Table.Briefing: Africa

Haushalt: Deutschlands Rückzug aus der Welt + GIZ: Strategiewechsel aus der Not + Ruanda: Kagames wunder Punkt

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Mittwoch hat das Bundeskabinett den Entwurf für den Haushalt 2025 offiziell verabschiedet. Der Blick in die Zahlen zeigt: Künftig steht deutlich weniger Geld für Internationales zur Verfügung. Dabei hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt, international mehr Verantwortung übernehmen zu wollen. Wie die Regierung das Versprechen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf einlösen will, ist mehr als fraglich. Auch bei der GIZ herrscht angesichts der Haushaltslage Katerstimmung. Künftig soll fehlendes öffentliches Geld über private Investitionen aufgefangen werden. Dafür ist allerdings eine Umstrukturierung notwendig. Mein Kollege Christian von Hiller und ich haben Ihnen alle wichtigen Details zur aktuellen Haushaltsdebatte zusammengetragen.

Daneben finden Sie noch weitere spannende Analysen und News in unserer heutigen Ausgabe.

Wir wünschen eine interessante Lektüre!

Ihr
David Renke
Bild von David  Renke

Analyse

Haushaltsentwurf 2025: Blick richtet sich nach innen

Am Mittwoch hat die Bundesregierung nun auch offiziell ihren Entwurf für den Haushalt 2025 verabschiedet. Das Arbeitsministerium, Verkehrsministerium und das Verteidigungsministerium können mit deutlichen Budgetzuwächsen rechnen. Auswärtiges Amt und BMZ hingegen müssen scharfe Mittelkürzungen einplanen – genauso das BMWK. Der Blick in die Zahlen zeigt: Die Ampel-Regierung richtet den Fokus stärker nach innen. Dabei war die Ampel 2021 im Koalitionsvertrag noch mit dem Versprechen angetreten, Deutschlands Rolle international zu stärken. Im aktuellen Haushaltsentwurf ist davon wenig zu lesen.

Laut dem Entwurf sollen im Haushaltsjahr 2025 rund 19,8 Milliarden Euro ODA-Ausgaben bereitstehen. Diese setzen sich unter anderem aus dem Haushalt des BMZ mit 10,3 Milliarden Euro und anteilig aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts zusammen. 3,5 Milliarden Euro des insgesamt rund 5,9 Milliarden Euro umfassenden Budgets des AA lassen sich als ODA-Mittel anrechnen. 2024 hatte die Bundesregierung laut BMF noch 20,6 Milliarden Euro für ODA-Mittel ausgegeben. Auf dem Papier sehen die Zahlen unspektakulär aus. Hinzu kommt jedoch, dass der Anteil der anrechenbaren ODA-Ausgaben im Inland, etwa über die Aufnahme von Flüchtlingen, deutlich zunimmt. Das heißt: Die ODA-Ausgaben im Ausland schrumpfen stärker, als es die Gesamtzahl vermuten lässt.

Drastische Kürzungen bei Humanitärer Hilfe

Besonders augenscheinlich wird das etwa bei der humanitären Hilfe, für die im Haushalt 2025 nach den Regierungsverhandlungen nur rund eine Milliarde Euro vorgesehen sind. 2024 standen dafür 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Gleichzeitig ist man im Auswärtigen Amt froh, dass die befürchteten Budgetkürzungen mit 12,5 Prozent doch deutlich glimpflicher ausgefallen sind, als vom Finanzminister ursprünglich vorgesehen.

Scharfe Kritik kommt dennoch vom NGO-Verband Venro. “Mit diesem Haushaltsentwurf setzt die Ampel-Regierung Millionen Menschenleben aufs Spiel“, sagte die Venro-Geschäftsführerin Åsa Månsson. Um den Haushaltsstreit beizulegen, opfere die Ampel die internationale Zusammenarbeit, so Månsson weiter.

4,9 Milliarden Euro für bilaterale EZ

Tatsächlich sei Deutschland mit dem kommenden Haushalt bei kommenden, kurzfristigen internationalen Krisen weniger handlungsfähig, räumte auch BMZ-Staatssekretär Jürgen Flasbarth bereits vor gut drei Wochen auf der Jahrespressekonferenz der GIZ ein. Mit dem beschlossenen Entwurf lässt sich das nun auch für das BMZ mit Zahlen beziffern. Für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit steht demnach insgesamt 4,9 Milliarden Euro zur Verfügung (2024: insgesamt 5,2 Milliarden Euro). Maßgeblich gekürzt wird dabei bei der Krisenbewältigung. Der Haushaltstitel sieht nunmehr 645 Millionen Euro vor. 2024 stand hierfür rund eine Milliarde Euro bereit.

Noch deutlicher sind die Einschnitte bei den Mitteln für die internationalen Organisationen. So gehen die Beiträge für das Welternährungsprogramm geben um 30 Millionen und damit um mehr als die Hälfte zurück. Insgesamt stehen für die europäische EZ und die Vereinten Nationen nur noch 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung (2024: rund 2,3 Milliarden Euro).

Auch bei der Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft kürzt das BMZ. Während 2024 noch 166,5 Millionen Euro eingeplant waren, plant das BMZ für das kommende Jahr mit 154,3 Millionen Euro.

Einsparungen bei kulturellem Austausch

Nicht unerheblich sind außerdem die Einsparungen der Ampel beim kulturellen Austausch. Die Grundfinanzierung des DAAD, die vom Auswärtigen Amt kommt, sinkt zum Jahreswechsel um sechs Prozent von 218 Millionen auf 205 Millionen Euro. Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die die internationale Zusammenarbeit in der Forschung fördert, wird 3,5 Prozent weniger Geld bekommen als im Jahr 2024. Die Bundesregierung kann damit in beiden Fällen die eigene Zielmarke von jährlich drei Prozent mehr nicht einhalten.

Unverständnis äußerte am Mittwoch der Präsident des DAAD, Joybrato Mukherjee, auf Anfrage von Table.Briefings: “Angesichts der ‘Zeitenwende’ ist die Auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik von fundamentaler Bedeutung für unser Land. Die akademische Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern würde durch die geplante Kürzung spürbar geschwächt.”

Geringe Kürzungen bei Finanzierung des Goethe-Instituts

Für das Goethe-Institut sieht der Haushalt 2025 rund 222 Millionen Euro vor. In diesem Jahr finanzierte das AA Deutschlands Kulturaushängeschild mit 226 Millionen Euro. Im Goethe-Institut sieht man die Kürzungen gelassen – auch weil schärfere Einschnitte die Schließung weiterer Institute bedeutet hätte. Dies ist offenbar aktuell nicht notwendig.

Im BMWK sieht die Lage gemischt aus. Das Ministerium sieht in seinem Haushaltsentwurf im kommenden Jahr 209,5 Millionen Euro für die Außenwirtschaftsförderung vor. Dazu gehören folgende Haushaltstitel:

  • Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, einschließlich Standortmarketing: 103,1 Millionen Euro (2024: 105,7 Millionen Euro)
  • Erschließung von Auslandsmärkten: 106,4 Millionen Euro (2024: 119,3 Millionen Euro)

Im Bereich internationaler Zusammenarbeit beim Klimaschutz stehen dem BMWK rund 24,7 Millionen Euro zur Verfügung, dieses Jahr waren es noch 25,7 Millionen Euro. Für den Budgetposten “Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland” sind im kommenden Jahr 635 Millionen Euro vorgesehen. In diesem Jahr waren es noch rund 735 Millionen Euro. mit Tim Gabel

  • Auswärtiges Amt
  • BMWK
  • BMZ
  • Bundeshaushalt 2025
  • Bundespolitik
  • Entwicklungszusammenarbeit
  • Haushalt
Translation missing.

GIZ: Schäfer-Gümbel will aus der Haushaltsnot eine Tugend machen

Noch ist von den Budgetkürzungen bei der GIZ von außen nichts zu sehen. Am Dag-Hammarskjöld-Weg in Eschborn geht der Neubau gegenüber von Haus 1 unverändert voran. Doch innen drin steht die GIZ vor dem vielleicht radikalsten Umbau in ihrer 49-jährigen Geschichte. Im Zuge der Kürzungen im Bundeshaushalt 2025 verliert das BMZ gut 900 Millionen Euro. Das Ministerium wird dem Entwurf zufolge nur noch 10,3 Milliarden Euro erhalten. Das trifft alle Organisationen, die das BMZ mit Aufträgen betraut.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist von der Kürzung betroffen. 3,97 Milliarden Euro Umsatz erzielte das Unternehmen im vergangenen Jahr. Vorstandssprecher Thorsten Schäfer-Gümbel rechnet damit, dass er in den kommenden drei Jahren beim BMZ ein Auftragsvolumen von rund 250 Millionen Euro verlieren könnte. Mit 3,27 Milliarden Euro war das BMZ im Jahr 2023 größter Auftraggeber der GIZ. Den Rest decken Aufträge des BMWK, des Auswärtigen Amtes, des BMUV und von europäischen Institutionen.

Zehn Prozent Stellenabbau

Was für die GIZ in dieser Situation hart ist: “Als Unternehmen sind wir einerseits im Wettbewerb gefordert und müssen gleichzeitig massiv in unsere Digitalisierung investieren“, sagt Schäfer-Gümbel. Die GIZ finanziert sich wie jedes Unternehmen ausschließlich aus den Aufträgen, die sie akquiriert.

Der Sparkurs der Bundesregierung trifft auch die Belegschaft der GIZ. Mehr als 25.600 Beschäftigte hat die Gesellschaft, davon etwa 8500 mit deutschem Arbeitsvertrag. “Wir werden bei der aktuell prognostizierten Geschäftsentwicklung in den kommenden drei Jahren etwa zehn Prozent unseres Personals über alle Mitarbeitendengruppen hinweg abbauen müssen, und das schmerzt sehr”, sagt Schäfer-Gümbel. Doch der langjährige SPD-Politiker fügt sogleich hinzu: “Wir agieren in hoher sozialer Verantwortung, tauschen uns intensiv mit den Betriebsräten aus und werden einen großen Mix an Instrumenten entwickeln.”

Geschäftsmodell weiterentwickeln

Gleichzeitig will die GIZ die Krise nutzen: “In jeder Herausforderung liegt eine Chance. Wir werden daher gleichzeitig unsere Standardisierung und unsere Innovationsfähigkeit vorantreiben und uns neu aufstellen”, sagt der Vorstandssprecher. “Zugleich werden wir unser Geschäftsmodell weiterentwickeln.” Mit der im vergangenen Jahr beschlossenen Unternehmensstrategie habe die GIZ gute Grundlagen für diesen Wandel gelegt. Diese setzt auf drei Schwerpunkte:

  • Die GIZ will interne Abläufe straffen und die Digitalisierung in der Leistungserbringung und im Betriebsmodell vorantreiben.
  • Die GIZ will Projekte stärker standardisieren, Kernmodelle und Kernleistungen entwickeln, um auch hier effizienter zu werden.
  • Und: “Wir werden unsere Partnerorientierung ausbauen“, sagt Schäfer-Gümbel.

Die ersten beiden Punkte sind in erster Linie Managementhandwerk. Der dritte Punkt ist GIZ-spezifischer: Die Partner – das sind die Institutionen, Kommunen, Kooperativen, NGOs und Unternehmen, mit denen die GIZ in den Partnerländern zusammenarbeitet. Aber das sind aber auch Partner in Deutschland: wissenschaftliche Institutionen, die Digital- und Privatwirtschaft oder auch die großen Stiftungen. Und schließlich sind das auch die Partneragenturen in ganz Europa: in Frankreich, Belgien, Litauen, Estland und anderen Ländern.

Mission in deutschem Interesse

“Wir haben Partnererfahrung in 120 Ländern und das seit fast 50 Jahren”, sagt Schäfer-Gümbel. “Wir blicken auf eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit zurück, die auch im deutschen Interesse liegt.” Diese Erfahrung gilt es für den GIZ-Chef, trotz der Mittelkürzungen in die internationale Zusammenarbeit (IZ) weiter einzubringen.

Deshalb meint er auch: “Wir müssen die Partnerorientierung intensivieren”, sagt Schäfer-Gümbel. “Das ist doch eine der wichtigsten Konsequenzen aus der Zeitenwende, dass wir international engagiert und präsent sind.” Für ihn ist klar: “Eine regelbasierte, multilaterale Weltordnung braucht Partnerorientierung.”

Deutschland steht in vielen Ländern des Globalen Südens im Wettbewerb mit China, Russland, Indien und vielen anderen neuen Akteuren. Da sei der entscheidende Wettbewerbsfaktor ein attraktives Angebot. Das müsse die deutsche Seite liefern.

Schwerpunkt Klimaschutz

“In der internationalen Zusammenarbeit spielen wir weltweit in der Top-Liga, das muss auch so bleiben. Unser Wohlstand beruht auf internationaler Kooperation, ein Rückzug kommt uns teuer zu stehen”, sagt Schäfer-Gümbel. Die GIZ stehe zwar in der Wahrnehmung vieler noch für eine klassische Entwicklungshilfe. Doch das sei lange vorbei. “Unser Leistungsangebot ist viel breiter.”

Größtes Geschäftsfeld des Unternehmens ist heute der Bereich Klimaschutz und Energie. Hier bietet die GIZ Unterstützung in diesen Punkten:

  1. Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung
  2. Ausbau erneuerbarer Energien, wie etwa grüner Wasserstoff und dessen Derivate
  3. Entwicklung von entsprechenden Regulierungsrahmen
  4. Berufliche Bildung – “ein Kassenschlager der deutschen IZ”, meint Schäfer-Gümbel.

Zusammenarbeit mit Privatwirtschaft

Und auch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft solle ausgebaut werden. “Die hat bei uns 25 Jahre Tradition. Wir haben allein im BMZ-Programm develoPPP bislang mehr als 1.000 Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft umgesetzt”, erklärt Schäfer-Gümbel. In Ruanda unterstütze die GIZ durch Clusterbildung beim Aufbau eines Pharmasektors und in der Weiterbildung von qualifizierten Fachkräften. Davon könnten künftig mehr Unternehmen profitieren. Biontech etwa baue derzeit eine Impfstoffproduktion auf. Und in Ägypten habe die GIZ gemeinsam mit Siemens Energy ein Trainingszentrum aufgebaut für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich erneuerbarer Energien.

“Wir haben ein gutes Verhältnis mit der Wirtschaft”, sagt denn auch Schäfer-Gümbel. Nur eine Einschränkung muss er machen: Ohne Auftrag könne die GIZ nicht arbeiten. Sie braucht immer jemanden, der ihre Dienstleistungen bezahlt. Und das soll in Zukunft immer öfter die Privatwirtschaft sein.

  • Berufliche Bildung
  • BMZ
  • Entwicklungspolitik
  • Entwicklungszusammenarbeit
  • Grüner Wasserstoff
  • Haushalt
  • International
Translation missing.

Ruanda: Kagame ist an einer entscheidenden Stelle verwundbar

Ob es am Ende die derzeit prognostizierten 99,15 Prozent sein werden oder etwas weniger oder sogar noch etwas mehr – das wird keinen Unterschied machen. Wie erwartet bleibt Präsident Paul Kagame für eine weitere Amtszeit an der Spitze von Ruanda. Es ist die mittlerweile vierte. “Die vorgelegten Ergebnisse deuten auf eine sehr hohe Punktzahl hin. Das sind nicht nur Zahlen, selbst wenn es 100 Prozent wären, das sind nicht nur Zahlen”, sagte Kagame nach den ersten Hochrechnungen Anfang der Woche. “Diese Zahlen zeigen Vertrauen, und das ist das Wichtigste”, fügte er hinzu. “Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam alle Probleme lösen können.”

Kagame wird mit Sicherheit dem Kurs treu bleiben, der Ruandas wirtschaftlichen Erfolg ausmacht. Unter Kagames Führung ist Ruanda ein Paradox. Auf der einen Seite ist das Land wirtschaftlich aufsteigend, auf der anderen Seite lässt Kagame wenig Demokratie zu, obwohl in Afrika immer häufiger mehr Mitbestimmung gefordert wird.

Erfolgsmodell für Afrika

Die Erfolgsgeschichte des Landes ist für den Kontinent eher untypisch, und erinnert an die aufstrebenden Länder Südostasiens in den 1990er-Jahren, deren Politiker allerdings “asiatische Werte” als Grund für ihren wirtschaftlichen Aufstieg angaben: Disziplin, harte Arbeit, Bildung, das Gemeinwohl wichtiger als das Individuum, Loyalität und Respekt für Autorität.

Staatslenker wie Mahathir Mohamad (Malaysia) und Lee Kuan Yew (Singapur) verteidigten den auf konfuzianistischen Werten basierenden und an chinesischen Autoritarismus angelehnten Regierungsstil, in dem von westlichen Ländern propagierte Menschenrechte und individuelle Freiheiten zweitrangig sind. Der Zweck heiligte dabei die Mittel, ähnlich wie in Ruanda, wo Kagames Regierung die Opposition klein hält.

Weltbank schlägt auch kritische Töne an

Diesen wirtschaftlichen Erfolg hebt auch die Weltbank hervor. “Ruandas Wirtschaft ist trotz schwieriger externer und inländischer Faktoren robust und anpassungsfähig geblieben und hat in den ersten drei Quartalen 2023 eine Wachstumsrate von 7,6 Prozent erreicht”, heißt es im aktuellen Länderbericht der Weltbank vom April dieses Jahres. “Das BIP-Wachstum dürfte in den Jahren 2024-2026 wieder an Fahrt gewinnen und voraussichtlich um durchschnittlich 7,2 Prozent wachsen.”

Allerdings lässt die Weltbank auch kritische Töne durchklingen. “Ruandas staatlich gelenktes Entwicklungsmodell hat seine Grenzen aufgezeigt, und die Staatsverschuldung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, heißt es weiter in dem Bericht. “Die starke Abhängigkeit des Landes von großen öffentlichen Investitionen (13 Prozent des BIP im Jahr 2019) hat zu erheblichen Haushaltsdefiziten geführt, die durch Auslandskredite finanziert wurden.”

Damit benennt die Weltbank klar die Achillesferse, an der Kagame mit seiner Politik am verwundbarsten ist. Sollte der Dollar weiterhin zu den Währungen der Schwellenmärkte aufwerten, wird sich für Ruanda auch der Schuldendienst der Kredite aus dem Ausland verteuern. Die Kombination aus einem international höheren Zinsniveau und hohen Dollar-Krediten könnte Kagames Erfolgsgeschichte gefährden.

Großer Rückhalt trotz Repressionen

Zum ersten Mal fanden in Ruanda am Montag Präsidentschafts- und  Parlamentswahlen zusammen statt. Rund neun Millionen Wahlberechtigte des 13,6 Millionen Einwohner großen Landes durften an die Urnen gehen. Die Wahlbeteiligung soll bei fast 100 Prozent gelegen haben. Präsident Kagame scheint weitaus beliebter zu sein als seine regierende Rwanda Patriotic Front (RPF), die sich mit rund 62 Prozent der Stimmen zufrieden geben muss. Und die konnten nur im Rahmen einer Koalition mit vier anderen Parteien erreicht werden.

Wie bei den Wahlen 2017 nahmen es die oppositionellen Kandidaten Frank Habineza (Democratic Green Party of Rwanda) und Philippe Mpayimana (unabhängig) mit Kagame auf und blieben mit zusammen weniger als einem Prozent der Stimmen in der Bedeutungslosigkeit. Andere Kandidaten wie Diane Rwigara und Victoire Ingabire wurden gar nicht zur Wahl zugelassen. Das offizielle Endergebnis soll am 27. Juli vorliegen.  

Eine beeindruckende Erfolgsbilanz

Die Erfolge von Kagame, der dem Land als Präsident seit 2000 vorsteht, aber faktisch das Land seit 1994 anführt, sind bekannt: nationale Versöhnung nach dem Völkermord von 1994, Stabilität, Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsfürsorge, niedrige Korruption, Jobs und Sicherheit.

Der Rückhalt in der Bevölkerung, die dies als gute Regierungsführung ansehen, ist groß. Die Opposition dagegen hält die Regierung für diktatorisch, wirft ihr vor, dass sie kaum andere Meinungen zulasse und Kritik im Keim ersticke, wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Lewis Mudge, Central Africa Director von Human Rights Watch, beschreibt dies folgendermaßen: “Als Organisation, die die bürgerlichen und politischen Rechte der Menschen in Ruanda verteidigt, möchten wir darauf hinweisen, dass der Kontext ein ganz anderer ist, wenn man sich anders ausdrücken und die Regierungspolitik kritisieren möchte. Es gibt einfach keinen Spielraum für sie, um zu agieren”, sagte er.

Kagame hält sich international zurück

Jahrelang gab sich Kagame als Vertreter und internationaler Sprecher des afrikanischen Kontinents, hielt sich allerdings in den vergangen Jahren zurück. Stattdessen überlässt er heute Staatsführern wie dem ehemaligen Präsidenten des Senegal, Macky Sall, oder dem Präsidenten von Kenia, William Ruto, die großen Auftritte auf der Weltbühne. Sall wurde im April nach seiner zweiten Amtszeit und oppositionellen Protesten abgewählt. Ruto steht derzeit nach wochenlangen Demonstrationen unter politischem Druck.

Ähnliche Proteste sind in Ruanda unbekannt. Die von der Regierung geänderte Verfassung erlaubt es dem erst 66-jährigen Kagame sogar, nach dieser Amtszeit eine weitere dranzuhängen und bis 2034 zu regieren. Auch muss sich Kagame nicht mit Herausforderungen herumschlagen, die etwa dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa zu schaffen machen: ein Land mit einer maroden Infrastruktur, Vetternwirtschaft und hoher Kriminalität zu regieren, das Führungsmacht in Afrika ist, aber wirtschaftlich kaum vorankommt.  

Vorbild für andere afrikanische Länder

Ruanda politisches System wird vor allem im Westen kritisiert. In Afrika genießt es breite Anerkennung. So waren es afrikanische Präsidenten, die Kagame bereits zur Wiederwahl gratulierten, darunter William Ruto aus Kenia, Filipe Nyusi aus Mosambik, Samia Suluhu Hassan aus Tansania und Umaro Sissoco Embaló aus Guinea-Bissau. Sie zählten zu den ersten Staatschefs, die dem erfahrenen ruandischen Präsidenten Glückwunschbotschaften übermittelten.

Sie alle glauben zu wissen, dass etwas mehr Autoritarismus nach ruandischem Vorbild auch ihren Ländern gut tun würde. Der Kontinent hat sich in vergangenen Jahren zunehmend mit dem chinesischen Entwicklungsmodell angefreundet, das schnelleres Wirtschaftswachstum verspricht, aber wenig Dissens zulässt. Die Macht von demokratischen Werten und die Vielfalt von Meinungen sollten dabei allerdings nicht in Vergessenheit geraten.  

  • Demokratie
  • Ostafrika
  • Ruanda
  • Wahlen

News

Kenia: Warum die anhaltenden Proteste ein gutes Zeichen sind

Die Protestwelle in Kenia, die mittlerweile alle größeren Städte erreicht hat, ist ein gutes Zeichen für das Land. Die meist jugendlichen Demonstranten wollen sich mit den herrschenden Verhältnissen in Kenia nicht länger abfinden und fordern eine grundlegend neue Politik. Sie werfen den Machthabern um Präsident William Ruto vor, zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein und sich zu wenig dafür zu interessieren, die Lebensverhältnisse der Bevölkerung zu verbessern.

Eine maßgebliche Stimme der Proteste ist der 62 Jahre alte Anwalt Patrick Loch Otieno Lumumba, der unter dem Blog-Namen Professor Lumumba oder auch PLO Lumumba in den sozialen Medien eine Stimme der Jugend geworden ist. Von 2010 bis 2017 leitete er die Behörde zur Korruptionsbekämpfung KACC.

Aufruf an die Jugend

“Afrika kann aufsteigen und wird aufsteigen, aber das wird nicht durch Gebete und Fasten geschehen”, schrieb er. Oder auch: “Afrika ist zu einem Kontinent geworden, auf dem es nach jeder Wahl zu Konflikten kommt, weil das Streben nach Macht zu einem erbitterten Wettbewerb wird, bei dem uns buchstäblich die Kehle durchgeschnitten wird.”

In der vergangenen Woche hatte Ruto sein gesamtes Kabinett entlassen, mit Ausnahme von Außenminister Musalia Mudavadi und sich selbst. Dies war ein weiterer Versuch, die Stimmung zu beruhigen. Am 13. und 14. September hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ruto zum Bürgerfest in das Schloss Bellevue eingeladen. Es findet dieses Jahr unter einem Motto in Swahili, “Pamoja – Gemeinsam stärker”, statt.

Drei Männer an der Macht

Doch die Gründe der Proteste reichen tief, so dass eine Kabinettsumbildung und ein neues Haushaltsgesetz nicht reichen werden. Seit mehr als zehn Jahren bestimmen drei Männer die Politik im Land:

  • William Ruto, Präsident seit 2022,
  • Raila Odinga, Kandidat in den Wahlen von 1997, 2007, 2013, 2017 und 2022,
  • Uhuru Kenyatta, Präsident von 2013 bis 2022.

Rutos Wahl im Jahr 2022 war das Ergebnis wechselnder Bündnisse im Machtdreieck Uhuru-Ruto-Odinga. 2013 hatten Uhuru – wie Kenyatta in Kenia nur genannt wird – und Ruto gemeinsam im Rahmen der Jubilee Coalition die Präsidentschaftswahl gewonnen. Kenyatta wurde Präsident, Ruto sein Vize, Odinga Oppositionsführer.

Ruto und mehr noch Kenyatta verkörperten damals eine neue Generation, nachdem Kenyattas Vorgänger Mwai Kibaki in seiner Amtszeit von 2002 bis 2013 Zeichen von Senilität gezeigt hatte. Uhuru war damals 51 Jahre alt und Ruto 47 Jahre. Odinga galt damals mit 68 Jahren als alter Mann. Doch die Hoffnung auf Erneuerung täuschte – und erklärt zum großen Teil die heutigen Proteste der Jugend.

Neues Bündnis

Dann wechselten die Bündnispartner. Im Frühjahr 2018, nach Uhurus Wiederwahl 2017, schüttelten Uhuru und Odinga zum Zeichen ihres Friedensschlusses öffentlich die Hand. Ruto war plötzlich außen vor. Im Januar 2021 machte Uhuru den Bruch mit Ruto nach zwanzigjähriger gegenseitiger Unterstützung endgültig.

Hinzu kommt, dass die drei Protagonisten unterschiedliche Ethnien repräsentieren. “Die Präsidentschaft gehört nicht allein zwei Stämmen”, sagte Uhuru damals öffentlich. Bis dahin waren Kenias Präsidenten immer Kikuyu (wie er, sein Vater Jomo Kenyatta und Kibaki) oder Kalenjin (wie Ruto oder arap Moi), aber nie ein Luo wie Odinga.

In Kenia basieren politische Ehen kaum auf ideologischer Übereinstimmung – sie bringen nur unterschiedliche ethnische Führungspersönlichkeiten zusammen”, meint Joseph Warungu, Trainer für Medien und Kommunikation.

“Verschlaft keine Revolution”

Die Demonstranten rebellieren gegen diese überkommenen Machtmuster, stellen jedoch weder die politische Grundordnung noch die Demokratie selbst infrage. Die Proteste erschüttern Ruto, nicht die Demokratie im Land. Die Demonstrationen zeigen im Gegenteil, wie stabil die Demokratie ist und wie selbstbewusst die neue Generation auf Erneuerung drängt.

“Der afrikanische Kontinent steht vor unzähligen Herausforderungen, und die Gesellschaft kann nicht wachsen, wenn die jungen Männer und Frauen nicht wach sind”, sagte PLO Lumumba kürzlich und rief der Jugend zu: “Was für junge Männer und Frauen seid ihr? Verschlaft keine Revolution oder Veränderung. Es ist möglich. Tragt euren Teil dazu bei.” Dann fügte er hinzu. “Die Zukunft Afrikas ruht auf den Schultern der Jugend, und sie muss bereit sein, diese Herausforderung zu meistern.” hlr

  • Demokratie
  • Jugendliche
  • Proteste

Südafrika: Zuma vor Ausschluss aus ANC

Dem ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma droht der Ausschluss aus dem African National Congress (ANC), der Partei, die er einst führte. Der ANC hat ein Disziplinarverfahren gegen Zuma eingeleitet, weil er als Vorsitzender der abtrünnigen MK-Partei im Vorfeld der Wahlen im Mai Wahlkampf gegen den ANC betrieben hat. Bereits im Januar hatte ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula bekannt gegeben, dass die Partei Zumas Mitgliedschaft suspendiert habe, nachdem er die MK-Partei gegründet hatte.

Zuma nahm an der virtuellen Anhörung am Mittwoch nicht teil und ließ sich stattdessen von einem Verbündeten, dem ANC-Funktionär Tony Yengeni, vertreten. Ein MK-Sprecher teilte mit, Zuma habe darum gebeten, die Anhörung öffentlich und persönlich durchzuführen. Der ANC lehnte dies ab, stimmte aber zu, die Anhörung auf Dienstag zu verschieben.

Zuma will nicht vors Gericht gehen

Zuma werde sich zwar nicht an die Gerichte wenden, um den ANC zu zwingen, die Anhörung persönlich durchzuführen, so der MK-Sprecher weiter. Er habe aber einen Stellvertreter zu der Anhörung geschickt, um klarzumachen, dass die Anhörung persönlich stattfinden müsse, wenn er daran teilnehmen solle. Die südafrikanische Zeitung Mail & Guardian berichtet unter Berufung auf eine Quelle, Zuma wolle eine persönliche Anhörung, um “Drama zu verursachen”.

Zuma wäre der erste ehemalige Parteichef, der aus dem ANC ausgeschlossen wird. Er musste 2018 als südafrikanischer Präsident zurückzutreten, nachdem er aufgrund von Korruptionsvorwürfen die Unterstützung des ANC verloren hatte. Seitdem ist er in eine politische Fehde mit Cyril Ramaphosa verwickelt, der ihn als Parteichef und Staatspräsident abgelöst hat. ajs

  • Parteien
  • Südafrika
  • Wahlen

Standpunkt

Rechtsbruch und Realitätsverlust: Warum ein sogenannter Ruanda-Deal nur scheitern kann

Von Deborah Düring & Julian Pahlke
Deborah Düring und Julian Pahlke, MdB für Bündnis 90/Die Grünen.
Deborah Düring und Julian Pahlke, MdB für Bündnis 90/Die Grünen.

Der ehemalige britische Premierminister Rishi Sunak hat immer wieder große Reden geschwungen: Mit dem Ruanda-Plan würde man “die Boote stoppen”. Erst stoppten nationale Gerichte und dann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die geplanten Abschiebungen. Sunak versuchte es anders: Ruanda wurde kurzerhand per Gesetz zu einem sicheren Drittstaat erklärt und die Umsetzung von Entscheidungen und Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sollte nicht mehr gelten. Das war nicht nur ein verzweifelter Versuch, seinen Wahlkampfplan zu retten. Es war auch ein Angriff auf europäische Menschen aus dem Herzen einer europäischen Demokratie.

Rishi Sunak veranlasste medienwirksam Inhaftierungen von Asylsuchenden und kündigte an, dass ein Rollfeld auf dem Flughafen und Charterflüge gebucht seien und ausgebildete Grenzpolizist:innen für die Abschiebungen nach Ruanda bereitstünden. Was ist seitdem passiert? Nichts. Kein einziger Flieger ist gestartet, keine einzige Abschiebung – abgesehen von einer freiwilligen Ausreise – ist erfolgt. Die Zahl der Menschen, die in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen sind, ist nicht gesunken, sondern gestiegen. Am 4. Juli ging die Labour-Partei als Sieger aus den Wahlen hervor. Einen Tag nach der Wahl erklärte der neue Premierminister Keir Starmer: Der Ruanda-Deal ist Geschichte.

Ruanda-Plan in UK gescheitert

Wir konnten das Scheitern des britischen Ruanda-Plans in Echtzeit beobachten. Und trotzdem scheint die Idee auch bei Konservativen und Rechten auf dem europäischen Festland Anklang zu finden. Nicht zuletzt haben die Ministerpräsident:innen der Länder gerade gefordert, weiter nach Möglichkeiten zu suchen, um Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Auf Bitte der Ministerpräsidentenkonferenz im November letzten Jahres hat das Bundesinnenministerium ein umfassendes Prüfverfahren mit fast dreißig Sachverständigen durchgeführt.

Die große Mehrheit der angehörten Expertinnen sieht gravierende rechtliche und praktische Hürden und rät von einer Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ab. Das Ergebnis des Prüfverfahrens ist damit sehr klar. Wenn konservative Kräfte nun weiter darauf beharren, dass sich trotzdem Mittel und Wege finden lassen müssen, um Geflüchtete aus Deutschland in sogenannte Drittstaaten zu schicken, dann ist das kontrafaktisch. Diese populistischen Scheinlösungen können niemals umgesetzt werden. Sie werden im Ergebnis für Enttäuschung sorgen und stärken damit die AfD.

Versuch der Auslagerung aussichtslos

Dabei wäre der Versuch einer Auslagerung aussichtslos: Nach geltendem Europa- und Völkerrecht wäre ein solcher Plan unzulässig. Auch mit kleineren Rechtsänderungen wäre es noch lange nicht getan. Denn es bleiben handfeste Bedenken, auch mit Blick auf deutsches Verfassungsrecht, europäisches Primärrecht und Menschenrechte. Jedes Szenario würde absehbar mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Das ist der rechtliche Blick. Aber auch migrationswissenschaftlich ist ein solcher Vorschlag wirkungslos: Es fehlt praktisch jede wissenschaftliche Evidenz für eine abschreckende Wirkung solcher Modelle. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Zahlen ankommender Geflüchteter sinken würden. Vor einer Überstellung in einen Drittstaat müssten komplizierte Vorverfahren erfolgen und Klagemöglichkeiten vor Gerichten bestehen.

All diese Bedenken außer Acht gelassen, kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Es würde sich die Frage stellen, welches Land überhaupt Interesse an einem solchen neokolonialen Deal hätte und gleichzeitig menschenrechtliche und rechtsstaatliche Standards erfüllen würde. Wenn Deutschland versuchen würde, seine Verantwortung im internationalen Flüchtlingsschutz auf Staaten im Globalen Süden abzuwälzen und dafür in Verhandlungen mit autokratischen Staaten gehen würde, würden wir massiv Glaubwürdigkeit in der deutschen Außenpolitik verspielen. Und uns womöglich von Autokraten abhängig machen, von denen wir nicht abhängig sein wollen. Ebenfalls droht eine weitere Destabilisierung des internationalen Flüchtlingsregimes. Denn die Autokraten würden sich einen solchen Deal sicherlich gut bezahlen lassen: In Großbritannien rechnet man mit bis zu zwei Millionen Euro für eine einzelne Abschiebung.

Geld sinnvoll verwenden

Dieses Geld sollten wir lieber in den Bau von Kitas und Sozialwohnungen in Deutschland stecken. Oder in den Personalaufbau an den Verwaltungsgerichten, um rechtsstaatliche Asylverfahren zügig zu einem Abschluss zu bringen. Oder in Entwicklungszusammenarbeit und internationale Krisenvorsorge: Die große Mehrheit von Flüchtlingen bleibt zunächst in den Nachbarstaaten. Es gilt, diese Länder weiter bei der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten zu unterstützen. Die Wissenschaft zeigt, dass Perspektiven vor Ort ein zentraler Faktor sind, von dem abhängt, ob Menschen weiterziehen oder nicht. Wir müssen auch mehr tun, um die Gründe von Flucht zu verringern.

Das bedeutet nicht weniger, sondern mehr Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und internationale Klimapolitik, damit Menschen gar nicht erst gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Angesichts der vielfältigen Krisen, die uns global begegnen, wissen wir, was zu tun ist. Debatten darum, ob man Flüchtlinge in einen Flieger nach Ruanda setzen kann, zählen nicht dazu.

Die Grünen-Politiker Deborah Düring und Julian Pahlke sind seit 2021 Mitglieder des Deutschen Bundestags. Düring ist seit Anfang dieses Jahres außenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Pahlke ist Experte für Migrationspolitik und Mitglied im Innenausschuss sowie stellvertretenden Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

  • Bundespolitik
  • Flüchtlinge
  • Migration
  • Migrationspolitik
  • Ruanda

Must-reads

Le Monde: Niger will Sicherheitskooperation mit Türkei vertiefen. Eine große türkische Delegation hat am Mittwoch Niger besucht, um die militärische Zusammenarbeit mit dem nigrischen Regime zu verstärken, das vor einem Jahr durch einen Putsch an die Macht kam. Die Delegation wurde von Hakan Fidan, dem türkischen Außenminister, angeführt und von den Ministern für Verteidigung, Energie und dem Leiter des Geheimdienstes begleitet. Die Türkei ist neben Russland und dem Iran einer der Partner, an die sich die Junta in Niamey seit dem Putsch gewandt hat. Die türkischen Bayraktar-Kampfdrohnen sind bereits zu wichtigen Bestandteilen der Armeen der Nachbarländer Mali und Burkina Faso geworden.

Financial Times: Mosambik: Total heuert ruandisches Sicherheitsunternehmen mit Verbindungen zu Kagame an. Ein von der ruandischen Regierungspartei unterstütztes Sicherheitsunternehmen ist mit der Bewachung des 20-Milliarden-Dollar-LNG-Projekts von Total Energie im Norden Mosambiks beauftragt worden. Die Muttergesellschaft Isco Global ist eines von mehreren ruandischen Unternehmen, die seit 2021 Ableger in Mosambik gegründet haben, etwa in den Bereichen Sicherheit, Bau und Bergbau. Die Muttergesellschaft von Isco Global wiederum, Intersec Security Company, wurde 1995 gegründet, ein Jahr nach der Machtübernahme von Paul Kagames RPF in Ruanda. Intersec ist eine Tochtergesellschaft von Crystal Ventures, der von der Partei gegründeten Investmentgruppe, die viele Bereiche der ruandischen Wirtschaft dominiert und inzwischen vermehrt ins afrikanische Ausland expandiert.

Al Jazeera: Libyen und Tunesien wollen mehr EU-Geld gegen Migration. Vertreter aus 28 afrikanischen und europäischen Ländern sind in der libyschen Hauptstadt Tripolis zum Transmediterranen Migrationsforum zusammengekommen, um die Bekämpfung irregulärer Migration zu diskutieren. Libysche und tunesische Vertreter forderten mehr EU-Unterstützung, während Italiens rechtsextreme Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte, die Situation könne nicht gelöst werden, ohne das Problem in den Herkunftsländern anzugehen. Die Internationale Organisation für Migration gab im Mai an, dass sich zu Beginn des Jahres mehr als 706.000 Migranten in Libyen aufhielten. Libysche Beamte gehen jedoch davon aus, dass die tatsächliche Zahl über zwei Millionen liegt.

Reuters: Türkei schickt Bohrschiff nach Somalia. Die Türkei wird noch in diesem Jahr ein Explorationsschiff vor die Küste Somalias schicken, um im Rahmen eines Kooperationsabkommens zwischen den beiden Ländern nach Öl und Gas zu suchen, teilte das türkische Energieministerium am Donnerstag mit. Das Schiff soll im September oder Oktober in See stechen. Im Rahmen des Abkommens hat die Türkei die Rechte an drei Offshore-Blöcken erhalten. Zwei davon liegen etwa 50 Kilometer vor der Küste, der dritte ist etwa 100 Kilometer vom Land entfernt.

Bloomberg: Namibia bereitet sich auf Ölförderung vor. Der französische Ölgigant Total Energies hat zusammen mit der in London ansässigen Shell und der portugiesischen Galp Energia große Entdeckungen etwa 290 Kilometer vor der Küste Namibias gemacht: Seit Anfang 2022 sind dort Bohrungen in rund 80 Prozent der Fälle auf Öl gestoßen – eine fast beispiellose Erfolgsquote. Der Ölboom hat das Potenzial, die namibische Wirtschaft bis 2040 zu verdoppeln. Die namibischen Behörden haben jedoch auch Bedenken geäußert, ob die Ölfunde nicht zu spät für eine Welt kommen, die einen Netto-Null-Emissionsausstoß bis Mitte des Jahrhunderts anstrebt.

Bloomberg: Dangote-Raffinerie kommt nicht an nigerianisches Rohöl. Nigerias riesige neue Raffinerie wird durch den Preis für einheimisches Rohöl gezwungen, sich auf Lieferungen aus dem Ausland zu verlassen, beklagt der Betreiber. Neue Maßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörde sollen nun dazu führen, dass die Dangote-Raffinerie mehr Rohöl aus dem Inland beziehen kann. Die Aufsichtsbehörde wird als Vermittler zwischen lokalen Raffinerien und Erzeugern auftreten, wenn keine Einigung über die Rohölversorgung erzielt werden kann, und versuchen, eine Einigung auf der Basis “williger Käufer und Verkäufer” zu erzielen.

Bloomberg: Nigeria erwägt einmalige Übergewinnsteuer für Banken. Nigerias Präsident Bola Tinubu plant eine einmalige Steuer in Höhe von 50 Prozent auf unvorhergesehene Profite, die Banken nach der Abwertung des Naira im vergangenen Jahr durch massive Währungsgewinne verbucht haben. So hat sich beispielsweise der Gewinn der Guaranty Trust Bank, des nach Marktwert größten Kreditinstituts des Landes, im Jahr 2023 mehr als verdreifacht, was auf die Wechselkursgewinne zurückzuführen ist. Nigeria hatte nach Tinubus Amtsantritt im Mai 2023 im Rahmen seiner Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und zur Förderung von Investitionen aus dem Ausland den künstlich starken offiziellen Naira-Wechselkurs gegenüber dem Dollar nicht mehr überwacht.

The Africa Report: Brenda Biya und der Stand der LGBTQ-Gesetzgebung in Afrika. Die Tochter des kamerunischen Präsidenten Paul Biya hat sich kürzlich mit einem auf Instagram geposteten Foto als lesbisch geoutet. Brenda Biya hat damit die Debatte über die Kriminalisierung von Homosexualität in vielen afrikanischen Ländern wieder neu entfacht. Africa Report geht dem Thema auf dem gesamten Kontinent mit einer interaktiven Karte auf den Grund.

Heads

Volker Schütte – Kaufmann zwischen Bremen und Südafrika

Dem Bremer Kaufmann Volker Schütte gefällt die pragmatische Denkweise der Unternehmer in seiner Wahlheimat Südafrika.

Südafrika liegt Volker Schütte quasi in den Genen: “Meine Familie ist seit circa 150 Jahren immer wieder dort ansässig. Meine Ururgroßmutter ist in Mossel Bay beerdigt, also 1900 dort gestorben, seitdem hat meine Familie Verbindung.” Über diese ist er auch das erste Mal ins Land gekommen, das war 1980. Seither reist er zwischen Bremen und Südafrika hin und her.

Mit Partnern aus Bremen hat er 1985 in Johannesburg die Firma Metal and Tool Trade (Pty) Ltd, (MTT) gegründet. Ein Unternehmen, das bis heute besteht und mit Nichteisen-Metallhalbzeugen, also Rohren, Stangen, Folien, Blechen, Platten et cetera aus Aluminium oder Kupfer-Messing die metallverarbeitende Industrie in Südafrika beliefert. Am Ende der Produktionskette entstehen Erzeugnisse, die im Automobilbau, sowie in der Luftfahrttechnik und Verpackungsindustrie verwendet werden.

Unternehmerische Eigeninitiative statt Verlass auf den Staat

Und was braucht es, wenn man als Unternehmen in Südafrika profitabel wirtschaften will? “Als allererstes: Sie müssen Ihr eigenes Geld mitbringen. Sie bekommen weder in Südafrika Ihr Unternehmen finanziert – das ist jetzt auch nicht unbedingt Aufgabe der südafrikanischen Banken, ein deutsches Unternehmen zu finanzieren – und Sie erhalten in Europa relativ wenig Geld für Unternehmungen in Südafrika.” Des Weiteren seien Eigeninitiative und ein hohes Maß an Flexibilität gefragt: Gibt es kein Wasser, dann organisiert man Wassertanks, fällt die Energie zu oft aus, installiert man Solarpanele, findet man keine Arbeitskräfte vor Ort, dann bildet man als Betrieb eben selber aus.

Auf Afrikaans existiert ein Sprichwort, das besagt: “’N boer maak ‘n plan” (Ein Bauer macht einen Plan). Dieser Satz gilt schon lange nicht mehr nur für die Landwirtschaft: “Da sind auch die Unternehmer in Südafrika unheimlich kreativ, Lösungen zu finden und so haben sich sozusagen Wirtschaft und Politik zunehmend voneinander gelöst.” Mit der deutschen Staatsgläubigkeit komme man in Südafrika entsprechend nicht weit. Die praktikable und pragmatische Herangehensweise und Mentalität gefällt Volker Schütte. Auch wertschätzt er das “große Spektrum an verschiedenen Persönlichkeiten und Hintergründen, mit denen man zu tun hat.” Positiv hebt er außerdem das funktionierende Bank- und Justizwesen hervor.

Unternehmern, die sich auf dem Markt etablieren wollen, rät er, sich beispielsweise mit dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft in Verbindung zu setzen, in dem er zum Vorstand gehört. “Es gibt unheimlich viel Wissen in Deutschland über den afrikanischen Kontinent und auch über Südafrika.”

Honorarkonsul der Republik Südafrika

Von seinem Wissen über und seinen Verbindungen nach Südafrika profitiert auch die Bremer Unternehmensgruppe Louis Delius, der er seit 1995 als Geschäftsführender Gesellschafter vorsteht. “Wir sind ein traditioneller Exporteur von Produkten nach Lateinamerika, gerade die spanischsprachigen Länder. Südafrika ist erst durch mich dazugekommen, spielt aber keine dominante Rolle.” Die Produkte, die nach Afrika gehen, kommen vorrangig aus China und Indien und immer weniger aus Europa (zwischen 1985-1995 etwa 90 Prozent, heute vielleicht zehn Prozent). “Das hat sich alles vollkommen verschoben.” Südafrika exportiert aber auch in großem Stil: im Aluminiumbereich in der Schmelze zum Rohaluminium wie auch zum Halbzeug 80 Prozent, im Walzwerkbereich 50 Prozent.

Seit August 2003 bekleidet Schütte auch das Amt des Honorarkonsuls Südafrikas für das Bundesland Bremen: “Es ist ein sehr dankbares und schönes Amt, muss ich sagen.” Hier hat er allerdings weniger mit Business-Fragen zu tun, weil Bremen wie auch Hamburg als Hansestadt traditionell recht enge geschäftliche Verbindungen zu Südafrika pflegt, sodass in diesem Bereich wenig Unterstützung erforderlich ist. Rat holen sich die Menschen bei Volker Schütte häufiger in privaten und Reiseangelegenheiten ein: Immobilienankauf, Hausverkauf, Heirat, Scheidung, Visa, Dokumente, Bankangelegenheiten. Als Honorarkonsul ist es ihm allerdings nicht möglich, Pässe auszustellen oder andere offizielle Funktionen auszuführen.

Tourismus und mehr lokale Wertschöpfung für die Zukunft

Die wirtschaftliche Zukunft Südafrikas liegt in den Augen Volker Schüttes vor allem im Tourismus: “Sie müssen ja bei allem gucken: Was kreiert am meisten Arbeitsplätze? Und da ist Tourismus meiner Meinung nach absolut die Nummer Eins, weil Sie in jedem Segment von ganz unten bis nach oben hin Leute beschäftigen. Südafrika hat unendlich viel zu bieten im Tourismus.”

Ein weiteres wirtschaftliches Potenzial, welches im Land bisher noch kaum ausgeschöpft würde, sieht er in der Aufbereitung und Veredelung von Rohstoffen im eigenen Land. Vielleicht werden seine Kinder diesen Trend eines Tages erleben dürfen, denn auch seine Familiengeschichte setzt sich in dem Land weiter fort: Der älteste Sohn von seinen drei in Südafrika geborenen Kindern führt aktuell ein Unternehmen in der Verpackungsindustrie für Lebensmittel in Johannesburg. Juliane Scholübbers

  • Afrika-Verein
  • Export
  • Handel
  • Import
  • Südafrika

Nachtisch

Besucher des Festival of Motoring in Kyalami, Johannesburg am Stand des chinesischen Herstellers Chery.

Das Klauen von Autos ist ein kriminelles Geschäft, das größtenteils von Angebot und Nachfrage getrieben wird. So auch in Südafrika, wo Kriminelle immer mehr Fahrzeuge chinesischer Herkunft stehlen. Das hat Wahl Bartmann, CEO der Fidelity Services Group, der größten Sicherheitsfirma im südlichen Afrika, bestätigt. Der Diebstahl chinesischer Marken sei in der ersten Jahreshälfte gegenüber den Vergleichszeiträumen 2023 und 2022 sichtbar gestiegen, so Bartmann. In Südafrika werden jeden Tag im Mittel 65 Fahrzeuge gestohlen.

Ein Hauptgrund für den neuen Trend ist der Erfolg chinesischer Hersteller auf dem Automarkt in Südafrika. Traditionell ist dieser von japanischen, aber auch europäischen Marken, darunter deutschen, geprägt. Nach den Top 10 der beliebtesten Autos tauchen nun chinesische Hersteller wie Chery oder Haval auf. Den Autodieben ist das auch aufgefallen: “Je mehr diese Autos verkauft werden und auf der Straße unterwegs sind, desto größer ist die Nachfrage nach ihren Ersatzteilen”, erklärt Bartmann. Mit diesen ließe sich gutes Geld verdienen. Der Markt für gestohlene Autoteile sei in Südafrika lukrativ. Aber: “Es geht nicht nur darum, mit den Teilen zu handeln, sondern auch um die Manipulation der Verordnung, nach der Fahrzeuge neu zugelassen werden können.”

Um sich zu schützen, sollten Autobesitzer vor allem mit Vorsicht fahren. Auch einen Car Tracker zu installieren hilft, um Diebstähle im Nachhinein aufzuklären. Das kleine Gerät übermittelt Daten an Satelliten. So lässt sich der Standort des (gestohlenen) Fahrzeugs verfolgen. Populäre Farben wie Weiß oder Silber sollten ebenfalls vermieden werden. as

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am Mittwoch hat das Bundeskabinett den Entwurf für den Haushalt 2025 offiziell verabschiedet. Der Blick in die Zahlen zeigt: Künftig steht deutlich weniger Geld für Internationales zur Verfügung. Dabei hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt, international mehr Verantwortung übernehmen zu wollen. Wie die Regierung das Versprechen mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf einlösen will, ist mehr als fraglich. Auch bei der GIZ herrscht angesichts der Haushaltslage Katerstimmung. Künftig soll fehlendes öffentliches Geld über private Investitionen aufgefangen werden. Dafür ist allerdings eine Umstrukturierung notwendig. Mein Kollege Christian von Hiller und ich haben Ihnen alle wichtigen Details zur aktuellen Haushaltsdebatte zusammengetragen.

    Daneben finden Sie noch weitere spannende Analysen und News in unserer heutigen Ausgabe.

    Wir wünschen eine interessante Lektüre!

    Ihr
    David Renke
    Bild von David  Renke

    Analyse

    Haushaltsentwurf 2025: Blick richtet sich nach innen

    Am Mittwoch hat die Bundesregierung nun auch offiziell ihren Entwurf für den Haushalt 2025 verabschiedet. Das Arbeitsministerium, Verkehrsministerium und das Verteidigungsministerium können mit deutlichen Budgetzuwächsen rechnen. Auswärtiges Amt und BMZ hingegen müssen scharfe Mittelkürzungen einplanen – genauso das BMWK. Der Blick in die Zahlen zeigt: Die Ampel-Regierung richtet den Fokus stärker nach innen. Dabei war die Ampel 2021 im Koalitionsvertrag noch mit dem Versprechen angetreten, Deutschlands Rolle international zu stärken. Im aktuellen Haushaltsentwurf ist davon wenig zu lesen.

    Laut dem Entwurf sollen im Haushaltsjahr 2025 rund 19,8 Milliarden Euro ODA-Ausgaben bereitstehen. Diese setzen sich unter anderem aus dem Haushalt des BMZ mit 10,3 Milliarden Euro und anteilig aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts zusammen. 3,5 Milliarden Euro des insgesamt rund 5,9 Milliarden Euro umfassenden Budgets des AA lassen sich als ODA-Mittel anrechnen. 2024 hatte die Bundesregierung laut BMF noch 20,6 Milliarden Euro für ODA-Mittel ausgegeben. Auf dem Papier sehen die Zahlen unspektakulär aus. Hinzu kommt jedoch, dass der Anteil der anrechenbaren ODA-Ausgaben im Inland, etwa über die Aufnahme von Flüchtlingen, deutlich zunimmt. Das heißt: Die ODA-Ausgaben im Ausland schrumpfen stärker, als es die Gesamtzahl vermuten lässt.

    Drastische Kürzungen bei Humanitärer Hilfe

    Besonders augenscheinlich wird das etwa bei der humanitären Hilfe, für die im Haushalt 2025 nach den Regierungsverhandlungen nur rund eine Milliarde Euro vorgesehen sind. 2024 standen dafür 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Gleichzeitig ist man im Auswärtigen Amt froh, dass die befürchteten Budgetkürzungen mit 12,5 Prozent doch deutlich glimpflicher ausgefallen sind, als vom Finanzminister ursprünglich vorgesehen.

    Scharfe Kritik kommt dennoch vom NGO-Verband Venro. “Mit diesem Haushaltsentwurf setzt die Ampel-Regierung Millionen Menschenleben aufs Spiel“, sagte die Venro-Geschäftsführerin Åsa Månsson. Um den Haushaltsstreit beizulegen, opfere die Ampel die internationale Zusammenarbeit, so Månsson weiter.

    4,9 Milliarden Euro für bilaterale EZ

    Tatsächlich sei Deutschland mit dem kommenden Haushalt bei kommenden, kurzfristigen internationalen Krisen weniger handlungsfähig, räumte auch BMZ-Staatssekretär Jürgen Flasbarth bereits vor gut drei Wochen auf der Jahrespressekonferenz der GIZ ein. Mit dem beschlossenen Entwurf lässt sich das nun auch für das BMZ mit Zahlen beziffern. Für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit steht demnach insgesamt 4,9 Milliarden Euro zur Verfügung (2024: insgesamt 5,2 Milliarden Euro). Maßgeblich gekürzt wird dabei bei der Krisenbewältigung. Der Haushaltstitel sieht nunmehr 645 Millionen Euro vor. 2024 stand hierfür rund eine Milliarde Euro bereit.

    Noch deutlicher sind die Einschnitte bei den Mitteln für die internationalen Organisationen. So gehen die Beiträge für das Welternährungsprogramm geben um 30 Millionen und damit um mehr als die Hälfte zurück. Insgesamt stehen für die europäische EZ und die Vereinten Nationen nur noch 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung (2024: rund 2,3 Milliarden Euro).

    Auch bei der Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft kürzt das BMZ. Während 2024 noch 166,5 Millionen Euro eingeplant waren, plant das BMZ für das kommende Jahr mit 154,3 Millionen Euro.

    Einsparungen bei kulturellem Austausch

    Nicht unerheblich sind außerdem die Einsparungen der Ampel beim kulturellen Austausch. Die Grundfinanzierung des DAAD, die vom Auswärtigen Amt kommt, sinkt zum Jahreswechsel um sechs Prozent von 218 Millionen auf 205 Millionen Euro. Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die die internationale Zusammenarbeit in der Forschung fördert, wird 3,5 Prozent weniger Geld bekommen als im Jahr 2024. Die Bundesregierung kann damit in beiden Fällen die eigene Zielmarke von jährlich drei Prozent mehr nicht einhalten.

    Unverständnis äußerte am Mittwoch der Präsident des DAAD, Joybrato Mukherjee, auf Anfrage von Table.Briefings: “Angesichts der ‘Zeitenwende’ ist die Auswärtige Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik von fundamentaler Bedeutung für unser Land. Die akademische Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern würde durch die geplante Kürzung spürbar geschwächt.”

    Geringe Kürzungen bei Finanzierung des Goethe-Instituts

    Für das Goethe-Institut sieht der Haushalt 2025 rund 222 Millionen Euro vor. In diesem Jahr finanzierte das AA Deutschlands Kulturaushängeschild mit 226 Millionen Euro. Im Goethe-Institut sieht man die Kürzungen gelassen – auch weil schärfere Einschnitte die Schließung weiterer Institute bedeutet hätte. Dies ist offenbar aktuell nicht notwendig.

    Im BMWK sieht die Lage gemischt aus. Das Ministerium sieht in seinem Haushaltsentwurf im kommenden Jahr 209,5 Millionen Euro für die Außenwirtschaftsförderung vor. Dazu gehören folgende Haushaltstitel:

    • Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, einschließlich Standortmarketing: 103,1 Millionen Euro (2024: 105,7 Millionen Euro)
    • Erschließung von Auslandsmärkten: 106,4 Millionen Euro (2024: 119,3 Millionen Euro)

    Im Bereich internationaler Zusammenarbeit beim Klimaschutz stehen dem BMWK rund 24,7 Millionen Euro zur Verfügung, dieses Jahr waren es noch 25,7 Millionen Euro. Für den Budgetposten “Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Ausland” sind im kommenden Jahr 635 Millionen Euro vorgesehen. In diesem Jahr waren es noch rund 735 Millionen Euro. mit Tim Gabel

    • Auswärtiges Amt
    • BMWK
    • BMZ
    • Bundeshaushalt 2025
    • Bundespolitik
    • Entwicklungszusammenarbeit
    • Haushalt
    Translation missing.

    GIZ: Schäfer-Gümbel will aus der Haushaltsnot eine Tugend machen

    Noch ist von den Budgetkürzungen bei der GIZ von außen nichts zu sehen. Am Dag-Hammarskjöld-Weg in Eschborn geht der Neubau gegenüber von Haus 1 unverändert voran. Doch innen drin steht die GIZ vor dem vielleicht radikalsten Umbau in ihrer 49-jährigen Geschichte. Im Zuge der Kürzungen im Bundeshaushalt 2025 verliert das BMZ gut 900 Millionen Euro. Das Ministerium wird dem Entwurf zufolge nur noch 10,3 Milliarden Euro erhalten. Das trifft alle Organisationen, die das BMZ mit Aufträgen betraut.

    Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist von der Kürzung betroffen. 3,97 Milliarden Euro Umsatz erzielte das Unternehmen im vergangenen Jahr. Vorstandssprecher Thorsten Schäfer-Gümbel rechnet damit, dass er in den kommenden drei Jahren beim BMZ ein Auftragsvolumen von rund 250 Millionen Euro verlieren könnte. Mit 3,27 Milliarden Euro war das BMZ im Jahr 2023 größter Auftraggeber der GIZ. Den Rest decken Aufträge des BMWK, des Auswärtigen Amtes, des BMUV und von europäischen Institutionen.

    Zehn Prozent Stellenabbau

    Was für die GIZ in dieser Situation hart ist: “Als Unternehmen sind wir einerseits im Wettbewerb gefordert und müssen gleichzeitig massiv in unsere Digitalisierung investieren“, sagt Schäfer-Gümbel. Die GIZ finanziert sich wie jedes Unternehmen ausschließlich aus den Aufträgen, die sie akquiriert.

    Der Sparkurs der Bundesregierung trifft auch die Belegschaft der GIZ. Mehr als 25.600 Beschäftigte hat die Gesellschaft, davon etwa 8500 mit deutschem Arbeitsvertrag. “Wir werden bei der aktuell prognostizierten Geschäftsentwicklung in den kommenden drei Jahren etwa zehn Prozent unseres Personals über alle Mitarbeitendengruppen hinweg abbauen müssen, und das schmerzt sehr”, sagt Schäfer-Gümbel. Doch der langjährige SPD-Politiker fügt sogleich hinzu: “Wir agieren in hoher sozialer Verantwortung, tauschen uns intensiv mit den Betriebsräten aus und werden einen großen Mix an Instrumenten entwickeln.”

    Geschäftsmodell weiterentwickeln

    Gleichzeitig will die GIZ die Krise nutzen: “In jeder Herausforderung liegt eine Chance. Wir werden daher gleichzeitig unsere Standardisierung und unsere Innovationsfähigkeit vorantreiben und uns neu aufstellen”, sagt der Vorstandssprecher. “Zugleich werden wir unser Geschäftsmodell weiterentwickeln.” Mit der im vergangenen Jahr beschlossenen Unternehmensstrategie habe die GIZ gute Grundlagen für diesen Wandel gelegt. Diese setzt auf drei Schwerpunkte:

    • Die GIZ will interne Abläufe straffen und die Digitalisierung in der Leistungserbringung und im Betriebsmodell vorantreiben.
    • Die GIZ will Projekte stärker standardisieren, Kernmodelle und Kernleistungen entwickeln, um auch hier effizienter zu werden.
    • Und: “Wir werden unsere Partnerorientierung ausbauen“, sagt Schäfer-Gümbel.

    Die ersten beiden Punkte sind in erster Linie Managementhandwerk. Der dritte Punkt ist GIZ-spezifischer: Die Partner – das sind die Institutionen, Kommunen, Kooperativen, NGOs und Unternehmen, mit denen die GIZ in den Partnerländern zusammenarbeitet. Aber das sind aber auch Partner in Deutschland: wissenschaftliche Institutionen, die Digital- und Privatwirtschaft oder auch die großen Stiftungen. Und schließlich sind das auch die Partneragenturen in ganz Europa: in Frankreich, Belgien, Litauen, Estland und anderen Ländern.

    Mission in deutschem Interesse

    “Wir haben Partnererfahrung in 120 Ländern und das seit fast 50 Jahren”, sagt Schäfer-Gümbel. “Wir blicken auf eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit zurück, die auch im deutschen Interesse liegt.” Diese Erfahrung gilt es für den GIZ-Chef, trotz der Mittelkürzungen in die internationale Zusammenarbeit (IZ) weiter einzubringen.

    Deshalb meint er auch: “Wir müssen die Partnerorientierung intensivieren”, sagt Schäfer-Gümbel. “Das ist doch eine der wichtigsten Konsequenzen aus der Zeitenwende, dass wir international engagiert und präsent sind.” Für ihn ist klar: “Eine regelbasierte, multilaterale Weltordnung braucht Partnerorientierung.”

    Deutschland steht in vielen Ländern des Globalen Südens im Wettbewerb mit China, Russland, Indien und vielen anderen neuen Akteuren. Da sei der entscheidende Wettbewerbsfaktor ein attraktives Angebot. Das müsse die deutsche Seite liefern.

    Schwerpunkt Klimaschutz

    “In der internationalen Zusammenarbeit spielen wir weltweit in der Top-Liga, das muss auch so bleiben. Unser Wohlstand beruht auf internationaler Kooperation, ein Rückzug kommt uns teuer zu stehen”, sagt Schäfer-Gümbel. Die GIZ stehe zwar in der Wahrnehmung vieler noch für eine klassische Entwicklungshilfe. Doch das sei lange vorbei. “Unser Leistungsangebot ist viel breiter.”

    Größtes Geschäftsfeld des Unternehmens ist heute der Bereich Klimaschutz und Energie. Hier bietet die GIZ Unterstützung in diesen Punkten:

    1. Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung
    2. Ausbau erneuerbarer Energien, wie etwa grüner Wasserstoff und dessen Derivate
    3. Entwicklung von entsprechenden Regulierungsrahmen
    4. Berufliche Bildung – “ein Kassenschlager der deutschen IZ”, meint Schäfer-Gümbel.

    Zusammenarbeit mit Privatwirtschaft

    Und auch die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft solle ausgebaut werden. “Die hat bei uns 25 Jahre Tradition. Wir haben allein im BMZ-Programm develoPPP bislang mehr als 1.000 Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft umgesetzt”, erklärt Schäfer-Gümbel. In Ruanda unterstütze die GIZ durch Clusterbildung beim Aufbau eines Pharmasektors und in der Weiterbildung von qualifizierten Fachkräften. Davon könnten künftig mehr Unternehmen profitieren. Biontech etwa baue derzeit eine Impfstoffproduktion auf. Und in Ägypten habe die GIZ gemeinsam mit Siemens Energy ein Trainingszentrum aufgebaut für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich erneuerbarer Energien.

    “Wir haben ein gutes Verhältnis mit der Wirtschaft”, sagt denn auch Schäfer-Gümbel. Nur eine Einschränkung muss er machen: Ohne Auftrag könne die GIZ nicht arbeiten. Sie braucht immer jemanden, der ihre Dienstleistungen bezahlt. Und das soll in Zukunft immer öfter die Privatwirtschaft sein.

    • Berufliche Bildung
    • BMZ
    • Entwicklungspolitik
    • Entwicklungszusammenarbeit
    • Grüner Wasserstoff
    • Haushalt
    • International
    Translation missing.

    Ruanda: Kagame ist an einer entscheidenden Stelle verwundbar

    Ob es am Ende die derzeit prognostizierten 99,15 Prozent sein werden oder etwas weniger oder sogar noch etwas mehr – das wird keinen Unterschied machen. Wie erwartet bleibt Präsident Paul Kagame für eine weitere Amtszeit an der Spitze von Ruanda. Es ist die mittlerweile vierte. “Die vorgelegten Ergebnisse deuten auf eine sehr hohe Punktzahl hin. Das sind nicht nur Zahlen, selbst wenn es 100 Prozent wären, das sind nicht nur Zahlen”, sagte Kagame nach den ersten Hochrechnungen Anfang der Woche. “Diese Zahlen zeigen Vertrauen, und das ist das Wichtigste”, fügte er hinzu. “Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam alle Probleme lösen können.”

    Kagame wird mit Sicherheit dem Kurs treu bleiben, der Ruandas wirtschaftlichen Erfolg ausmacht. Unter Kagames Führung ist Ruanda ein Paradox. Auf der einen Seite ist das Land wirtschaftlich aufsteigend, auf der anderen Seite lässt Kagame wenig Demokratie zu, obwohl in Afrika immer häufiger mehr Mitbestimmung gefordert wird.

    Erfolgsmodell für Afrika

    Die Erfolgsgeschichte des Landes ist für den Kontinent eher untypisch, und erinnert an die aufstrebenden Länder Südostasiens in den 1990er-Jahren, deren Politiker allerdings “asiatische Werte” als Grund für ihren wirtschaftlichen Aufstieg angaben: Disziplin, harte Arbeit, Bildung, das Gemeinwohl wichtiger als das Individuum, Loyalität und Respekt für Autorität.

    Staatslenker wie Mahathir Mohamad (Malaysia) und Lee Kuan Yew (Singapur) verteidigten den auf konfuzianistischen Werten basierenden und an chinesischen Autoritarismus angelehnten Regierungsstil, in dem von westlichen Ländern propagierte Menschenrechte und individuelle Freiheiten zweitrangig sind. Der Zweck heiligte dabei die Mittel, ähnlich wie in Ruanda, wo Kagames Regierung die Opposition klein hält.

    Weltbank schlägt auch kritische Töne an

    Diesen wirtschaftlichen Erfolg hebt auch die Weltbank hervor. “Ruandas Wirtschaft ist trotz schwieriger externer und inländischer Faktoren robust und anpassungsfähig geblieben und hat in den ersten drei Quartalen 2023 eine Wachstumsrate von 7,6 Prozent erreicht”, heißt es im aktuellen Länderbericht der Weltbank vom April dieses Jahres. “Das BIP-Wachstum dürfte in den Jahren 2024-2026 wieder an Fahrt gewinnen und voraussichtlich um durchschnittlich 7,2 Prozent wachsen.”

    Allerdings lässt die Weltbank auch kritische Töne durchklingen. “Ruandas staatlich gelenktes Entwicklungsmodell hat seine Grenzen aufgezeigt, und die Staatsverschuldung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, heißt es weiter in dem Bericht. “Die starke Abhängigkeit des Landes von großen öffentlichen Investitionen (13 Prozent des BIP im Jahr 2019) hat zu erheblichen Haushaltsdefiziten geführt, die durch Auslandskredite finanziert wurden.”

    Damit benennt die Weltbank klar die Achillesferse, an der Kagame mit seiner Politik am verwundbarsten ist. Sollte der Dollar weiterhin zu den Währungen der Schwellenmärkte aufwerten, wird sich für Ruanda auch der Schuldendienst der Kredite aus dem Ausland verteuern. Die Kombination aus einem international höheren Zinsniveau und hohen Dollar-Krediten könnte Kagames Erfolgsgeschichte gefährden.

    Großer Rückhalt trotz Repressionen

    Zum ersten Mal fanden in Ruanda am Montag Präsidentschafts- und  Parlamentswahlen zusammen statt. Rund neun Millionen Wahlberechtigte des 13,6 Millionen Einwohner großen Landes durften an die Urnen gehen. Die Wahlbeteiligung soll bei fast 100 Prozent gelegen haben. Präsident Kagame scheint weitaus beliebter zu sein als seine regierende Rwanda Patriotic Front (RPF), die sich mit rund 62 Prozent der Stimmen zufrieden geben muss. Und die konnten nur im Rahmen einer Koalition mit vier anderen Parteien erreicht werden.

    Wie bei den Wahlen 2017 nahmen es die oppositionellen Kandidaten Frank Habineza (Democratic Green Party of Rwanda) und Philippe Mpayimana (unabhängig) mit Kagame auf und blieben mit zusammen weniger als einem Prozent der Stimmen in der Bedeutungslosigkeit. Andere Kandidaten wie Diane Rwigara und Victoire Ingabire wurden gar nicht zur Wahl zugelassen. Das offizielle Endergebnis soll am 27. Juli vorliegen.  

    Eine beeindruckende Erfolgsbilanz

    Die Erfolge von Kagame, der dem Land als Präsident seit 2000 vorsteht, aber faktisch das Land seit 1994 anführt, sind bekannt: nationale Versöhnung nach dem Völkermord von 1994, Stabilität, Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsfürsorge, niedrige Korruption, Jobs und Sicherheit.

    Der Rückhalt in der Bevölkerung, die dies als gute Regierungsführung ansehen, ist groß. Die Opposition dagegen hält die Regierung für diktatorisch, wirft ihr vor, dass sie kaum andere Meinungen zulasse und Kritik im Keim ersticke, wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Lewis Mudge, Central Africa Director von Human Rights Watch, beschreibt dies folgendermaßen: “Als Organisation, die die bürgerlichen und politischen Rechte der Menschen in Ruanda verteidigt, möchten wir darauf hinweisen, dass der Kontext ein ganz anderer ist, wenn man sich anders ausdrücken und die Regierungspolitik kritisieren möchte. Es gibt einfach keinen Spielraum für sie, um zu agieren”, sagte er.

    Kagame hält sich international zurück

    Jahrelang gab sich Kagame als Vertreter und internationaler Sprecher des afrikanischen Kontinents, hielt sich allerdings in den vergangen Jahren zurück. Stattdessen überlässt er heute Staatsführern wie dem ehemaligen Präsidenten des Senegal, Macky Sall, oder dem Präsidenten von Kenia, William Ruto, die großen Auftritte auf der Weltbühne. Sall wurde im April nach seiner zweiten Amtszeit und oppositionellen Protesten abgewählt. Ruto steht derzeit nach wochenlangen Demonstrationen unter politischem Druck.

    Ähnliche Proteste sind in Ruanda unbekannt. Die von der Regierung geänderte Verfassung erlaubt es dem erst 66-jährigen Kagame sogar, nach dieser Amtszeit eine weitere dranzuhängen und bis 2034 zu regieren. Auch muss sich Kagame nicht mit Herausforderungen herumschlagen, die etwa dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa zu schaffen machen: ein Land mit einer maroden Infrastruktur, Vetternwirtschaft und hoher Kriminalität zu regieren, das Führungsmacht in Afrika ist, aber wirtschaftlich kaum vorankommt.  

    Vorbild für andere afrikanische Länder

    Ruanda politisches System wird vor allem im Westen kritisiert. In Afrika genießt es breite Anerkennung. So waren es afrikanische Präsidenten, die Kagame bereits zur Wiederwahl gratulierten, darunter William Ruto aus Kenia, Filipe Nyusi aus Mosambik, Samia Suluhu Hassan aus Tansania und Umaro Sissoco Embaló aus Guinea-Bissau. Sie zählten zu den ersten Staatschefs, die dem erfahrenen ruandischen Präsidenten Glückwunschbotschaften übermittelten.

    Sie alle glauben zu wissen, dass etwas mehr Autoritarismus nach ruandischem Vorbild auch ihren Ländern gut tun würde. Der Kontinent hat sich in vergangenen Jahren zunehmend mit dem chinesischen Entwicklungsmodell angefreundet, das schnelleres Wirtschaftswachstum verspricht, aber wenig Dissens zulässt. Die Macht von demokratischen Werten und die Vielfalt von Meinungen sollten dabei allerdings nicht in Vergessenheit geraten.  

    • Demokratie
    • Ostafrika
    • Ruanda
    • Wahlen

    News

    Kenia: Warum die anhaltenden Proteste ein gutes Zeichen sind

    Die Protestwelle in Kenia, die mittlerweile alle größeren Städte erreicht hat, ist ein gutes Zeichen für das Land. Die meist jugendlichen Demonstranten wollen sich mit den herrschenden Verhältnissen in Kenia nicht länger abfinden und fordern eine grundlegend neue Politik. Sie werfen den Machthabern um Präsident William Ruto vor, zu sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein und sich zu wenig dafür zu interessieren, die Lebensverhältnisse der Bevölkerung zu verbessern.

    Eine maßgebliche Stimme der Proteste ist der 62 Jahre alte Anwalt Patrick Loch Otieno Lumumba, der unter dem Blog-Namen Professor Lumumba oder auch PLO Lumumba in den sozialen Medien eine Stimme der Jugend geworden ist. Von 2010 bis 2017 leitete er die Behörde zur Korruptionsbekämpfung KACC.

    Aufruf an die Jugend

    “Afrika kann aufsteigen und wird aufsteigen, aber das wird nicht durch Gebete und Fasten geschehen”, schrieb er. Oder auch: “Afrika ist zu einem Kontinent geworden, auf dem es nach jeder Wahl zu Konflikten kommt, weil das Streben nach Macht zu einem erbitterten Wettbewerb wird, bei dem uns buchstäblich die Kehle durchgeschnitten wird.”

    In der vergangenen Woche hatte Ruto sein gesamtes Kabinett entlassen, mit Ausnahme von Außenminister Musalia Mudavadi und sich selbst. Dies war ein weiterer Versuch, die Stimmung zu beruhigen. Am 13. und 14. September hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ruto zum Bürgerfest in das Schloss Bellevue eingeladen. Es findet dieses Jahr unter einem Motto in Swahili, “Pamoja – Gemeinsam stärker”, statt.

    Drei Männer an der Macht

    Doch die Gründe der Proteste reichen tief, so dass eine Kabinettsumbildung und ein neues Haushaltsgesetz nicht reichen werden. Seit mehr als zehn Jahren bestimmen drei Männer die Politik im Land:

    • William Ruto, Präsident seit 2022,
    • Raila Odinga, Kandidat in den Wahlen von 1997, 2007, 2013, 2017 und 2022,
    • Uhuru Kenyatta, Präsident von 2013 bis 2022.

    Rutos Wahl im Jahr 2022 war das Ergebnis wechselnder Bündnisse im Machtdreieck Uhuru-Ruto-Odinga. 2013 hatten Uhuru – wie Kenyatta in Kenia nur genannt wird – und Ruto gemeinsam im Rahmen der Jubilee Coalition die Präsidentschaftswahl gewonnen. Kenyatta wurde Präsident, Ruto sein Vize, Odinga Oppositionsführer.

    Ruto und mehr noch Kenyatta verkörperten damals eine neue Generation, nachdem Kenyattas Vorgänger Mwai Kibaki in seiner Amtszeit von 2002 bis 2013 Zeichen von Senilität gezeigt hatte. Uhuru war damals 51 Jahre alt und Ruto 47 Jahre. Odinga galt damals mit 68 Jahren als alter Mann. Doch die Hoffnung auf Erneuerung täuschte – und erklärt zum großen Teil die heutigen Proteste der Jugend.

    Neues Bündnis

    Dann wechselten die Bündnispartner. Im Frühjahr 2018, nach Uhurus Wiederwahl 2017, schüttelten Uhuru und Odinga zum Zeichen ihres Friedensschlusses öffentlich die Hand. Ruto war plötzlich außen vor. Im Januar 2021 machte Uhuru den Bruch mit Ruto nach zwanzigjähriger gegenseitiger Unterstützung endgültig.

    Hinzu kommt, dass die drei Protagonisten unterschiedliche Ethnien repräsentieren. “Die Präsidentschaft gehört nicht allein zwei Stämmen”, sagte Uhuru damals öffentlich. Bis dahin waren Kenias Präsidenten immer Kikuyu (wie er, sein Vater Jomo Kenyatta und Kibaki) oder Kalenjin (wie Ruto oder arap Moi), aber nie ein Luo wie Odinga.

    In Kenia basieren politische Ehen kaum auf ideologischer Übereinstimmung – sie bringen nur unterschiedliche ethnische Führungspersönlichkeiten zusammen”, meint Joseph Warungu, Trainer für Medien und Kommunikation.

    “Verschlaft keine Revolution”

    Die Demonstranten rebellieren gegen diese überkommenen Machtmuster, stellen jedoch weder die politische Grundordnung noch die Demokratie selbst infrage. Die Proteste erschüttern Ruto, nicht die Demokratie im Land. Die Demonstrationen zeigen im Gegenteil, wie stabil die Demokratie ist und wie selbstbewusst die neue Generation auf Erneuerung drängt.

    “Der afrikanische Kontinent steht vor unzähligen Herausforderungen, und die Gesellschaft kann nicht wachsen, wenn die jungen Männer und Frauen nicht wach sind”, sagte PLO Lumumba kürzlich und rief der Jugend zu: “Was für junge Männer und Frauen seid ihr? Verschlaft keine Revolution oder Veränderung. Es ist möglich. Tragt euren Teil dazu bei.” Dann fügte er hinzu. “Die Zukunft Afrikas ruht auf den Schultern der Jugend, und sie muss bereit sein, diese Herausforderung zu meistern.” hlr

    • Demokratie
    • Jugendliche
    • Proteste

    Südafrika: Zuma vor Ausschluss aus ANC

    Dem ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma droht der Ausschluss aus dem African National Congress (ANC), der Partei, die er einst führte. Der ANC hat ein Disziplinarverfahren gegen Zuma eingeleitet, weil er als Vorsitzender der abtrünnigen MK-Partei im Vorfeld der Wahlen im Mai Wahlkampf gegen den ANC betrieben hat. Bereits im Januar hatte ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula bekannt gegeben, dass die Partei Zumas Mitgliedschaft suspendiert habe, nachdem er die MK-Partei gegründet hatte.

    Zuma nahm an der virtuellen Anhörung am Mittwoch nicht teil und ließ sich stattdessen von einem Verbündeten, dem ANC-Funktionär Tony Yengeni, vertreten. Ein MK-Sprecher teilte mit, Zuma habe darum gebeten, die Anhörung öffentlich und persönlich durchzuführen. Der ANC lehnte dies ab, stimmte aber zu, die Anhörung auf Dienstag zu verschieben.

    Zuma will nicht vors Gericht gehen

    Zuma werde sich zwar nicht an die Gerichte wenden, um den ANC zu zwingen, die Anhörung persönlich durchzuführen, so der MK-Sprecher weiter. Er habe aber einen Stellvertreter zu der Anhörung geschickt, um klarzumachen, dass die Anhörung persönlich stattfinden müsse, wenn er daran teilnehmen solle. Die südafrikanische Zeitung Mail & Guardian berichtet unter Berufung auf eine Quelle, Zuma wolle eine persönliche Anhörung, um “Drama zu verursachen”.

    Zuma wäre der erste ehemalige Parteichef, der aus dem ANC ausgeschlossen wird. Er musste 2018 als südafrikanischer Präsident zurückzutreten, nachdem er aufgrund von Korruptionsvorwürfen die Unterstützung des ANC verloren hatte. Seitdem ist er in eine politische Fehde mit Cyril Ramaphosa verwickelt, der ihn als Parteichef und Staatspräsident abgelöst hat. ajs

    • Parteien
    • Südafrika
    • Wahlen

    Standpunkt

    Rechtsbruch und Realitätsverlust: Warum ein sogenannter Ruanda-Deal nur scheitern kann

    Von Deborah Düring & Julian Pahlke
    Deborah Düring und Julian Pahlke, MdB für Bündnis 90/Die Grünen.
    Deborah Düring und Julian Pahlke, MdB für Bündnis 90/Die Grünen.

    Der ehemalige britische Premierminister Rishi Sunak hat immer wieder große Reden geschwungen: Mit dem Ruanda-Plan würde man “die Boote stoppen”. Erst stoppten nationale Gerichte und dann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die geplanten Abschiebungen. Sunak versuchte es anders: Ruanda wurde kurzerhand per Gesetz zu einem sicheren Drittstaat erklärt und die Umsetzung von Entscheidungen und Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sollte nicht mehr gelten. Das war nicht nur ein verzweifelter Versuch, seinen Wahlkampfplan zu retten. Es war auch ein Angriff auf europäische Menschen aus dem Herzen einer europäischen Demokratie.

    Rishi Sunak veranlasste medienwirksam Inhaftierungen von Asylsuchenden und kündigte an, dass ein Rollfeld auf dem Flughafen und Charterflüge gebucht seien und ausgebildete Grenzpolizist:innen für die Abschiebungen nach Ruanda bereitstünden. Was ist seitdem passiert? Nichts. Kein einziger Flieger ist gestartet, keine einzige Abschiebung – abgesehen von einer freiwilligen Ausreise – ist erfolgt. Die Zahl der Menschen, die in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen sind, ist nicht gesunken, sondern gestiegen. Am 4. Juli ging die Labour-Partei als Sieger aus den Wahlen hervor. Einen Tag nach der Wahl erklärte der neue Premierminister Keir Starmer: Der Ruanda-Deal ist Geschichte.

    Ruanda-Plan in UK gescheitert

    Wir konnten das Scheitern des britischen Ruanda-Plans in Echtzeit beobachten. Und trotzdem scheint die Idee auch bei Konservativen und Rechten auf dem europäischen Festland Anklang zu finden. Nicht zuletzt haben die Ministerpräsident:innen der Länder gerade gefordert, weiter nach Möglichkeiten zu suchen, um Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Auf Bitte der Ministerpräsidentenkonferenz im November letzten Jahres hat das Bundesinnenministerium ein umfassendes Prüfverfahren mit fast dreißig Sachverständigen durchgeführt.

    Die große Mehrheit der angehörten Expertinnen sieht gravierende rechtliche und praktische Hürden und rät von einer Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ab. Das Ergebnis des Prüfverfahrens ist damit sehr klar. Wenn konservative Kräfte nun weiter darauf beharren, dass sich trotzdem Mittel und Wege finden lassen müssen, um Geflüchtete aus Deutschland in sogenannte Drittstaaten zu schicken, dann ist das kontrafaktisch. Diese populistischen Scheinlösungen können niemals umgesetzt werden. Sie werden im Ergebnis für Enttäuschung sorgen und stärken damit die AfD.

    Versuch der Auslagerung aussichtslos

    Dabei wäre der Versuch einer Auslagerung aussichtslos: Nach geltendem Europa- und Völkerrecht wäre ein solcher Plan unzulässig. Auch mit kleineren Rechtsänderungen wäre es noch lange nicht getan. Denn es bleiben handfeste Bedenken, auch mit Blick auf deutsches Verfassungsrecht, europäisches Primärrecht und Menschenrechte. Jedes Szenario würde absehbar mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Das ist der rechtliche Blick. Aber auch migrationswissenschaftlich ist ein solcher Vorschlag wirkungslos: Es fehlt praktisch jede wissenschaftliche Evidenz für eine abschreckende Wirkung solcher Modelle. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Zahlen ankommender Geflüchteter sinken würden. Vor einer Überstellung in einen Drittstaat müssten komplizierte Vorverfahren erfolgen und Klagemöglichkeiten vor Gerichten bestehen.

    All diese Bedenken außer Acht gelassen, kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Es würde sich die Frage stellen, welches Land überhaupt Interesse an einem solchen neokolonialen Deal hätte und gleichzeitig menschenrechtliche und rechtsstaatliche Standards erfüllen würde. Wenn Deutschland versuchen würde, seine Verantwortung im internationalen Flüchtlingsschutz auf Staaten im Globalen Süden abzuwälzen und dafür in Verhandlungen mit autokratischen Staaten gehen würde, würden wir massiv Glaubwürdigkeit in der deutschen Außenpolitik verspielen. Und uns womöglich von Autokraten abhängig machen, von denen wir nicht abhängig sein wollen. Ebenfalls droht eine weitere Destabilisierung des internationalen Flüchtlingsregimes. Denn die Autokraten würden sich einen solchen Deal sicherlich gut bezahlen lassen: In Großbritannien rechnet man mit bis zu zwei Millionen Euro für eine einzelne Abschiebung.

    Geld sinnvoll verwenden

    Dieses Geld sollten wir lieber in den Bau von Kitas und Sozialwohnungen in Deutschland stecken. Oder in den Personalaufbau an den Verwaltungsgerichten, um rechtsstaatliche Asylverfahren zügig zu einem Abschluss zu bringen. Oder in Entwicklungszusammenarbeit und internationale Krisenvorsorge: Die große Mehrheit von Flüchtlingen bleibt zunächst in den Nachbarstaaten. Es gilt, diese Länder weiter bei der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten zu unterstützen. Die Wissenschaft zeigt, dass Perspektiven vor Ort ein zentraler Faktor sind, von dem abhängt, ob Menschen weiterziehen oder nicht. Wir müssen auch mehr tun, um die Gründe von Flucht zu verringern.

    Das bedeutet nicht weniger, sondern mehr Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und internationale Klimapolitik, damit Menschen gar nicht erst gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Angesichts der vielfältigen Krisen, die uns global begegnen, wissen wir, was zu tun ist. Debatten darum, ob man Flüchtlinge in einen Flieger nach Ruanda setzen kann, zählen nicht dazu.

    Die Grünen-Politiker Deborah Düring und Julian Pahlke sind seit 2021 Mitglieder des Deutschen Bundestags. Düring ist seit Anfang dieses Jahres außenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Pahlke ist Experte für Migrationspolitik und Mitglied im Innenausschuss sowie stellvertretenden Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

    • Bundespolitik
    • Flüchtlinge
    • Migration
    • Migrationspolitik
    • Ruanda

    Must-reads

    Le Monde: Niger will Sicherheitskooperation mit Türkei vertiefen. Eine große türkische Delegation hat am Mittwoch Niger besucht, um die militärische Zusammenarbeit mit dem nigrischen Regime zu verstärken, das vor einem Jahr durch einen Putsch an die Macht kam. Die Delegation wurde von Hakan Fidan, dem türkischen Außenminister, angeführt und von den Ministern für Verteidigung, Energie und dem Leiter des Geheimdienstes begleitet. Die Türkei ist neben Russland und dem Iran einer der Partner, an die sich die Junta in Niamey seit dem Putsch gewandt hat. Die türkischen Bayraktar-Kampfdrohnen sind bereits zu wichtigen Bestandteilen der Armeen der Nachbarländer Mali und Burkina Faso geworden.

    Financial Times: Mosambik: Total heuert ruandisches Sicherheitsunternehmen mit Verbindungen zu Kagame an. Ein von der ruandischen Regierungspartei unterstütztes Sicherheitsunternehmen ist mit der Bewachung des 20-Milliarden-Dollar-LNG-Projekts von Total Energie im Norden Mosambiks beauftragt worden. Die Muttergesellschaft Isco Global ist eines von mehreren ruandischen Unternehmen, die seit 2021 Ableger in Mosambik gegründet haben, etwa in den Bereichen Sicherheit, Bau und Bergbau. Die Muttergesellschaft von Isco Global wiederum, Intersec Security Company, wurde 1995 gegründet, ein Jahr nach der Machtübernahme von Paul Kagames RPF in Ruanda. Intersec ist eine Tochtergesellschaft von Crystal Ventures, der von der Partei gegründeten Investmentgruppe, die viele Bereiche der ruandischen Wirtschaft dominiert und inzwischen vermehrt ins afrikanische Ausland expandiert.

    Al Jazeera: Libyen und Tunesien wollen mehr EU-Geld gegen Migration. Vertreter aus 28 afrikanischen und europäischen Ländern sind in der libyschen Hauptstadt Tripolis zum Transmediterranen Migrationsforum zusammengekommen, um die Bekämpfung irregulärer Migration zu diskutieren. Libysche und tunesische Vertreter forderten mehr EU-Unterstützung, während Italiens rechtsextreme Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte, die Situation könne nicht gelöst werden, ohne das Problem in den Herkunftsländern anzugehen. Die Internationale Organisation für Migration gab im Mai an, dass sich zu Beginn des Jahres mehr als 706.000 Migranten in Libyen aufhielten. Libysche Beamte gehen jedoch davon aus, dass die tatsächliche Zahl über zwei Millionen liegt.

    Reuters: Türkei schickt Bohrschiff nach Somalia. Die Türkei wird noch in diesem Jahr ein Explorationsschiff vor die Küste Somalias schicken, um im Rahmen eines Kooperationsabkommens zwischen den beiden Ländern nach Öl und Gas zu suchen, teilte das türkische Energieministerium am Donnerstag mit. Das Schiff soll im September oder Oktober in See stechen. Im Rahmen des Abkommens hat die Türkei die Rechte an drei Offshore-Blöcken erhalten. Zwei davon liegen etwa 50 Kilometer vor der Küste, der dritte ist etwa 100 Kilometer vom Land entfernt.

    Bloomberg: Namibia bereitet sich auf Ölförderung vor. Der französische Ölgigant Total Energies hat zusammen mit der in London ansässigen Shell und der portugiesischen Galp Energia große Entdeckungen etwa 290 Kilometer vor der Küste Namibias gemacht: Seit Anfang 2022 sind dort Bohrungen in rund 80 Prozent der Fälle auf Öl gestoßen – eine fast beispiellose Erfolgsquote. Der Ölboom hat das Potenzial, die namibische Wirtschaft bis 2040 zu verdoppeln. Die namibischen Behörden haben jedoch auch Bedenken geäußert, ob die Ölfunde nicht zu spät für eine Welt kommen, die einen Netto-Null-Emissionsausstoß bis Mitte des Jahrhunderts anstrebt.

    Bloomberg: Dangote-Raffinerie kommt nicht an nigerianisches Rohöl. Nigerias riesige neue Raffinerie wird durch den Preis für einheimisches Rohöl gezwungen, sich auf Lieferungen aus dem Ausland zu verlassen, beklagt der Betreiber. Neue Maßnahmen der zuständigen Aufsichtsbehörde sollen nun dazu führen, dass die Dangote-Raffinerie mehr Rohöl aus dem Inland beziehen kann. Die Aufsichtsbehörde wird als Vermittler zwischen lokalen Raffinerien und Erzeugern auftreten, wenn keine Einigung über die Rohölversorgung erzielt werden kann, und versuchen, eine Einigung auf der Basis “williger Käufer und Verkäufer” zu erzielen.

    Bloomberg: Nigeria erwägt einmalige Übergewinnsteuer für Banken. Nigerias Präsident Bola Tinubu plant eine einmalige Steuer in Höhe von 50 Prozent auf unvorhergesehene Profite, die Banken nach der Abwertung des Naira im vergangenen Jahr durch massive Währungsgewinne verbucht haben. So hat sich beispielsweise der Gewinn der Guaranty Trust Bank, des nach Marktwert größten Kreditinstituts des Landes, im Jahr 2023 mehr als verdreifacht, was auf die Wechselkursgewinne zurückzuführen ist. Nigeria hatte nach Tinubus Amtsantritt im Mai 2023 im Rahmen seiner Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und zur Förderung von Investitionen aus dem Ausland den künstlich starken offiziellen Naira-Wechselkurs gegenüber dem Dollar nicht mehr überwacht.

    The Africa Report: Brenda Biya und der Stand der LGBTQ-Gesetzgebung in Afrika. Die Tochter des kamerunischen Präsidenten Paul Biya hat sich kürzlich mit einem auf Instagram geposteten Foto als lesbisch geoutet. Brenda Biya hat damit die Debatte über die Kriminalisierung von Homosexualität in vielen afrikanischen Ländern wieder neu entfacht. Africa Report geht dem Thema auf dem gesamten Kontinent mit einer interaktiven Karte auf den Grund.

    Heads

    Volker Schütte – Kaufmann zwischen Bremen und Südafrika

    Dem Bremer Kaufmann Volker Schütte gefällt die pragmatische Denkweise der Unternehmer in seiner Wahlheimat Südafrika.

    Südafrika liegt Volker Schütte quasi in den Genen: “Meine Familie ist seit circa 150 Jahren immer wieder dort ansässig. Meine Ururgroßmutter ist in Mossel Bay beerdigt, also 1900 dort gestorben, seitdem hat meine Familie Verbindung.” Über diese ist er auch das erste Mal ins Land gekommen, das war 1980. Seither reist er zwischen Bremen und Südafrika hin und her.

    Mit Partnern aus Bremen hat er 1985 in Johannesburg die Firma Metal and Tool Trade (Pty) Ltd, (MTT) gegründet. Ein Unternehmen, das bis heute besteht und mit Nichteisen-Metallhalbzeugen, also Rohren, Stangen, Folien, Blechen, Platten et cetera aus Aluminium oder Kupfer-Messing die metallverarbeitende Industrie in Südafrika beliefert. Am Ende der Produktionskette entstehen Erzeugnisse, die im Automobilbau, sowie in der Luftfahrttechnik und Verpackungsindustrie verwendet werden.

    Unternehmerische Eigeninitiative statt Verlass auf den Staat

    Und was braucht es, wenn man als Unternehmen in Südafrika profitabel wirtschaften will? “Als allererstes: Sie müssen Ihr eigenes Geld mitbringen. Sie bekommen weder in Südafrika Ihr Unternehmen finanziert – das ist jetzt auch nicht unbedingt Aufgabe der südafrikanischen Banken, ein deutsches Unternehmen zu finanzieren – und Sie erhalten in Europa relativ wenig Geld für Unternehmungen in Südafrika.” Des Weiteren seien Eigeninitiative und ein hohes Maß an Flexibilität gefragt: Gibt es kein Wasser, dann organisiert man Wassertanks, fällt die Energie zu oft aus, installiert man Solarpanele, findet man keine Arbeitskräfte vor Ort, dann bildet man als Betrieb eben selber aus.

    Auf Afrikaans existiert ein Sprichwort, das besagt: “’N boer maak ‘n plan” (Ein Bauer macht einen Plan). Dieser Satz gilt schon lange nicht mehr nur für die Landwirtschaft: “Da sind auch die Unternehmer in Südafrika unheimlich kreativ, Lösungen zu finden und so haben sich sozusagen Wirtschaft und Politik zunehmend voneinander gelöst.” Mit der deutschen Staatsgläubigkeit komme man in Südafrika entsprechend nicht weit. Die praktikable und pragmatische Herangehensweise und Mentalität gefällt Volker Schütte. Auch wertschätzt er das “große Spektrum an verschiedenen Persönlichkeiten und Hintergründen, mit denen man zu tun hat.” Positiv hebt er außerdem das funktionierende Bank- und Justizwesen hervor.

    Unternehmern, die sich auf dem Markt etablieren wollen, rät er, sich beispielsweise mit dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft in Verbindung zu setzen, in dem er zum Vorstand gehört. “Es gibt unheimlich viel Wissen in Deutschland über den afrikanischen Kontinent und auch über Südafrika.”

    Honorarkonsul der Republik Südafrika

    Von seinem Wissen über und seinen Verbindungen nach Südafrika profitiert auch die Bremer Unternehmensgruppe Louis Delius, der er seit 1995 als Geschäftsführender Gesellschafter vorsteht. “Wir sind ein traditioneller Exporteur von Produkten nach Lateinamerika, gerade die spanischsprachigen Länder. Südafrika ist erst durch mich dazugekommen, spielt aber keine dominante Rolle.” Die Produkte, die nach Afrika gehen, kommen vorrangig aus China und Indien und immer weniger aus Europa (zwischen 1985-1995 etwa 90 Prozent, heute vielleicht zehn Prozent). “Das hat sich alles vollkommen verschoben.” Südafrika exportiert aber auch in großem Stil: im Aluminiumbereich in der Schmelze zum Rohaluminium wie auch zum Halbzeug 80 Prozent, im Walzwerkbereich 50 Prozent.

    Seit August 2003 bekleidet Schütte auch das Amt des Honorarkonsuls Südafrikas für das Bundesland Bremen: “Es ist ein sehr dankbares und schönes Amt, muss ich sagen.” Hier hat er allerdings weniger mit Business-Fragen zu tun, weil Bremen wie auch Hamburg als Hansestadt traditionell recht enge geschäftliche Verbindungen zu Südafrika pflegt, sodass in diesem Bereich wenig Unterstützung erforderlich ist. Rat holen sich die Menschen bei Volker Schütte häufiger in privaten und Reiseangelegenheiten ein: Immobilienankauf, Hausverkauf, Heirat, Scheidung, Visa, Dokumente, Bankangelegenheiten. Als Honorarkonsul ist es ihm allerdings nicht möglich, Pässe auszustellen oder andere offizielle Funktionen auszuführen.

    Tourismus und mehr lokale Wertschöpfung für die Zukunft

    Die wirtschaftliche Zukunft Südafrikas liegt in den Augen Volker Schüttes vor allem im Tourismus: “Sie müssen ja bei allem gucken: Was kreiert am meisten Arbeitsplätze? Und da ist Tourismus meiner Meinung nach absolut die Nummer Eins, weil Sie in jedem Segment von ganz unten bis nach oben hin Leute beschäftigen. Südafrika hat unendlich viel zu bieten im Tourismus.”

    Ein weiteres wirtschaftliches Potenzial, welches im Land bisher noch kaum ausgeschöpft würde, sieht er in der Aufbereitung und Veredelung von Rohstoffen im eigenen Land. Vielleicht werden seine Kinder diesen Trend eines Tages erleben dürfen, denn auch seine Familiengeschichte setzt sich in dem Land weiter fort: Der älteste Sohn von seinen drei in Südafrika geborenen Kindern führt aktuell ein Unternehmen in der Verpackungsindustrie für Lebensmittel in Johannesburg. Juliane Scholübbers

    • Afrika-Verein
    • Export
    • Handel
    • Import
    • Südafrika

    Nachtisch

    Besucher des Festival of Motoring in Kyalami, Johannesburg am Stand des chinesischen Herstellers Chery.

    Das Klauen von Autos ist ein kriminelles Geschäft, das größtenteils von Angebot und Nachfrage getrieben wird. So auch in Südafrika, wo Kriminelle immer mehr Fahrzeuge chinesischer Herkunft stehlen. Das hat Wahl Bartmann, CEO der Fidelity Services Group, der größten Sicherheitsfirma im südlichen Afrika, bestätigt. Der Diebstahl chinesischer Marken sei in der ersten Jahreshälfte gegenüber den Vergleichszeiträumen 2023 und 2022 sichtbar gestiegen, so Bartmann. In Südafrika werden jeden Tag im Mittel 65 Fahrzeuge gestohlen.

    Ein Hauptgrund für den neuen Trend ist der Erfolg chinesischer Hersteller auf dem Automarkt in Südafrika. Traditionell ist dieser von japanischen, aber auch europäischen Marken, darunter deutschen, geprägt. Nach den Top 10 der beliebtesten Autos tauchen nun chinesische Hersteller wie Chery oder Haval auf. Den Autodieben ist das auch aufgefallen: “Je mehr diese Autos verkauft werden und auf der Straße unterwegs sind, desto größer ist die Nachfrage nach ihren Ersatzteilen”, erklärt Bartmann. Mit diesen ließe sich gutes Geld verdienen. Der Markt für gestohlene Autoteile sei in Südafrika lukrativ. Aber: “Es geht nicht nur darum, mit den Teilen zu handeln, sondern auch um die Manipulation der Verordnung, nach der Fahrzeuge neu zugelassen werden können.”

    Um sich zu schützen, sollten Autobesitzer vor allem mit Vorsicht fahren. Auch einen Car Tracker zu installieren hilft, um Diebstähle im Nachhinein aufzuklären. Das kleine Gerät übermittelt Daten an Satelliten. So lässt sich der Standort des (gestohlenen) Fahrzeugs verfolgen. Populäre Farben wie Weiß oder Silber sollten ebenfalls vermieden werden. as

    Africa.Table Redaktion

    AFRICA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen