Deutschland geht das Personal aus. Mehr als eine halbe Million Stellen kann nicht mehr dauerhaft besetzt werden. Man sollte meinen, die Suche nach geeigneten Fachkräften könnte zum erfolgreichen Geschäftsmodell werden. Doch wer was will, muss erstmal bitte sagen. Afrikanische Fachkräfte kommen nicht deshalb nach Deutschland, weil wir sie gerade brauchen. Zuwanderung braucht Zugewandtheit.
Wirtschaftspolitik trägt mitunter kuriose Züge. Weil europäische Investoren strikt auf die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien achten müssen, bleiben ihnen erfolgreiche und interessante Investments in Afrika verwehrt. Zum Beispiel in fossile Brennstoffe wie Steinkohle. Dabei ist die hierzulande verpönte Energiequelle ein wichtiger Baustein für Afrikas Wirtschaft und zugleich für die afrikanische Nachhaltigkeit.
Ostafrika steht heute besonders im Fokus unserer Ausgabe. Ein Grund ist die angespannte Sicherheitslage im Sudan, wo der blutige Machtkampf zweier verfeindeter Generäle eine neue Flüchtlingswelle hervorrufen dürfte. Unser Meinungsbeitrag skizziert Möglichkeiten, wie eine Verhandlungslösung gestaltet werden könnte. Bundeskanzler Scholz wird in wenigen Tagen die gefährliche Region besuchen und mit Kenias Präsident Ruto vor allem über die Sicherheitslage sprechen.
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Vor wenigen Wochen in Ghana: Entwicklungsministerin Schulze und Arbeitsminister Heil eröffnen in der Hauptstadt Accra das “Ghanaisch-Europäische Zentrum für Arbeitsplätze, Migration und Entwicklung”. Es könnte als Blaupause dienen für weitere geplante Zentren in Marokko, Tunesien, Ägypten und Nigeria. 150 Millionen Euro steckt das BMZ in diese Maßnahme.
Doch das Interesse ist bislang überschaubar. Deutschlands akuter Fachkräftemangel hat die Sprachregelung in der Debatte um qualifizierte Migration verändert: “Bleibt, wo ihr seid” – das war der Sound vergangener Jahre. Heute dagegen: “Bitte kommt, wenn Ihr was könnt!”. Neue Töne gegenüber Afrika. Und – machen sie Deutschland attraktiver?
Viele junge Menschen mit Fachwissen sind zurückhaltend, und dafür gibt es Gründe. Einer der häufigsten: Die deutsche Sprache ist schwer, aber Voraussetzung. Selbst wer sie vor Visumsantrag erlernt, hat keine Garantie, dass das für einen positiven Bescheid ausreicht. Englisch oder Französisch sind hierzulande keine Amtssprachen. Nur vier Prozent aller Stellen in Deutschland würden auf englisch ausgeschrieben, obwohl die Weltsprache in vielen Jobs heute völlig normal sei. Chris Pyak, Karrierecoach für internationale Fachkräfte, empfiehlt deshalb beim Thema Spracherwerb mehr Praxisnähe.
Deutschland brauche eine neue Kultur gegenüber Einwanderern, einen immigrant spirit: “Wenn wir wollen, dass die Besten zu uns kommen, dann müssen wir uns auch um sie bemühen. Sonst kommen nur die, die keine Wahl haben.” Aus Pyaks Sicht wäre es klüger, Bewerber in Zukunft auch ohne anerkannten Abschluss in Deutschland arbeiten zu lassen und die Anerkennung nachzuholen.
Letzteres findet sich tatsächlich im Gesetzentwurf zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, der kürzlich beschlossen wurde. Danach kann ein Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsabschlüsse – anders als bisher – auch im Inland begonnen werden. Mit einer sogenannten Anerkennungspartnerschaft verpflichten sich Beschäftigte und Arbeitgeber dazu, eine Nachqualifikation bis zur vollen Anerkennung des Berufsabschlusses durchzuführen.
Bestandteil des neuen Gesetzes ist auch die “Chancenkarte”. Danach müssen Arbeitsmigranten aus Drittstaaten wie in Afrika eine zweijährige Ausbildung im Herkunftsland durchlaufen haben und hinreichend deutsch sprechen. Zudem müssen sie in der Lage sein, hier selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und nach Kriterien wie Sprache oder Berufserfahrung mindestens sechs Punkte auf der Chancenkarte erreichen.
Migration als Chance, nicht als Schreckgespenst – so steht es in der Afrikastrategie des BMZ, die Table.Media bereits im Februar vorstellte. Für Christof Baum, Leiter eines Solar-Trainingszentrums in der Nähe der ghanaischen Hauptstadt Accra, kommt diese Erkenntnis reichlich spät. “Afrika hat überhaupt nicht stattgefunden, die Politik hat das voll verpennt. Die hat Afrikanerinnen und Afrikaner nur als Flüchtlinge wahrgenommen, nicht als Fachkräfte.”
Im Auftrag der katholischen Ordensgemeinschaft Don Bosco bildet Baum seit Jahren auf dem Kontinent Solartechniker aus und versucht, sie nach Deutschland zu vermitteln. Seine Idealvorstellung: Die jungen Leute gehen für ein paar Jahre nach Deutschland, verdienen dort Geld, sammeln Erfahrungen und kehren zurück in ihre Heimat, um sich dort etwas aufzubauen.
Für seine Solartechniker gibt es bereits eine Jobzusage, aber seit Monaten hängt das Verfahren um die Anerkennung der Abschlüsse. “In Deutschland werden sie dringend gebraucht, hier finden sie keine Arbeit, und trotzdem klappt es nicht. Das ist doch Unsinn”, ärgert sich Baum.
Und dann ist noch die Sache mit dem Visum – ohne geht gar nichts. Das Thema ist noch immer einer der größten Stolpersteine bei der Arbeitsmigration. Dass deutsche Behörden vielen Antragstellern wenig verklausuliert unterstellen, sich mit dem Schengen-Visum einen Fluchtweg nach Europa zu organisieren, empfinden viele Afrikaner als Demütigung. Mitunter gibt es selbst für private Familienfeiern von Angehörigen in Deutschland kein Visum, auch die Einladung von Gastwissenschaftlern gestaltet sich häufig kompliziert. In 24 der 55 afrikanischen Staaten gibt es zudem keine diplomatische Vertretung Deutschlands, die überhaupt Visa ausstellen würde.
So überrascht es kaum, dass qualifizierte Zuwanderung aus Afrika überschaubar ausfällt. Es gibt bislang keine nennenswerte Arbeitsmigration vom südlichen Nachbarn Europas nach Deutschland. Deutsche Unternehmen werben noch immer sehr zurückhaltend in Afrika an, obwohl oft von den Arbeitskräftepotenzialen Afrikas geschwärmt wird. Hier vergibt Deutschland möglicherweise eine strategische Chance, um neue und dringend benötigte qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen.
Die demografische Entwicklung Afrikas ist gewaltig: Nach Projektionen der Vereinten Nationen wird sich die afrikanische Gesellschaft bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen mindestens verdoppeln.
Auf Zuzüge aus EU-Staaten sollte Deutschland besser nicht warten. Denn vielen EU-Staaten geht es mit Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft ähnlich wie uns.
So wird es langsam ernst mit der strategischen Zukunftsfrage, wer für die Prosperität von morgen sorgen soll. Anuscheh Farahat, Professorin für Migrationsrecht und Menschenrechte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, plädiert für mehr Experimentierfreude. Natürlich könne Migration aus Afrika eine Chance für Deutschland sein, aber nicht in der Annahme, wir bekämen die perfekt ausgebildeten Menschen. Es brauche migrationspolitische Programme, angepasst auf den Arbeitsmarkt. Außerdem beruhe Zuwanderung auf Gegenseitigkeit. Wenn Deutschland dies wolle, müsse es sich auch für die soziale Integration engagieren: keine Ghettoisierung der Zuziehenden, bezahlbare Wohnungen, kulturelle Angebote, eine neue Bildungspolitik. “Allein das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird nicht reichen.”
Die Geschichte von Thungela Resources begann vor ziemlich genau zwei Jahren: Der Bergbaukonzern Anglo American wollte seine Beliebtheit bei Investoren steigern, die auf Nachhaltigkeitskriterien achten, und hat deshalb die Förderung von Steinkohle in Südafrika ausgegliedert.
So entstand Thungela Resources, ein Unternehmen, das im Juni 2021 an die Börse Johannesburg ging und eine unglaubliche Börsengeschichte schrieb: Der Aktienkurs ging in den ersten 15 Monaten um sagenhafte 1460 Prozent in die Höhe. Seitdem ist die Notierung zwar wieder um 55 Prozent abgestürzt. Doch Anleger des ersten Börsentags verzeichnen immer noch eine Wertsteigerung von 667 Prozent in weniger als zwei Jahren.
Dabei ist das Unternehmen eine Aktie mit Gewicht: Die Marktkapitalisierung liegt bei 1,2 Milliarden Euro. Bei einem Umsatz von gut 1,6 Milliarden Euro schafft Thungela einen Netto-Gewinn von 198 Millionen Euro und erreicht eine Dividendenrendite von gut 30 Prozent.
Solche Aktien müssen Anleger an den europäischen Aktienmärkten lange suchen. Eine südafrikanische Fondsmanagerin, die in Frankfurt Aktien aus Schwellenländern verwaltet, haben wir nach Thungela gefragt. Sie kannte die Aktie kaum. Denn europäische Investoren können in Steinkohle kaum noch investieren. Der Grund: Finanzinvestoren müssen in der EU immer restriktivere Nachhaltigkeitskriterien einhalten.
So schreibt die Europäische Union in der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente vor, dass Fondsgesellschaften Informationen über die Risiken ihrer Produkte in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) nennen müssen. Außerdem müssen sie erklären, wie sich ihre Investments auf Umwelt und die Gesellschaft auswirken.
Zu diesem Zweck müssen Fondsgesellschaften seit März 2021 ihre Fonds nach deren Nachhaltigkeitszielen nach Artikel 8 oder Artikel 9 einstufen. Nur wenige Fondsmanager unterwerfen sich dem schärferen Artikel 9, da diese Fonds ein nachhaltiges Anlageziel und eine positive Wirkung nach ESG-Kriterien anstreben müssen. Für einen Fonds nach Artikel 8 genügt es, wenn er ein nachhaltiges Ziel verfolgt.
Die Offenlegungsverordnung der EU macht es Fondsinvestoren praktisch unmöglich, in fossile Energie oder in den Bergbau zu investieren. Dabei ist der Einsatz von Steinkohle in Afrika weit weniger umstritten als in Europa. Kohle ist zudem eine Energiequelle, die günstig und unkompliziert nach Bedarf verfügbar ist.
Außerdem bietet sie einen weiteren Vorteil: Energie wird in Afrika nicht nur zur Stromerzeugung benötigt, sondern auch zum Kochen. Steinkohle kann somit Holzkohle ersetzen, die eine wesentlich schlechtere Nachhaltigkeitsbilanz aufweist. In Afrika kann Steinkohle, anders als in Europa, für den Übergang durchaus einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten.
Somit strafen europäische Nachhaltigkeitspolitiker Unternehmen wie Thungela Resources oder Exxaro, den anderen börsennotierten Steinkohleförderer in Südafrika, ab und erschweren, ungeachtet lokaler Gegebenheiten, ein Investment in die Energiewende in Afrika. Kurioserweise – und das bleibt in Südafrika nicht unbemerkt – importiert Deutschland Steinkohle auch aus Südafrika für die Kohlekraftwerke, die in Deutschland weiterhin in Betrieb sind.
Thungela selbst stellt Nachhaltigkeit stark in den Vordergrund. So achtet die Führung unter CEO July Ndlovu auf einen schonenden Umgang mit Wasserressourcen, ein modernes Abfallmanagement und eine Senkung der Kohlenstoffemissionen nach dem GHG-Protokoll (greenhouse gas) und gemäß der ISO-Norm 14064-1. In einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht Thungela akribisch seine Aktivitäten im Hinblick auf eine bessere Umwelt, die Förderung dörflicher Gemeinschaften, die Einhaltung des Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BEE) und faire Arbeitsbedingungen. Der Nachhaltigkeitsbericht 2022 umfasst 128 Seiten. Überprüfen lässt Thungela sein Nachhaltigkeitsengagement extern von der Beratungsgesellschaft Ibis Environmental Social Governance Consulting.
Dass europäische Investoren Investments in Thungela meiden, hat dem Interesse an der Aktie bisher nicht geschadet. Sie findet sich in den Portfolios zahlreicher Investoren aus Südafrika, Fondsgesellschaften und Lebensversicherer sowie in den Depots ausländischer Investoren, die mehr und mehr aus der arabischen Welt und Ostasien kommen.
Alle bisher erschienen Texte der Serie “Reguliert Europa die Welt?” lesen Sie hier.
Lange sah es so aus, als würde sich die Region am Horn von Afrika stabilisieren. Doch nun hat die Auseinandersetzung um die Integration irregulärer Kräfte in die reguläre Sicherheitsstruktur zu politischen Unruhen in Äthiopien und Sudan geführt. Am 6. April kündigte Äthiopien an, alle Sondereinsatzkräfte in die Polizei oder das Militär einzugliedern, was im Bundesstaat Amhara auf Widerstand stieß. Der Konflikt im Sudan begann am 15. April mit der gescheiterten Eingliederung der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in die Armee des Landes.
“Die Aufgabe jeder Regierung, ihr Territorium zu kontrollieren und das Monopol über den Einsatz von Zwangsgewalt in den Gebieten zu haben, wird in beiden Staaten ernsthaft in Frage gestellt”, urteilt Kjetil Tronvoll, Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Oslo New University.
Schon im Jahr 2000 stellte Sudan die irregulären Janjaweed-Milizen, den Vorläufer der RSF, auf. 2007 wurden in Äthiopien die Spezialeinheiten gegründet. Diese Truppen sollten Aufstände in den Regionalstaaten Somali und Darfur bekämpfen. Doch in beiden Fällen entbehrte ihre Gründung jeder rechtlichen Grundlage. Nun rechtfertigen beide Länder die Auflösung dieser etwa 300.000 Soldaten starken Truppe in Äthiopien und die der 100.000 Mann umfassenden Miliz im Sudan genau mit dem Argument, dass diese Einheiten nicht legal seien.
Äthiopien und Sudan kämpfen seit 2018 und 2019 damit, dass politische Reformen gescheitert sind. In einem Bericht des Londoner Thinktanks Chatham House Mitte April heißt es: “Zusammenstöße zwischen alten und neuen politischen Kräften in beiden Ländern haben die politischen Reformen gewaltsam unterbrochen.”
Nach der Reform von 2018 ist ein Riss in der Allianz zwischen den neuen Machthabern Äthiopiens unter Premierminister Abiy Ahmed und den alten Machthabern der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) entstanden. Dies führte Ende 2020 zu einem Krieg zwischen den beiden Fraktionen, in dem die äthiopische Regierung vor allem von den Amhara-Spezialkräften unterstützt wurde.
Das im November 2022 unterzeichnete Friedensabkommen mit der TPLF und die Ankündigung der äthiopischen Regierung, die Amhara-Spezialeinheiten in ihre Militärstruktur zu integrieren, lehnen die Amhara-Eliten ab. Sie befürchten, dass ihre Sicherheit durch bewaffnete Truppen unter der TPLF gefährdet werde.
Tronvoll sagte im Gespräch mit Table.Media, Abiy habe seine Unterstützung von den Oromo auf das pan-äthiopische nationalistische Lager der Amhara verlagert. “Als er die Eliten der Tigray als Partner ins Zentrum zurückgebracht hat, hat Abiy dies auf Kosten der Amhara-Akteure getan”, meinte Tronvoll.
Im Fall Sudans löste das Ende der Herrschaft von Omar al-Baschir durch den Staatsstreich vom April 2019 einen Wettstreit um die Position des neuen Herrschers zwischen Armeegeneral Abdel Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo, dem Kommandeur der RSF, aus. Die Diskussion um die Eingliederung der RSF in die reguläre Armee hat die Spannungen zwischen den beiden Kommandeuren verschärft und zum aktuellen blutigen Konflikt geführt.
Die Integration dieser Kräfte in den regulären Sicherheitsapparat hat zum Ziel, die Spaltung zwischen den politischen Eliten zu beenden. Auch im Chatham-Bericht heißt es, dass Premierminister Abiy die Allianzen mit den Amhara- und Tigray-Eliten sorgfältig ausbalancieren sollte.
Tronvoll jedoch sieht die Lösung des Allianzproblems in Äthiopien und Sudan in einer Überwindung der “ideologischen und entwicklungsbedingten Differenzen”. Im Falle Äthiopiens sollten sich die Eliten des “föderalistischen” und die des “zentralistisch/unitaristischen” Lagers darüber verständigen, “was Äthiopien ist und in Zukunft sein soll”. Die nun geplante Integration der irregulären Milizen in die Armee ist seiner Ansicht nach nicht zielführend. “Die Missstände lassen sich nicht dadurch beheben, dass man alle regionalen Kräfte in die nationale Armee einbezieht”, sagt der Osloer Friedensforscher. Merga Yonas Bula
Bundeskanzler Scholz wird in wenigen Tagen zu einem Gegenbesuch nach Kenia reisen und außerdem Äthiopien besuchen. Vor einem Monat war der kenianische Präsident William Ruto in Berlin zu Gast, im Vordergrund standen dabei wirtschaftliche Themen. Bei Scholz’ Besuch in Ostafrika dürfte Sicherheitspolitik ein starkes Gewicht bekommen. Der Krieg der beiden verfeindeten Generäle in Sudan, der nach wie vor zerbrechliche Frieden im Norden Äthiopiens sowie kleinere Konflikte drohen, die Region zu destabilisieren. So hat sich die Sicherheitslage im Osten Kongos an den Großen Seen verschlechtert, und auch in Somalia ist die Terrorgefahr nach wie vor groß.
In Äthiopien besteht zwar seit November formal ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Tigray People’s Liberation Front (TPLF). Doch die Vereinbarung ist fragil. Neben militärischen Auseinandersetzungen herrschte im vergangenen Jahr in weiten Teilen der Region eine prekäre Ernährungslage.
Noch ist die Region wirtschaftlich erfolgreich: Für Kenia erwartet der IWF in diesem Jahr ein ähnlich hohes Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent wie im vergangenen Jahr. In Äthiopien dürfte sich das Wachstum in diesem Jahr von 6,4 Prozent auf immerhin noch 6,1 Prozent abschwächen. Damit liegen die beiden wirtschaftlich wichtigsten Länder in der Region weit über dem Weltdurchschnitt von gerade einmal 2,8 Prozent.
Doch der wirtschaftliche Erfolg ist gefährdet, sollte es nicht gelingen, die regionalen Konflikte unter Kontrolle zu bringen. Uhuru Kenyatta, Rutos Vorgänger im Präsidentenpalais, wurde von der kenianischen Regierung zum Sondergesandten für Friedensgespräche in der Region ernannt. So reiste Kenyatta am Sonntag vergangener Woche zu Gesprächen nach Äthiopien. Auch der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo und der ehemalige Vizepräsident von Südafrika Phumzile Mlambo wollen in den Konflikten vermitteln und friedliche Lösungen finden. hlr
Im Vorfeld des für Juni geplanten BRICS-Gipfels haben 19 Länder Beitrittsgesuche für die Gruppe eingereicht. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf Südafrikas Botschafter für die BRICS-Gruppe, Anil Sooklal. 13 Länder hätten ihre Beitrittsabsicht offiziell erklärt, sechs weitere hätten informell Interesse bekundet. Im Februar hatte Sooklal mit Iran und Saudi-Arabien bereits zwei Beitrittskandidaten genannt. Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Indonesien hatten ebenfalls öffentlich ihr Interesse erklärt. Auch einige afrikanische Länder sind im Gespräch: Algerien, Ägypten, Nigeria und Simbabwe, sowie zwei ungenannte ostafrikanische Staaten.
Beim BRICS-Gipfel Anfang Juni in Kapstadt soll es vor allem um die Vergrößerung der Gruppe gehen. Die Mitglieder werden beraten, welche Länder dem Bündnis unter welchen Bedingungen beitreten könnten. Die Debatte um eine Vergrößerung war im letzten Jahr von China angeregt worden. Die Supermacht setzt darauf, mit der BRICS-Gruppe ein Gegengewicht zum westlichen Bündnis aufbauen zu können. ajs
Nigeria und die Republik Kongo planen gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnern die Installation von schwimmenden Flüssiggasterminals (FLNG). Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der italienische Rohstoffkonzern Eni hatte bereits im August ein FLNG erworben, um vor der Küste der Republik Kongo Flüssiggas zu produzieren. Nun ist das Projekt mit einem Umfang von fünf Milliarden Dollar offiziell. Die Produktion soll zur Jahresmitte beginnen und bis 2025 eine Kapazität von drei Millionen Tonnen jährlich erreichen. Das FLNG soll sowohl den kongolesischen als auch den Exportmarkt bedienen. Eni arbeitet seit Ausbruch des Ukrainekrieges daran, die italienische Abhängigkeit von russischem Gas durch LNG-Importe zu verringern, etwa aus Libyen.
In Nigeria hat die staatseigene Nigerian National Petroleum Corporation eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Unternehmen Golar LNG unterzeichnet. Die Partner wollen gemeinsam ein neues FLNG aufbauen. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Das rohstoffreiche Nigeria plant außerdem gemeinsam mit Niger und Algerien den Bau der Trans-Sahara-Gaspipeline, die schließlich eine direkte Verbindung nach Europa bieten soll. ajs
In Zusammenarbeit mit der angolanischen Zentralbank hat die Mobilfunkgesellschaft Africell ihren mobilen Zahlungsdienst Afrimoney in Angola an den Start gebracht. Afrimoney ist bereits in Sierra Leone, Gambia und der DR Kongo verfügbar. Das Unternehmen ist seit vergangenem Jahr in Angola vertreten und hat 150 Millionen Dollar in den Ausbau des dortigen Mobilfunknetzes gesteckt. Der Konzern hat bereits 7 Millionen Kunden in Angola.
Im afrikanischen Vergleich ist Angola bei der Nutzung von mobilen Zahlungsdiensten ein Nachzügler. Africell will diesen Rückstand mit Afrimoney nun aufholen. Größter Konkurrent ist der Anbieter Unitel, der in Partnerschaft mit dem chinesischen Telekommunikationsunternehmen Huawei seit 2021 mobile Zahlungsdienste in Angola bietet. Unitels Zahlungsdienst hat dort 1,5 Millionen Nutzer.
Mobile Zahlungsdienste spielen auf dem afrikanischen Kontinent eine wichtige Rolle, besonders für Menschen ohne Bankkonto. Sie bieten den Menschen unkomplizierten Zugang zu grundlegenden Finanzinstrumenten. Laut einem Bericht des Branchenverbandes GSMA lag die Zahl der Nutzer in Afrika 2022 bei über 780 Millionen. Diese führten Transaktionen im Wert von knapp 840 Milliarden Dollar durch. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen nutzen mobile Zahlungsdienste zum Sparen. ajs
Die EU plant ein neues Partnerschaftsabkommen mit den 79 Mitgliedern der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (OAKPS). Die Bundesregierung hat der Unterzeichnung zugestimmt. Als gemischtes Abkommen muss es sowohl von der EU als auch durch die einzelnen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Die neue Partnerschaft ersetzt das ausgelaufene Cotonou-Abkommen, das die Beziehungen der beiden Ländergruppen bisher geregelt hatte. Sie schafft einen neuen Rahmen für die gemeinsame Behandlung globaler Herausforderungen wie Migration, Handel und Klimawandel. Auch Bekenntnisse zu Demokratie, Menschenrechten und multilateraler Weltordnung finden sich in dem Abkommen. Nach Inkrafttreten soll das Abkommen zunächst für 20 Jahre gelten. ajs
Die politischen Entscheider in Europa sollten sich in Sudan auf zwei mögliche Szenarien für einen Ausgang des gewaltsamen Konflikts zwischen der regulären Armee des Sudan (SAF) und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) vorbereiten:
Im ersten Szenario erringt einer der Militärführer einen absoluten Sieg. Für diesen Fall sollte vom ersten Tag an ein Rahmenwerk für das europäische Engagement bereitstehen, um das Überleben der sudanesischen Demokratie zu gewährleisten.
Das zweite Szenario geht dagegen von einer Ausbreitung des Konflikts aus. In diesem Fall sollten Maßnahmen zur Eindämmung über die Militärführer hinaus auf Auslöser zweiter Ordnung gerichtet werden, insbesondere auf sudanesische bewaffnete Bewegungen und regionale Staaten.
In jedem Fall sollte Europa die rasche Festigung einer Vermittlungsstruktur für den Hauptkonflikt RSF/SAF unterstützen. Da die EU und ihre Mitglieder wahrscheinlich eher eine unterstützende als eine führende Rolle in der Mediation spielen werden, können sie ihre Bemühungen darauf konzentrieren, eine sinnvolle Arbeitsteilung zu etablieren, indem sie kritische Fragen zweiter Ordnung ansprechen, beispielsweise welche Schritte als nächste erfolgen sollen.
Um der Möglichkeit einer Ablehnung der Demokratie durch den Sieger zuvorzukommen, könnten die EU-Staaten einen Rahmen für das Engagement der neuen Autorität schaffen. Dieser sollte deutlich machen, dass Europa eine zivil geführte Regierung unterstützen werde. Darüber hinaus ist entscheidend, von Anfang an klarzustellen, dass eine Rückkehr der Herrschaft des ehemaligen Regimes in Sudan nicht hinnehmbar ist.
Um den Konflikt in seinem frühen Stadium einzudämmen, sollten Anreize und Hemmnisse für andere Akteure außerhalb von RSF und SAF geschaffen werden, um die Neutralität zu wahren. Dazu zählen Akteure innerhalb des Sudan, aber auch regionale Staaten, die in die Bestimmung der politischen Ausrichtung des Sudan investiert sind.
Obwohl es dringend notwendig ist, die Kämpfe zu beenden, wäre die Wiederbelebung der ursprünglichen Vereinbarung zur Verteilung der Macht zwischen der SAF und der RSF ein großer Fehler. Ihre relativ gleiche Macht und ihr Ehrgeiz zur totalen Herrschaft haben alle Verhandlungen seit dem Wechsel von Präsident Baschir scheitern lassen. Nicht die Verhandlungen waren das Problem, sondern der fehlende politische Wille.
Der andauernde Konflikt wird das Machtgleichgewicht zwischen der RSF und der SAF verändern und es der siegreichen Seite ermöglichen, die Streitkräfte der unterlegenen Partei zu integrieren. Bei künftigen Verhandlungen über die Aufteilung der Macht sollten Diplomaten vermeiden, zum vorherigen Status-quo-Verhandlungsrahmen zurückzukehren. Stattdessen sollten sie das neue Machtgleichgewicht nutzen, um eine Vereinbarung von höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu schaffen. Eine Mediation hat zudem eine größere Chance auf Erfolg, wenn sie aus der Region rund um das Horn von Afrika selbst heraus geführt wird. Denn ohne einen klaren Gravitationspunkt werden bei der Mediation mehrere konkurrierende Mediationsinitiativen miteinander konkurrieren.
Theodore Murphy ist Leiter des Afrika-Programms beim Think Tank European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin. Sein Schwerpunkt liegt auf Politik, Sicherheitspolitik und Wirtschaft am Horn von Afrika.
The Africa Report: Hemetis Imagekampagne. Der sudanesische General Mohammed Hamdan Dagalo, auch bekannt als Hemeti, führt die Miliz RSF, die sich derzeit im Kampf mit der sudanesischen Armee befindet. Um das Image der Gruppe öffentlichkeitswirksam aufzubessern, traf Hemetis Bruder in Dubai Lobbyisten der französischen PR-Agentur Think Doctor.
Africa Intelligence: Kenia vermittelt im Äthiopien-Konflikt. Vertreter der Oromo Liberation Army und der äthiopischen Regierung sind in Sansibar zu ersten Verhandlungen zusammengetroffen. Die OLA führt seit 2018 einen bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung. Das Treffen kam auf Initiative des kenianischen Sondergesandten Mohamed Ali Guyo zustande.
Welt: Afrika entwickelt sich zum grünen Powerhouse. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es reichlich Erneuerbare Ressourcen wie Sonnenlicht und Wasserkraft. Immer mehr Länder investieren auch in Grünen Wasserstoff, der vor allem von Europa nachgefragt wird. Afrika hat das Potenzial, die Energienachfrage der gesamten Welt zu bedienen.
Washington Post: Mineralienboom schafft Elend in Guinea. Die geplante Umstellung auf Elektrofahrzeuge in den Industrienationen hat die Nachfrage nach bestimmten Mineralien extrem erhöht. Guinea könnte davon profitieren, denn es verfügt über die weltweit größten Bauxitvorkommen. Doch in der Bergbauregion Boké fühlen sich viele Menschen übergangen und ausgebeutet.
Bloomberg: Südafrikas ‘Just Energy Transition’ kommt nicht voran. Die anhaltende Energiekrise erschwert die ohnehin schon komplizierte Umstellung auf Erneuerbare Energien. Hinzu kommt die hohe Schuldenlast des Stromversorgers Eskom und die besondere historische Beziehung Südafrikas zur Kohle.
Mail & Guardian: Eskom verliert monatlich mehr als 50 Millionen durch Diebstahl. Ex-Eskom CEO André de Ruyter hat vor dem südafrikanischen Parlament Misswirtschaft, Kriminalität und Korruption bei seinem ehemaligen Arbeitgeber beklagt. Ein Untersuchungsausschuss durchleuchtet derzeit die Vorwürfe.
Semafor: Südafrika sucht Umgang mit Putin-Besuch. Sollte Russlands Präsident im Juni zum BRICS-Gipfel nach Kapstadt reisen, wäre Südafrika als Vertragspartei des Internationalen Strafgerichtshofs zu seiner Festnahme verpflichtet – ein solcher Affront scheint undenkbar. Doch Südafrika will auch seine westlichen Partner nicht vergraulen.
Project Syndicate: Globale Gesundheitsorganisationen brauchen Afrika. In einem Meinungsbeitrag wirbt der geschäftsführende Direktor der Africa CDC dafür, afrikanische Länder stärker in gesundheitspolitische Entscheidungen einzubinden und mehr Finanzmittel für sie bereitzustellen. Nur so könne die Kluft zwischen dem Globalen Süden und den Industriestaaten überwunden werden.
African Business: Wut und Enttäuschung über IWF-Weltbank-Gipfel. Das Frühlingstreffen des IWF und der Weltbank ist in Afrika mit Frustration und Unzufriedenheit aufgenommen worden. Es überwiegt der Eindruck, die Institutionen hätten kein Interesse an Reformen, die die Länder des Globalen Südens unterstützen.
Kyodo News: Junger Japaner rehabilitiert Ex-Terroristen. Yosuke Nagai ist Gründer und Leiter einer Hilfsorganisation, die ehemalige Milizkämpfer bei Deradikalisierung und Reintegration in die Gesellschaft unterstützt. Er arbeitet mit einstigen Kindersoldaten und anderen Aussteigern, etwa in Somalia und Kenia.
Straßenbauen in Nicaragua – Norbert Neusers erster Kontakt mit Entwicklungszusammenarbeit liegt vierzig Jahre zurück. Damals war er noch Lehrer für Mathematik, Sport und Politik. Später wurde er Schulleiter, 2009 wechselte er für die SPD ins Europaparlament, wo er im Entwicklungsausschuss mitarbeitete. “Ich war immer einer, der gern anpackt”, sagt Neuser. Als er im Januar 2022 das EU-Parlament verließ und der Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda ihm das Amt als ehrenamtlicher Präsident anbot, musste er nicht lange überlegen. “Als Rheinland-Pfälzer lag mir Ruanda sehr nahe.”
Die enge Verbindung zwischen den beiden Ländern besteht schon seit Jahrzehnten. “In Rheinland-Pfalz war das vor 40 Jahren eine spontane Idee des damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel”, so Neuser. “Man wollte den Menschen in Afrika helfen.” Schnell habe das Landesparlament einen Konsens über das Engagement in Ruanda gefunden, was Neuser bei seiner Arbeit im Entwicklungsausschuss des EU-Parlaments entgegenkam: “Wann immer es hieß, wir sollten doch EU-Politik in handfeste Projekte umsetzen, konnte ich auf Rheinland-Pfalz zeigen.”
Ruandas Geschichte ist eng mit dem Genozid von 1994 verbunden. Offiziell gibt es keine Tutsi und Hutu mehr, alle sind Ruander. Im Untergrund bestehen die Spannungen aber weiter. Der Partnerschaftsverein leistet Gedenkarbeit vor Ort, besonders ein Projekt sticht aus Neusers Sicht heraus: “Es gibt eine Schule, in der noch drei Jahre nach dem Genozid Schüler umgebracht wurden, weil sie sich als ‘Ruander’ bezeichnet haben anstatt sich zu den Hutu oder Tutsi zu bekennen. Deshalb haben wir dort eine Gedenkstätte aufgebaut.”
Der Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda ist eine Graswurzelbewegung: “Die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz, Partnerschaftsvereine und Freundeskreise bringen die Themen ein”, erzählt Neuser. Alle seien bemüht, etwas zu bewirken und Schulen und Gesundheitszentren aufzubauen. Kommendes Jahr will der Verein seine 100. Schule eröffnen, außerdem hat sich seine Themenpalette erweitert. “Empowerment for Women, Klimaschutz, Umweltschutz und wirtschaftliche Zusammenarbeit sind heute die großen Themen unserer Arbeit.” Die Projekte des Vereins setzen in erster Linie in ländlichen Gebieten Ruandas an, außerhalb der Weltstadt Kigali.
“Wir stoßen in Ruanda oft auf Unverständnis, weil wir mit viel Bürokratie auf sie zukommen. Dort will man schnell Ergebnisse sehen”, so Neuser. Aktuell interessieren sich immer mehr deutsche Firmen für den Standort Ruanda. Der Bau einer Fabrik des Pharmaunternehmens Biontech hat diese Entwicklung befördert.
Um die Beziehung nach Deutschland für künftige Generationen zu stärken, setzt Neuser auf den Austausch zwischen jungen Menschen aus Ruanda und Rheinland-Pfalz: “80 Studierende aus Ruanda sind gerade an Universitäten in Rheinland-Pfalz” – die Nachfrage bei jungen Menschen aus Ruanda für eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland sei riesig. Svenja Schlicht
Deutschland geht das Personal aus. Mehr als eine halbe Million Stellen kann nicht mehr dauerhaft besetzt werden. Man sollte meinen, die Suche nach geeigneten Fachkräften könnte zum erfolgreichen Geschäftsmodell werden. Doch wer was will, muss erstmal bitte sagen. Afrikanische Fachkräfte kommen nicht deshalb nach Deutschland, weil wir sie gerade brauchen. Zuwanderung braucht Zugewandtheit.
Wirtschaftspolitik trägt mitunter kuriose Züge. Weil europäische Investoren strikt auf die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien achten müssen, bleiben ihnen erfolgreiche und interessante Investments in Afrika verwehrt. Zum Beispiel in fossile Brennstoffe wie Steinkohle. Dabei ist die hierzulande verpönte Energiequelle ein wichtiger Baustein für Afrikas Wirtschaft und zugleich für die afrikanische Nachhaltigkeit.
Ostafrika steht heute besonders im Fokus unserer Ausgabe. Ein Grund ist die angespannte Sicherheitslage im Sudan, wo der blutige Machtkampf zweier verfeindeter Generäle eine neue Flüchtlingswelle hervorrufen dürfte. Unser Meinungsbeitrag skizziert Möglichkeiten, wie eine Verhandlungslösung gestaltet werden könnte. Bundeskanzler Scholz wird in wenigen Tagen die gefährliche Region besuchen und mit Kenias Präsident Ruto vor allem über die Sicherheitslage sprechen.
In unserem Newsletter auch diesmal wieder aktuelle Nachrichten und ein umfassender Blick in afrikanische Medien.
Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.
Vor wenigen Wochen in Ghana: Entwicklungsministerin Schulze und Arbeitsminister Heil eröffnen in der Hauptstadt Accra das “Ghanaisch-Europäische Zentrum für Arbeitsplätze, Migration und Entwicklung”. Es könnte als Blaupause dienen für weitere geplante Zentren in Marokko, Tunesien, Ägypten und Nigeria. 150 Millionen Euro steckt das BMZ in diese Maßnahme.
Doch das Interesse ist bislang überschaubar. Deutschlands akuter Fachkräftemangel hat die Sprachregelung in der Debatte um qualifizierte Migration verändert: “Bleibt, wo ihr seid” – das war der Sound vergangener Jahre. Heute dagegen: “Bitte kommt, wenn Ihr was könnt!”. Neue Töne gegenüber Afrika. Und – machen sie Deutschland attraktiver?
Viele junge Menschen mit Fachwissen sind zurückhaltend, und dafür gibt es Gründe. Einer der häufigsten: Die deutsche Sprache ist schwer, aber Voraussetzung. Selbst wer sie vor Visumsantrag erlernt, hat keine Garantie, dass das für einen positiven Bescheid ausreicht. Englisch oder Französisch sind hierzulande keine Amtssprachen. Nur vier Prozent aller Stellen in Deutschland würden auf englisch ausgeschrieben, obwohl die Weltsprache in vielen Jobs heute völlig normal sei. Chris Pyak, Karrierecoach für internationale Fachkräfte, empfiehlt deshalb beim Thema Spracherwerb mehr Praxisnähe.
Deutschland brauche eine neue Kultur gegenüber Einwanderern, einen immigrant spirit: “Wenn wir wollen, dass die Besten zu uns kommen, dann müssen wir uns auch um sie bemühen. Sonst kommen nur die, die keine Wahl haben.” Aus Pyaks Sicht wäre es klüger, Bewerber in Zukunft auch ohne anerkannten Abschluss in Deutschland arbeiten zu lassen und die Anerkennung nachzuholen.
Letzteres findet sich tatsächlich im Gesetzentwurf zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, der kürzlich beschlossen wurde. Danach kann ein Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsabschlüsse – anders als bisher – auch im Inland begonnen werden. Mit einer sogenannten Anerkennungspartnerschaft verpflichten sich Beschäftigte und Arbeitgeber dazu, eine Nachqualifikation bis zur vollen Anerkennung des Berufsabschlusses durchzuführen.
Bestandteil des neuen Gesetzes ist auch die “Chancenkarte”. Danach müssen Arbeitsmigranten aus Drittstaaten wie in Afrika eine zweijährige Ausbildung im Herkunftsland durchlaufen haben und hinreichend deutsch sprechen. Zudem müssen sie in der Lage sein, hier selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und nach Kriterien wie Sprache oder Berufserfahrung mindestens sechs Punkte auf der Chancenkarte erreichen.
Migration als Chance, nicht als Schreckgespenst – so steht es in der Afrikastrategie des BMZ, die Table.Media bereits im Februar vorstellte. Für Christof Baum, Leiter eines Solar-Trainingszentrums in der Nähe der ghanaischen Hauptstadt Accra, kommt diese Erkenntnis reichlich spät. “Afrika hat überhaupt nicht stattgefunden, die Politik hat das voll verpennt. Die hat Afrikanerinnen und Afrikaner nur als Flüchtlinge wahrgenommen, nicht als Fachkräfte.”
Im Auftrag der katholischen Ordensgemeinschaft Don Bosco bildet Baum seit Jahren auf dem Kontinent Solartechniker aus und versucht, sie nach Deutschland zu vermitteln. Seine Idealvorstellung: Die jungen Leute gehen für ein paar Jahre nach Deutschland, verdienen dort Geld, sammeln Erfahrungen und kehren zurück in ihre Heimat, um sich dort etwas aufzubauen.
Für seine Solartechniker gibt es bereits eine Jobzusage, aber seit Monaten hängt das Verfahren um die Anerkennung der Abschlüsse. “In Deutschland werden sie dringend gebraucht, hier finden sie keine Arbeit, und trotzdem klappt es nicht. Das ist doch Unsinn”, ärgert sich Baum.
Und dann ist noch die Sache mit dem Visum – ohne geht gar nichts. Das Thema ist noch immer einer der größten Stolpersteine bei der Arbeitsmigration. Dass deutsche Behörden vielen Antragstellern wenig verklausuliert unterstellen, sich mit dem Schengen-Visum einen Fluchtweg nach Europa zu organisieren, empfinden viele Afrikaner als Demütigung. Mitunter gibt es selbst für private Familienfeiern von Angehörigen in Deutschland kein Visum, auch die Einladung von Gastwissenschaftlern gestaltet sich häufig kompliziert. In 24 der 55 afrikanischen Staaten gibt es zudem keine diplomatische Vertretung Deutschlands, die überhaupt Visa ausstellen würde.
So überrascht es kaum, dass qualifizierte Zuwanderung aus Afrika überschaubar ausfällt. Es gibt bislang keine nennenswerte Arbeitsmigration vom südlichen Nachbarn Europas nach Deutschland. Deutsche Unternehmen werben noch immer sehr zurückhaltend in Afrika an, obwohl oft von den Arbeitskräftepotenzialen Afrikas geschwärmt wird. Hier vergibt Deutschland möglicherweise eine strategische Chance, um neue und dringend benötigte qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen.
Die demografische Entwicklung Afrikas ist gewaltig: Nach Projektionen der Vereinten Nationen wird sich die afrikanische Gesellschaft bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen mindestens verdoppeln.
Auf Zuzüge aus EU-Staaten sollte Deutschland besser nicht warten. Denn vielen EU-Staaten geht es mit Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft ähnlich wie uns.
So wird es langsam ernst mit der strategischen Zukunftsfrage, wer für die Prosperität von morgen sorgen soll. Anuscheh Farahat, Professorin für Migrationsrecht und Menschenrechte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, plädiert für mehr Experimentierfreude. Natürlich könne Migration aus Afrika eine Chance für Deutschland sein, aber nicht in der Annahme, wir bekämen die perfekt ausgebildeten Menschen. Es brauche migrationspolitische Programme, angepasst auf den Arbeitsmarkt. Außerdem beruhe Zuwanderung auf Gegenseitigkeit. Wenn Deutschland dies wolle, müsse es sich auch für die soziale Integration engagieren: keine Ghettoisierung der Zuziehenden, bezahlbare Wohnungen, kulturelle Angebote, eine neue Bildungspolitik. “Allein das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird nicht reichen.”
Die Geschichte von Thungela Resources begann vor ziemlich genau zwei Jahren: Der Bergbaukonzern Anglo American wollte seine Beliebtheit bei Investoren steigern, die auf Nachhaltigkeitskriterien achten, und hat deshalb die Förderung von Steinkohle in Südafrika ausgegliedert.
So entstand Thungela Resources, ein Unternehmen, das im Juni 2021 an die Börse Johannesburg ging und eine unglaubliche Börsengeschichte schrieb: Der Aktienkurs ging in den ersten 15 Monaten um sagenhafte 1460 Prozent in die Höhe. Seitdem ist die Notierung zwar wieder um 55 Prozent abgestürzt. Doch Anleger des ersten Börsentags verzeichnen immer noch eine Wertsteigerung von 667 Prozent in weniger als zwei Jahren.
Dabei ist das Unternehmen eine Aktie mit Gewicht: Die Marktkapitalisierung liegt bei 1,2 Milliarden Euro. Bei einem Umsatz von gut 1,6 Milliarden Euro schafft Thungela einen Netto-Gewinn von 198 Millionen Euro und erreicht eine Dividendenrendite von gut 30 Prozent.
Solche Aktien müssen Anleger an den europäischen Aktienmärkten lange suchen. Eine südafrikanische Fondsmanagerin, die in Frankfurt Aktien aus Schwellenländern verwaltet, haben wir nach Thungela gefragt. Sie kannte die Aktie kaum. Denn europäische Investoren können in Steinkohle kaum noch investieren. Der Grund: Finanzinvestoren müssen in der EU immer restriktivere Nachhaltigkeitskriterien einhalten.
So schreibt die Europäische Union in der Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente vor, dass Fondsgesellschaften Informationen über die Risiken ihrer Produkte in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) nennen müssen. Außerdem müssen sie erklären, wie sich ihre Investments auf Umwelt und die Gesellschaft auswirken.
Zu diesem Zweck müssen Fondsgesellschaften seit März 2021 ihre Fonds nach deren Nachhaltigkeitszielen nach Artikel 8 oder Artikel 9 einstufen. Nur wenige Fondsmanager unterwerfen sich dem schärferen Artikel 9, da diese Fonds ein nachhaltiges Anlageziel und eine positive Wirkung nach ESG-Kriterien anstreben müssen. Für einen Fonds nach Artikel 8 genügt es, wenn er ein nachhaltiges Ziel verfolgt.
Die Offenlegungsverordnung der EU macht es Fondsinvestoren praktisch unmöglich, in fossile Energie oder in den Bergbau zu investieren. Dabei ist der Einsatz von Steinkohle in Afrika weit weniger umstritten als in Europa. Kohle ist zudem eine Energiequelle, die günstig und unkompliziert nach Bedarf verfügbar ist.
Außerdem bietet sie einen weiteren Vorteil: Energie wird in Afrika nicht nur zur Stromerzeugung benötigt, sondern auch zum Kochen. Steinkohle kann somit Holzkohle ersetzen, die eine wesentlich schlechtere Nachhaltigkeitsbilanz aufweist. In Afrika kann Steinkohle, anders als in Europa, für den Übergang durchaus einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten.
Somit strafen europäische Nachhaltigkeitspolitiker Unternehmen wie Thungela Resources oder Exxaro, den anderen börsennotierten Steinkohleförderer in Südafrika, ab und erschweren, ungeachtet lokaler Gegebenheiten, ein Investment in die Energiewende in Afrika. Kurioserweise – und das bleibt in Südafrika nicht unbemerkt – importiert Deutschland Steinkohle auch aus Südafrika für die Kohlekraftwerke, die in Deutschland weiterhin in Betrieb sind.
Thungela selbst stellt Nachhaltigkeit stark in den Vordergrund. So achtet die Führung unter CEO July Ndlovu auf einen schonenden Umgang mit Wasserressourcen, ein modernes Abfallmanagement und eine Senkung der Kohlenstoffemissionen nach dem GHG-Protokoll (greenhouse gas) und gemäß der ISO-Norm 14064-1. In einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht Thungela akribisch seine Aktivitäten im Hinblick auf eine bessere Umwelt, die Förderung dörflicher Gemeinschaften, die Einhaltung des Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BEE) und faire Arbeitsbedingungen. Der Nachhaltigkeitsbericht 2022 umfasst 128 Seiten. Überprüfen lässt Thungela sein Nachhaltigkeitsengagement extern von der Beratungsgesellschaft Ibis Environmental Social Governance Consulting.
Dass europäische Investoren Investments in Thungela meiden, hat dem Interesse an der Aktie bisher nicht geschadet. Sie findet sich in den Portfolios zahlreicher Investoren aus Südafrika, Fondsgesellschaften und Lebensversicherer sowie in den Depots ausländischer Investoren, die mehr und mehr aus der arabischen Welt und Ostasien kommen.
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Lange sah es so aus, als würde sich die Region am Horn von Afrika stabilisieren. Doch nun hat die Auseinandersetzung um die Integration irregulärer Kräfte in die reguläre Sicherheitsstruktur zu politischen Unruhen in Äthiopien und Sudan geführt. Am 6. April kündigte Äthiopien an, alle Sondereinsatzkräfte in die Polizei oder das Militär einzugliedern, was im Bundesstaat Amhara auf Widerstand stieß. Der Konflikt im Sudan begann am 15. April mit der gescheiterten Eingliederung der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in die Armee des Landes.
“Die Aufgabe jeder Regierung, ihr Territorium zu kontrollieren und das Monopol über den Einsatz von Zwangsgewalt in den Gebieten zu haben, wird in beiden Staaten ernsthaft in Frage gestellt”, urteilt Kjetil Tronvoll, Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Oslo New University.
Schon im Jahr 2000 stellte Sudan die irregulären Janjaweed-Milizen, den Vorläufer der RSF, auf. 2007 wurden in Äthiopien die Spezialeinheiten gegründet. Diese Truppen sollten Aufstände in den Regionalstaaten Somali und Darfur bekämpfen. Doch in beiden Fällen entbehrte ihre Gründung jeder rechtlichen Grundlage. Nun rechtfertigen beide Länder die Auflösung dieser etwa 300.000 Soldaten starken Truppe in Äthiopien und die der 100.000 Mann umfassenden Miliz im Sudan genau mit dem Argument, dass diese Einheiten nicht legal seien.
Äthiopien und Sudan kämpfen seit 2018 und 2019 damit, dass politische Reformen gescheitert sind. In einem Bericht des Londoner Thinktanks Chatham House Mitte April heißt es: “Zusammenstöße zwischen alten und neuen politischen Kräften in beiden Ländern haben die politischen Reformen gewaltsam unterbrochen.”
Nach der Reform von 2018 ist ein Riss in der Allianz zwischen den neuen Machthabern Äthiopiens unter Premierminister Abiy Ahmed und den alten Machthabern der Tigray People’s Liberation Front (TPLF) entstanden. Dies führte Ende 2020 zu einem Krieg zwischen den beiden Fraktionen, in dem die äthiopische Regierung vor allem von den Amhara-Spezialkräften unterstützt wurde.
Das im November 2022 unterzeichnete Friedensabkommen mit der TPLF und die Ankündigung der äthiopischen Regierung, die Amhara-Spezialeinheiten in ihre Militärstruktur zu integrieren, lehnen die Amhara-Eliten ab. Sie befürchten, dass ihre Sicherheit durch bewaffnete Truppen unter der TPLF gefährdet werde.
Tronvoll sagte im Gespräch mit Table.Media, Abiy habe seine Unterstützung von den Oromo auf das pan-äthiopische nationalistische Lager der Amhara verlagert. “Als er die Eliten der Tigray als Partner ins Zentrum zurückgebracht hat, hat Abiy dies auf Kosten der Amhara-Akteure getan”, meinte Tronvoll.
Im Fall Sudans löste das Ende der Herrschaft von Omar al-Baschir durch den Staatsstreich vom April 2019 einen Wettstreit um die Position des neuen Herrschers zwischen Armeegeneral Abdel Fattah al-Burhan und Mohamed Hamdan Dagalo, dem Kommandeur der RSF, aus. Die Diskussion um die Eingliederung der RSF in die reguläre Armee hat die Spannungen zwischen den beiden Kommandeuren verschärft und zum aktuellen blutigen Konflikt geführt.
Die Integration dieser Kräfte in den regulären Sicherheitsapparat hat zum Ziel, die Spaltung zwischen den politischen Eliten zu beenden. Auch im Chatham-Bericht heißt es, dass Premierminister Abiy die Allianzen mit den Amhara- und Tigray-Eliten sorgfältig ausbalancieren sollte.
Tronvoll jedoch sieht die Lösung des Allianzproblems in Äthiopien und Sudan in einer Überwindung der “ideologischen und entwicklungsbedingten Differenzen”. Im Falle Äthiopiens sollten sich die Eliten des “föderalistischen” und die des “zentralistisch/unitaristischen” Lagers darüber verständigen, “was Äthiopien ist und in Zukunft sein soll”. Die nun geplante Integration der irregulären Milizen in die Armee ist seiner Ansicht nach nicht zielführend. “Die Missstände lassen sich nicht dadurch beheben, dass man alle regionalen Kräfte in die nationale Armee einbezieht”, sagt der Osloer Friedensforscher. Merga Yonas Bula
Bundeskanzler Scholz wird in wenigen Tagen zu einem Gegenbesuch nach Kenia reisen und außerdem Äthiopien besuchen. Vor einem Monat war der kenianische Präsident William Ruto in Berlin zu Gast, im Vordergrund standen dabei wirtschaftliche Themen. Bei Scholz’ Besuch in Ostafrika dürfte Sicherheitspolitik ein starkes Gewicht bekommen. Der Krieg der beiden verfeindeten Generäle in Sudan, der nach wie vor zerbrechliche Frieden im Norden Äthiopiens sowie kleinere Konflikte drohen, die Region zu destabilisieren. So hat sich die Sicherheitslage im Osten Kongos an den Großen Seen verschlechtert, und auch in Somalia ist die Terrorgefahr nach wie vor groß.
In Äthiopien besteht zwar seit November formal ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Tigray People’s Liberation Front (TPLF). Doch die Vereinbarung ist fragil. Neben militärischen Auseinandersetzungen herrschte im vergangenen Jahr in weiten Teilen der Region eine prekäre Ernährungslage.
Noch ist die Region wirtschaftlich erfolgreich: Für Kenia erwartet der IWF in diesem Jahr ein ähnlich hohes Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent wie im vergangenen Jahr. In Äthiopien dürfte sich das Wachstum in diesem Jahr von 6,4 Prozent auf immerhin noch 6,1 Prozent abschwächen. Damit liegen die beiden wirtschaftlich wichtigsten Länder in der Region weit über dem Weltdurchschnitt von gerade einmal 2,8 Prozent.
Doch der wirtschaftliche Erfolg ist gefährdet, sollte es nicht gelingen, die regionalen Konflikte unter Kontrolle zu bringen. Uhuru Kenyatta, Rutos Vorgänger im Präsidentenpalais, wurde von der kenianischen Regierung zum Sondergesandten für Friedensgespräche in der Region ernannt. So reiste Kenyatta am Sonntag vergangener Woche zu Gesprächen nach Äthiopien. Auch der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo und der ehemalige Vizepräsident von Südafrika Phumzile Mlambo wollen in den Konflikten vermitteln und friedliche Lösungen finden. hlr
Im Vorfeld des für Juni geplanten BRICS-Gipfels haben 19 Länder Beitrittsgesuche für die Gruppe eingereicht. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf Südafrikas Botschafter für die BRICS-Gruppe, Anil Sooklal. 13 Länder hätten ihre Beitrittsabsicht offiziell erklärt, sechs weitere hätten informell Interesse bekundet. Im Februar hatte Sooklal mit Iran und Saudi-Arabien bereits zwei Beitrittskandidaten genannt. Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Indonesien hatten ebenfalls öffentlich ihr Interesse erklärt. Auch einige afrikanische Länder sind im Gespräch: Algerien, Ägypten, Nigeria und Simbabwe, sowie zwei ungenannte ostafrikanische Staaten.
Beim BRICS-Gipfel Anfang Juni in Kapstadt soll es vor allem um die Vergrößerung der Gruppe gehen. Die Mitglieder werden beraten, welche Länder dem Bündnis unter welchen Bedingungen beitreten könnten. Die Debatte um eine Vergrößerung war im letzten Jahr von China angeregt worden. Die Supermacht setzt darauf, mit der BRICS-Gruppe ein Gegengewicht zum westlichen Bündnis aufbauen zu können. ajs
Nigeria und die Republik Kongo planen gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnern die Installation von schwimmenden Flüssiggasterminals (FLNG). Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der italienische Rohstoffkonzern Eni hatte bereits im August ein FLNG erworben, um vor der Küste der Republik Kongo Flüssiggas zu produzieren. Nun ist das Projekt mit einem Umfang von fünf Milliarden Dollar offiziell. Die Produktion soll zur Jahresmitte beginnen und bis 2025 eine Kapazität von drei Millionen Tonnen jährlich erreichen. Das FLNG soll sowohl den kongolesischen als auch den Exportmarkt bedienen. Eni arbeitet seit Ausbruch des Ukrainekrieges daran, die italienische Abhängigkeit von russischem Gas durch LNG-Importe zu verringern, etwa aus Libyen.
In Nigeria hat die staatseigene Nigerian National Petroleum Corporation eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Unternehmen Golar LNG unterzeichnet. Die Partner wollen gemeinsam ein neues FLNG aufbauen. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Das rohstoffreiche Nigeria plant außerdem gemeinsam mit Niger und Algerien den Bau der Trans-Sahara-Gaspipeline, die schließlich eine direkte Verbindung nach Europa bieten soll. ajs
In Zusammenarbeit mit der angolanischen Zentralbank hat die Mobilfunkgesellschaft Africell ihren mobilen Zahlungsdienst Afrimoney in Angola an den Start gebracht. Afrimoney ist bereits in Sierra Leone, Gambia und der DR Kongo verfügbar. Das Unternehmen ist seit vergangenem Jahr in Angola vertreten und hat 150 Millionen Dollar in den Ausbau des dortigen Mobilfunknetzes gesteckt. Der Konzern hat bereits 7 Millionen Kunden in Angola.
Im afrikanischen Vergleich ist Angola bei der Nutzung von mobilen Zahlungsdiensten ein Nachzügler. Africell will diesen Rückstand mit Afrimoney nun aufholen. Größter Konkurrent ist der Anbieter Unitel, der in Partnerschaft mit dem chinesischen Telekommunikationsunternehmen Huawei seit 2021 mobile Zahlungsdienste in Angola bietet. Unitels Zahlungsdienst hat dort 1,5 Millionen Nutzer.
Mobile Zahlungsdienste spielen auf dem afrikanischen Kontinent eine wichtige Rolle, besonders für Menschen ohne Bankkonto. Sie bieten den Menschen unkomplizierten Zugang zu grundlegenden Finanzinstrumenten. Laut einem Bericht des Branchenverbandes GSMA lag die Zahl der Nutzer in Afrika 2022 bei über 780 Millionen. Diese führten Transaktionen im Wert von knapp 840 Milliarden Dollar durch. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen nutzen mobile Zahlungsdienste zum Sparen. ajs
Die EU plant ein neues Partnerschaftsabkommen mit den 79 Mitgliedern der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (OAKPS). Die Bundesregierung hat der Unterzeichnung zugestimmt. Als gemischtes Abkommen muss es sowohl von der EU als auch durch die einzelnen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Die neue Partnerschaft ersetzt das ausgelaufene Cotonou-Abkommen, das die Beziehungen der beiden Ländergruppen bisher geregelt hatte. Sie schafft einen neuen Rahmen für die gemeinsame Behandlung globaler Herausforderungen wie Migration, Handel und Klimawandel. Auch Bekenntnisse zu Demokratie, Menschenrechten und multilateraler Weltordnung finden sich in dem Abkommen. Nach Inkrafttreten soll das Abkommen zunächst für 20 Jahre gelten. ajs
Die politischen Entscheider in Europa sollten sich in Sudan auf zwei mögliche Szenarien für einen Ausgang des gewaltsamen Konflikts zwischen der regulären Armee des Sudan (SAF) und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) vorbereiten:
Im ersten Szenario erringt einer der Militärführer einen absoluten Sieg. Für diesen Fall sollte vom ersten Tag an ein Rahmenwerk für das europäische Engagement bereitstehen, um das Überleben der sudanesischen Demokratie zu gewährleisten.
Das zweite Szenario geht dagegen von einer Ausbreitung des Konflikts aus. In diesem Fall sollten Maßnahmen zur Eindämmung über die Militärführer hinaus auf Auslöser zweiter Ordnung gerichtet werden, insbesondere auf sudanesische bewaffnete Bewegungen und regionale Staaten.
In jedem Fall sollte Europa die rasche Festigung einer Vermittlungsstruktur für den Hauptkonflikt RSF/SAF unterstützen. Da die EU und ihre Mitglieder wahrscheinlich eher eine unterstützende als eine führende Rolle in der Mediation spielen werden, können sie ihre Bemühungen darauf konzentrieren, eine sinnvolle Arbeitsteilung zu etablieren, indem sie kritische Fragen zweiter Ordnung ansprechen, beispielsweise welche Schritte als nächste erfolgen sollen.
Um der Möglichkeit einer Ablehnung der Demokratie durch den Sieger zuvorzukommen, könnten die EU-Staaten einen Rahmen für das Engagement der neuen Autorität schaffen. Dieser sollte deutlich machen, dass Europa eine zivil geführte Regierung unterstützen werde. Darüber hinaus ist entscheidend, von Anfang an klarzustellen, dass eine Rückkehr der Herrschaft des ehemaligen Regimes in Sudan nicht hinnehmbar ist.
Um den Konflikt in seinem frühen Stadium einzudämmen, sollten Anreize und Hemmnisse für andere Akteure außerhalb von RSF und SAF geschaffen werden, um die Neutralität zu wahren. Dazu zählen Akteure innerhalb des Sudan, aber auch regionale Staaten, die in die Bestimmung der politischen Ausrichtung des Sudan investiert sind.
Obwohl es dringend notwendig ist, die Kämpfe zu beenden, wäre die Wiederbelebung der ursprünglichen Vereinbarung zur Verteilung der Macht zwischen der SAF und der RSF ein großer Fehler. Ihre relativ gleiche Macht und ihr Ehrgeiz zur totalen Herrschaft haben alle Verhandlungen seit dem Wechsel von Präsident Baschir scheitern lassen. Nicht die Verhandlungen waren das Problem, sondern der fehlende politische Wille.
Der andauernde Konflikt wird das Machtgleichgewicht zwischen der RSF und der SAF verändern und es der siegreichen Seite ermöglichen, die Streitkräfte der unterlegenen Partei zu integrieren. Bei künftigen Verhandlungen über die Aufteilung der Macht sollten Diplomaten vermeiden, zum vorherigen Status-quo-Verhandlungsrahmen zurückzukehren. Stattdessen sollten sie das neue Machtgleichgewicht nutzen, um eine Vereinbarung von höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu schaffen. Eine Mediation hat zudem eine größere Chance auf Erfolg, wenn sie aus der Region rund um das Horn von Afrika selbst heraus geführt wird. Denn ohne einen klaren Gravitationspunkt werden bei der Mediation mehrere konkurrierende Mediationsinitiativen miteinander konkurrieren.
Theodore Murphy ist Leiter des Afrika-Programms beim Think Tank European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin. Sein Schwerpunkt liegt auf Politik, Sicherheitspolitik und Wirtschaft am Horn von Afrika.
The Africa Report: Hemetis Imagekampagne. Der sudanesische General Mohammed Hamdan Dagalo, auch bekannt als Hemeti, führt die Miliz RSF, die sich derzeit im Kampf mit der sudanesischen Armee befindet. Um das Image der Gruppe öffentlichkeitswirksam aufzubessern, traf Hemetis Bruder in Dubai Lobbyisten der französischen PR-Agentur Think Doctor.
Africa Intelligence: Kenia vermittelt im Äthiopien-Konflikt. Vertreter der Oromo Liberation Army und der äthiopischen Regierung sind in Sansibar zu ersten Verhandlungen zusammengetroffen. Die OLA führt seit 2018 einen bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung. Das Treffen kam auf Initiative des kenianischen Sondergesandten Mohamed Ali Guyo zustande.
Welt: Afrika entwickelt sich zum grünen Powerhouse. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es reichlich Erneuerbare Ressourcen wie Sonnenlicht und Wasserkraft. Immer mehr Länder investieren auch in Grünen Wasserstoff, der vor allem von Europa nachgefragt wird. Afrika hat das Potenzial, die Energienachfrage der gesamten Welt zu bedienen.
Washington Post: Mineralienboom schafft Elend in Guinea. Die geplante Umstellung auf Elektrofahrzeuge in den Industrienationen hat die Nachfrage nach bestimmten Mineralien extrem erhöht. Guinea könnte davon profitieren, denn es verfügt über die weltweit größten Bauxitvorkommen. Doch in der Bergbauregion Boké fühlen sich viele Menschen übergangen und ausgebeutet.
Bloomberg: Südafrikas ‘Just Energy Transition’ kommt nicht voran. Die anhaltende Energiekrise erschwert die ohnehin schon komplizierte Umstellung auf Erneuerbare Energien. Hinzu kommt die hohe Schuldenlast des Stromversorgers Eskom und die besondere historische Beziehung Südafrikas zur Kohle.
Mail & Guardian: Eskom verliert monatlich mehr als 50 Millionen durch Diebstahl. Ex-Eskom CEO André de Ruyter hat vor dem südafrikanischen Parlament Misswirtschaft, Kriminalität und Korruption bei seinem ehemaligen Arbeitgeber beklagt. Ein Untersuchungsausschuss durchleuchtet derzeit die Vorwürfe.
Semafor: Südafrika sucht Umgang mit Putin-Besuch. Sollte Russlands Präsident im Juni zum BRICS-Gipfel nach Kapstadt reisen, wäre Südafrika als Vertragspartei des Internationalen Strafgerichtshofs zu seiner Festnahme verpflichtet – ein solcher Affront scheint undenkbar. Doch Südafrika will auch seine westlichen Partner nicht vergraulen.
Project Syndicate: Globale Gesundheitsorganisationen brauchen Afrika. In einem Meinungsbeitrag wirbt der geschäftsführende Direktor der Africa CDC dafür, afrikanische Länder stärker in gesundheitspolitische Entscheidungen einzubinden und mehr Finanzmittel für sie bereitzustellen. Nur so könne die Kluft zwischen dem Globalen Süden und den Industriestaaten überwunden werden.
African Business: Wut und Enttäuschung über IWF-Weltbank-Gipfel. Das Frühlingstreffen des IWF und der Weltbank ist in Afrika mit Frustration und Unzufriedenheit aufgenommen worden. Es überwiegt der Eindruck, die Institutionen hätten kein Interesse an Reformen, die die Länder des Globalen Südens unterstützen.
Kyodo News: Junger Japaner rehabilitiert Ex-Terroristen. Yosuke Nagai ist Gründer und Leiter einer Hilfsorganisation, die ehemalige Milizkämpfer bei Deradikalisierung und Reintegration in die Gesellschaft unterstützt. Er arbeitet mit einstigen Kindersoldaten und anderen Aussteigern, etwa in Somalia und Kenia.
Straßenbauen in Nicaragua – Norbert Neusers erster Kontakt mit Entwicklungszusammenarbeit liegt vierzig Jahre zurück. Damals war er noch Lehrer für Mathematik, Sport und Politik. Später wurde er Schulleiter, 2009 wechselte er für die SPD ins Europaparlament, wo er im Entwicklungsausschuss mitarbeitete. “Ich war immer einer, der gern anpackt”, sagt Neuser. Als er im Januar 2022 das EU-Parlament verließ und der Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda ihm das Amt als ehrenamtlicher Präsident anbot, musste er nicht lange überlegen. “Als Rheinland-Pfälzer lag mir Ruanda sehr nahe.”
Die enge Verbindung zwischen den beiden Ländern besteht schon seit Jahrzehnten. “In Rheinland-Pfalz war das vor 40 Jahren eine spontane Idee des damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel”, so Neuser. “Man wollte den Menschen in Afrika helfen.” Schnell habe das Landesparlament einen Konsens über das Engagement in Ruanda gefunden, was Neuser bei seiner Arbeit im Entwicklungsausschuss des EU-Parlaments entgegenkam: “Wann immer es hieß, wir sollten doch EU-Politik in handfeste Projekte umsetzen, konnte ich auf Rheinland-Pfalz zeigen.”
Ruandas Geschichte ist eng mit dem Genozid von 1994 verbunden. Offiziell gibt es keine Tutsi und Hutu mehr, alle sind Ruander. Im Untergrund bestehen die Spannungen aber weiter. Der Partnerschaftsverein leistet Gedenkarbeit vor Ort, besonders ein Projekt sticht aus Neusers Sicht heraus: “Es gibt eine Schule, in der noch drei Jahre nach dem Genozid Schüler umgebracht wurden, weil sie sich als ‘Ruander’ bezeichnet haben anstatt sich zu den Hutu oder Tutsi zu bekennen. Deshalb haben wir dort eine Gedenkstätte aufgebaut.”
Der Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda ist eine Graswurzelbewegung: “Die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz, Partnerschaftsvereine und Freundeskreise bringen die Themen ein”, erzählt Neuser. Alle seien bemüht, etwas zu bewirken und Schulen und Gesundheitszentren aufzubauen. Kommendes Jahr will der Verein seine 100. Schule eröffnen, außerdem hat sich seine Themenpalette erweitert. “Empowerment for Women, Klimaschutz, Umweltschutz und wirtschaftliche Zusammenarbeit sind heute die großen Themen unserer Arbeit.” Die Projekte des Vereins setzen in erster Linie in ländlichen Gebieten Ruandas an, außerhalb der Weltstadt Kigali.
“Wir stoßen in Ruanda oft auf Unverständnis, weil wir mit viel Bürokratie auf sie zukommen. Dort will man schnell Ergebnisse sehen”, so Neuser. Aktuell interessieren sich immer mehr deutsche Firmen für den Standort Ruanda. Der Bau einer Fabrik des Pharmaunternehmens Biontech hat diese Entwicklung befördert.
Um die Beziehung nach Deutschland für künftige Generationen zu stärken, setzt Neuser auf den Austausch zwischen jungen Menschen aus Ruanda und Rheinland-Pfalz: “80 Studierende aus Ruanda sind gerade an Universitäten in Rheinland-Pfalz” – die Nachfrage bei jungen Menschen aus Ruanda für eine Ausbildung oder ein Studium in Deutschland sei riesig. Svenja Schlicht