibt hier eine Ausnahme. Manchmal stecken in diesen Staaten die Ordnungspolitik zu Energiefragen oder die Regeln für die Strommärkte auch noch in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fest. Und dann fehlt es oft an einer Vernetzung der Stromnetze über Ländergrenzen hinweg, um ein erneuerbares System stabil und rentabel zu machen. Da sind auch wir als UNDP stark engagiert, indem wir Angebote poolen, um kritische Größen zu erreichen, Investitionen weniger risikoreich zu machen und echte oder wahrgenommene Risiken für Investoren abzubauen. Derzeit fließen nur zwei Prozent der Investitionen in Erneuerbare in afrikanische Länder. So kann es nicht weitergehen: Wir zwingen Afrika, sich an die Kohlenstoffwirtschaft zu verkaufen.

In Baku wurde auch der Anfang gemacht, dass die Geberbasis für die Klimafinanzierung über die traditionellen Industrieländer hinaus erweitert wird. Wird das die Debatte verändern, etwa weil China ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer ist?

Wir können die nächsten Jahre damit verbringen, uns gegenseitig zu kritisieren: Industrie- gegen Entwicklungsländer, der Westen gegen China, China gegen den Westen. Das bringt uns aber nicht weiter. De facto hat sich die Geberbasis schon verändert. Wenn sich Chinas Zahlen bestätigen, hat das Land mehr als 40 Milliarden Dollar für Klimapolitik und Energiewende in Entwicklungsländern investiert. Das würde bestätigen, was viele Entwicklungsländer sagen. Ich habe vor einigen Jahren in Äthiopien eine Windfarm besucht, die in chinesischer Kooperation entstanden ist, das war vergleichbar mit Projekten aus den Industrieländern. Aber auch die Staaten der Golfregion stellen Millionen und Milliarden an Investitionen in Aussicht. Wir sollten also eher schauen, wie wir diese Finanzierungsströme als Klimahilfen anerkennen, obwohl sie nicht durch das gleiche Muster wie bisher berechnet laufen. So kommen wir dem Gesamtrahmen von 2,4 Billionen Dollar jährlicher Investitionen auch näher, um in die Nähe des Klimaziels von 1,5 Grad zu kommen.

Aber gerade in dieser kritischen Phase fallen wohl die USA als größter Verschmutzer und potenzieller Finanzier aus.

Meine Erwartung ist: China, Indien und die Golfstaaten werden sich schon aus kommerziellem Interesse viel stärker bei der Energiewende in den Entwicklungsländern engagieren. Aber es wäre fatal, wenn sich die Industrieländer jetzt zurückziehen. Und genau das müssen wir im Moment befürchten: Wenn die USA sich weigern, ihre Co-Finanzierung mitzutragen, geht das genau in die falsche Richtung. Die OECD-Länder müssen schnell klären: Wo sollen die 300 Milliarden verlässlich herkommen? Das wird eine Voraussetzung dafür, dass bei der COP30 in Belem mit neuen NDCs wieder die Art von Ambition zurückkommt, die wir für die Erreichung der Klimaziele brauchen. Aber diese Chance gibt es nur, wenn wir sie nicht mit theoretischen Zahlen und rückwärtsgewandten Trends vergeuden.

Achim Steiner, Jahrgang 1961, ist der derzeit ranghöchste deutsche UN-Beamte. Der deutsch-brasilianische Politiker ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und seit 2017 Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Bis 2016 leitete er das UN-Umweltprogramm UNEP.

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News

BMZ stellt entwicklungspolitischen Bericht vor

Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat am Mittwoch den 17. Entwicklungspolitischen Bericht vorgestellt und damit ein Resümee zur Entwicklungspolitik der vergangenen drei Jahre gezogen. “Die Entwicklungspolitik der Bundesregierung ist heute weiblicher, sie ist multilateraler, sie ist partnerschaftlicher ausgerichtet”, sagte Schulze bei der Vorstellung des Berichts in der Bundespressekonferenz.

Das BMZ denke mittlerweile bei ihrer Arbeit immer auch die Belange von Mädchen und Frauen mit. Dies sei wichtig, da es durch die Gleichberechtigung in den Partnerländern stabiler würden. Entsprechend gab Schulze an, dass ab dem kommenden Jahr 93 Prozent aller Projekte einen Beitrag zu Gleichstellung der Geschlechter leisten müssen.

Schulze warnt vor Zusammenlegung von BMZ und AA

Die Vorstellung des Berichts kommt in einer Zeit, in der der Nutzen der Entwicklungszusammenarbeit stärker hinterfragt und teils heftig kritisiert wird. Auch die Frage, ob das Entwicklungsministerium ins Außenministerium integriert werden sollte, wird debattiert. Schulze warnte vor einem solchen Schritt, auch mit Blick auf Großbritannien.

2020 hatte der damalige Premierminister Boris Johnson das Entwicklungsministerium ins Außenministerium integriert. “Wir sind über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit anders in der Lage zu agieren, als mit der Außenpolitik”, sagte Schulze. Als Präsidentin der Sahel-Allianz habe sie zum Beispiel die Möglichkeit gehabt, auch mit schwierigen Regierungen zu sprechen. Dies sei der Außenministerin nicht möglich gewesen. Auch mit Blick auf das vorzeitige Ende der Ampel-Koalition sagte Schulze, dass sie auch künftig gerne weiter Entwicklungspolitikerin bleiben wolle.

Kritik kam von der Union, die der Ampel-Regierung eine verheerende Bilanz in der Entwicklungszusammenarbeit bescheinigte. “Drei Jahre in Folge hat die Ampel-Regierung eine Kürzung des Entwicklungshaushalts beschlossen. In ihrem letzten Haushaltsentwurf liegt er damit 3,5 Milliarden Euro oder 25 Prozent unter dem Wert von 2022“, sagte Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion in Bundestag. Deutschlands Möglichkeiten, unter anderem bei der Bekämpfung von Hunger, seien dramatisch eingeschränkt. Zudem kritisierte Gröhe, dass das BMZ Mittel für die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter eingespart habe. dre

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E-Mobilität: China will Investitionen in Südafrika verstärken

China will nach Angaben des chinesischen Botschafters in Südafrika stärker in die Elektromobilität des Landes investieren. “Wir ermutigen die chinesischen Unternehmen, verstärkt in Erwägung zu ziehen, Montage oder Wertschöpfung nach Südafrika zu verlagern“, sagte Wu Peng am Mittwoch der Nachrichtenagentur Bloomberg. China ist der größte Handelspartner Südafrikas, vor den USA und Deutschland. Südafrika besitzt neben Marokko die größte Automobilindustrie auf dem Kontinent. Künftig will das Land nun aber auch in die Elektromobilität einsteigen.

Wu wies in seinem Statement gleichzeitig allerdings darauf hin, dass die Bedingungen des Marktes eine entscheidende Rolle bei den Entscheidungen der Unternehmen spielen würden. Zudem stellte er weitere Investitionen in angrenzende Branchen wie erneuerbare Energien sowie Rohstoffabbau in Aussicht. “Ich bin überzeugt, dass in Zukunft mehr und mehr chinesische Unternehmen nach Südafrika kommen, in Südafrika investieren und für Südafrika bauen werden”, sagte Peng. Gemeinsam könnten die beiden Länder weitere Marktpotenziale heben.

Nach Angaben des südafrikanischen Handelsministeriums erwirtschaftet die Automobilbranche in Südafrika über Exporte 2023 umgerechnet rund 14,6 Milliarden Euro. Knapp 400.000 Autos exportierte das Land – zu einem Großteil nach Europa. Insgesamt wurden rund 630.000 Autos produziert – rund 190.000 Autos mehr als noch 2020. Exporte in andere afrikanische Länder waren mit rund 25.400 Autos vergleichsweise gering. dre

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Presseschau

Nation: Guinea-Bissau ohne Parlament. Seit Dezember 2023 regiert Guinea-Bissaus Präsident Umaro Sissoco per Dekret. Zuvor hatte er das Parlament aufgelöst. Die versprochenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden bislang jedoch nicht statt. Sissoco müsste die Macht eigentlich im Februar 2025 abgeben. (“A year without parliament in Guinea Bissau”)

Tagesspiegel: Malariaausbruch im Kongo. Laut ersten Analysen der WHO könnte der Ausbruch in der abgelegenen Region Panzi in der Provinz Kwango im Kongo durch Malaria verursacht worden sein. Der Tropenmediziner Torsten Feldt fordert raschere Reaktionen auf Krankheitsausbrüche. (“Tropenmediziner kritisiert Umgang mit “Krankeit X”: “Wir können froh sein, dass es kein hochansteckender Erreger ist””)

RFI: Tshisekedi mit Rede zur Lage der Nation. In der Demokratischen Republik Kongo hielt Staatsoberhaupt Félix Tshisekedi am Mittwoch seine traditionelle Rede zur Lage der Nation. Er betonte, dass das Land eine riesige Baustelle sei, die sich eine glänzende Zukunft aufbaut. Anschließend sprach Tshisekedi über die Sicherheitslage im Osten und würdigte die Soldaten und ihre Verbündeten, die Wazalendos-Milizen, die gegen die Streitkräfte der M23 und Ruandas kämpften. (“RDC: Félix Tshisekedi vante l’économie et appelle à réformer la Constitution lors de son discours sur l’état de la nation”)

Africa News: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Amnesty fordert eine Untersuchung gegen einen ehemaligen Gouverneur und zwei hochrangige Armeeoffiziere im Kongo wegen “möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit”. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation haben Kongos Sicherheitskräfte bei einer Protestaktion in der ostkongolesischen Stadt Goma im August 2023 mindestens 56 Menschen getötet und 80 weitere verletzt. (“Rights group calls for probe of Ex-Governor, Army officers in Congo”)

Tagesschau: Sudan vor humanitärem Zusammenbruch. Nach einem Bericht des International Rescue Committee steuert der Sudan mit seinen etwa 48,1 Millionen Einwohnern auf einen verheerenden humanitären Zusammenbruch im kommenden Jahr zu. Insgesamt 14,6 Millionen Einwohner sind demnach auf der Flucht und 25,6 Millionen leiden unter unzureichender Nahrungsversorgung. (“Sudan vor humanitärem Zusammenbruch”)

FAZ: Schriftsteller vor Gericht. Dem 75-jährigen algerisch-französischen Schriftsteller Boualem Sansal wird in Algerien der Prozess gemacht. Aus algerischer Sicht beging Sansal ein doppeltes politisches Sakrileg, indem er sowohl die eigenen Grenzen als auch den Unabhängigkeitskampf der Polisario, deren Schutzmacht Algier ist, infrage stellte. (“Im Minenfeld der algerischen Geschichte”)

Heads

Ghanas designierter Präsident: Zweite Chance für John Dramani Mahama

Ghanas ehemaliger und künftiger Präsident John Dramani Mahama.
Ghanas ehemaliger und künftiger Präsident John Dramani Mahama.

“Die Demokratie und Ghana gehen als Gewinner aus dem Wahlprozess hervor. Trotz aller Ängste und Sorgen, die die Menschen vor dem Wahltag hatten, hat es Ghana wieder geschafft”, so die Worte von Ghanas frisch gewähltem Präsidenten John Dramani Mahama auf Facebook. Am Mittwoch traf er auf den scheidenden Präsidenten Nano Akufo-Addo, um die Machtübergabe zu besprechen. Einmal mehr hat Ghana es geschafft, seinen Ruf als stabile Demokratie in Westafrika zu festigen – und Mahama ist bemüht, jegliche Zweifel daran rhetorisch auszuräumen.

Denn Mitte der Woche wurde auch bekannt, dass es rund um die Wahl und im Nachgang Angriffe von Mahama-Unterstützern auf staatliche Einrichtungen gegeben habe. Rund 100 Menschen seien in diesem Zusammenhang festgenommen worden, berichtete die BBC. 

Höchster Sieg seit Jahren

Mit 56,6 Prozent der Stimmen zu 41,6 Prozent für seinen Herausforderer und bisherigen Vize-Präsidenten Mahamudu Bawumia von der New Patriotic Party (NPP) gelang Mahama ein historischer Sieg: In 24 Jahren war ein Wahlkampf nicht mehr so klar ausgegangen. Dazu kommt, dass Mahama auch im Parlament eine überdeutliche Mehrheit hat, mit 186 Sitzen für Mahamas New Democratic Congress (NDC) zu 76 Sitzen für die NPP, vier unabhängigen Kandidaten und noch zehn zu bestimmenden Sitzen.

Mahama hat eine zweite Chance von den Menschen in Ghana bekommen. Bereits 2012 rückte er vom Vize- auf den Präsidentenposten, nachdem Amtsinhaber John Atta Mills plötzlich verstorben war. Bis 2016 blieb er im Amt. Mahama investierte in Infrastruktur, wurde aber unter anderem für seine Energiepolitik hart kritisiert. Die häufigen Stromausfälle seinerzeit brachten ihm den Spitznamen “Mister Dumsor” (Twi für “Mister Stromausfall”) ein. Korruption war auch ein Thema in Mahamas erster Amtszeit, auch wenn es nicht um ihn persönlich ging. Laut Transaprency International liegt Ghana im Korruptionsindex auf Platz 70 von 180.

Mahama will IWF-Deal neu aufrollen

Vor seiner Wiederwahl kündigte Mahama an, die Bedingungen für die Drei-Milliarden-Dollar-Hilfen des Internationalen Währungsfonds neu zu verhandeln. Der Deal war im vergangenen Jahr abgeschlossen worden, um die Schulden des Landes umzustrukturieren. Weitere Punkte, die er angehen will, sind eine Steuerreform sowie Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar, um die Infrastruktur Ghanas zu modernisieren. Mahama hat in seinem Wahlprogramm versprochen, das sozialdemokratische Profil seiner Partei zu stärken und alle Menschen in Ghana am Wohlstand teilhaben zu lassen.

Überhaupt ist Mahama wohl einer der erfahrensten Politiker, die das Land vorweisen kann: Er wurde 1996 erstmals ins Parlament gewählt und war von 1998 bis 2001 Kommunikationsminister. Atta Mills ernannte ihn 2009 zum Vizepräsidenten. Nachdem Mahama als Präsident eingesprungen war, konnte er das Amt 2016 nicht mehr halten. Akufo-Addo gewann gegen ihn vor dem Hintergrund fallender Gold-, Öl- und Kakao-Exportpreise. Und er schaffte es noch einmal 2020. Die Wählerschaft setzte auf Akufo-Addo, der versprach, das Wachstum anzukurbeln.

“Erfahrene Führungspersönlichkeit”

Im Wahlkampf gab sich Mahama einen bescheidenen Anstrich, formulierte aber ganz klar seinen Machtanspruch. Er bewerbe sich noch einmal um das Mandat bei der Bevölkerung von Ghana, denn alle gemeinsam könnten sie ein Ghana schaffen, das sie alle wollten, hieß es in seinem Programm. Und weiter: “Ich gehe diese Mission mit der Demut, der Einsicht, der Rechtschaffenheit und der Dringlichkeit von einer erfahrenen Führungspersönlichkeit an, die überzeugt ist, dass Ghana in die falsche Richtung geht und gerettet werden muss.”

Ghana gilt für Investoren in Westafrika als attraktiver StandortDeutsche Unternehmen, rund hundert sind es nach AHK-Angaben, sind in Ghana vor allem mit eigenem Vertrieb präsent. Für die Unternehmer gehe es vor allem darum, dass Ghana weiterhin stabil bleibe, so Michael Blank von der AHK in Accra zu Table.Briefings. Da sei das Wahlergebnis weniger wichtig. “Eine friedliche, transparente, faire und gut organisierte Wahl stärkt das Vertrauen in den Standort. Besonders bemerkenswert ist, dass der unterlegene Kandidat der NPP seine Niederlage frühzeitig akzeptierte und seinem Konkurrenten gratulierte.” Das sei ein Zeichen für die Stärke der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen in Ghana und damit ein klarer Pluspunkt für Investitionen und unternehmerische Aktivitäten, sagte Blank.

Große Erwartungen an Mahama

Die Erwartungen an Mahama seien jetzt riesig, sagte der politische Analyst Enoch Randy Aikins vom Institut für Sicherheitsstudien im Gespräch mit Table.Briefings. “Er muss ein Versprechen halten, den Regierungsapparat zu verschlanken.” Denn die Verwaltung koste das Land sehr viel Geld. “Außerdem kann er ein politisches Erbe schaffen, in dem er Verfassungsreformen durchführt.” Auf Grundlage seiner Mehrheit im Parlament solle Mahama sich unter anderem darum kümmern, dass Parlamentarier keine Doppelfunktion als Minister hätten.

Der 66-jährige Mahama gehört zur Elite des Landes. Er ist der Sohn eines reichen Reishändlers, der ebenfalls in der Politik tätig war. In Accra ging er auf eine Privatschule, studierte dann in den 1980er-Jahren Kommunikation und schließlich noch Psychologie in Moskau. Mahama ist Christ, verheiratet und hat fünf Kinder.

Gefragter Kolumnist

Immer wieder besprochen wird seine Affinität zur Literatur. “My first Coup d’État” heißen seine Memoiren, die er 2012 veröffentlichte. Darin erinnert er sich an den Militärputsch von 1966, der Kwame Nkrumah – den Gründungsvater und ersten Präsidenten des unabhängigen Ghanas –  1966 stürzte. Mahamas Vater wurde ebenfalls festgenommen. Er selbst erlebte die Umbrüche als Siebenjähriger. Ansonsten hat Mahama für viele Zeitungen Kolumnen und Kommentare geschrieben. Unter anderem schrieb er zum Tod von Nelson Mandela 2013 in der New York Times: “Mandela hat einem ganzen Kontinent beigebracht, zu vergeben.”

Am 7. Januar 2025 soll Mahama eingeschworen werden. Und mit ihm, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, eine Frau als Vizepräsidentin, Jane Naana Opoku-Agyemang, frühere Bildungsministerin. Lucia Weiß

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Africa.Table Redaktion

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    Mali: Ein Jahr nach dem Bundeswehrabzug ist Lage weiter fragil

    Zur Feier der Deutschen Einheit in der deutschen Botschaft in Bamako ist auch der malische Außenminister Abdoulaye Diop gekommen. Der Diplomat ist kein ungern gesehener Gast, im Gegenteil. Obwohl das Auswärtige Amt die Militärregierung immer wieder scharf kritisiert hat, gestaltet sich die Zusammenarbeit vor Ort harmonischer. Zwischen der internationalen Gemeinschaft und – insbesondere zivilen – Vertretern der Junta von General Assimi Goïta gibt es durchaus gute Arbeitsbeziehungen, wie Table.Briefings bei Recherchen vor Ort erfahren hat.

    Auch zwischen der EU und der malischen Regierung gebe es wieder mehr hochrangige Gespräche seit Anfang des Jahres, hieß es aus EU-Kreisen in Bamako. Entsprechend soll auch die Eucap Sahel Mission für zwei Jahre verlängert werden. Seit gut einem Monat besetzt ein Deutscher den Posten des EU-Botschafters in Mali. Thomas Eckert war zuvor EU-Botschafter in Algerien. Positiv wahrgenommen wurde vor Ort, dass die Sahel-Sonderbeauftragte Emanuela Del Re sich sehr für eine Weiterführung des Engagements der EU in der Region eingesetzt hatte. Zum Abschluss ihrer Amtszeit besuchte Del Re auch nochmals Mauretanien und Mali.

    EU lädt zur Woche für Klimadiplomatie

    Für das Wochenende hat die EU im Rahmen der Woche für Klimadiplomatie nach Ségou eingeladen, das rund 235 Kilometer nordöstlich von Bamako liegt. Auf der Straße von Bamako nach Ségou liegen zwei Kasernen der staatlichen Streitkräfte, die von Wagner-Truppen unterstützt werden. Augenzeugen berichten von hellhäutigen Männern, die zuweilen in Pickups mit Logo dort unterwegs sind oder den Kaserneneingang bewachen.

    Jenseits des Flusses Niger sind Dschihadisten von der Al-Kaida nahen Jama’at Nusrat al-Islam wa al-Muslimeen (JNIM) aktiv: Die Bevölkerung versucht, sich mit ihnen zu arrangieren, um Gewalt möglichst zu vermeiden, wie es im jüngsten Bericht von Human Rights Watch heißt. Allerdings berichten Augenzeugen gegenüber Human Rights Watch auch von Gewalt und Übergriffen durch Wagner-Kämpfer und Regierungstruppen (FAMA). Insgesamt ist es seit dem Ende der UN-Mission Minusma extrem schwierig geworden, überhaupt noch an Informationen zu gelangen, einschließlich zur Menschenrechtslage, heißt es in dem Bericht. Besonders betroffen sei der Norden Malis, wo FAMA und Wagner seit Mai mindestens 32 Zivilisten absichtlich getötet hätten.

    Zukunft des russischen Afrikakorps unklar

    Nicht zuletzt der Doppelanschlag im September in Bamako hat gezeigt, dass es den malischen Sicherheitskräften an Effizienz fehlt. Mit dem Sturz von Assad stellt sich nun auch grundsätzlich die Frage, wie es künftig mit den Wagner-Truppen in Afrika auf dem Kontinent weitergehen könnte

    Das langjährige deutsche Engagement war nicht so wirkungsvoll, wie es hätte sein können: Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das habe vor allem an mangelnder “Strategie und Steuerung” der “erheblichen Ressourcen” gelegen, wie der Afrika-Experte Denis M. Tull in einem Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik schreibt.

    Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt

    Die Meinungsfreiheit in Mali ist weiterhin eingeschränkt. Verpönt und geahndet wird, sobald Journalisten öffentlich das “J-Wort” gebrauchen, also die Militärregierung als “Junta” bezeichnen. Die Tendenz gehe zur Selbstzensur, wie ein malischer Journalist gegenüber Table.Briefings äußerte. Akteure der malischen Zivilgesellschaft stünden unter genauer Beobachtung im In- aber auch im Ausland. Dies hatten auch Teilnehmende der Jahresversammlung der Sahel-Allianz im Juli in Berlin in Gesprächen geäußert und ein mangelndes Bewusstsein von Seiten deutscher Akteure dafür angemerkt.

    Rückführungen nach Mali nehmen zu

    Für 2025 sind Wahlen in Mali geplant, die Beobachter für nicht unwahrscheinlich halten. Der kürzlich gefeuerte Premier Choguel Maiga könnte er sich als Kandidat und Alternative zu den Militärs präsentieren. Derweil verlassen jedoch so viele Menschen wie seit Jahren nicht Mali, wie Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) belegen. Allerdings werden nach Schätzungen aus der malischen Zivilgesellschaft auch mehr von ihnen wieder zurückgebracht, vor allem durch die sogenannte freiwillige Rückkehr, unterstützt von der IOM.

    Alle paar Tage landen Flüge mit Rückkehrern in Bamako. Nach Informationen von Table.Briefings oft aus Libyen – etwa mit 161 Menschen, davon 41 Kindern vergangene Woche. Aber auch aus dem Tschad oder Algerien. Nach Zahlen des Hohen Rates der Malier im Ausland, die Table.Briefings vorliegen, sind allein bis Juni 2024 rund 4700 Malier und Malierinnen zurückgebracht worden. Für 2024 liegt die Zahl bei mehr als 8000, wie vorläufige Berechnungen zeigen.

    Malische Regierung warnt vor irregulärer Migration

    Die Herkunft der Rückkehrer – die oft das Angebot der IOM annehmen, weil sie sich in finanziellen und persönlichen Notlagen befinden – zeigt, dass Sicherheit keineswegs der größte Faktor ist, sondern dass es eher um Armut geht. Eindringlich illustriert wird die desolate wirtschaftliche Lage unter anderem durch die gravierende Stromkrise, bedingt durch schlechte Infrastruktur und mangelnden Treibstoff für die Kraftwerke.

    Die malischen Migranten kommen nach Table.Briefings-Informationen vor allem aus Kayes, Koulikouro, Sikasso, Ségou. Alle diese Gegenden sind nicht die am stärksten von Gewalt betroffenen. In Bamako kleben an Hauptverkehrsachsen der Stadt Plakate, die vor den Risiken von irregulärer Migration warnen. Sie sind Teil einer neuen Kampagne der Regierung.

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    Einigung zwischen Äthiopien und Somalia: Fragen bleiben offen

    Äthiopien und Somalia haben ihren seit Monaten schwelenden Konflikt über einen Zugang Äthiopiens zum Roten Meer mit einem gemeinsamen Abkommen unter Vermittlung der Türkei offenbar beigelegt. Das verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Mittwoch in Ankara. Erdoğan hatte zwischen den Konfliktparteien vermittelt und den somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud sowie Äthiopiens Ministerpräsidenten Ahmed Abiy zu den Verhandlungen in der türkischen Hauptstadt eingeladen. Zuvor hatte es bereits zwei Verhandlungsrunden in der Türkei gegeben.

    Am Donnerstag gratulierte schließlich auch der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, Somalia und Äthiopien, eine Lösung für den Konflikt gefunden zu haben. Die beschlossenen Maßnahmen müssten nun unverzüglich umgesetzt werden, hieß es in der Stellungnahme. Zudem dankte Moussa Faki dem türkischen Präsidenten für dessen Unterstützung bei den Verhandlungen.

    Streit um Meerzugang für Äthiopien

    Der Streit zwischen Äthiopien und Somalia begann Anfang des Jahres, als Äthiopien eine Vereinbarung mit dem von Somalia de-facto unabhängigen Somaliland unterzeichnete. In der Vereinbarung erklärte Somaliland, Äthiopien eine 20 Kilometer lange Küstenlinie überlassen zu wollen. Damit will sich Äthiopien Zugang zum Roten Meer sichern. Im Gegenzug sollte Somaliland finanzielle Unterstützung von Äthiopien bekommen. Zudem versprach Äthiopien, Somaliland offiziell anerkennen zu wollen. Bislang wird die Region im Norden Somalias international nur von Taiwan anerkannt. Somalia hatte der Schritt verärgert, da das Land Somaliland weiterhin als Teil seines Territoriums betrachtet und jede Vereinbarung als Verletzung seiner territorialen Integrität ansieht.

    Entsprechend drohte Somalia die äthiopischen Truppen, die im Rahmen der AU-Mission Atmis in Somalia stationiert sind, aus dem Land zu werfen. Äthiopien hat seit 2006 Truppen in Somalia, die zur Bekämpfung der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab entsandt wurden. Stattdessen hatte Somalia Ägypten gebeten, Soldaten zu schicken, um im Kampf gegen die Terroristen zu helfen. Dies wiederum war als Provokation gegenüber Äthiopien zu verstehen. Ägypten und Äthiopien haben ihren jahrelangen Streit um den Grand Ethiopian Renaissance Damm (GERD) noch immer nicht beigelegt.

    Zentraler Konfliktpunkt jedoch nicht gelöst

    Entsprechend groß war die Sorge zuletzt, die Spannungen in der Region könnten sich in einem militärischen Konflikt entladen. Dies hätte die ohnehin schon instabile Region zusätzlich destabilisiert. Vor allem mit Blick auf das Rote Meer und die Handelsroute durch den Suezkanal hätte dies auch Auswirkungen auf Deutschland. Schon jetzt ist die Route durch Angriffe der Huthi-Rebellen im Jemen gefährdet.

    Zwar zeigten sich Äthiopien und Somalia nach den Verhandlungen versöhnt, der zentrale Konfliktpunkt zwischen den Parteien – die Vereinbarung zwischen Äthiopien und Somaliland – wurde jedoch nicht erwähnt. Am Donnerstag hatte das somalische Präsidialbüro lediglich mitgeteilt, dass das Land “die vielfältigen Vorteile anerkennt”, die ein Meerzugang für Äthiopien hätte. Äthiopien ist das bevölkerungsreichste Binnenland der Welt. In der Stellungnahme wies das Präsidialbüro zudem auf die Opfer hin, die äthiopische Soldaten durch seinen Einsatz in Somalia erbracht hätten.

    Türkei gewinnt an Einfluss

    Im Rahmen bilateraler Vereinbarungen will Somalia demnach nun Äthiopien Zugang zum Meer “unter der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Somalia ermöglichen“. Wie dies konkret funktionieren könnte, blieb zunächst unklar.

    Für Erdoğan ist das Abkommen jedoch unstrittig ein Erfolg und sichert ihm weiteren Einfluss in der Region. “Als Symbol unserer prinzipiellen Haltung zur Gewährleistung der Souveränität, Einheit und territorialen Integrität von Ländern, ist es unsere wichtigste Erwartung, Frieden und Stabilität in dieser bedeutenden Ecke Afrikas zu gewährleisten”, schrieb Erdoğan am Mittwoch auf dem Nachrichtendienst X. Die Türkei kooperiert wirtschaftlich und militärisch eng mit Somalia. So unterzeichneten beide Länder Anfang des Jahres ein Seeverteidigungsabkommen, zudem will Türkei Öl- und Gas in Somalia fördern. Auch mit Äthiopien hält Ankara gute wirtschaftliche Beziehungen.

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    UNDP-Chef Steiner: “Vorreiter sind immer häufiger Entwicklungsländer”

    Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP.

    Herr Steiner, ist der Beschluss von Baku zu Finanzhilfen von 300 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer in 2035 ein Erfolg für diese Länder oder ein “Pflaster auf eine Schusswunde”, wie es eine NGO nannte?

    100 Milliarden sind ja der Mindestbetrag. Deshalb war es wichtig, dass es in Baku eine bedeutende Erhöhung der Finanzzusagen gab. Jeder wusste, dass das vor dem Hintergrund der gegenwärtigen finanziellen wie politischen Turbulenzen schwierig werden würde. Die Entwicklungsländer haben mit Bezug auf internationale Studien eine Summe von 1,3 Billionen Dollar gefordert, es war aber auch klar, dass diese Summe nicht allein aus öffentlichen Mitteln kommen kann. Am Ende war die Dynamik bei den Verhandlungen zu sehr von den weit auseinanderliegenden Erwartungen geprägt. Trotzdem sind 300 Milliarden ein wichtiger nächster Schritt.

    Entscheiden diese 300 Milliarden über den Kurs im globalen Klimaschutz?

    Das ist eine Wegmarke, an der niemand vorbeikommt. Sollten wir im kommenden Jahr nicht weiterkommen, kann das schnell dazu führen, dass Länder weniger ambitionierte Ziele in ihren nationalen Plänen vorsehen. Wichtig wird auch, wie sich das weltweit auf die Energiemärkte und Investitionen auswirkt. Was im Weißen Haus mit einem Präsidenten Trump passiert, schafft weiter Unsicherheit. Aber der Rest der Welt hat in Baku noch einmal bekräftigt, gemeinsam voranzugehen. Und da geht es deutlich in Richtung Erneuerbare und weg von den fossilen Investitionen. Das Pariser Abkommen lebt. Und nicht zu vergessen: In Baku gab es Entscheidungen über die Kohlenstoffmärkte nach Artikel 6 des Pariser Abkommens. Auch das hat das Potenzial für mehr Finanzierung, aus Sicht der Entwicklungsländer.

    Bis zur nächsten COP soll es zur Finanzierung eine “Road to Belem” geben. Was erwarten Sie davon?

    Zu den 300 Milliarden muss es klare Zusagen von Staaten oder Finanzierungsmöglichkeiten geben. Die abstrakte Summe wird nicht ausreichen, vor allem, weil schon das alte Versprechen mit den 100 Milliarden aus Sicht der Entwicklungsländer nicht eingehalten wurde. Die 300 Milliarden sind erst einmal eine sehr hohe Zahl. Was aber in der westlichen Öffentlichkeit oft übersehen wird: Die Entwicklungsländer finanzieren bereits einen beträchtlichen Anteil ihrer Klimapolitik selbst. Sie zahlen schon jetzt ein Vielfaches der 300 Milliarden für eigene Klimamaßnahmen. Das sind hunderte von Milliarden Dollar, die diese Länder aus ihren eigenen öffentlichen und privaten Mitteln aufbringen. Die Gelder aus den Industrieländern müssen vor allem für die ärmeren Entwicklungsländer dazukommen, aber das sind ja Investitionen, die uns allen zugutekommen. Wir müssen endlich rauskommen aus der verzerrten Wahrnehmung seitens der Industrieländer, dass sie die einzigen sind, die Klimapolitik finanzieren.

    Schon seit Jahren leiden die ärmsten Länder unter einer Schuldenkrise, die auch Klimainvestitionen verhindert. Hat sich daran etwas geändert?

    Im Prinzip Nein. Die Verschuldungsproblematik ist eher noch ernster geworden. Die G20 haben sich bislang geweigert, dieses Problem konsequent anzugehen, weil sie andere Prioritäten haben. Aus Sicht vieler G20-Staaten ist die Verschuldungskrise in den ärmsten Länder keine akute Bedrohung für die Stabilität der globalen Finanzmärkte. Angesichts ihrer eigenen Haushaltslage und dem politischen Druck zuhause wird das Problem an den Rand geschoben. Einziger Lichtblick sind die Entwicklungsbanken, die zur Zeit ihre Kreditvergabe für Klimaprogramme in Entwicklungsländern aufstocken. Aber auch das hilft den ärmsten Ländern nur bedingt, weil es letztlich noch mehr Schulden bedeutet.

    Weltbank und IWF haben gerade Entwarnung gegeben: Die Weltwirtschaft werde ein “soft landing” hinlegen, hieß es, also ein sanftes Ende der Krisen.

    Für manche Länder mag das zutreffen. Aber für 50 Entwicklungsländer ist das Gegenteil Realität. Sie zahlen inzwischen zehn Prozent oder mehr ihres Budgets nur für Zinstilgung. Sie gehen nur deswegen nicht pleite, weil sie die Gelder in ihren Haushalten, die eigentlich für Gesundheit und Bildung vorgesehen sind, für den Schuldendienst ausgeben. Und diese Länder können auch nicht in dringend nötige Vorsorge oder Infrastruktur investieren, die mit den Klimaproblemen einhergehen. Von einem “soft landing” sind diese Ärmsten der Armen weit entfernt.

    Unter den jetzt versprochenen 300 Milliarden US-Dollar im Jahr werden viele Kredite sein. Werden sie dieses Problem nicht noch verschärfen?

    Das muss man differenziert sehen. Eine ganze Reihe von Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen können es sich leisten, dieses Geld durch Kredite zu finanzieren. Ihnen helfen diese günstigen Kredite durchaus. Die größten Volkswirtschaften wie China und Indien finanzieren die Erneuerbaren-Infrastruktur, die bei ihnen entsteht, ohnehin aus ihrem eigenen Haushalt und auf ihren eigenen Finanzmärkten. Aber für die ärmsten Entwicklungsländer, also auch die etwa 50, die am Rand des Staatsbankrotts balancieren, kann in der Tat ein Finanzierungssystem über Kredite und Anleihen die Verschuldung verschlimmern.

    Was muss sich in den Ländern des Globalen Südens verändern, damit diese Hilfe effektiv ankommen?  

    Wir sollten erst einmal anerkennen, dass viele Entwicklungsländer in diesem Bereich vorangehen. Die Vorreiter im Klimaschutz sind nicht mehr Deutschland, Europa oder die anderen sogenannten Industrieländer. Die Länder, die heute führend bei Erneuerbaren sind, sind immer häufiger Schwellen- und Entwicklungsländer. China hat ein Riesenprogramm für Erneuerbare, Indien will in den nächsten Jahren 300 Gigawatt Solarenergie aufbauen, das ist mehr als die gesamte deutsche Kapazität von etwa 250 Gigawatt. Das ist eine ungeheuer große Leistung. Länder wie Kenia und Uruguay sind inzwischen bei 80 oder 90 Prozent erneuerbarer Stromversorgung. Ganz Lateinamerika produziert zusammengenommen 60 Prozent seines Strombedarfs mit sauberen Energiequellen.

    In anderen Ländern, etwa in Afrika, kommen dagegen sehr wenig Investitionen an.

    Ja, und das muss sich dringend ändern. Dafür gibt es strukturelle Gründe (kleine Volkswirtschaften, fehlende Rahmenbedingungen und Investitionsanreize) aber auch mangelnde Bereitschaft seitens Investoren und Finanzmärkten, in Afrika zu investieren. Kenia, das in den letzten Jahren seine Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Strom verdreifacht hat, bleibt hier eine Ausnahme. Manchmal stecken in diesen Staaten die Ordnungspolitik zu Energiefragen oder die Regeln für die Strommärkte auch noch in den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fest. Und dann fehlt es oft an einer Vernetzung der Stromnetze über Ländergrenzen hinweg, um ein erneuerbares System stabil und rentabel zu machen. Da sind auch wir als UNDP stark engagiert, indem wir Angebote poolen, um kritische Größen zu erreichen, Investitionen weniger risikoreich zu machen und echte oder wahrgenommene Risiken für Investoren abzubauen. Derzeit fließen nur zwei Prozent der Investitionen in Erneuerbare in afrikanische Länder. So kann es nicht weitergehen: Wir zwingen Afrika, sich an die Kohlenstoffwirtschaft zu verkaufen.

    In Baku wurde auch der Anfang gemacht, dass die Geberbasis für die Klimafinanzierung über die traditionellen Industrieländer hinaus erweitert wird. Wird das die Debatte verändern, etwa weil China ein großer Gläubiger der Entwicklungsländer ist?

    Wir können die nächsten Jahre damit verbringen, uns gegenseitig zu kritisieren: Industrie- gegen Entwicklungsländer, der Westen gegen China, China gegen den Westen. Das bringt uns aber nicht weiter. De facto hat sich die Geberbasis schon verändert. Wenn sich Chinas Zahlen bestätigen, hat das Land mehr als 40 Milliarden Dollar für Klimapolitik und Energiewende in Entwicklungsländern investiert. Das würde bestätigen, was viele Entwicklungsländer sagen. Ich habe vor einigen Jahren in Äthiopien eine Windfarm besucht, die in chinesischer Kooperation entstanden ist, das war vergleichbar mit Projekten aus den Industrieländern. Aber auch die Staaten der Golfregion stellen Millionen und Milliarden an Investitionen in Aussicht. Wir sollten also eher schauen, wie wir diese Finanzierungsströme als Klimahilfen anerkennen, obwohl sie nicht durch das gleiche Muster wie bisher berechnet laufen. So kommen wir dem Gesamtrahmen von 2,4 Billionen Dollar jährlicher Investitionen auch näher, um in die Nähe des Klimaziels von 1,5 Grad zu kommen.

    Aber gerade in dieser kritischen Phase fallen wohl die USA als größter Verschmutzer und potenzieller Finanzier aus.

    Meine Erwartung ist: China, Indien und die Golfstaaten werden sich schon aus kommerziellem Interesse viel stärker bei der Energiewende in den Entwicklungsländern engagieren. Aber es wäre fatal, wenn sich die Industrieländer jetzt zurückziehen. Und genau das müssen wir im Moment befürchten: Wenn die USA sich weigern, ihre Co-Finanzierung mitzutragen, geht das genau in die falsche Richtung. Die OECD-Länder müssen schnell klären: Wo sollen die 300 Milliarden verlässlich herkommen? Das wird eine Voraussetzung dafür, dass bei der COP30 in Belem mit neuen NDCs wieder die Art von Ambition zurückkommt, die wir für die Erreichung der Klimaziele brauchen. Aber diese Chance gibt es nur, wenn wir sie nicht mit theoretischen Zahlen und rückwärtsgewandten Trends vergeuden.

    Achim Steiner, Jahrgang 1961, ist der derzeit ranghöchste deutsche UN-Beamte. Der deutsch-brasilianische Politiker ist Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und seit 2017 Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Bis 2016 leitete er das UN-Umweltprogramm UNEP.

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    BMZ stellt entwicklungspolitischen Bericht vor

    Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat am Mittwoch den 17. Entwicklungspolitischen Bericht vorgestellt und damit ein Resümee zur Entwicklungspolitik der vergangenen drei Jahre gezogen. “Die Entwicklungspolitik der Bundesregierung ist heute weiblicher, sie ist multilateraler, sie ist partnerschaftlicher ausgerichtet”, sagte Schulze bei der Vorstellung des Berichts in der Bundespressekonferenz.

    Das BMZ denke mittlerweile bei ihrer Arbeit immer auch die Belange von Mädchen und Frauen mit. Dies sei wichtig, da es durch die Gleichberechtigung in den Partnerländern stabiler würden. Entsprechend gab Schulze an, dass ab dem kommenden Jahr 93 Prozent aller Projekte einen Beitrag zu Gleichstellung der Geschlechter leisten müssen.

    Schulze warnt vor Zusammenlegung von BMZ und AA

    Die Vorstellung des Berichts kommt in einer Zeit, in der der Nutzen der Entwicklungszusammenarbeit stärker hinterfragt und teils heftig kritisiert wird. Auch die Frage, ob das Entwicklungsministerium ins Außenministerium integriert werden sollte, wird debattiert. Schulze warnte vor einem solchen Schritt, auch mit Blick auf Großbritannien.

    2020 hatte der damalige Premierminister Boris Johnson das Entwicklungsministerium ins Außenministerium integriert. “Wir sind über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit anders in der Lage zu agieren, als mit der Außenpolitik”, sagte Schulze. Als Präsidentin der Sahel-Allianz habe sie zum Beispiel die Möglichkeit gehabt, auch mit schwierigen Regierungen zu sprechen. Dies sei der Außenministerin nicht möglich gewesen. Auch mit Blick auf das vorzeitige Ende der Ampel-Koalition sagte Schulze, dass sie auch künftig gerne weiter Entwicklungspolitikerin bleiben wolle.

    Kritik kam von der Union, die der Ampel-Regierung eine verheerende Bilanz in der Entwicklungszusammenarbeit bescheinigte. “Drei Jahre in Folge hat die Ampel-Regierung eine Kürzung des Entwicklungshaushalts beschlossen. In ihrem letzten Haushaltsentwurf liegt er damit 3,5 Milliarden Euro oder 25 Prozent unter dem Wert von 2022“, sagte Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion in Bundestag. Deutschlands Möglichkeiten, unter anderem bei der Bekämpfung von Hunger, seien dramatisch eingeschränkt. Zudem kritisierte Gröhe, dass das BMZ Mittel für die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter eingespart habe. dre

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    E-Mobilität: China will Investitionen in Südafrika verstärken

    China will nach Angaben des chinesischen Botschafters in Südafrika stärker in die Elektromobilität des Landes investieren. “Wir ermutigen die chinesischen Unternehmen, verstärkt in Erwägung zu ziehen, Montage oder Wertschöpfung nach Südafrika zu verlagern“, sagte Wu Peng am Mittwoch der Nachrichtenagentur Bloomberg. China ist der größte Handelspartner Südafrikas, vor den USA und Deutschland. Südafrika besitzt neben Marokko die größte Automobilindustrie auf dem Kontinent. Künftig will das Land nun aber auch in die Elektromobilität einsteigen.

    Wu wies in seinem Statement gleichzeitig allerdings darauf hin, dass die Bedingungen des Marktes eine entscheidende Rolle bei den Entscheidungen der Unternehmen spielen würden. Zudem stellte er weitere Investitionen in angrenzende Branchen wie erneuerbare Energien sowie Rohstoffabbau in Aussicht. “Ich bin überzeugt, dass in Zukunft mehr und mehr chinesische Unternehmen nach Südafrika kommen, in Südafrika investieren und für Südafrika bauen werden”, sagte Peng. Gemeinsam könnten die beiden Länder weitere Marktpotenziale heben.

    Nach Angaben des südafrikanischen Handelsministeriums erwirtschaftet die Automobilbranche in Südafrika über Exporte 2023 umgerechnet rund 14,6 Milliarden Euro. Knapp 400.000 Autos exportierte das Land – zu einem Großteil nach Europa. Insgesamt wurden rund 630.000 Autos produziert – rund 190.000 Autos mehr als noch 2020. Exporte in andere afrikanische Länder waren mit rund 25.400 Autos vergleichsweise gering. dre

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    Presseschau

    Nation: Guinea-Bissau ohne Parlament. Seit Dezember 2023 regiert Guinea-Bissaus Präsident Umaro Sissoco per Dekret. Zuvor hatte er das Parlament aufgelöst. Die versprochenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden bislang jedoch nicht statt. Sissoco müsste die Macht eigentlich im Februar 2025 abgeben. (“A year without parliament in Guinea Bissau”)

    Tagesspiegel: Malariaausbruch im Kongo. Laut ersten Analysen der WHO könnte der Ausbruch in der abgelegenen Region Panzi in der Provinz Kwango im Kongo durch Malaria verursacht worden sein. Der Tropenmediziner Torsten Feldt fordert raschere Reaktionen auf Krankheitsausbrüche. (“Tropenmediziner kritisiert Umgang mit “Krankeit X”: “Wir können froh sein, dass es kein hochansteckender Erreger ist””)

    RFI: Tshisekedi mit Rede zur Lage der Nation. In der Demokratischen Republik Kongo hielt Staatsoberhaupt Félix Tshisekedi am Mittwoch seine traditionelle Rede zur Lage der Nation. Er betonte, dass das Land eine riesige Baustelle sei, die sich eine glänzende Zukunft aufbaut. Anschließend sprach Tshisekedi über die Sicherheitslage im Osten und würdigte die Soldaten und ihre Verbündeten, die Wazalendos-Milizen, die gegen die Streitkräfte der M23 und Ruandas kämpften. (“RDC: Félix Tshisekedi vante l’économie et appelle à réformer la Constitution lors de son discours sur l’état de la nation”)

    Africa News: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Amnesty fordert eine Untersuchung gegen einen ehemaligen Gouverneur und zwei hochrangige Armeeoffiziere im Kongo wegen “möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit”. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation haben Kongos Sicherheitskräfte bei einer Protestaktion in der ostkongolesischen Stadt Goma im August 2023 mindestens 56 Menschen getötet und 80 weitere verletzt. (“Rights group calls for probe of Ex-Governor, Army officers in Congo”)

    Tagesschau: Sudan vor humanitärem Zusammenbruch. Nach einem Bericht des International Rescue Committee steuert der Sudan mit seinen etwa 48,1 Millionen Einwohnern auf einen verheerenden humanitären Zusammenbruch im kommenden Jahr zu. Insgesamt 14,6 Millionen Einwohner sind demnach auf der Flucht und 25,6 Millionen leiden unter unzureichender Nahrungsversorgung. (“Sudan vor humanitärem Zusammenbruch”)

    FAZ: Schriftsteller vor Gericht. Dem 75-jährigen algerisch-französischen Schriftsteller Boualem Sansal wird in Algerien der Prozess gemacht. Aus algerischer Sicht beging Sansal ein doppeltes politisches Sakrileg, indem er sowohl die eigenen Grenzen als auch den Unabhängigkeitskampf der Polisario, deren Schutzmacht Algier ist, infrage stellte. (“Im Minenfeld der algerischen Geschichte”)

    Heads

    Ghanas designierter Präsident: Zweite Chance für John Dramani Mahama

    Ghanas ehemaliger und künftiger Präsident John Dramani Mahama.
    Ghanas ehemaliger und künftiger Präsident John Dramani Mahama.

    “Die Demokratie und Ghana gehen als Gewinner aus dem Wahlprozess hervor. Trotz aller Ängste und Sorgen, die die Menschen vor dem Wahltag hatten, hat es Ghana wieder geschafft”, so die Worte von Ghanas frisch gewähltem Präsidenten John Dramani Mahama auf Facebook. Am Mittwoch traf er auf den scheidenden Präsidenten Nano Akufo-Addo, um die Machtübergabe zu besprechen. Einmal mehr hat Ghana es geschafft, seinen Ruf als stabile Demokratie in Westafrika zu festigen – und Mahama ist bemüht, jegliche Zweifel daran rhetorisch auszuräumen.

    Denn Mitte der Woche wurde auch bekannt, dass es rund um die Wahl und im Nachgang Angriffe von Mahama-Unterstützern auf staatliche Einrichtungen gegeben habe. Rund 100 Menschen seien in diesem Zusammenhang festgenommen worden, berichtete die BBC. 

    Höchster Sieg seit Jahren

    Mit 56,6 Prozent der Stimmen zu 41,6 Prozent für seinen Herausforderer und bisherigen Vize-Präsidenten Mahamudu Bawumia von der New Patriotic Party (NPP) gelang Mahama ein historischer Sieg: In 24 Jahren war ein Wahlkampf nicht mehr so klar ausgegangen. Dazu kommt, dass Mahama auch im Parlament eine überdeutliche Mehrheit hat, mit 186 Sitzen für Mahamas New Democratic Congress (NDC) zu 76 Sitzen für die NPP, vier unabhängigen Kandidaten und noch zehn zu bestimmenden Sitzen.

    Mahama hat eine zweite Chance von den Menschen in Ghana bekommen. Bereits 2012 rückte er vom Vize- auf den Präsidentenposten, nachdem Amtsinhaber John Atta Mills plötzlich verstorben war. Bis 2016 blieb er im Amt. Mahama investierte in Infrastruktur, wurde aber unter anderem für seine Energiepolitik hart kritisiert. Die häufigen Stromausfälle seinerzeit brachten ihm den Spitznamen “Mister Dumsor” (Twi für “Mister Stromausfall”) ein. Korruption war auch ein Thema in Mahamas erster Amtszeit, auch wenn es nicht um ihn persönlich ging. Laut Transaprency International liegt Ghana im Korruptionsindex auf Platz 70 von 180.

    Mahama will IWF-Deal neu aufrollen

    Vor seiner Wiederwahl kündigte Mahama an, die Bedingungen für die Drei-Milliarden-Dollar-Hilfen des Internationalen Währungsfonds neu zu verhandeln. Der Deal war im vergangenen Jahr abgeschlossen worden, um die Schulden des Landes umzustrukturieren. Weitere Punkte, die er angehen will, sind eine Steuerreform sowie Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar, um die Infrastruktur Ghanas zu modernisieren. Mahama hat in seinem Wahlprogramm versprochen, das sozialdemokratische Profil seiner Partei zu stärken und alle Menschen in Ghana am Wohlstand teilhaben zu lassen.

    Überhaupt ist Mahama wohl einer der erfahrensten Politiker, die das Land vorweisen kann: Er wurde 1996 erstmals ins Parlament gewählt und war von 1998 bis 2001 Kommunikationsminister. Atta Mills ernannte ihn 2009 zum Vizepräsidenten. Nachdem Mahama als Präsident eingesprungen war, konnte er das Amt 2016 nicht mehr halten. Akufo-Addo gewann gegen ihn vor dem Hintergrund fallender Gold-, Öl- und Kakao-Exportpreise. Und er schaffte es noch einmal 2020. Die Wählerschaft setzte auf Akufo-Addo, der versprach, das Wachstum anzukurbeln.

    “Erfahrene Führungspersönlichkeit”

    Im Wahlkampf gab sich Mahama einen bescheidenen Anstrich, formulierte aber ganz klar seinen Machtanspruch. Er bewerbe sich noch einmal um das Mandat bei der Bevölkerung von Ghana, denn alle gemeinsam könnten sie ein Ghana schaffen, das sie alle wollten, hieß es in seinem Programm. Und weiter: “Ich gehe diese Mission mit der Demut, der Einsicht, der Rechtschaffenheit und der Dringlichkeit von einer erfahrenen Führungspersönlichkeit an, die überzeugt ist, dass Ghana in die falsche Richtung geht und gerettet werden muss.”

    Ghana gilt für Investoren in Westafrika als attraktiver StandortDeutsche Unternehmen, rund hundert sind es nach AHK-Angaben, sind in Ghana vor allem mit eigenem Vertrieb präsent. Für die Unternehmer gehe es vor allem darum, dass Ghana weiterhin stabil bleibe, so Michael Blank von der AHK in Accra zu Table.Briefings. Da sei das Wahlergebnis weniger wichtig. “Eine friedliche, transparente, faire und gut organisierte Wahl stärkt das Vertrauen in den Standort. Besonders bemerkenswert ist, dass der unterlegene Kandidat der NPP seine Niederlage frühzeitig akzeptierte und seinem Konkurrenten gratulierte.” Das sei ein Zeichen für die Stärke der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen in Ghana und damit ein klarer Pluspunkt für Investitionen und unternehmerische Aktivitäten, sagte Blank.

    Große Erwartungen an Mahama

    Die Erwartungen an Mahama seien jetzt riesig, sagte der politische Analyst Enoch Randy Aikins vom Institut für Sicherheitsstudien im Gespräch mit Table.Briefings. “Er muss ein Versprechen halten, den Regierungsapparat zu verschlanken.” Denn die Verwaltung koste das Land sehr viel Geld. “Außerdem kann er ein politisches Erbe schaffen, in dem er Verfassungsreformen durchführt.” Auf Grundlage seiner Mehrheit im Parlament solle Mahama sich unter anderem darum kümmern, dass Parlamentarier keine Doppelfunktion als Minister hätten.

    Der 66-jährige Mahama gehört zur Elite des Landes. Er ist der Sohn eines reichen Reishändlers, der ebenfalls in der Politik tätig war. In Accra ging er auf eine Privatschule, studierte dann in den 1980er-Jahren Kommunikation und schließlich noch Psychologie in Moskau. Mahama ist Christ, verheiratet und hat fünf Kinder.

    Gefragter Kolumnist

    Immer wieder besprochen wird seine Affinität zur Literatur. “My first Coup d’État” heißen seine Memoiren, die er 2012 veröffentlichte. Darin erinnert er sich an den Militärputsch von 1966, der Kwame Nkrumah – den Gründungsvater und ersten Präsidenten des unabhängigen Ghanas –  1966 stürzte. Mahamas Vater wurde ebenfalls festgenommen. Er selbst erlebte die Umbrüche als Siebenjähriger. Ansonsten hat Mahama für viele Zeitungen Kolumnen und Kommentare geschrieben. Unter anderem schrieb er zum Tod von Nelson Mandela 2013 in der New York Times: “Mandela hat einem ganzen Kontinent beigebracht, zu vergeben.”

    Am 7. Januar 2025 soll Mahama eingeschworen werden. Und mit ihm, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, eine Frau als Vizepräsidentin, Jane Naana Opoku-Agyemang, frühere Bildungsministerin. Lucia Weiß

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    Africa.Table Redaktion

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