Table.Briefing: Africa

Europa braucht Afrika-Strategie + Baerbock in Ostafrika + Global Gateway strategisch aufstellen

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach dem frühen Afrikabesuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in dem noch jungen Jahr sind nun auch seine deutschen und US-amerikanischen Amtskollegen Annalena Baerbock und Antony Blinken auf den Kontinent gereist. Die Staatschefs auf dem Kontinent werden schwer umworben. Höchste Zeit, dass sich die EU endlich auf eine klare Afrika-Strategie einigt, meint Christian von Hiller.

Wirtschaftlich soll eigentlich die Global-Gateway-Initiative der große Wurf der EU sein. Diese hat nun auch erneut 138 Leuchtturmprojekte in Afrika ausgerufen. Kritiker bemängeln allerdings, dass die Initiative mehr Marketingbegriff denn eine kohärente politische Strategie ist. Arne Schütte nimmt den aktuellen Stand unter die Lupe.

Zunächst gilt also die Devise “jeder für sich”. Bei ihrem Besuch in Ostafrika verspricht Außenministerin Baerbock daher ein deutsches Migrationsabkommen mit Kenia bis spätestens diesen Sommer. Gleichzeitig will sie den Druck für eine friedliche Lösung im “vergessenen Konflikt” im Sudan erhöhen. Das dient aber auch anderen diplomatischen Zielen.

Indes entkoppeln sich die Militärregierungen im Sahel immer weiter von ihren Nachbarn. Welche Folgen der angekündigte Austritt Malis, Burkina Fasos und Niger aus der Ecowas hat, analysiert unsere Westafrika-Korrespondentin Lucia Weiß.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

Ihr
David Renke
Bild von David  Renke

Analyse

Das Rennen um Afrika: Warum Europa seinen Kurs jetzt zügig anpassen muss

Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kongokriegs entdecken die USA wieder die weltpolitische Bedeutung Afrikas. US-Außenminister Antony Blinken absolvierte gerade eine viertägige Afrikareise. Die Kapverden, Elfenbeinküste, Nigeria und Angola standen auf dem Flugplan.

Zuvor hatte Chinas Außenminister Wang Yi den Kontinent bereist. Der russische Präsident Wladimir Putin, der wegen des Ukrainekriegs Auslandsreisen meidet, empfing Mahamat Idriss Déby. Der Präsident von Tschad kam in weißem Boubou und weißen Lederschuhen angereist.

In der vergangenen Woche fand der Gipfel der Blockfreien Staaten in Kampala statt, an dem 90 der 120 Mitgliedsstaaten vertreten waren. Ugandas Präsident Yoweri Museveni leitet die Gruppe nun bis 2027. Die Konferenz zeigte, wie wenig diese Länder blind der westlichen Außenpolitik folgen wollen.

Macron sucht Aussöhnung mit Marokko

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bemüht sich, das zerrüttete Verhältnis zu Marokko zu reparieren. Mehrfach schon wurde seine Reise nach Rabat verschoben. Jedoch soll sie noch im ersten Quartal stattfinden.

Auch deutsche Ministerinnen sind so oft wie nie in Afrika. Vergangene Woche war Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Marokko, um über Migration zu sprechen. Derweil bereist Außenministerin Annalena Baerbock mehrere Länder in Ostafrika.

Ohne Zweifel, Afrika nimmt einen festen Platz auf der politischen Weltbühne ein. Woher kommt dieses große Interesse am afrikanischen Kontinent? Dafür gibt es vier zentrale Gründe:

  • Afrika besitzt die strategischen Rohstoffe, die der Globus für Elektromobilität, Digitalisierung und Stromspeicher braucht: Kobalt, Mangan, Seltene Erden, Gold, Silber, Platin… 30 Prozent der weltweiten Mineralrohstoffe liegen in Afrikas Boden.
  • Afrika hat eine beneidenswerte Demografie. Im Jahr 2050 wird der Anteil der Jugendlichen und Kinder unter 15 Jahren bei 40 Prozent liegen, der Anteil der Alten im Alter von mehr als 65 Jahren bei nur vier Prozent.
  • Weil das Wachstumspotenzial entscheidend von der Demografie abhängt, sind die wirtschaftlichen Perspektiven für Afrika langfristig besser als für Europa, Nordamerika, Asien, Japan und Südamerika. Bis zum Jahr 2050 wird Afrika nach UN-Prognosen dem globalen Arbeitsmarkt 796 Millionen neue Arbeitskräfte anbieten. In Europa dämpft der Mangel an Fachkräften schon heute das Wachstum.
  • Der Wohlstand wird sich auf dem Kontinent weiter ausbreiten. Die Mittelschicht verdreifacht sich laut McKinsey von 355 Millionen Menschen im Jahr 2010 bis 2060 auf 1,1 Milliarden. Die Konsummärkte werden einer der größten Wachstumstreiber in Afrika sein.

Zehn Gründe für eine europäische Afrika-Politik

Europa, besonders Deutschland, ist schlecht vorbereitet, um sich auf diese neue Lage einzustellen. Zehn Gründe, warum Europa eine europäische Afrika-Politik braucht:

  1. Deutschland profitiert von Afrikas Wirtschaftsdynamik kaum. Die afrikanischen Warenexporte stiegen 2023 um 26,8 Prozent auf 724,1 Milliarden Dollar, teilte die Afreximbank vergangenen Mittwoch mit. Auch die Importe erhöhten sich um 15,5 Prozent auf 706 Milliarden Dollar. Die Exportnation Deutschland hat einen Anteil von jeweils weniger als fünf Prozent an Afrikas Exporten und an den Importen des Kontinents.
  2. Afrika wird sein Bevölkerungswachstum nur mithilfe von Innovationen bewältigen können: E-Learning, E-Medizin und E-Commerce werden sich rasant ausbreiten müssen. Europa gilt vielen in Afrika nicht als bevorzugter Partner für Digitalisierung.
  3. In vielen Ländern haben sich stabile Demokratien etabliert, etwa in Nigeria, Südafrika, Kenia, Ghana oder Marokko. In anderen Ländern sind pluralistische Gesellschaften entstanden. Und die Putsche in Westafrika zeigen, dass sich die Jugend nicht mehr von korrupten Eliten regieren lassen will, die nach Scheinwahlen in Scheindemokratien von westlichen Mächten, häufig mit deutscher Beteiligung, an die Macht gebracht worden sind.
  4. Politische Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg fördern ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein, stärken den Zusammenhalt auf dem Kontinent und begünstigen den interafrikanischen Handel.
  5. Viele Afrikaner werfen Europa eine Doppelmoral vor. Auch deutsche Politiker erteilen Afrikanern gerne moralgetränkte Lektionen in puncto Geschlechterpolitik, Genitalverstümmelung oder Frauenförderung, schweigen aber zu Todesstrafe und Verheiratung Minderjähriger in den USA.
  6. Afrika wird ein wichtiger Baustein in der globalen Sicherheitsarchitektur. Der Aufstieg der Brics und die Rolle Afrikas in der Bewegung der blockfreien Staaten sind ein Beleg dafür. Auf diese Veränderung sind Europa, aber auch Deutschland, schlecht vorbereitet.
  7. Die westliche Diplomatie entwickelt sich aus guten Gründen entlang des Prinzips der Staatlichkeit. Dieses Konzept ist jedoch unbrauchbar, um sich mit Putschregierungen zu arrangieren. Dadurch entsteht ein außenpolitisches Vakuum, das viele Schwellenländer nutzen, um ihre Beziehungen zu Afrika auszubauen.
  8. Die alten Großmächte müssen dem Aufstieg von Mittelmächten Rechnung tragen wie auch einer größeren Präsenz von Mittelmächten auf dem Kontinent. Dies sind beispielsweise Brasilien, Indien, Japan, Saudi-Arabien, die VAE oder die Türkei.
  9. Frankreichs sicherheitsorientierte Afrika-Politik ist gescheitert. Aber auch der deutsche entwicklungsorientierte Ansatz hat nicht verhindern können, dass die Sahelzone weitgehend eine Region gefallener Staaten geworden ist.
  10. Bisher haben die europäischen Regierungen ihre Beziehungen zu Afrika als Teil ihrer nationalen Politik betrachtet. Das ist überholt. Europa braucht eine europäische Afrika-Politik mit dem Ziel, einen integrierten Raum zu schaffen, der Europa, Afrika und den Mittelmeerraum umfasst. Deutschland und Frankreich müssen dieses Ziel gemeinsam vorantreiben.
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Baerbock setzt auf diplomatische Offensive in Ostafrika

Ihre Reise nach Ostafrika hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit dem Versprechen angetreten, Deutschland werde den Konflikt im Sudan nicht zu einer “vergessenen Krise” werden lassen. Das ist eine wichtige Botschaft in einer Phase, in der Deutschlands Vorgehen im Gaza-Konflikt im Globalen Süden teils zu scharfer Kritik führt. Deutschlands Entscheidung, Israel vor dem Internationalen Gerichtshof als Drittpartei beizustehen, hat unter anderem Namibias Präsident Hage Geingob scharf kritisiert. Geingob warf Deutschland Heuchelei vor und verwies auf den deutschen Völkermord in Namibia. Auch andernorts in Afrika stößt die als Arroganz empfundene Gleichgültigkeit Europas gegenüber den afrikanischen Konflikten der Vergangenheit auf Kritik, während der Westen gleichzeitig eine klare Positionierung der afrikanischen Staaten zum Krieg in der Ukraine sowie im Gaza-Konflikt fordert.

Bei Baerbocks Besuch in Afrika geht es also nicht nur um Beistand in einem regionalen Konflikt, sondern auch um das Signal, dass Deutschland in Zeiten wachsender diplomatischer Spannungen weiterhin Partner der Länder des Globalen Südens sein will. Den Vorwurf der vergessenen Krise will sich Baerbock nicht gefallen lassen. “So wie wir Länder wie Kenia darum gebeten haben, ihre Stimme zu erheben und da zu sein als Russland die Ukraine überfallen hat und unsere europäische Friedensordnung herausgefordert wurde, so müssen auch wir für Länder wie Kenia da sein, wenn in ihrer Region ein Krieg ausbricht“, sagte die Außenministerin am Donnerstag bei ihrem Besuch in Kenia. Das ostafrikanische Land hatte im Gegensatz zu einigen anderen afrikanischen Ländern den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt.

Panne zu Reisebeginn

Sinnbildlich für die bislang holprige Diplomatie der vergangenen Wochen steht, dass Baerbock ausgerechnet auf dem Weg nach Ostafrika die nächste Panne passierte. Der erste Stopp in Dschibuti musste entfallen, da die Maschine der Ministerin nach Darstellung des Auswärtigen Amtes keine Überfluggenehmigung über Eritrea bekam. Die Alternativrouten über den Sudan oder den Jemen kamen aufgrund der dortigen Konflikte nicht infrage. Entsprechend musste die Ministerin ein Treffen mit der ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD ausfallen lassen. Dabei spielt gerade die IGAD eine entscheidende Rolle in der Vermittlung im Konflikt im Sudan.

Nichtsdestotrotz wagt sich die Außenministerin bei ihrem Ostafrikabesuch deutlich weiter vor als noch der Kanzler bei seinem Besuch in Kenia im Mai vergangenen Jahres. Damals war der Konflikt im Sudan noch relativ frisch und Scholz bekräftigte zwar die Unterstützung für den Sudan, sagte allerdings auch, dass der Konflikt regional gelöst werden müsse. Recht bald war der Konflikt auf deutscher Seite dann auch aus dem Fokus geraten.

Deutsches Engagement in Region verlängert

Dabei ist Deutschland im benachbarten Südsudan an der internationalen Friedensmission UNMISS beteiligt, die helfen soll, den 2011 unabhängig gewordenen Südsudan zu stabilisieren. Vor wenigen Tagen beschloss der Bundestag, das Mandat des Einsatzes um ein Jahr zu verlängern. Doch der Druck auf den Südsudan wächst durch die steigende Zahl an Flüchtlingen, die im Norden ins Land kommen. Bei ihrem Besuch betonte Baerbock die Relevanz der Mission und Deutschlands Rolle in der Region: “Deshalb ist UNMISS so wichtig. Wir sind bereits zweitgrößter Geber für humanitäre Hilfe.” Sie rief auch andere Länder auf, ihre Unterstützung hochzufahren.

Der Konflikt im Sudan brach Mitte April gewaltsam aus, nachdem sich die zwei rivalisierenden Generäle Abdel Fattah Al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, über Fragen der Machtteilung überworfen hatten. Al-Burhan hatte das Land nach dem Sturz von Diktator Omar Al-Baschir mit einer Militärregierung regiert. Zuvor hatte es demokratische Proteste gegen den Langzeitmachthaber gegeben. Eine UN-Mission sollte dem Land bei der Rückkehr zu einer demokratischen Regierung helfen. Nach knapp einem Jahr der Kämpfe gibt es im Sudan laut internationaler Hilfsorganisationen mehr als sechs Millionen Vertriebene. Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich der Konflikt zu einer der größten humanitären Katastrophen entwickelt. Alle Vermittlungsbemühungen sind bislang gescheitert. So hatten die kriegsführenden Generäle Anfang des Jahres geplante Treffen in letzter Sekunde aufgekündigt.

Sanktionen gefordert

Baerbock will nun nach Absprache mit Kenias Präsidenten William Ruto, der in dem Konflikt vermittelt, den Druck auf al-Burhan und Hemedti verschärfen. Dabei sollen internationale Sanktionen helfen sowie schärfere Kontrollen von Waffenlieferungen in das ostafrikanische Land. Einem aktuellen Bericht der Financial Times zufolge sollen die Vereinten Arabischen Emirate die Miliz von General Hemedti mit Waffen beliefern.

Baerbock verwies dabei auf Sanktionen gegen sechs Organisationen, die die EU in der vergangenen Woche verhängt hat. Zudem müsse ein “grelles Licht auf die schrecklichen Verbrechen” geworfen werden, um ein Gefühl der Straflosigkeit im Sudan zu verhindern. Angesichts der Tatsache, dass es insbesondere im Westsudan seit Jahrzehnten zu Gräueltaten kommt, die kaum von der Weltgemeinschaft wahrgenommen werden, dürfte sich daran jedoch wohl auch künftig wenig ändern.

Vermittlungsversuche bündeln

Gleichzeitig müsse die sudanesische Zivilgesellschaft gestärkt und besser vernetzt werden, so Baerbock. Tatsächlich war es die Zivilgesellschaft, die mit ihrem Protest gegen Diktator al-Baschir einen Demokratisierungsprozess angestoßen hat. Zudem müssten die Vermittlungsversuche der internationalen Gemeinschaft stärker zusammengeführt werden. Zuletzt hatten mehrere regionale Organisationen Vermittlungsversuche organisiert. Dabei hatten sich die beteiligten Länder vorgeworfen, eigene Interessen zu verfolgen.

Fraglich ist nun, ob Baerbocks Besuch in der Region und das deutsche Friedensengagement tatsächlich eine nachhaltige Auswirkung auf die “vergessene Krise” hat oder ob der Besuch lediglich ein Pflichtbesuch bleibt.

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Mit Global Gateway versucht sich die EU in strategischem Handeln

Auch wenn EU-Vertreter diesen Bezug offiziell nicht herstellen wollen, gilt die Global Gateway Initiative (GG) der EU doch als europäischer Gegenentwurf zur chinesischen Belt and Road Initiative (BRI). Was genau die Ende 2021 vorgestellte GG ist, und wie sie im Detail funktioniert, kann allerdings kaum jemand erklären. Denn die EU bewirbt die Initiative zwar allenthalben, doch ohne sie mit neuen, eigenen Inhalten zu füllen. Zudem erhöhte eine unklare Kommunikation die Verwirrung.

Der Europäische Rat beschreibt die GG als “Überbegriff für die EU-Strategie zur Förderung intelligenter, sauberer und sicherer Verbindungen in den Bereichen Digitaltechnik, Energie und Verkehr sowie zur Stärkung der Gesundheits-, Bildungs- und Forschungssysteme in aller Welt”. Die Initiative sei der europäische Beitrag, um die weltweite Investitionslücke zu schließen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte GG bei der Eröffnung des ersten GG-Forums in Brüssel im Oktober ein “300-Milliarden-Euro-Programm, um saubere Infrastruktur zu finanzieren und zu bauen”.

Irreführende Kommunikation

Doch dieser stets in der Öffentlichkeit genannte Betrag ist irreführend, wie Wilhelm Emmrich von Germany Trade and Invest (GTAI) im Gespräch mit Table.Media erklärt: Die Investitionen sollen zu großen Teilen aus der Privatwirtschaft kommen; die EU werde sie mit Investitionsgarantien absichern. Zudem bringe die EU keine neuen Mittel für die bis 2027 angestrebte Investitionssumme auf. Stattdessen würden bestehende Finanzierungen umgewidmet. Denn der mehrjährige Finanzrahmen der EU für 2021-27 sei schon beschlossen gewesen, als GG ins Leben gerufen wurde.

Bei den GG-Projekten handelt es sich nicht um neue, von der EU aufgelegte Initiativen. Stattdessen werden Projekte einzelner oder mehrerer Mitgliedsstaaten als sogenannte Leuchtturmprojekte der GG gelabelt. Das soll “der EU und ihren Mitgliedstaaten als Instrument für die strategische Kommunikation und Sichtbarkeit … bei der Zusammenarbeit der EU mit ihren Partnern dienen”, steht auf der Website des Europäischen Rats. Global Gateway ist also vor allem ein Marketingbegriff, und weniger ein kohärentes politisches Programm.

Global Gateway als Marketingbegriff

Für das Jahr 2023 hat “Team Europe” 87 Leuchtturmprojekte in fünf Bereichen festgelegt: Digitalisierung, Klima und Energie, Transport, Gesundheit sowie Bildung und Forschung. Im Dezember wurde die Liste der Leuchtturmprojekte um 138 weitere für das Jahr 2024 ergänzt, wie aus einem GTAI-Bericht hervorgeht. Viele Projekte laufen bereits seit Jahren, andere werden nun erstmals ausgeschrieben. Auch deutsche Unternehmen wie Fraport und Gauff Engineering sind beteiligt.

Neben den Leuchtturmprojekten umfasst die GG weitere Projekte. Allerdings gebe es bislang weder eine Liste dieser Projekte noch eine Definition der EU, welche Projekte zu Global Gateway zählen und welche nicht, bemängelt GTAI-Experte Emmrich.

Die Hälfte der angestrebten Investitionssumme soll nach Afrika fließen. Sowohl 2023 als auch 2024 macht der Kontinent die Region mit den meisten Projekten aus. Die wichtigsten Branchen, weltweit wie in Afrika, sind Klima und Energie gefolgt von Transport.

Die Projekte decken eine große Bandbreite ab: von der Unterstützung frühkindlicher Entwicklung, über den Bau von Wasserkraftwerken, bis hin zu überregionalen Programmen wie dem Bau von Untersee-Datenkabeln und dem Aufbau einer Impfstoffproduktion in Afrika.

Keine einheitliche Strategie

Die Initiative markiere eine wichtige Verschiebung im europäischen Verhältnis zu anderen Weltregionen, sagt Tim Zajontz von der Universität Freiburg im Gespräch mit Table.Media. Zajontz forscht dort im Projekt “De/Coloniality Now” unter anderem zu Infrastrukturprojekten und Globaler Politischer Ökonomie. Mit GG trete die EU strategischer und offener interessengeleitet auf als zuvor, so Zajontz.

Allerdings leide die Initiative an ihrem Patchwork-Charakter, obwohl sich die EU-Beamten darum bemühten, unterschiedliche Projekte aus verschiedenen Instrumenten der EU-Außenpolitik zu einer kohärenten Strategie zusammenzuführen. Immerhin ließen sich nach zwei Jahren mit Kritischen Mineralien, Infrastruktur, Gesundheit und Digitalisierung gewisse Prioritäten erkennen, sagt Zajontz. “Übergeordnetes geostrategisches Ziel der Initiative ist es, Zugänge zu bestimmten Ressourcen, Energieträgern und Märkten zu sichern und Abhängigkeiten, vor allem von China, zu verringern.”

Dennoch zählt die Inkohärenz wohl zu den größten Schwächen der GG. Akteure wie China und die USA, mit deren Initiativen GG konkurriert, sind weitaus besser in der Vereinheitlichung ihrer Strategien.

Zugang zu Rohstoffen sichern

Aber auch der Fokus auf Rohstoffe und die zugehörige Infrastruktur könnte zum Problem werden. Die EU stilisiert GG im internationalen Wettbewerb zwar stets als “better option” (von der Leyen), Kritiker weisen jedoch darauf hin, die Initiative drohe den Extraktivismus der Kolonialära fortzuführen. Dass die alten europäischen Kolonialherren nun auch noch behaupten, sie wollten die Afrikaner vor den Chinesen schützen, wird auf dem Kontinent vielfach als heuchlerisch empfunden.

In der Tat sei ein neo-extraktivistischer Wettlauf um afrikanische Ressourcen in vollem Gange, meint Forscher Zajontz. Das Ausmaß der Ausbeutung sei aber noch nicht in Stein gemeißelt. Die Länder des Globalen Südens hätten stark an Bedeutung und Selbstbewusstsein gewonnen. Es liege an ihnen, Anforderungen an die Europäer zu stellen. Zajontz berichtet auch, mancher afrikanischer Politiker sei sogar erleichtert, dass Europa nun zumindest endlich zu seiner interessengeleiteten Politik stehe.

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Ecowas-Rückzug der Sahelländer: Diese Folgen ergeben sich für Westafrikas Wirtschaft

Im nächsten Jahr feiert die Ecowas ihren 50. Geburtstag – das große Jubiläum muss dann allerdings mit weniger Mitgliedsstaaten über die Bühne gehen: Mali, Niger und Burkina Faso erklärten am Wochenende, die Organisation verlassen zu wollen. Dann bleiben der Ecowas nur noch zwölf Mitgliedsstaaten. Noch ist das Ganze zwar nicht formell durch, da ein Austritt offiziell bei der Ecowas beantragt werden muss und dann nach einem Jahr erst wirksam wird. Doch dass sich am Willen der Sahelländer noch etwas ändert, halten Experten im Gespräch mit Table.Media nicht für wahrscheinlich.

Ein Bluff ist unwahrscheinlich

“Es scheint eine geplante Entscheidung zu sein, aber es ist nicht klar, welches Land letztendlich dazu gedrängt hat. Niger steht nach dem Putsch weiterhin unter schweren Sanktionen der Ecowas, wie schon Mali in der Vergangenheit”, sagt Nina Wilén, Direktorin des Afrika-Programms beim belgischen Thinktank Egmont-Institut, im Gespräch mit Table.Media.

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Zusammenarbeit und den Austausch von Gütern und Arbeitskräften zwischen den Mitgliedsländern zu stärken. Doch in der Bevölkerung, besonders in den Sahelländern, stieg zuletzt die Unzufriedenheit. “Dort wird die Legitimität der Ecowas ernsthaft infrage gestellt und dass sie 49 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1975 ihre Ziele noch nicht erreicht hat”, sagt Fahiraman Koné vom afrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS) im Gespräch mit Table.Media. De facto habe es dennoch Fortschritte gegeben: So sei Westafrika die am besten miteinander verbundene Region auf dem Kontinent und habe inzwischen wesentlich bessere Straßen gebaut und die Stromversorgung verbessert.

Raus aus der Ecowas, aber noch in der UEMOA

Wichtig: Mali, Niger und Burkina Faso wollen zwar nicht mehr in der Ecowas sein, bleiben aber in der UEMOA, der Währungsunion der westafrikanischen Länder, die den an den Euro gekoppelten CFA-Franc teilen. “Die drei Länder sind weiterhin Mitglied der UEMOA. Auch da gibt es Bestimmungen für die währungs- und wirtschaftliche Integration. Was komplizierter werden könnte, ist der Austausch mit Ländern außerhalb der UEMOA wie Ghana und Nigeria”, so Koné, der in Bamako für das ISS arbeitet. Nigeria, dessen Präsident Tinubu derzeit die Ecowas führt, versorgt etwa das Nachbarland Niger mit Strom – eindrucksvoll war dies nach dem Putsch zu sehen, als Nigeria vorübergehend die Energieversorgung einstellte. Doch wie lange die drei Putschländer noch in der Währungsunion bleiben, ist nicht klar. “Es ist der nächste logische Schritt, dass sie ihre eigene Währung haben wollen. Ich denke, sie könnten sich in Zukunft vom CFA lösen”, meint Forscherin Wilén.

Importe und Freizügigkeit eingeschränkt

Wilén sieht schwere Folgen für die Wirtschaft der Region. Einerseits dürfte die Freizügigkeit betroffen sein – die Ecowas hat einen eigenen Pass aufgesetzt: “Es gibt zum Beispiel viele Nigrer, die in der Elfenbeinküste leben. Es wird schwierig sein, zu bestimmen, welchen Status sie haben werden, auch wenn es um eine Arbeitserlaubnis geht.”

Außerdem ist noch nicht absehbar, wie sich die stark importabhängigen Länder in Zukunft effizient und ohne zu hohe Mehrkosten durch Zölle und ähnliches versorgen wollen. “Mali, Niger und Burkina sind drei Binnenländer, die bisher auf die Häfen der Küstenländer angewiesen sind. Es müssen neue Lösungen gefunden werden. Für Russland allein wäre es beispielsweise schwierig, alles zu ersetzen. Aber vielleicht könnte auch der Marokko-Deal eine Rolle spielen.” Zuletzt hatte das nordafrikanische Königreich Niger, Mali, Burkina und Tschad einen Zugang zum Atlantik angeboten.

Die Ecowas in der Krise

Dass Mali, Niger und Burkina die Ecowas hinter sich lassen wollen, hat laut Sicherheitsexpertin Wilén vor allem politische Gründe. “Der Symbolwert ist sehr wichtig. In allen Ländern sind Diskurse um Souveränität und gegen Neoimperialismus en vogue. Politisch versuchen diese Länder meiner Meinung nach, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.” Ohnehin befindet sich die Ecowas seit dem Putsch in Niger im vergangenen Sommer in einer Glaubwürdigkeitskrise. Sie kündigte eine Militärintervention an, handelte dann aber nicht.

“Die jetzige Austrittsankündigung wurde zwar nicht konkret erwartet, kommt aber auch nicht überraschend, wenn man die Spannungen innerhalb der Ecowas in den vergangenen zwei Jahren in Mali und Niger betrachtet. Dazu auch die Situation in Niger, die einer Sackgasse gleicht”, sagt Koné von der Denkfabrik ISS. Das Narrativ der Militärregierungen sei noch einmal deutlich geworden.

“Wenn man den Abzug der Minusma, den Rückzug dieser Länder aus der G5-Sahel-Gruppe und jetzt diesen Schritt betrachtet, sieht man eine Gemeinsamkeit: die Vorstellung, dass diese Institutionen von Frankreich manipuliert werden.” Auch die Beziehungen zur EU erscheinen gerade alles andere als rosig. So hat Niger nach Informationen von Africa Intelligence einen Teil des Personals der zivilen Aufbaumission Eucap des Landes verwiesen.

Keine guten Nachrichten für Westafrikas Wirtschaft

Für die Stabilität der Sahelregion und damit die Zukunft der wirtschaftlichen Zugpferde in Westafrika – wie Nigeria, Elfenbeinküste und Ghana – sind das alles keine guten Nachrichten. “Mali, Burkina und Niger haben sich in der jüngsten Vergangenheit nicht wirklich gut entwickelt, daher besteht die Gefahr, dass sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert. Auch die Golfstaaten könnten stärkere Auswirkungen spüren”, sagt Wilén. Zudem steht die Rückkehr zur demokratischen Ordnung infrage, wie der in Mali ansässige Koné präzisiert. Ohne den Druck der Ecowas sei nicht klar, ob die abgestimmten Zeitpläne noch verfolgt würden.

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News

Italien will 5,5 Milliarden Euro in Afrika investieren

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen Investitionsplan im Wert von mehr als 5,5 Milliarden Euro zur Stärkung der italienischen Beziehungen zu Afrika vorgestellt. Der lang erwartete Plan wurde am Montag auf dem Italien-Afrika-Gipfel in Rom öffentlich gemacht, zu dem 25 afrikanische Staats- und Regierungschef angereist waren. Meloni hatte schon seit ihrem Amtsantritt betont, eine neue Zusammenarbeit mit Afrika anzustreben, bei der Italien als Brücke zwischen Afrika und Europa fungieren soll.

Das neue Investitionsprogramm namens “Mattei-Plan” soll Italien zu einer wichtigen Energiedrehscheibe machen, die Gas aus Nordafrika und dem Mittelmeerraum an den Rest Europas verteilt, sowie die wirtschaftlichen Ursachen der Massenmigration aus Afrika bekämpfen. Der Name geht zurück auf den Gründer des staatlichen Energiekonzerns Eni, Enrico Mattei, der sich in den 1950er Jahren dafür einsetzte, dass Italien die nordafrikanischen Regierungen bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft und der Erschließung ihrer natürlichen Ressourcen unterstützt.

Zu den Prioritäten Italiens werden Energie, Bildung und Berufsausbildung, Gesundheit, Landwirtschaft und Wasser gehören, so Meloni. Finanziert werden soll der Plan aus dem italienischen Klimafonds (3 Milliarden Euro) sowie aus Mitteln für die Entwicklungshilfe (2,5 Milliarden Euro). “Die illegale Masseneinwanderung wird niemals gestoppt und die Menschenhändler werden niemals besiegt werden, wenn wir nicht die Ursachen bekämpfen, die jemanden dazu bringen, seine Heimat zu verlassen”, sagte Meloni auf der Konferenz in Rom.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die an der Veranstaltung in Rom teilnahm, äußerte ihre Unterstützung für Melonis Plan. Er sei eine Ergänzung zur Global Gateway Initiative der EU.

Moussa Faki Mahamat, der Präsident der Kommission der Afrikanischen Union, kritisierte in seiner Rede vor den rund 60 Delegationen aus Afrika, der EU und von zahlreichen internationalen Organisationen die mangelnde Einbindung der afrikanischen Staaten in die Vorhaben Italiens. “Wir wären gerne zum Mattei-Plan konsultiert worden”, sagte er. Und fügte zum Thema Migration hinzu: “Wir brauchen Freundschaft, keine Sicherheitsbarrieren, die Barrieren der Feindseligkeit sind.”

Etwa 40 Prozent des italienischen Gases stammen von afrikanischen Produzenten, Tendenz steigend. 80 Prozent der irregulären Einreisen nach Italien kommen aus nordafrikanischen Häfen. ajs/asf

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UNCTAD warnt vor Destabilisierung der Lieferketten

Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) warnt vor einer Destabilisierung der weltweiten Lieferketten infolge der zunehmenden Bedrohung wichtiger Handelsrouten. Hintergrund sind die geopolitischen Krisen im Roten und Schwarzen Meer sowie niedriger Wasserstand im Panamakanal infolge des Klimawandels, hieß es in einer Mitteilung der Organisation am Freitag.

Allein im Suezkanal seien die wöchentlichen Transitfahrten in den vergangenen zwei Monaten nach den Angriffen der Huthi-Rebellen im Jemen um 42 Prozent zurückgegangen. Transportfahrten durch den Panamakanal haben demnach um mehr als ein Drittel abgenommen. Auch die Ausfuhr von Getreide aus den Schwarzmeerhäfen werde seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine durch Russland politisch instrumentalisiert.

Für den internationalen Handel machen sich diese Einschränkungen massiv bemerkbar. Laut UNCTAD läuft 80 Prozent des weltweiten Warenverkehrs über den Seeweg. Dass die Nadelöhre nun durch verschiedene Krisen bedroht sind, habe gleich mehrere Folgen: “Der Anstieg der durchschnittlichen Container-Frachtraten in der letzten Dezemberwoche um mehr als 500 Dollar innerhalb einer Woche war der höchste jemals verzeichnete Wochenanstieg.” Die Frachtraten von Shanghai nach Europa hätten sich im Vergleich zu Dezember verdreifacht. Zwar seien die Containerpreise noch weit von den Spitzenwerten während der Corona-Pandemie entfernt, die volle Auswirkung zeige sich allerdings für die Verbraucher erst in rund einem Jahr. Besonders betroffen wären wieder einmal die Länder des Globalen Südens.

Außerdem kommt ein weiteres Problem hinzu. Die Umgehung von Suez- und Panamakanal führen zu längeren Transportwegen und steigenden Treibhausgasemissionen. Die UNCTAD forderte daher eine Anpassung der Schifffahrtsindustrie sowie eine solide internationale Zusammenarbeit, um die “rasche Umgestaltung der Dynamik des Welthandels zu bewältigen.” dre

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Südafrika feiert Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs als Erfolg

Die südafrikanische Regierung feiert den Spruch des Internationalen Gerichtshofs (IGH) als großen diplomatischen Erfolg. In einer Pressemitteilung sprach das Außenministerium in Pretoria von einem “entscheidenden Sieg für die internationale Rechtsstaatlichkeit und bedeutenden Meilenstein bei der Suche nach Gerechtigkeit für das palästinensische Volk”.

Innerhalb weniger Stunden wandte sich Präsident Cyril Ramaphosa im Fernsehen an die Nation: “Als südafrikanische Regierung begrüßen wir die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs.” Außenministerin Naledi Pandor bezeichnete diese als “Test für die Wirksamkeit globaler Gremien”.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat einem Eilantrag Südafrikas am vergangenen Freitag teilweise stattgegeben. Das oberste UN-Gericht ermahnte Israel, Maßnahmen zu ergreifen, die einen möglichen Völkermord im Gaza-Streifen verhindern. Der geforderte Waffenstillstand wurde jedoch nicht angeordnet.  Stattdessen soll Israel sicherstellen, dass weiterhin humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt. Israel wurde zudem aufgefordert, bis zum 26. Februar einen Bericht über die Fortschritte einzureichen.

Schwere Anschuldigungen gegen Israel

Ende Dezember hatte Südafrika eine Klage gegen Israel vor dem IGH eingereicht. Das Land am Kap wirf Israel Verstöße gegen die Völkerrechtskonvention vor. Besonders sei die zivile Bevölkerung in Gaza vor den Bombenangriffen nicht sicher. Außerdem sieht Südafrika in Äußerungen von Mitgliedern der israelischen Regierung Absicht des Völkermordes.

Auch die Bundesregierung meldete sich zu Wort, und unterstrich, dass das Völkerrecht für alle gelte. Der IGH habe im “einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufige Maßnahmen angeordnet“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. “Diese sind völkerrechtlich verbindlich.” Auch Israels Premier Benjamin Netanyahu nahm die Entscheidung des IGH zur Kenntnis. Allerdings meinte er, den von Südafrika vorgebrachten Fall habe das Gericht “zurecht abgelehnt”. as

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Standpunkt

Trotz Herausforderungen – deutsche Unternehmen setzen auf Afrika

Von Andreas Glunz
Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG.
Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG.

Aktuell sind nur rund 1.000 deutsche Unternehmen mit nennenswertem Umsatz in Afrika aktiv. Das sind lediglich 0,25 Prozent aller deutschen Auslands-Investments. Während Investitionen in afrikanischen Ländern landläufig häufig als risikobehaftet eingeschätzt werden, bewerten die dort tätigen deutschen Firmen die Aussichten als überwiegend positiv. In den nächsten fünf Jahren erwarten gut drei Viertel einen Umsatzanstieg in Afrika; zwei Drittel wollen im selben Zeitraum ihre Investitionen in Afrika erhöhen, davon 59 Prozent aufgrund der geopolitischen Situation und zur Diversifizierung. Das sind die Ergebnisse der “Afrika Studie 2023“, eine gemeinsame Befragung des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter deutschen Unternehmen mit Geschäftstätigkeit auf dem afrikanischen Kontinent.

Auch die deutsche Politik schenkt dem Kontinent mehr Aufmerksamkeit. Das belegen nicht zuletzt die Afrikabesuche des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten im Herbst 2023. Den intensivierten Dialog setzt der Bundeskanzler auch in Deutschland fort, unter anderem beim vierten G20-Investitionsgipfel der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) am 20. November 2023 in Berlin.

Deutsche Wirtschaft hat Afrikas Potenzial zu spät erkannt

Die deutsche Wirtschaft hat im internationalen Vergleich die Zeichen der Zeit erst spät erkannt und deutlichen Nachholbedarf. Laut aktuellen Studien haben sich deutsche Investitionen in Afrika in den letzten 20 Jahren bis 2023 zwar etwas mehr als verdoppelt. Frankreich dagegen versechsfachte seinen Kapitalbestand auf dem Kontinent im selben Zeitraum; China steigerte ihn sogar um den Faktor 90. Die Investitionszurückhaltung der Vergangenheit spüren deutsche Unternehmen in Afrika daher heute auch sehr deutlich, denn der Druck der internationalen Konkurrenz steigt.

In der Studie werden als wichtigste Instrumente zur Investitionsförderung in Afrika Investitionsgarantien und Subventionen (57 Prozent), gefolgt von Freihandelsabkommen (43 Prozent) und der Unterstützung vor Ort durch deutsche staatliche bzw. staatlich finanzierte Organisationen (39 Prozent) genannt. Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) geht davon aus, dass die Anfang 2021 in Kraft getretene und perspektivisch 54 afrikanische Staaten umfassende Freihandelszone “African Continental Free Trade Area” (AfCFTA) mittel- bis langfristig einen positiven Effekt auf ihre Geschäfte in Afrika haben wird.

Große Chancen, aber auch Herausforderungen

Tatsächlich zeichnen die vor Ort tätigen deutschen Unternehmen ein positives Bild von Afrika als Geschäfts- und Investitionsstandort. Als zentrale Standortvorteile nennen die Unternehmen vor allem Marktgröße und -wachstum (69 Prozent) und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (27 Prozent). Trotz der großen Rohstoffabhängigkeit Deutschlands von China und des Rohstoffreichtums Afrikas nennt hingegen lediglich jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent) die dortigen Rohstoffvorkommen als einen der drei wichtigsten Standortvorteile Afrikas. Im Vergleich mit China werden die schnell wachsende afrikanische Bevölkerung (51 Prozent) und die unerschlossenen Märkte Afrikas (52 Prozent) als wichtigste Vorteile genannt.

Trotz der erkennbar positiven Stimmung sehen sich die Unternehmen aber auch mit Herausforderungen konfrontiert. Mehr als jeweils gut die Hälfte der Befragten weist auf Korruption (59 Prozent) und mangelnde politische Stabilität in einzelnen afrikanischen Ländern (54 Prozent) hin, gefolgt von mangelhaften regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (39 Prozent). Die Ergebnisse müssen aufgrund der sehr heterogen Länder Afrikas differenziert betrachtet werden. Das zeigen beispielsweise die Zahlen des Korruptionswahrnehmungsindex CPI von Transparency International. Im Ranking 2022 werden zahlreiche afrikanische Länder besser bewertet als klassische Partnermärkte Deutschlands.

Appell an deutsche Unternehmen, die Bundesregierung und afrikanische Länder

Vorwiegend deutsche Unternehmen der Branchen Energie, Automotive, Gesundheit, Chemie, Konsumgüter sowie Groß- und Einzelhandel sollten über erste Leuchttürme-Projekte in vertrauenswürdige und zugleich expandierende afrikanische Länder einsteigen, um dann von dort aus dann sukzessive in weitere Länder zu expandieren. Dabei sollte in Afrika für den afrikanischen Markt produziert werden und sollten Joint Ventures mit afrikanischen Unternehmen auf Augenhöhe eingegangen werden.

Die Bundesregierung sollte statt reiner Entwicklungshilfe mehr staatliche Fördermittel und Investitionsgarantien zur Verfügung stellen für privatwirtschaftliche Investitionsprojekte deutscher Unternehmen zum Aufbau von Produktionsstätten in Afrika.

Das afrikanische Freihandelsabkommen ist ein Riesenschritt nach vorne, da es den intra-afrikanischen Handel fördert. Jetzt müssen die afrikanischen Länder das Abkommen aber auch in der Praxis umsetzen. Auch die Gründung einer afrikanischen Rating-Agentur wäre ein wichtiger Schritt, um in Zukunft günstigere Fremdfinanzierungskonditionen zu erhalten.

Andreas Glunz ist Bereichsvorstand International Business bei KPMG Deutschland. Er veröffentlicht regelmäßig über internationale Märkte, geopolitische Themen sowie Herausforderungen und Chancen für multinationale Unternehmen. Außerdem ist er Redner bei Kongressen zu internationalen Wirtschaftsthemen.

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Presseschau

New York Times: Drehkreuz für Migranten auf dem Weg nach Europa wieder in Betrieb. Agadez, ein Wüstenvorposten in Niger, war im Rahmen eines Abkommens mit der Europäischen Union jahrelang offiziell für die Migration gesperrt. Doch nachdem Generäle in Niger durch einen Militärputsch die Macht übernommen hatten, stellte die EU die finanzielle Unterstützung für die Regierung ein – woraufhin die Generäle im November die Migrationsvereinbarung mit der EU aufkündigten.

Wall Street Journal: Staatsstreiche und Terrorismus lenken die Aufmerksamkeit der USA auf Westafrika. US-Außenminister Antony Blinken besuchte in der vergangenen Woche die Elfenbeinküste. Dort warb er für ein mit 300 Millionen Dollar ausgestattetes amerikanisches Programm zur Unterstützung der Regierungen entlang der afrikanischen Atlantikküste, einschließlich derjenigen in Benin, Ghana, Guinea und Togo. Die US-Regierung ist besorgt über die Ausbreitung islamistischer Aufstände in Westafrika und fordert die stabilen Länder an der Küste der Region auf, sich dagegen abzusichern.

Al Jazeera: Somalischer Präsident warnt Äthiopien wegen des Hafendeals mit Somaliland. Im Interview mit dem katarischen Nachrichtensender hat der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud Äthiopien davor gewarnt, Schritte zur Umsetzung des umstrittenen Hafenabkommens zu unternehmen, das es mit der abtrünnigen Region Somaliland ausgehandelt hat. Somalia werde sich dem Druck nicht beugen.

South China Morning Post: Uganda fordert Öffnung der Märkte von China. Am Rande des Gipfeltreffens der Bewegung der Blockfreien Staaten letzte Woche in Kampala erklärte der ugandische Präsident Yoweri Museveni, dass ein besserer Marktzugang für afrikanische Produkte sowohl Afrika als auch China zugute käme. Museveni knüpft an frühere Forderungen nach mehr chinesischen Importen an.

BBC: ANC suspendiert Jacob Zuma. Südafrikas ehemaliger Präsident wurde von der Partei, die er einst führte, suspendiert. Er hatte öffentlich angekündigt, nicht für die Regierungspartei zu stimmen, und eine konkurrierende Organisation gegründet. Zuma selbst ist mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

Semafor: Das Potenzial der afrikanischen Landwirtschaft. Um die Produktivität der afrikanischen Agrarwirtschaft zu erhöhen, sollten politische Entscheidungsträger und Geber darauf hinarbeiten, die Investitionen in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung in Afrika sowie die Beratungsdienste für Landwirte deutlich zu erhöhen. Dies geht hervor aus einer neuen Studie der kalifornischen NGO Breakthrough Institute.

Financial Times: Aliko Dangote unter Druck. Der reichste Mann Afrikas ist nach der Razzia der Anti-Korruptions-Behörde in der Unternehmenszentrale der Dangote Group in Lagos unter ungewohnten Druck geraten. Offiziell ist die Durchsuchung Teil einer umfassenden Untersuchung über angebliche Misswirtschaft in der Zentralbank. Doch wird er von einigen als Versuch gewertet, den politischen Einfluss von Dangote im Lande zu verringern.

The Economist: Russlands Plan zur Vereinnahmung von Christen in Afrika. Der Ukrainekrieg hat die orthodoxe Kirche in Afrika gespalten. 2019 erkannte der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandria die Unabhängigkeit der neu gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine an. Aus Rache mischen sich die Russen nun in die griechisch-orthodoxe Kirche in Afrika ein, und versuchen Geistliche abzuwerben.

African Business: Afrika muss sich auf Trumps Rückkehr vorbereiten. Da der ehemalige Präsident wieder die Oberhand gewonnen hat und eine Wiederholung seiner “America First”-Rhetorik zu erwarten ist, sollten sich afrikanische Politiker auf die Rückkehr zu einer rein transaktionalen Beziehung einstellen, schreibt David Thomas.

The Guardian: Tausende demonstrieren gegen Femizid in Kenia. Berichte über mindestens ein Dutzend Fälle von Mord an Frauen seit Anfang des Jahres haben landesweit zu öffentlicher Empörung, Diskussionen und Demonstrationen geführt, unter anderem in Nairobi, Kisumu und Mombasa. Seit 2016 wurden in Kenia mindestens 500 Fälle von Femizid registriert. Die Demonstranten fordern, dass Femizid rechtlich als Verbrechen anerkannt wird, da die Verquickung mit Mord den einzigartigen Umständen, unter denen die Tötungen begangen werden, nicht gerecht werde.

Heads

Paul Kagame – Vorzeigeautokrat in Afrika

Ruandas Präsident Paul Kagame vor der UN-Generalversammlung.
Ruandas Präsident Paul Kagame vor der UN-Generalversammlung.

Am Rande des World Economic Forums in Davos in diesem Monat traf Paul Kagame, Ruandas langjähriger Präsident, auf US-Außenminister Antony Blinken. In dem Gespräch ging es um die Stabilität im Ostkongo. Ruanda wird vorgeworfen, die M23-Rebellen zu unterstützen, was Kagame verneint. Blinken zeigte sich besorgt über die gerade neu-gewählte Regierung von Präsident Félix Tshisekedi. Ein ähnliches Treffen gab es zwischen Kagame und Filipe Nyusi, dem Präsidenten von Mosambik, in Kigali. Hier wurde der Kampf gegen Islamisten in der nördlichen Provinz Cabo Delgado diskutiert, bei dem Ruanda Mosambik militärisch zur Seite steht.

Kagame gilt in Ruanda als Vorzeigeautokrat, der über Jahrzehnte Frieden, Stabilität und Erfolg für das ostafrikanische Land gebracht hat. Aber in der Region mischt der ehemalige Karrieresoldat des ruandischen Bürgerkrieges der 1990er-Jahre mit seinen Truppen gerne bei Konflikten mit. Und es ist nicht immer klar, mit welchem Mandat die Armeeeinheiten Kagames unterwegs sind. Kagame war schon immer ein Führer, der pragmatisch seine Prioritäten durchsetzte. Manche seiner Aktionen lassen Beobachter jedoch aufhorchen.      

Dazu gehört auch der Migrationsdeal, den Kagame mit der britischen Regierung ausgehandelt hat. Der 2022 unterzeichnete Vertrag sieht vor, illegale Migranten und Asylbewerber in Großbritannien in das ostafrikanische Land zu bringen, wo sie einen Asylantrag stellen. Den Migranten wird eine Aufenthaltserlaubnis in Ruanda in Aussicht gestellt. Eine legale Rückkehr nach Großbritannien ist allerdings ausgeschlossen. Und die Briten bezahlen für die Migranten. Nach einigen rechtlichen Hürden wurde Mitte Januar das Gesetz vom britischen Unterhaus abgesegnet. Die Idee des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, Deutschland solle eine ähnliche Vereinbarung mit Ruanda eingehen, lehnte Außenministerin Annalena Baerbock während ihres Besuches in Ruanda im Dezember kategorisch ab. Paul Kagame findet die Vereinbarung jedoch vernünftig – wie eine Geschäftsvereinbarung, von der beide Seiten profitieren.

Ruanda avanciert zum Vorbild

Diese Einstellung prägte seinen Lebensweg. Nach dem Völkermord 1994 in Ruanda wurde Kagame Vizepräsident und Verteidigungsminister. Seit April 2000 ist der 66-jährige Präsident von Ruanda. Tatsächlich führte er das Land bereits seit 1994. Im Jahr 2015 ließ Kagame die Verfassung zu seinen Gunsten ändern und hob die Beschränkung des Präsidentenamts auf zwei Amtszeiten auf.

Kagame kann somit theoretisch noch zehn weitere Jahre Präsident bleiben. Zuletzt gewann er mit offiziell 99 Prozent der Stimmen die Wahlen 2017. International wurde er daraufhin zum freiwilligen Rücktritt aufgerufen, was er ignorierte. Von 2018 bis 2019 war Kagame Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) und machte sich stark für die afrikanische Freihandelszone (AfCFTA), die unter seinem Vorsitz in Kigali 2018 unterzeichnet wurde. Seit 2022 ist er zudem Vorsitzender des Commenwealth of Nations.

Ruanda wird nicht nur in Afrika als Vorzeigeland gefeiert. Zum Vermächtnis von Kagame gehört, das ostafrikanische Land modernisiert zu haben. Im vergangenen Dezember weihte Außenministerin Baerbock eine moderne Biontech-Produktionsstätte außerhalb von Kigali ein. 50 Millionen Dosen Impfstoff sollen dort hergestellt werden. Auch Volkswagen produziert in Ruanda und wurde zuletzt ein Partner beim Zusammenbau von elektrischen Traktoren für den einheimischen Markt.

Autokratisch, aber mit Erfolgen

Kagame brachte die Wirtschaft auf Vordermann. 2023 lag das Wachstum bei 6,2 Prozent, für 2024 werden 6,4 Prozent erwartet. In Afrika bedeutet das eine Spitzenposition unter den fünf besten Ländern. Kritiker werfen jedoch Paul Kagame vor, hierzu die demokratische Rechte der Bürger stetig ausgehöhlt zu haben. So etwa Michela Wrong, britische Autorin und Journalistin, die Kagame einen brutalen Diktator nennt, der Menschenrechte massiv missachtet.

Auf dem Papier ist Ruanda eine Mehrparteiendemokratie, in der Praxis regiert Kagames Rwandan Patriotic Front (RPF) seit Mitte der 1990er Jahre. Andere bezeichnen ihn eher als “Benevolent Dictator”, einen wohlwollenden Diktator. Und Vergleiche werden zu dem ehemaligen Präsidenten von Singapur, Lee Kuan Yew, gezogen, der als der Vater des modernen Stadtstaates in Südostasien gilt, und dafür bekannt war, Entwicklung über alles zu stellen: “Wie Lee wird auch Kagame der Verdienst zugeschrieben, die Korruption ausgerottet, die dringend benötigte Infrastruktur geschaffen, die Wirtschaft wiederbelebt und massive ausländische Direktinvestoren angezogen zu haben.”

Die Hauptstadt Kigali ist sauber, es liegt kaum Müll herum, man findet viele moderne Apartmentgebäude entlang der Straßen und Besucher werden in neuen Fünf-Sterne-Hotels empfangen. Auch fahren Landwirte mittlerweile gute Ernten ein. “Kagames Ruanda ist immer noch Afrikas inspirierende Erfolgsgeschichte“, titelte Al Jazeera vor ein paar Jahren.

Repräsentant Afrikas auf dem internationalen Parkett

Nach dem Tod des ehemaligen Präsidenten von Simbabwe, Robert Mugabe, Ende 2017 avancierte Kagame immer mehr zum Repräsentanten Afrikas auf der internationalen Bühne. Zuvor hatte Mugabe diese Rolle inne, und zog regelmäßig polemisch über den – seiner Meinung nach – doppelten Standard der westlichen Welt her. Kagame macht das geschickter: Er beharrt auf seinem wohlüberlegten Standpunkt und lässt sich nicht reinreden. Seine Argumente trägt er sachlich vor. Seit Jahren ist Paul Kagame ein gerngesehener Gast und Diskussionspartner beim World Economic Forum in Davos oder ähnlichen Veranstaltungen in der Welt.

Seine Errungenschaften musste Kagame behutsam auf dem Scherbenhaufen des Völkermords vor 30 Jahren aufbauen. Es galt, Mörder und Opfer wieder zusammenzubringen, ohne dass die brutale Gewalt erneut ausbricht. Kagame versicherte seinen Landsleuten, dass er einen erneuten Genozid nicht zulassen würde: Er hat sich daran gehalten. “Wir können die Uhr weder zurückdrehen noch den verursachten Schaden wiedergutmachen”, sagte er einmal. “Aber wir haben die Macht, die Zukunft zu bestimmen und sicherzustellen, dass das, was passiert ist, nie wieder passiert.” Andreas Sieren

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Dessert

Der Iconic Tower in Ägyptens in Planung befindlicher
Der Iconic Tower in Ägyptens in Planung befindlicher “neuen Hauptstadt” soll das höchste Gebäude Afrikas werden.

Afrika wird bald offiziell ein neues höchstes Gebäude haben, den Iconic Tower in der New Administrative Capital in Ägypten. Der Wolkenkratzer befindet sich in der Bauendphase und soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Seine Höhe von 394 Metern hat der Turm bereits jetzt schon erreicht. Damit wird der Iconic Tower den Mohammed VI Tower in der marokkanischen Hauptstadt Rabat ablösen, der mit 250 Metern kurzzeitig das höchste Gebäude auf dem Kontinent Afrika war.

Die zweite Stelle hat jedoch auch die Great Mosque of Algiers in Algerien für sich beansprucht. Für manche ist dies Mogelei, denn lediglich das Minarett der Moschee ist 265 Meter hoch und wird nicht als echtes Gebäude angesehen. Der Dom des Prestigeobjektes erreicht nur eine Höhe von 70 Metern. Dennoch, die Moschee gilt immerhin als die drittgrößte der Welt.

Im April 2019 war das Leonardo im Johannesburger Geschäftsviertel Sandton mit einer Höhe von 234 Metern für einige Tage das höchste Gebäude Afrikas. Diesen Titel hatte bis dahin mit 223 Metern das 1973 eröffnete Carlton Centre, auch in Johannesburg. Ganze 36 Jahre gab es keine Konkurrenz. Und jetzt geht alles schneller.

Im internationalen Vergleich muss sich Afrika allerdings noch ein wenig anstrengen. Als das höchste Gebäude der Welt mit 828 Metern gilt nach wie vor das Burj Khalifa in Dubai. Das ist mehr als doppelt so hoch wie der Iconic Tower in Ägypten. An zweiter und dritter Stelle folgen Merdeka 118 in Malaysia (679 Meter) und der Shanghai Tower in China (628 Meter). Aber Afrika holt weiter auf. Der Tour F in Abidjan, Elfenbeinküste, soll die 400-Meter-Marke schon bald knacken. as

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    nach dem frühen Afrikabesuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in dem noch jungen Jahr sind nun auch seine deutschen und US-amerikanischen Amtskollegen Annalena Baerbock und Antony Blinken auf den Kontinent gereist. Die Staatschefs auf dem Kontinent werden schwer umworben. Höchste Zeit, dass sich die EU endlich auf eine klare Afrika-Strategie einigt, meint Christian von Hiller.

    Wirtschaftlich soll eigentlich die Global-Gateway-Initiative der große Wurf der EU sein. Diese hat nun auch erneut 138 Leuchtturmprojekte in Afrika ausgerufen. Kritiker bemängeln allerdings, dass die Initiative mehr Marketingbegriff denn eine kohärente politische Strategie ist. Arne Schütte nimmt den aktuellen Stand unter die Lupe.

    Zunächst gilt also die Devise “jeder für sich”. Bei ihrem Besuch in Ostafrika verspricht Außenministerin Baerbock daher ein deutsches Migrationsabkommen mit Kenia bis spätestens diesen Sommer. Gleichzeitig will sie den Druck für eine friedliche Lösung im “vergessenen Konflikt” im Sudan erhöhen. Das dient aber auch anderen diplomatischen Zielen.

    Indes entkoppeln sich die Militärregierungen im Sahel immer weiter von ihren Nachbarn. Welche Folgen der angekündigte Austritt Malis, Burkina Fasos und Niger aus der Ecowas hat, analysiert unsere Westafrika-Korrespondentin Lucia Weiß.

    Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

    Ihr
    David Renke
    Bild von David  Renke

    Analyse

    Das Rennen um Afrika: Warum Europa seinen Kurs jetzt zügig anpassen muss

    Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Kongokriegs entdecken die USA wieder die weltpolitische Bedeutung Afrikas. US-Außenminister Antony Blinken absolvierte gerade eine viertägige Afrikareise. Die Kapverden, Elfenbeinküste, Nigeria und Angola standen auf dem Flugplan.

    Zuvor hatte Chinas Außenminister Wang Yi den Kontinent bereist. Der russische Präsident Wladimir Putin, der wegen des Ukrainekriegs Auslandsreisen meidet, empfing Mahamat Idriss Déby. Der Präsident von Tschad kam in weißem Boubou und weißen Lederschuhen angereist.

    In der vergangenen Woche fand der Gipfel der Blockfreien Staaten in Kampala statt, an dem 90 der 120 Mitgliedsstaaten vertreten waren. Ugandas Präsident Yoweri Museveni leitet die Gruppe nun bis 2027. Die Konferenz zeigte, wie wenig diese Länder blind der westlichen Außenpolitik folgen wollen.

    Macron sucht Aussöhnung mit Marokko

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bemüht sich, das zerrüttete Verhältnis zu Marokko zu reparieren. Mehrfach schon wurde seine Reise nach Rabat verschoben. Jedoch soll sie noch im ersten Quartal stattfinden.

    Auch deutsche Ministerinnen sind so oft wie nie in Afrika. Vergangene Woche war Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Marokko, um über Migration zu sprechen. Derweil bereist Außenministerin Annalena Baerbock mehrere Länder in Ostafrika.

    Ohne Zweifel, Afrika nimmt einen festen Platz auf der politischen Weltbühne ein. Woher kommt dieses große Interesse am afrikanischen Kontinent? Dafür gibt es vier zentrale Gründe:

    • Afrika besitzt die strategischen Rohstoffe, die der Globus für Elektromobilität, Digitalisierung und Stromspeicher braucht: Kobalt, Mangan, Seltene Erden, Gold, Silber, Platin… 30 Prozent der weltweiten Mineralrohstoffe liegen in Afrikas Boden.
    • Afrika hat eine beneidenswerte Demografie. Im Jahr 2050 wird der Anteil der Jugendlichen und Kinder unter 15 Jahren bei 40 Prozent liegen, der Anteil der Alten im Alter von mehr als 65 Jahren bei nur vier Prozent.
    • Weil das Wachstumspotenzial entscheidend von der Demografie abhängt, sind die wirtschaftlichen Perspektiven für Afrika langfristig besser als für Europa, Nordamerika, Asien, Japan und Südamerika. Bis zum Jahr 2050 wird Afrika nach UN-Prognosen dem globalen Arbeitsmarkt 796 Millionen neue Arbeitskräfte anbieten. In Europa dämpft der Mangel an Fachkräften schon heute das Wachstum.
    • Der Wohlstand wird sich auf dem Kontinent weiter ausbreiten. Die Mittelschicht verdreifacht sich laut McKinsey von 355 Millionen Menschen im Jahr 2010 bis 2060 auf 1,1 Milliarden. Die Konsummärkte werden einer der größten Wachstumstreiber in Afrika sein.

    Zehn Gründe für eine europäische Afrika-Politik

    Europa, besonders Deutschland, ist schlecht vorbereitet, um sich auf diese neue Lage einzustellen. Zehn Gründe, warum Europa eine europäische Afrika-Politik braucht:

    1. Deutschland profitiert von Afrikas Wirtschaftsdynamik kaum. Die afrikanischen Warenexporte stiegen 2023 um 26,8 Prozent auf 724,1 Milliarden Dollar, teilte die Afreximbank vergangenen Mittwoch mit. Auch die Importe erhöhten sich um 15,5 Prozent auf 706 Milliarden Dollar. Die Exportnation Deutschland hat einen Anteil von jeweils weniger als fünf Prozent an Afrikas Exporten und an den Importen des Kontinents.
    2. Afrika wird sein Bevölkerungswachstum nur mithilfe von Innovationen bewältigen können: E-Learning, E-Medizin und E-Commerce werden sich rasant ausbreiten müssen. Europa gilt vielen in Afrika nicht als bevorzugter Partner für Digitalisierung.
    3. In vielen Ländern haben sich stabile Demokratien etabliert, etwa in Nigeria, Südafrika, Kenia, Ghana oder Marokko. In anderen Ländern sind pluralistische Gesellschaften entstanden. Und die Putsche in Westafrika zeigen, dass sich die Jugend nicht mehr von korrupten Eliten regieren lassen will, die nach Scheinwahlen in Scheindemokratien von westlichen Mächten, häufig mit deutscher Beteiligung, an die Macht gebracht worden sind.
    4. Politische Stabilität und wirtschaftlicher Erfolg fördern ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein, stärken den Zusammenhalt auf dem Kontinent und begünstigen den interafrikanischen Handel.
    5. Viele Afrikaner werfen Europa eine Doppelmoral vor. Auch deutsche Politiker erteilen Afrikanern gerne moralgetränkte Lektionen in puncto Geschlechterpolitik, Genitalverstümmelung oder Frauenförderung, schweigen aber zu Todesstrafe und Verheiratung Minderjähriger in den USA.
    6. Afrika wird ein wichtiger Baustein in der globalen Sicherheitsarchitektur. Der Aufstieg der Brics und die Rolle Afrikas in der Bewegung der blockfreien Staaten sind ein Beleg dafür. Auf diese Veränderung sind Europa, aber auch Deutschland, schlecht vorbereitet.
    7. Die westliche Diplomatie entwickelt sich aus guten Gründen entlang des Prinzips der Staatlichkeit. Dieses Konzept ist jedoch unbrauchbar, um sich mit Putschregierungen zu arrangieren. Dadurch entsteht ein außenpolitisches Vakuum, das viele Schwellenländer nutzen, um ihre Beziehungen zu Afrika auszubauen.
    8. Die alten Großmächte müssen dem Aufstieg von Mittelmächten Rechnung tragen wie auch einer größeren Präsenz von Mittelmächten auf dem Kontinent. Dies sind beispielsweise Brasilien, Indien, Japan, Saudi-Arabien, die VAE oder die Türkei.
    9. Frankreichs sicherheitsorientierte Afrika-Politik ist gescheitert. Aber auch der deutsche entwicklungsorientierte Ansatz hat nicht verhindern können, dass die Sahelzone weitgehend eine Region gefallener Staaten geworden ist.
    10. Bisher haben die europäischen Regierungen ihre Beziehungen zu Afrika als Teil ihrer nationalen Politik betrachtet. Das ist überholt. Europa braucht eine europäische Afrika-Politik mit dem Ziel, einen integrierten Raum zu schaffen, der Europa, Afrika und den Mittelmeerraum umfasst. Deutschland und Frankreich müssen dieses Ziel gemeinsam vorantreiben.
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    Translation missing.

    Baerbock setzt auf diplomatische Offensive in Ostafrika

    Ihre Reise nach Ostafrika hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit dem Versprechen angetreten, Deutschland werde den Konflikt im Sudan nicht zu einer “vergessenen Krise” werden lassen. Das ist eine wichtige Botschaft in einer Phase, in der Deutschlands Vorgehen im Gaza-Konflikt im Globalen Süden teils zu scharfer Kritik führt. Deutschlands Entscheidung, Israel vor dem Internationalen Gerichtshof als Drittpartei beizustehen, hat unter anderem Namibias Präsident Hage Geingob scharf kritisiert. Geingob warf Deutschland Heuchelei vor und verwies auf den deutschen Völkermord in Namibia. Auch andernorts in Afrika stößt die als Arroganz empfundene Gleichgültigkeit Europas gegenüber den afrikanischen Konflikten der Vergangenheit auf Kritik, während der Westen gleichzeitig eine klare Positionierung der afrikanischen Staaten zum Krieg in der Ukraine sowie im Gaza-Konflikt fordert.

    Bei Baerbocks Besuch in Afrika geht es also nicht nur um Beistand in einem regionalen Konflikt, sondern auch um das Signal, dass Deutschland in Zeiten wachsender diplomatischer Spannungen weiterhin Partner der Länder des Globalen Südens sein will. Den Vorwurf der vergessenen Krise will sich Baerbock nicht gefallen lassen. “So wie wir Länder wie Kenia darum gebeten haben, ihre Stimme zu erheben und da zu sein als Russland die Ukraine überfallen hat und unsere europäische Friedensordnung herausgefordert wurde, so müssen auch wir für Länder wie Kenia da sein, wenn in ihrer Region ein Krieg ausbricht“, sagte die Außenministerin am Donnerstag bei ihrem Besuch in Kenia. Das ostafrikanische Land hatte im Gegensatz zu einigen anderen afrikanischen Ländern den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt.

    Panne zu Reisebeginn

    Sinnbildlich für die bislang holprige Diplomatie der vergangenen Wochen steht, dass Baerbock ausgerechnet auf dem Weg nach Ostafrika die nächste Panne passierte. Der erste Stopp in Dschibuti musste entfallen, da die Maschine der Ministerin nach Darstellung des Auswärtigen Amtes keine Überfluggenehmigung über Eritrea bekam. Die Alternativrouten über den Sudan oder den Jemen kamen aufgrund der dortigen Konflikte nicht infrage. Entsprechend musste die Ministerin ein Treffen mit der ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD ausfallen lassen. Dabei spielt gerade die IGAD eine entscheidende Rolle in der Vermittlung im Konflikt im Sudan.

    Nichtsdestotrotz wagt sich die Außenministerin bei ihrem Ostafrikabesuch deutlich weiter vor als noch der Kanzler bei seinem Besuch in Kenia im Mai vergangenen Jahres. Damals war der Konflikt im Sudan noch relativ frisch und Scholz bekräftigte zwar die Unterstützung für den Sudan, sagte allerdings auch, dass der Konflikt regional gelöst werden müsse. Recht bald war der Konflikt auf deutscher Seite dann auch aus dem Fokus geraten.

    Deutsches Engagement in Region verlängert

    Dabei ist Deutschland im benachbarten Südsudan an der internationalen Friedensmission UNMISS beteiligt, die helfen soll, den 2011 unabhängig gewordenen Südsudan zu stabilisieren. Vor wenigen Tagen beschloss der Bundestag, das Mandat des Einsatzes um ein Jahr zu verlängern. Doch der Druck auf den Südsudan wächst durch die steigende Zahl an Flüchtlingen, die im Norden ins Land kommen. Bei ihrem Besuch betonte Baerbock die Relevanz der Mission und Deutschlands Rolle in der Region: “Deshalb ist UNMISS so wichtig. Wir sind bereits zweitgrößter Geber für humanitäre Hilfe.” Sie rief auch andere Länder auf, ihre Unterstützung hochzufahren.

    Der Konflikt im Sudan brach Mitte April gewaltsam aus, nachdem sich die zwei rivalisierenden Generäle Abdel Fattah Al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, über Fragen der Machtteilung überworfen hatten. Al-Burhan hatte das Land nach dem Sturz von Diktator Omar Al-Baschir mit einer Militärregierung regiert. Zuvor hatte es demokratische Proteste gegen den Langzeitmachthaber gegeben. Eine UN-Mission sollte dem Land bei der Rückkehr zu einer demokratischen Regierung helfen. Nach knapp einem Jahr der Kämpfe gibt es im Sudan laut internationaler Hilfsorganisationen mehr als sechs Millionen Vertriebene. Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich der Konflikt zu einer der größten humanitären Katastrophen entwickelt. Alle Vermittlungsbemühungen sind bislang gescheitert. So hatten die kriegsführenden Generäle Anfang des Jahres geplante Treffen in letzter Sekunde aufgekündigt.

    Sanktionen gefordert

    Baerbock will nun nach Absprache mit Kenias Präsidenten William Ruto, der in dem Konflikt vermittelt, den Druck auf al-Burhan und Hemedti verschärfen. Dabei sollen internationale Sanktionen helfen sowie schärfere Kontrollen von Waffenlieferungen in das ostafrikanische Land. Einem aktuellen Bericht der Financial Times zufolge sollen die Vereinten Arabischen Emirate die Miliz von General Hemedti mit Waffen beliefern.

    Baerbock verwies dabei auf Sanktionen gegen sechs Organisationen, die die EU in der vergangenen Woche verhängt hat. Zudem müsse ein “grelles Licht auf die schrecklichen Verbrechen” geworfen werden, um ein Gefühl der Straflosigkeit im Sudan zu verhindern. Angesichts der Tatsache, dass es insbesondere im Westsudan seit Jahrzehnten zu Gräueltaten kommt, die kaum von der Weltgemeinschaft wahrgenommen werden, dürfte sich daran jedoch wohl auch künftig wenig ändern.

    Vermittlungsversuche bündeln

    Gleichzeitig müsse die sudanesische Zivilgesellschaft gestärkt und besser vernetzt werden, so Baerbock. Tatsächlich war es die Zivilgesellschaft, die mit ihrem Protest gegen Diktator al-Baschir einen Demokratisierungsprozess angestoßen hat. Zudem müssten die Vermittlungsversuche der internationalen Gemeinschaft stärker zusammengeführt werden. Zuletzt hatten mehrere regionale Organisationen Vermittlungsversuche organisiert. Dabei hatten sich die beteiligten Länder vorgeworfen, eigene Interessen zu verfolgen.

    Fraglich ist nun, ob Baerbocks Besuch in der Region und das deutsche Friedensengagement tatsächlich eine nachhaltige Auswirkung auf die “vergessene Krise” hat oder ob der Besuch lediglich ein Pflichtbesuch bleibt.

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    Mit Global Gateway versucht sich die EU in strategischem Handeln

    Auch wenn EU-Vertreter diesen Bezug offiziell nicht herstellen wollen, gilt die Global Gateway Initiative (GG) der EU doch als europäischer Gegenentwurf zur chinesischen Belt and Road Initiative (BRI). Was genau die Ende 2021 vorgestellte GG ist, und wie sie im Detail funktioniert, kann allerdings kaum jemand erklären. Denn die EU bewirbt die Initiative zwar allenthalben, doch ohne sie mit neuen, eigenen Inhalten zu füllen. Zudem erhöhte eine unklare Kommunikation die Verwirrung.

    Der Europäische Rat beschreibt die GG als “Überbegriff für die EU-Strategie zur Förderung intelligenter, sauberer und sicherer Verbindungen in den Bereichen Digitaltechnik, Energie und Verkehr sowie zur Stärkung der Gesundheits-, Bildungs- und Forschungssysteme in aller Welt”. Die Initiative sei der europäische Beitrag, um die weltweite Investitionslücke zu schließen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte GG bei der Eröffnung des ersten GG-Forums in Brüssel im Oktober ein “300-Milliarden-Euro-Programm, um saubere Infrastruktur zu finanzieren und zu bauen”.

    Irreführende Kommunikation

    Doch dieser stets in der Öffentlichkeit genannte Betrag ist irreführend, wie Wilhelm Emmrich von Germany Trade and Invest (GTAI) im Gespräch mit Table.Media erklärt: Die Investitionen sollen zu großen Teilen aus der Privatwirtschaft kommen; die EU werde sie mit Investitionsgarantien absichern. Zudem bringe die EU keine neuen Mittel für die bis 2027 angestrebte Investitionssumme auf. Stattdessen würden bestehende Finanzierungen umgewidmet. Denn der mehrjährige Finanzrahmen der EU für 2021-27 sei schon beschlossen gewesen, als GG ins Leben gerufen wurde.

    Bei den GG-Projekten handelt es sich nicht um neue, von der EU aufgelegte Initiativen. Stattdessen werden Projekte einzelner oder mehrerer Mitgliedsstaaten als sogenannte Leuchtturmprojekte der GG gelabelt. Das soll “der EU und ihren Mitgliedstaaten als Instrument für die strategische Kommunikation und Sichtbarkeit … bei der Zusammenarbeit der EU mit ihren Partnern dienen”, steht auf der Website des Europäischen Rats. Global Gateway ist also vor allem ein Marketingbegriff, und weniger ein kohärentes politisches Programm.

    Global Gateway als Marketingbegriff

    Für das Jahr 2023 hat “Team Europe” 87 Leuchtturmprojekte in fünf Bereichen festgelegt: Digitalisierung, Klima und Energie, Transport, Gesundheit sowie Bildung und Forschung. Im Dezember wurde die Liste der Leuchtturmprojekte um 138 weitere für das Jahr 2024 ergänzt, wie aus einem GTAI-Bericht hervorgeht. Viele Projekte laufen bereits seit Jahren, andere werden nun erstmals ausgeschrieben. Auch deutsche Unternehmen wie Fraport und Gauff Engineering sind beteiligt.

    Neben den Leuchtturmprojekten umfasst die GG weitere Projekte. Allerdings gebe es bislang weder eine Liste dieser Projekte noch eine Definition der EU, welche Projekte zu Global Gateway zählen und welche nicht, bemängelt GTAI-Experte Emmrich.

    Die Hälfte der angestrebten Investitionssumme soll nach Afrika fließen. Sowohl 2023 als auch 2024 macht der Kontinent die Region mit den meisten Projekten aus. Die wichtigsten Branchen, weltweit wie in Afrika, sind Klima und Energie gefolgt von Transport.

    Die Projekte decken eine große Bandbreite ab: von der Unterstützung frühkindlicher Entwicklung, über den Bau von Wasserkraftwerken, bis hin zu überregionalen Programmen wie dem Bau von Untersee-Datenkabeln und dem Aufbau einer Impfstoffproduktion in Afrika.

    Keine einheitliche Strategie

    Die Initiative markiere eine wichtige Verschiebung im europäischen Verhältnis zu anderen Weltregionen, sagt Tim Zajontz von der Universität Freiburg im Gespräch mit Table.Media. Zajontz forscht dort im Projekt “De/Coloniality Now” unter anderem zu Infrastrukturprojekten und Globaler Politischer Ökonomie. Mit GG trete die EU strategischer und offener interessengeleitet auf als zuvor, so Zajontz.

    Allerdings leide die Initiative an ihrem Patchwork-Charakter, obwohl sich die EU-Beamten darum bemühten, unterschiedliche Projekte aus verschiedenen Instrumenten der EU-Außenpolitik zu einer kohärenten Strategie zusammenzuführen. Immerhin ließen sich nach zwei Jahren mit Kritischen Mineralien, Infrastruktur, Gesundheit und Digitalisierung gewisse Prioritäten erkennen, sagt Zajontz. “Übergeordnetes geostrategisches Ziel der Initiative ist es, Zugänge zu bestimmten Ressourcen, Energieträgern und Märkten zu sichern und Abhängigkeiten, vor allem von China, zu verringern.”

    Dennoch zählt die Inkohärenz wohl zu den größten Schwächen der GG. Akteure wie China und die USA, mit deren Initiativen GG konkurriert, sind weitaus besser in der Vereinheitlichung ihrer Strategien.

    Zugang zu Rohstoffen sichern

    Aber auch der Fokus auf Rohstoffe und die zugehörige Infrastruktur könnte zum Problem werden. Die EU stilisiert GG im internationalen Wettbewerb zwar stets als “better option” (von der Leyen), Kritiker weisen jedoch darauf hin, die Initiative drohe den Extraktivismus der Kolonialära fortzuführen. Dass die alten europäischen Kolonialherren nun auch noch behaupten, sie wollten die Afrikaner vor den Chinesen schützen, wird auf dem Kontinent vielfach als heuchlerisch empfunden.

    In der Tat sei ein neo-extraktivistischer Wettlauf um afrikanische Ressourcen in vollem Gange, meint Forscher Zajontz. Das Ausmaß der Ausbeutung sei aber noch nicht in Stein gemeißelt. Die Länder des Globalen Südens hätten stark an Bedeutung und Selbstbewusstsein gewonnen. Es liege an ihnen, Anforderungen an die Europäer zu stellen. Zajontz berichtet auch, mancher afrikanischer Politiker sei sogar erleichtert, dass Europa nun zumindest endlich zu seiner interessengeleiteten Politik stehe.

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    Ecowas-Rückzug der Sahelländer: Diese Folgen ergeben sich für Westafrikas Wirtschaft

    Im nächsten Jahr feiert die Ecowas ihren 50. Geburtstag – das große Jubiläum muss dann allerdings mit weniger Mitgliedsstaaten über die Bühne gehen: Mali, Niger und Burkina Faso erklärten am Wochenende, die Organisation verlassen zu wollen. Dann bleiben der Ecowas nur noch zwölf Mitgliedsstaaten. Noch ist das Ganze zwar nicht formell durch, da ein Austritt offiziell bei der Ecowas beantragt werden muss und dann nach einem Jahr erst wirksam wird. Doch dass sich am Willen der Sahelländer noch etwas ändert, halten Experten im Gespräch mit Table.Media nicht für wahrscheinlich.

    Ein Bluff ist unwahrscheinlich

    “Es scheint eine geplante Entscheidung zu sein, aber es ist nicht klar, welches Land letztendlich dazu gedrängt hat. Niger steht nach dem Putsch weiterhin unter schweren Sanktionen der Ecowas, wie schon Mali in der Vergangenheit”, sagt Nina Wilén, Direktorin des Afrika-Programms beim belgischen Thinktank Egmont-Institut, im Gespräch mit Table.Media.

    Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Zusammenarbeit und den Austausch von Gütern und Arbeitskräften zwischen den Mitgliedsländern zu stärken. Doch in der Bevölkerung, besonders in den Sahelländern, stieg zuletzt die Unzufriedenheit. “Dort wird die Legitimität der Ecowas ernsthaft infrage gestellt und dass sie 49 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1975 ihre Ziele noch nicht erreicht hat”, sagt Fahiraman Koné vom afrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS) im Gespräch mit Table.Media. De facto habe es dennoch Fortschritte gegeben: So sei Westafrika die am besten miteinander verbundene Region auf dem Kontinent und habe inzwischen wesentlich bessere Straßen gebaut und die Stromversorgung verbessert.

    Raus aus der Ecowas, aber noch in der UEMOA

    Wichtig: Mali, Niger und Burkina Faso wollen zwar nicht mehr in der Ecowas sein, bleiben aber in der UEMOA, der Währungsunion der westafrikanischen Länder, die den an den Euro gekoppelten CFA-Franc teilen. “Die drei Länder sind weiterhin Mitglied der UEMOA. Auch da gibt es Bestimmungen für die währungs- und wirtschaftliche Integration. Was komplizierter werden könnte, ist der Austausch mit Ländern außerhalb der UEMOA wie Ghana und Nigeria”, so Koné, der in Bamako für das ISS arbeitet. Nigeria, dessen Präsident Tinubu derzeit die Ecowas führt, versorgt etwa das Nachbarland Niger mit Strom – eindrucksvoll war dies nach dem Putsch zu sehen, als Nigeria vorübergehend die Energieversorgung einstellte. Doch wie lange die drei Putschländer noch in der Währungsunion bleiben, ist nicht klar. “Es ist der nächste logische Schritt, dass sie ihre eigene Währung haben wollen. Ich denke, sie könnten sich in Zukunft vom CFA lösen”, meint Forscherin Wilén.

    Importe und Freizügigkeit eingeschränkt

    Wilén sieht schwere Folgen für die Wirtschaft der Region. Einerseits dürfte die Freizügigkeit betroffen sein – die Ecowas hat einen eigenen Pass aufgesetzt: “Es gibt zum Beispiel viele Nigrer, die in der Elfenbeinküste leben. Es wird schwierig sein, zu bestimmen, welchen Status sie haben werden, auch wenn es um eine Arbeitserlaubnis geht.”

    Außerdem ist noch nicht absehbar, wie sich die stark importabhängigen Länder in Zukunft effizient und ohne zu hohe Mehrkosten durch Zölle und ähnliches versorgen wollen. “Mali, Niger und Burkina sind drei Binnenländer, die bisher auf die Häfen der Küstenländer angewiesen sind. Es müssen neue Lösungen gefunden werden. Für Russland allein wäre es beispielsweise schwierig, alles zu ersetzen. Aber vielleicht könnte auch der Marokko-Deal eine Rolle spielen.” Zuletzt hatte das nordafrikanische Königreich Niger, Mali, Burkina und Tschad einen Zugang zum Atlantik angeboten.

    Die Ecowas in der Krise

    Dass Mali, Niger und Burkina die Ecowas hinter sich lassen wollen, hat laut Sicherheitsexpertin Wilén vor allem politische Gründe. “Der Symbolwert ist sehr wichtig. In allen Ländern sind Diskurse um Souveränität und gegen Neoimperialismus en vogue. Politisch versuchen diese Länder meiner Meinung nach, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.” Ohnehin befindet sich die Ecowas seit dem Putsch in Niger im vergangenen Sommer in einer Glaubwürdigkeitskrise. Sie kündigte eine Militärintervention an, handelte dann aber nicht.

    “Die jetzige Austrittsankündigung wurde zwar nicht konkret erwartet, kommt aber auch nicht überraschend, wenn man die Spannungen innerhalb der Ecowas in den vergangenen zwei Jahren in Mali und Niger betrachtet. Dazu auch die Situation in Niger, die einer Sackgasse gleicht”, sagt Koné von der Denkfabrik ISS. Das Narrativ der Militärregierungen sei noch einmal deutlich geworden.

    “Wenn man den Abzug der Minusma, den Rückzug dieser Länder aus der G5-Sahel-Gruppe und jetzt diesen Schritt betrachtet, sieht man eine Gemeinsamkeit: die Vorstellung, dass diese Institutionen von Frankreich manipuliert werden.” Auch die Beziehungen zur EU erscheinen gerade alles andere als rosig. So hat Niger nach Informationen von Africa Intelligence einen Teil des Personals der zivilen Aufbaumission Eucap des Landes verwiesen.

    Keine guten Nachrichten für Westafrikas Wirtschaft

    Für die Stabilität der Sahelregion und damit die Zukunft der wirtschaftlichen Zugpferde in Westafrika – wie Nigeria, Elfenbeinküste und Ghana – sind das alles keine guten Nachrichten. “Mali, Burkina und Niger haben sich in der jüngsten Vergangenheit nicht wirklich gut entwickelt, daher besteht die Gefahr, dass sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert. Auch die Golfstaaten könnten stärkere Auswirkungen spüren”, sagt Wilén. Zudem steht die Rückkehr zur demokratischen Ordnung infrage, wie der in Mali ansässige Koné präzisiert. Ohne den Druck der Ecowas sei nicht klar, ob die abgestimmten Zeitpläne noch verfolgt würden.

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    Italien will 5,5 Milliarden Euro in Afrika investieren

    Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat einen Investitionsplan im Wert von mehr als 5,5 Milliarden Euro zur Stärkung der italienischen Beziehungen zu Afrika vorgestellt. Der lang erwartete Plan wurde am Montag auf dem Italien-Afrika-Gipfel in Rom öffentlich gemacht, zu dem 25 afrikanische Staats- und Regierungschef angereist waren. Meloni hatte schon seit ihrem Amtsantritt betont, eine neue Zusammenarbeit mit Afrika anzustreben, bei der Italien als Brücke zwischen Afrika und Europa fungieren soll.

    Das neue Investitionsprogramm namens “Mattei-Plan” soll Italien zu einer wichtigen Energiedrehscheibe machen, die Gas aus Nordafrika und dem Mittelmeerraum an den Rest Europas verteilt, sowie die wirtschaftlichen Ursachen der Massenmigration aus Afrika bekämpfen. Der Name geht zurück auf den Gründer des staatlichen Energiekonzerns Eni, Enrico Mattei, der sich in den 1950er Jahren dafür einsetzte, dass Italien die nordafrikanischen Regierungen bei der Entwicklung ihrer Wirtschaft und der Erschließung ihrer natürlichen Ressourcen unterstützt.

    Zu den Prioritäten Italiens werden Energie, Bildung und Berufsausbildung, Gesundheit, Landwirtschaft und Wasser gehören, so Meloni. Finanziert werden soll der Plan aus dem italienischen Klimafonds (3 Milliarden Euro) sowie aus Mitteln für die Entwicklungshilfe (2,5 Milliarden Euro). “Die illegale Masseneinwanderung wird niemals gestoppt und die Menschenhändler werden niemals besiegt werden, wenn wir nicht die Ursachen bekämpfen, die jemanden dazu bringen, seine Heimat zu verlassen”, sagte Meloni auf der Konferenz in Rom.

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die an der Veranstaltung in Rom teilnahm, äußerte ihre Unterstützung für Melonis Plan. Er sei eine Ergänzung zur Global Gateway Initiative der EU.

    Moussa Faki Mahamat, der Präsident der Kommission der Afrikanischen Union, kritisierte in seiner Rede vor den rund 60 Delegationen aus Afrika, der EU und von zahlreichen internationalen Organisationen die mangelnde Einbindung der afrikanischen Staaten in die Vorhaben Italiens. “Wir wären gerne zum Mattei-Plan konsultiert worden”, sagte er. Und fügte zum Thema Migration hinzu: “Wir brauchen Freundschaft, keine Sicherheitsbarrieren, die Barrieren der Feindseligkeit sind.”

    Etwa 40 Prozent des italienischen Gases stammen von afrikanischen Produzenten, Tendenz steigend. 80 Prozent der irregulären Einreisen nach Italien kommen aus nordafrikanischen Häfen. ajs/asf

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    UNCTAD warnt vor Destabilisierung der Lieferketten

    Die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) warnt vor einer Destabilisierung der weltweiten Lieferketten infolge der zunehmenden Bedrohung wichtiger Handelsrouten. Hintergrund sind die geopolitischen Krisen im Roten und Schwarzen Meer sowie niedriger Wasserstand im Panamakanal infolge des Klimawandels, hieß es in einer Mitteilung der Organisation am Freitag.

    Allein im Suezkanal seien die wöchentlichen Transitfahrten in den vergangenen zwei Monaten nach den Angriffen der Huthi-Rebellen im Jemen um 42 Prozent zurückgegangen. Transportfahrten durch den Panamakanal haben demnach um mehr als ein Drittel abgenommen. Auch die Ausfuhr von Getreide aus den Schwarzmeerhäfen werde seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine durch Russland politisch instrumentalisiert.

    Für den internationalen Handel machen sich diese Einschränkungen massiv bemerkbar. Laut UNCTAD läuft 80 Prozent des weltweiten Warenverkehrs über den Seeweg. Dass die Nadelöhre nun durch verschiedene Krisen bedroht sind, habe gleich mehrere Folgen: “Der Anstieg der durchschnittlichen Container-Frachtraten in der letzten Dezemberwoche um mehr als 500 Dollar innerhalb einer Woche war der höchste jemals verzeichnete Wochenanstieg.” Die Frachtraten von Shanghai nach Europa hätten sich im Vergleich zu Dezember verdreifacht. Zwar seien die Containerpreise noch weit von den Spitzenwerten während der Corona-Pandemie entfernt, die volle Auswirkung zeige sich allerdings für die Verbraucher erst in rund einem Jahr. Besonders betroffen wären wieder einmal die Länder des Globalen Südens.

    Außerdem kommt ein weiteres Problem hinzu. Die Umgehung von Suez- und Panamakanal führen zu längeren Transportwegen und steigenden Treibhausgasemissionen. Die UNCTAD forderte daher eine Anpassung der Schifffahrtsindustrie sowie eine solide internationale Zusammenarbeit, um die “rasche Umgestaltung der Dynamik des Welthandels zu bewältigen.” dre

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    Südafrika feiert Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs als Erfolg

    Die südafrikanische Regierung feiert den Spruch des Internationalen Gerichtshofs (IGH) als großen diplomatischen Erfolg. In einer Pressemitteilung sprach das Außenministerium in Pretoria von einem “entscheidenden Sieg für die internationale Rechtsstaatlichkeit und bedeutenden Meilenstein bei der Suche nach Gerechtigkeit für das palästinensische Volk”.

    Innerhalb weniger Stunden wandte sich Präsident Cyril Ramaphosa im Fernsehen an die Nation: “Als südafrikanische Regierung begrüßen wir die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs.” Außenministerin Naledi Pandor bezeichnete diese als “Test für die Wirksamkeit globaler Gremien”.

    Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat einem Eilantrag Südafrikas am vergangenen Freitag teilweise stattgegeben. Das oberste UN-Gericht ermahnte Israel, Maßnahmen zu ergreifen, die einen möglichen Völkermord im Gaza-Streifen verhindern. Der geforderte Waffenstillstand wurde jedoch nicht angeordnet.  Stattdessen soll Israel sicherstellen, dass weiterhin humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt. Israel wurde zudem aufgefordert, bis zum 26. Februar einen Bericht über die Fortschritte einzureichen.

    Schwere Anschuldigungen gegen Israel

    Ende Dezember hatte Südafrika eine Klage gegen Israel vor dem IGH eingereicht. Das Land am Kap wirf Israel Verstöße gegen die Völkerrechtskonvention vor. Besonders sei die zivile Bevölkerung in Gaza vor den Bombenangriffen nicht sicher. Außerdem sieht Südafrika in Äußerungen von Mitgliedern der israelischen Regierung Absicht des Völkermordes.

    Auch die Bundesregierung meldete sich zu Wort, und unterstrich, dass das Völkerrecht für alle gelte. Der IGH habe im “einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufige Maßnahmen angeordnet“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. “Diese sind völkerrechtlich verbindlich.” Auch Israels Premier Benjamin Netanyahu nahm die Entscheidung des IGH zur Kenntnis. Allerdings meinte er, den von Südafrika vorgebrachten Fall habe das Gericht “zurecht abgelehnt”. as

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    Standpunkt

    Trotz Herausforderungen – deutsche Unternehmen setzen auf Afrika

    Von Andreas Glunz
    Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG.
    Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG.

    Aktuell sind nur rund 1.000 deutsche Unternehmen mit nennenswertem Umsatz in Afrika aktiv. Das sind lediglich 0,25 Prozent aller deutschen Auslands-Investments. Während Investitionen in afrikanischen Ländern landläufig häufig als risikobehaftet eingeschätzt werden, bewerten die dort tätigen deutschen Firmen die Aussichten als überwiegend positiv. In den nächsten fünf Jahren erwarten gut drei Viertel einen Umsatzanstieg in Afrika; zwei Drittel wollen im selben Zeitraum ihre Investitionen in Afrika erhöhen, davon 59 Prozent aufgrund der geopolitischen Situation und zur Diversifizierung. Das sind die Ergebnisse der “Afrika Studie 2023“, eine gemeinsame Befragung des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter deutschen Unternehmen mit Geschäftstätigkeit auf dem afrikanischen Kontinent.

    Auch die deutsche Politik schenkt dem Kontinent mehr Aufmerksamkeit. Das belegen nicht zuletzt die Afrikabesuche des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten im Herbst 2023. Den intensivierten Dialog setzt der Bundeskanzler auch in Deutschland fort, unter anderem beim vierten G20-Investitionsgipfel der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) am 20. November 2023 in Berlin.

    Deutsche Wirtschaft hat Afrikas Potenzial zu spät erkannt

    Die deutsche Wirtschaft hat im internationalen Vergleich die Zeichen der Zeit erst spät erkannt und deutlichen Nachholbedarf. Laut aktuellen Studien haben sich deutsche Investitionen in Afrika in den letzten 20 Jahren bis 2023 zwar etwas mehr als verdoppelt. Frankreich dagegen versechsfachte seinen Kapitalbestand auf dem Kontinent im selben Zeitraum; China steigerte ihn sogar um den Faktor 90. Die Investitionszurückhaltung der Vergangenheit spüren deutsche Unternehmen in Afrika daher heute auch sehr deutlich, denn der Druck der internationalen Konkurrenz steigt.

    In der Studie werden als wichtigste Instrumente zur Investitionsförderung in Afrika Investitionsgarantien und Subventionen (57 Prozent), gefolgt von Freihandelsabkommen (43 Prozent) und der Unterstützung vor Ort durch deutsche staatliche bzw. staatlich finanzierte Organisationen (39 Prozent) genannt. Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) geht davon aus, dass die Anfang 2021 in Kraft getretene und perspektivisch 54 afrikanische Staaten umfassende Freihandelszone “African Continental Free Trade Area” (AfCFTA) mittel- bis langfristig einen positiven Effekt auf ihre Geschäfte in Afrika haben wird.

    Große Chancen, aber auch Herausforderungen

    Tatsächlich zeichnen die vor Ort tätigen deutschen Unternehmen ein positives Bild von Afrika als Geschäfts- und Investitionsstandort. Als zentrale Standortvorteile nennen die Unternehmen vor allem Marktgröße und -wachstum (69 Prozent) und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (27 Prozent). Trotz der großen Rohstoffabhängigkeit Deutschlands von China und des Rohstoffreichtums Afrikas nennt hingegen lediglich jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent) die dortigen Rohstoffvorkommen als einen der drei wichtigsten Standortvorteile Afrikas. Im Vergleich mit China werden die schnell wachsende afrikanische Bevölkerung (51 Prozent) und die unerschlossenen Märkte Afrikas (52 Prozent) als wichtigste Vorteile genannt.

    Trotz der erkennbar positiven Stimmung sehen sich die Unternehmen aber auch mit Herausforderungen konfrontiert. Mehr als jeweils gut die Hälfte der Befragten weist auf Korruption (59 Prozent) und mangelnde politische Stabilität in einzelnen afrikanischen Ländern (54 Prozent) hin, gefolgt von mangelhaften regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (39 Prozent). Die Ergebnisse müssen aufgrund der sehr heterogen Länder Afrikas differenziert betrachtet werden. Das zeigen beispielsweise die Zahlen des Korruptionswahrnehmungsindex CPI von Transparency International. Im Ranking 2022 werden zahlreiche afrikanische Länder besser bewertet als klassische Partnermärkte Deutschlands.

    Appell an deutsche Unternehmen, die Bundesregierung und afrikanische Länder

    Vorwiegend deutsche Unternehmen der Branchen Energie, Automotive, Gesundheit, Chemie, Konsumgüter sowie Groß- und Einzelhandel sollten über erste Leuchttürme-Projekte in vertrauenswürdige und zugleich expandierende afrikanische Länder einsteigen, um dann von dort aus dann sukzessive in weitere Länder zu expandieren. Dabei sollte in Afrika für den afrikanischen Markt produziert werden und sollten Joint Ventures mit afrikanischen Unternehmen auf Augenhöhe eingegangen werden.

    Die Bundesregierung sollte statt reiner Entwicklungshilfe mehr staatliche Fördermittel und Investitionsgarantien zur Verfügung stellen für privatwirtschaftliche Investitionsprojekte deutscher Unternehmen zum Aufbau von Produktionsstätten in Afrika.

    Das afrikanische Freihandelsabkommen ist ein Riesenschritt nach vorne, da es den intra-afrikanischen Handel fördert. Jetzt müssen die afrikanischen Länder das Abkommen aber auch in der Praxis umsetzen. Auch die Gründung einer afrikanischen Rating-Agentur wäre ein wichtiger Schritt, um in Zukunft günstigere Fremdfinanzierungskonditionen zu erhalten.

    Andreas Glunz ist Bereichsvorstand International Business bei KPMG Deutschland. Er veröffentlicht regelmäßig über internationale Märkte, geopolitische Themen sowie Herausforderungen und Chancen für multinationale Unternehmen. Außerdem ist er Redner bei Kongressen zu internationalen Wirtschaftsthemen.

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    Presseschau

    New York Times: Drehkreuz für Migranten auf dem Weg nach Europa wieder in Betrieb. Agadez, ein Wüstenvorposten in Niger, war im Rahmen eines Abkommens mit der Europäischen Union jahrelang offiziell für die Migration gesperrt. Doch nachdem Generäle in Niger durch einen Militärputsch die Macht übernommen hatten, stellte die EU die finanzielle Unterstützung für die Regierung ein – woraufhin die Generäle im November die Migrationsvereinbarung mit der EU aufkündigten.

    Wall Street Journal: Staatsstreiche und Terrorismus lenken die Aufmerksamkeit der USA auf Westafrika. US-Außenminister Antony Blinken besuchte in der vergangenen Woche die Elfenbeinküste. Dort warb er für ein mit 300 Millionen Dollar ausgestattetes amerikanisches Programm zur Unterstützung der Regierungen entlang der afrikanischen Atlantikküste, einschließlich derjenigen in Benin, Ghana, Guinea und Togo. Die US-Regierung ist besorgt über die Ausbreitung islamistischer Aufstände in Westafrika und fordert die stabilen Länder an der Küste der Region auf, sich dagegen abzusichern.

    Al Jazeera: Somalischer Präsident warnt Äthiopien wegen des Hafendeals mit Somaliland. Im Interview mit dem katarischen Nachrichtensender hat der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud Äthiopien davor gewarnt, Schritte zur Umsetzung des umstrittenen Hafenabkommens zu unternehmen, das es mit der abtrünnigen Region Somaliland ausgehandelt hat. Somalia werde sich dem Druck nicht beugen.

    South China Morning Post: Uganda fordert Öffnung der Märkte von China. Am Rande des Gipfeltreffens der Bewegung der Blockfreien Staaten letzte Woche in Kampala erklärte der ugandische Präsident Yoweri Museveni, dass ein besserer Marktzugang für afrikanische Produkte sowohl Afrika als auch China zugute käme. Museveni knüpft an frühere Forderungen nach mehr chinesischen Importen an.

    BBC: ANC suspendiert Jacob Zuma. Südafrikas ehemaliger Präsident wurde von der Partei, die er einst führte, suspendiert. Er hatte öffentlich angekündigt, nicht für die Regierungspartei zu stimmen, und eine konkurrierende Organisation gegründet. Zuma selbst ist mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

    Semafor: Das Potenzial der afrikanischen Landwirtschaft. Um die Produktivität der afrikanischen Agrarwirtschaft zu erhöhen, sollten politische Entscheidungsträger und Geber darauf hinarbeiten, die Investitionen in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung in Afrika sowie die Beratungsdienste für Landwirte deutlich zu erhöhen. Dies geht hervor aus einer neuen Studie der kalifornischen NGO Breakthrough Institute.

    Financial Times: Aliko Dangote unter Druck. Der reichste Mann Afrikas ist nach der Razzia der Anti-Korruptions-Behörde in der Unternehmenszentrale der Dangote Group in Lagos unter ungewohnten Druck geraten. Offiziell ist die Durchsuchung Teil einer umfassenden Untersuchung über angebliche Misswirtschaft in der Zentralbank. Doch wird er von einigen als Versuch gewertet, den politischen Einfluss von Dangote im Lande zu verringern.

    The Economist: Russlands Plan zur Vereinnahmung von Christen in Afrika. Der Ukrainekrieg hat die orthodoxe Kirche in Afrika gespalten. 2019 erkannte der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandria die Unabhängigkeit der neu gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine an. Aus Rache mischen sich die Russen nun in die griechisch-orthodoxe Kirche in Afrika ein, und versuchen Geistliche abzuwerben.

    African Business: Afrika muss sich auf Trumps Rückkehr vorbereiten. Da der ehemalige Präsident wieder die Oberhand gewonnen hat und eine Wiederholung seiner “America First”-Rhetorik zu erwarten ist, sollten sich afrikanische Politiker auf die Rückkehr zu einer rein transaktionalen Beziehung einstellen, schreibt David Thomas.

    The Guardian: Tausende demonstrieren gegen Femizid in Kenia. Berichte über mindestens ein Dutzend Fälle von Mord an Frauen seit Anfang des Jahres haben landesweit zu öffentlicher Empörung, Diskussionen und Demonstrationen geführt, unter anderem in Nairobi, Kisumu und Mombasa. Seit 2016 wurden in Kenia mindestens 500 Fälle von Femizid registriert. Die Demonstranten fordern, dass Femizid rechtlich als Verbrechen anerkannt wird, da die Verquickung mit Mord den einzigartigen Umständen, unter denen die Tötungen begangen werden, nicht gerecht werde.

    Heads

    Paul Kagame – Vorzeigeautokrat in Afrika

    Ruandas Präsident Paul Kagame vor der UN-Generalversammlung.
    Ruandas Präsident Paul Kagame vor der UN-Generalversammlung.

    Am Rande des World Economic Forums in Davos in diesem Monat traf Paul Kagame, Ruandas langjähriger Präsident, auf US-Außenminister Antony Blinken. In dem Gespräch ging es um die Stabilität im Ostkongo. Ruanda wird vorgeworfen, die M23-Rebellen zu unterstützen, was Kagame verneint. Blinken zeigte sich besorgt über die gerade neu-gewählte Regierung von Präsident Félix Tshisekedi. Ein ähnliches Treffen gab es zwischen Kagame und Filipe Nyusi, dem Präsidenten von Mosambik, in Kigali. Hier wurde der Kampf gegen Islamisten in der nördlichen Provinz Cabo Delgado diskutiert, bei dem Ruanda Mosambik militärisch zur Seite steht.

    Kagame gilt in Ruanda als Vorzeigeautokrat, der über Jahrzehnte Frieden, Stabilität und Erfolg für das ostafrikanische Land gebracht hat. Aber in der Region mischt der ehemalige Karrieresoldat des ruandischen Bürgerkrieges der 1990er-Jahre mit seinen Truppen gerne bei Konflikten mit. Und es ist nicht immer klar, mit welchem Mandat die Armeeeinheiten Kagames unterwegs sind. Kagame war schon immer ein Führer, der pragmatisch seine Prioritäten durchsetzte. Manche seiner Aktionen lassen Beobachter jedoch aufhorchen.      

    Dazu gehört auch der Migrationsdeal, den Kagame mit der britischen Regierung ausgehandelt hat. Der 2022 unterzeichnete Vertrag sieht vor, illegale Migranten und Asylbewerber in Großbritannien in das ostafrikanische Land zu bringen, wo sie einen Asylantrag stellen. Den Migranten wird eine Aufenthaltserlaubnis in Ruanda in Aussicht gestellt. Eine legale Rückkehr nach Großbritannien ist allerdings ausgeschlossen. Und die Briten bezahlen für die Migranten. Nach einigen rechtlichen Hürden wurde Mitte Januar das Gesetz vom britischen Unterhaus abgesegnet. Die Idee des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, Deutschland solle eine ähnliche Vereinbarung mit Ruanda eingehen, lehnte Außenministerin Annalena Baerbock während ihres Besuches in Ruanda im Dezember kategorisch ab. Paul Kagame findet die Vereinbarung jedoch vernünftig – wie eine Geschäftsvereinbarung, von der beide Seiten profitieren.

    Ruanda avanciert zum Vorbild

    Diese Einstellung prägte seinen Lebensweg. Nach dem Völkermord 1994 in Ruanda wurde Kagame Vizepräsident und Verteidigungsminister. Seit April 2000 ist der 66-jährige Präsident von Ruanda. Tatsächlich führte er das Land bereits seit 1994. Im Jahr 2015 ließ Kagame die Verfassung zu seinen Gunsten ändern und hob die Beschränkung des Präsidentenamts auf zwei Amtszeiten auf.

    Kagame kann somit theoretisch noch zehn weitere Jahre Präsident bleiben. Zuletzt gewann er mit offiziell 99 Prozent der Stimmen die Wahlen 2017. International wurde er daraufhin zum freiwilligen Rücktritt aufgerufen, was er ignorierte. Von 2018 bis 2019 war Kagame Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) und machte sich stark für die afrikanische Freihandelszone (AfCFTA), die unter seinem Vorsitz in Kigali 2018 unterzeichnet wurde. Seit 2022 ist er zudem Vorsitzender des Commenwealth of Nations.

    Ruanda wird nicht nur in Afrika als Vorzeigeland gefeiert. Zum Vermächtnis von Kagame gehört, das ostafrikanische Land modernisiert zu haben. Im vergangenen Dezember weihte Außenministerin Baerbock eine moderne Biontech-Produktionsstätte außerhalb von Kigali ein. 50 Millionen Dosen Impfstoff sollen dort hergestellt werden. Auch Volkswagen produziert in Ruanda und wurde zuletzt ein Partner beim Zusammenbau von elektrischen Traktoren für den einheimischen Markt.

    Autokratisch, aber mit Erfolgen

    Kagame brachte die Wirtschaft auf Vordermann. 2023 lag das Wachstum bei 6,2 Prozent, für 2024 werden 6,4 Prozent erwartet. In Afrika bedeutet das eine Spitzenposition unter den fünf besten Ländern. Kritiker werfen jedoch Paul Kagame vor, hierzu die demokratische Rechte der Bürger stetig ausgehöhlt zu haben. So etwa Michela Wrong, britische Autorin und Journalistin, die Kagame einen brutalen Diktator nennt, der Menschenrechte massiv missachtet.

    Auf dem Papier ist Ruanda eine Mehrparteiendemokratie, in der Praxis regiert Kagames Rwandan Patriotic Front (RPF) seit Mitte der 1990er Jahre. Andere bezeichnen ihn eher als “Benevolent Dictator”, einen wohlwollenden Diktator. Und Vergleiche werden zu dem ehemaligen Präsidenten von Singapur, Lee Kuan Yew, gezogen, der als der Vater des modernen Stadtstaates in Südostasien gilt, und dafür bekannt war, Entwicklung über alles zu stellen: “Wie Lee wird auch Kagame der Verdienst zugeschrieben, die Korruption ausgerottet, die dringend benötigte Infrastruktur geschaffen, die Wirtschaft wiederbelebt und massive ausländische Direktinvestoren angezogen zu haben.”

    Die Hauptstadt Kigali ist sauber, es liegt kaum Müll herum, man findet viele moderne Apartmentgebäude entlang der Straßen und Besucher werden in neuen Fünf-Sterne-Hotels empfangen. Auch fahren Landwirte mittlerweile gute Ernten ein. “Kagames Ruanda ist immer noch Afrikas inspirierende Erfolgsgeschichte“, titelte Al Jazeera vor ein paar Jahren.

    Repräsentant Afrikas auf dem internationalen Parkett

    Nach dem Tod des ehemaligen Präsidenten von Simbabwe, Robert Mugabe, Ende 2017 avancierte Kagame immer mehr zum Repräsentanten Afrikas auf der internationalen Bühne. Zuvor hatte Mugabe diese Rolle inne, und zog regelmäßig polemisch über den – seiner Meinung nach – doppelten Standard der westlichen Welt her. Kagame macht das geschickter: Er beharrt auf seinem wohlüberlegten Standpunkt und lässt sich nicht reinreden. Seine Argumente trägt er sachlich vor. Seit Jahren ist Paul Kagame ein gerngesehener Gast und Diskussionspartner beim World Economic Forum in Davos oder ähnlichen Veranstaltungen in der Welt.

    Seine Errungenschaften musste Kagame behutsam auf dem Scherbenhaufen des Völkermords vor 30 Jahren aufbauen. Es galt, Mörder und Opfer wieder zusammenzubringen, ohne dass die brutale Gewalt erneut ausbricht. Kagame versicherte seinen Landsleuten, dass er einen erneuten Genozid nicht zulassen würde: Er hat sich daran gehalten. “Wir können die Uhr weder zurückdrehen noch den verursachten Schaden wiedergutmachen”, sagte er einmal. “Aber wir haben die Macht, die Zukunft zu bestimmen und sicherzustellen, dass das, was passiert ist, nie wieder passiert.” Andreas Sieren

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    Dessert

    Der Iconic Tower in Ägyptens in Planung befindlicher
    Der Iconic Tower in Ägyptens in Planung befindlicher “neuen Hauptstadt” soll das höchste Gebäude Afrikas werden.

    Afrika wird bald offiziell ein neues höchstes Gebäude haben, den Iconic Tower in der New Administrative Capital in Ägypten. Der Wolkenkratzer befindet sich in der Bauendphase und soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden. Seine Höhe von 394 Metern hat der Turm bereits jetzt schon erreicht. Damit wird der Iconic Tower den Mohammed VI Tower in der marokkanischen Hauptstadt Rabat ablösen, der mit 250 Metern kurzzeitig das höchste Gebäude auf dem Kontinent Afrika war.

    Die zweite Stelle hat jedoch auch die Great Mosque of Algiers in Algerien für sich beansprucht. Für manche ist dies Mogelei, denn lediglich das Minarett der Moschee ist 265 Meter hoch und wird nicht als echtes Gebäude angesehen. Der Dom des Prestigeobjektes erreicht nur eine Höhe von 70 Metern. Dennoch, die Moschee gilt immerhin als die drittgrößte der Welt.

    Im April 2019 war das Leonardo im Johannesburger Geschäftsviertel Sandton mit einer Höhe von 234 Metern für einige Tage das höchste Gebäude Afrikas. Diesen Titel hatte bis dahin mit 223 Metern das 1973 eröffnete Carlton Centre, auch in Johannesburg. Ganze 36 Jahre gab es keine Konkurrenz. Und jetzt geht alles schneller.

    Im internationalen Vergleich muss sich Afrika allerdings noch ein wenig anstrengen. Als das höchste Gebäude der Welt mit 828 Metern gilt nach wie vor das Burj Khalifa in Dubai. Das ist mehr als doppelt so hoch wie der Iconic Tower in Ägypten. An zweiter und dritter Stelle folgen Merdeka 118 in Malaysia (679 Meter) und der Shanghai Tower in China (628 Meter). Aber Afrika holt weiter auf. Der Tour F in Abidjan, Elfenbeinküste, soll die 400-Meter-Marke schon bald knacken. as

    Africa.Table Redaktion

    AFRICA.TABLE REDAKTION

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