es ist erstaunlich, wie nah Europa und Afrika beieinander liegen. Gerade einmal 14 Kilometer trennen die beiden Kontinente an der Straße von Gibraltar. Und doch scheinen sie unendlich weit auseinander zu liegen. Das zumindest legt ein Vergleich einer Rede von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und einer Rede des neuen Außenministers von Südafrika, Ronald Lamola, nahe. Mein Kollege Andreas Sieren hat die beiden miteinander verglichen – und der Vergleich liest sich wie ein Theaterstück von Eugène Ionesco.
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Während ihrer Reise in den Senegal und in die Elfenbeinküste in der vergangenen Woche hat Außenministerin Annalena Baerbock anlässlich des Neubaus des Goethe-Instituts in Dakar detailliert über die deutsche Außenpolitik gegenüber Afrika gesprochen.
Auch der neue Außenminister von Südafrika, Ronald Lamola, sprach vor kurzem in Kapstadt auf einer Veranstaltung des Thinktanks South African Institute for International Affairs (SAIIA) und des Außenministeriums (DIRCO) über die Sicht Südafrikas auf die Welt.
Lamola, ehemals Justizminister, ist mit 40 Jahren einer der jüngsten Minister im neuen Kabinett von Präsident Cyril Ramapahosa. Damit zählen beide zu einer neuen Generation von Politikern. Baerbock ist nur drei Jahre älter als Lamola.
Annalena Baerbock zitierte anfangs den senegalesischen promovierten Ökonom Felwine Sarr: “Es ist nicht an ihnen zu entscheiden, wohin unsere Träume gehen sollen und wie wir die Welt sehen und deuten.” Selbstbestimmung, erkennt Baerbock an, ist Afrika wichtig und zählt dann deutsche Erfolge im Senegal auf.
Lamola hingegen sprach anfangs von Werten, denen Südafrika folgt. Um die “existentiellen Herausforderungen der Welt” anzugehen, brauche es “Solidarität und gemeinsames Handeln zwischen progressiven Kräften auf der ganzen Welt”. Angestrebt werde eine unabhängige Außenpolitik, die “mit unseren Entwicklungsprioritäten im Einklang steht”.
Blockfreiheit helfe, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Afrika leide unter den Folgen des Kriegs, höheren Lebensmittel- und Energiepreisen. “Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer sofortigen globalen Zusammenarbeit”, sagte er. “Wir werden der Welt weiterhin als Gleichberechtigte gegenübertreten”, so der Minister. “In keinem Teil der Welt kann es Frieden geben, in dem Menschen unterdrückt werden oder unter dem Joch des Kolonialismus und der Besatzung leiden.”
Dass in der Vergangenheit zwischen Europa und Afrika nicht immer auf Augenhöhe verhandelt wurde, gesteht Baerbock ein: “Das hinterlässt auch Spuren.” Nicht nur auf wichtigen internationalen Foren wie der Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr, wo es gegenüber den Vorschlägen des globalen Nordens “Vorbehalte” auf Seiten des globalen Südens gab. Baerbock plädiert für “neues Vertrauen gemeinsam für die Zukunft”, um Debatten wie “Nord gegen Süd” oder “West gegen den Rest” zu vermeiden.
Bei Lamola klingt das selbstbewusster und zielgerichteter, wenn er die südafrikanische Außenpolitik skizziert. Er nennt die Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU), setzt sich für eine Stärkung der AU ein und will an der Umsetzung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) arbeiten.
Er verweist auf die Wachstumsprognose der Afrikanischen Entwicklungsbank von 3,7 Prozent in diesem Jahr für den Kontinent. Dies mache Afrika zur am zweitschnellsten wachsenden Region der Welt. “Dieses Wachstum ist ein Beweis für das Potenzial des afrikanischen Kontinents und die positiven Auswirkungen unserer Außenpolitik.”
Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Afrika und lokale Wertschöpfung, auch bei kritischen Mineralien, sollen den Aufschwung tragen. Dazu zählt Lamola auch Solidarität mit Palästina und Westsahara, aber auch ein Weiterverfolgen der Anklage Israels vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Auch nennt Lamola den Multilateralismus, unter anderem zusammen mit den BRICS-Staaten, mit dem er seine Rede schließt. “Da Afrikas Stimme in der G20 durch die Aufnahme der AU als ständiges Mitglied an Bedeutung gewinnt, müssen die Forderungen nach einer veränderten Weltordnung lauter werden”, so Lamola.
Seit Jahren setzt Afrika auf wirtschaftliche Zusammenarbeit mit autoritären Staaten wie China, Russland und dem Nahen Osten, was Baerbock sichtlich ein Dorn im Auge ist. Sie verweist auf die Charta der Vereinten Nationen und beklagt, dass Autokraten “in dieser Zeit verstärkt nach Macht und Einfluss greifen”. “Sie versuchen ganz bewusst, dieses Recht zu brechen, mit militärischer Gewalt oder mit wirtschaftlichem Druck. Dabei versuchen sie auch, die Wunden zu instrumentalisieren, die Europa in der Welt hinterlassen hat, gerade auch hier in Afrika.”
So thematisiert Baerbock die Spätfolgen des Kolonialsims. Ihre Schlussfolgerung: Wegen der Fehler in der Vergangenheit setze sich Deutschland dafür ein, “dass afrikanische Stimmen mehr Mitsprache bekommen, wenn es darum geht, globale Probleme gemeinsam zu lösen.” Etwa im Rahmen der G20, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen.
Erst dann spricht sie von dem, was Deutschland und Europa eigentlich bewegt: das eigene “harte Sicherheitsinteresse” angesichts der Militärcoups in Westafrika. “Deshalb sagen wir auch sehr klar: Wir haben ein starkes Interesse an Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Westafrika. Weil die Sicherheit der Menschen uns wichtig ist. Aber auch, weil wir einen stabilen Nachbarkontinent wollen.” Das will sie über Programme wie Just Energy Transition, Global Gateway oder klimafreundliche Initiativen erreichen. Sie verspricht, “zuzuhören, statt zu belehren”.
Die deutsche Außenpolitik ist eine Politik des schrittweisen Nachgebens. Bei Südafrika zeigt sich ein neues Selbstbewusstsein.
Auf einer Konferenz in Tripolis haben in der vergangenen Woche 28 Delegationen aus Afrika und Europa Strategien zur Eindämmung der irregulären Einwanderung diskutiert. So beschreiben die Veranstalter des “Trans-Mediterranean Migration Forum” das eintägige Treffen in der libyschen Hauptstadt. Neben der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni waren ihre maltesischen und tunesischen Amtskollegen Robert Abela und Ahmed Hachani der Einladung nach Tripolis gefolgt.
Meloni war nach Amtsbeginn im vergangenen Jahr mehrmals persönlich nach Nordafrika gereist und gilt als Hauptinitiatorin von Migrationsabkommen zwischen der EU-Kommission und Ägypten, Tunesien, Libyen sowie Mauretanien.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren das rigorose Vorgehen der Sicherheitskräfte am südlichen Mittelmeer. In Libyen werden tausende Migranten in privaten und staatlichen Gefängnissen festgehalten. In Tunesien leben mehrere zehntausend Migranten und Flüchtlinge auf Olivenhainen nahe der Hafenstadt Sfax. Hilfsorganisationen haben nur begrenzten Zugang zu den Hungernden, die mehrheitlich weiterhin hoffen, nach Europa weiterreisen zu können.
Doch der Rückgang der in Italien ankommenden Boote wird in migrationskritischen Kreisen in Europa als Erfolg der neuen Allianzen Melonis gefeiert. 30.348 Menschen kamen in diesem Jahr bis Anfang Juli auf Lampedusa, Sizilien und dem Festland Italiens an. Das waren 61 Prozent weniger als im selben Zeitraum ein Jahr zuvor.
Auch wenn kein konkretes Abschlussdokument beschlossen wurde, markiert das Forum aus Sicht vieler Teilnehmer einen Wendepunkt in Sachen Migration am südlichen Mittelmeer und in der Sahel-Region. Die Regierung Malis und Vertreter anderer Länder blieben einer zeitgleich in Berlin stattfindenden Sahel-Konferenz fern.
In den Vorjahren waren es stets europäische Initiativen, die in Sachen Migration tonangebend waren. In Nordafrika gilt das Thema bisher als Tabu. Europäische NGOs kritisieren Menschenrechtsverletzungen und Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Migranten aus Subsahara-Afrika. Dies wird in Nordafrika häufig als Fortsetzung kolonialer Politik gewertet. Aber Milizen und Sicherheitskräfte verdienen am Transport der Menschen mit: An Kontrollpunkten in der Sahara leisten die Schmuggler Zahlungen an Armeesoldaten, während Passagiere Fischern, Lastwagen- und Taxifahrern horrende Preise zahlen.
Zuletzt sorgten Berichte von aus Tunesien deportierten Migranten für Entsetzen. Die aus der Elfenbeinküste, Gambia oder dem Sudan kommenden Flüchtlinge wurden nahe dem Grenzübergang Ras Jadir über Mittelsmänner an libysche Milizen übergeben. Aus bewachten Lagerhallen mussten sie Videos von ihren eigenen Folterungen an Verwandte in der Heimat schicken, mit der Forderung, den Entführern 1.000 bis 2.000 Euro Lösegeld per Western Union oder über informelle Überweisungswege zu schicken.
Doch der Umsatz der Migrations-Mafia schwindet wegen der verstärkten Patrouillen auf dem Mittelmeer. “Weniger Abfahrten sind aus Sicht europäischer rechter Parteien ein Erfolg”, sagt Tarek Lamloum, ein Aktivist aus Tripolis. “Doch für Libyen, Tunesien oder Städte wie Agadez in Niger bedeutet dies soziale Spannungen, die den Regierungen gefährlich werden können.”
Die libyschen Gastgeber sind zudem von einer Legitimitätskrise betroffen. Mithilfe des Themas Migration scheinen sie die von westlichen Diplomaten immer wieder geforderte Planung von Neuwahlen verschieben zu wollen. Obwohl sein Mandat im Dezember 2022 abgelaufen ist, hat sich der libysche Ministerpräsident Abdulhamid Dabaiba in den vergangenen Monaten ebenso wie sein Konkurrent, der in Ostlibyen herrschende Feldmarschall Khalifa Haftar, zu einem Hauptverbündeten Europas gegen irreguläre Migration gewandelt.
In seiner Eröffnungsrede schlug Dabaiba am Mittwoch neue Töne an. Alle Länder entlang der Migrationsrouten nach Europa hätten eine moralische Verantwortung gegenüber den Menschen, “die auf ihrer gefährlichen Reise durch die Wüste und über das Meer ihr Leben aufs Spiel setzen”, sagte er beispielsweise.
Mittlerweile sprechen die Organisatoren offen darüber, das Thema Migration nun selbst in die Hand zu nehmen. “Denn seit dem Krieg im Sudan, der massiven Jugendarbeitslosigkeit in Ägypten, Mali und Marokko und der seit Jahren anhaltenden Trockenheit gerät die Lage außer Kontrolle“, sagte ein Berater Dabaibas. Innenminister Imad Trabelsi brachte ebenso wie der tunesische Premierminister Ahmed Hachani auf den Punkt, was das neue Selbstbewusstsein Nordafrikas zum Thema Migration für Europa bedeutet. “Wir benötigen Ressourcen und Geld”, sagte Hachani. “Städte wie Sfax sind jenseits ihrer Belastungsgrenze.”
Meloni forderte in Tripolis die stärkere Bekämpfung der illegalen Schmugglernetzwerke. Dafür war der Konferenzort gut gewählt. Saßen ihr doch einige Milizenkommandeure gegenüber, die Experten der Vereinten Nationen als Drahtzieher des Menschenhandels am südlichen Mittelmeer bezeichnen.
Simbabwes größter Goldproduzent, Kuvimba Mining House, hat ein Trackingsystem eingeführt, das Blockchain-Technologie nutzt, um Gold von der Förderung bis zum internationalen Verkauf genau zu verfolgen. Kuvimba fördert im Durchschnitt rund 300 Kilogramm pro Monat und rechnet im laufenden Jahr mit einer Produktion von 75.000 Unzen zu je 31,1 Gramm.
Bei der Blockchain-Technologie handelt es sich um ein dezentrales digitales Buchführungssystem, das Transaktionen auf mehreren Computern sicher, transparent und unveränderlich aufzeichnet. Der internationale Goldhandel war in der Vergangenheit besonders anfällig für Ausbeutung, Umweltzerstörung und Finanzierung krimineller oder terroristischer Aktivitäten. Deshalb ist eine bessere Nachverfolgung der Herkunft von Gold ein Anliegen zahlreicher Regierungen.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Schweiz. Goldscheideanstalten im Tessin und der Westschweiz bereiten rund 40 Prozent des international gehandelten Edelmetalls auf. Einige Banken in der Schweiz, etwa die Zürcher Kantonalbank oder die Bank Raiffeisen, haben in den vergangenen Jahren Transparenzinitiativen gestartet, um Gold lückenlos vom Abbau bis zur Endverwendung nachverfolgen zu können. Auch manche Goldscheideanstalten haben ähnliche Initiativen beschlossen. So hat die schweizerische Goldraffinerie Argor-Heraeus eine Responsible-Gold-Guidance-Zertifizierung der London Bullion Markets Association, die den wichtigsten außerbörslichen Goldhandel organisiert, eingeführt.
Die Schwierigkeit für eine bessere Nachverfolgbarkeit von Gold ist, dass sich die Herkunft nicht mehr feststellen lässt, wenn es einmal eingeschmolzen ist. Dies ist auch ein Mangel von Zertifizierungssystemen, deren Integrität nur schwer nachzuvollziehen ist.
Deshalb haben der World Gold Council und die London Bullion Markets Association gemeinsam ein Projekt für eine Datenbank begonnen, das die gesamte Lieferkette von Gold auf Blockchain-Basis nachvollziehbar machen soll. Zwei Unternehmen wurden damit beauftragt: Peer Ledgers in Kanada und Axedras in Zug, Schweiz. Die Goldscheideanstalten Argor-Heraeus, Valcambi und Metalor testen die Axedras-Lösung, MKS Pamp den Ansatz von Peer Ledger.
Der entscheidende Vorteil gegenüber bisherigen Zertifizierungen ist: Jedes physische Produkt erhält durch die Blockchain-Technologie einen digitalen Klon. Die Daten liegen dadurch digitalisiert vor, sind fälschungssicher und können problemlos weitergegeben werden. Auch entfällt die Notwendigkeit, ein zentrales Register führen zu müssen. Jedes Unternehmen in der Lieferkette behält die Hoheit über seine Daten.
Gold ist Simbabwes wichtigstes Exportprodukt. Es trägt mehr als 34 Prozent zu den Exporterlösen bei und bringt dem Land jährlich fast 1,2 Milliarden Dollar an Deviseneinnahmen.
“Dieses System ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur vollständigen Rückverfolgbarkeit unserer Goldproduktion von der Mine bis zum Markt”, sagte Trevor Barnard, CEO von Kuvimba Mining House. “Es gewährleistet unsere Legitimität und bestätigt, dass das von uns produzierte Gold verantwortungsvoll abgebaut und verarbeitet wird.”
In der Vergangenheit war der simbabwische Bergbausektor, einschließlich Gold und Diamanten, mit großen Problemen konfrontiert: Konflikte, Menschenrechtsverletzungen und illegaler Handel überforderten die behördliche Aufsicht und beeinträchtigten die nationalen Einnahmen.
Kuvimba Mining House, das sich mehrheitlich im Besitz des Mutapa Investment Fund, dem Staatsfonds Simbabwes, befindet, betreibt in Simbabwe mehr als ein Dutzend Minen in den Bereichen Gold, Platin, Schüttgüter und Energiemineralien.
Neben Gold strebt Kuvimba aktiv Partnerschaften im Sektor der Batteriemineralien an, besondere bei Lithiumanlagen. Die Sandawana-Minen etwa, die im Januar 2023 von einer Smaragdmine in einen bedeutenden Lithiumbetrieb umgewandelt wurden, beherbergen über eine Million Tonnen hochwertiges Erz. Dessen Wert wird auf den internationalen Märkten auf etwa 126 Millionen Dollar geschätzt. Dieses erhebliche wirtschaftliche Potenzial soll genutzt werden: Im Zuge der weiteren Exploration soll die Mine ausgebaut werden.
“Sandawana Mines ist einer der größten Lithium-Vermögenswerte in Simbabwe”, bestätigt Barnard. “Sobald unsere Explorationsarbeiten abgeschlossen sind, rechnen wir damit, dass sie zu den zehn größten Hartgestein-Lithiumvorkommen der Welt gehören werden”, fügte Barnard hinzu. “Wir stehen derzeit in Verhandlungen, um die Mine in Betrieb zu nehmen. Aber unser eigentliches Potenzial in dieser Mine besteht darin, eine Verarbeitungsanlage zu entwickeln, mit der wir ein Konzentrat produzieren, dieses exportieren und dann weitere Aufbereitungsschritte unternehmen können.” Dann könne Kuvimba Chemikalien entwickeln, die in der Batterieindustrie verwendet werden können.
Die Fortschritte bei Kuvimba Mining House und seinen Tochtergesellschaften stärken den Bergbausektor Simbabwes. Damit will Kuvimba zu einer globalen Benchmark für ethische Bergbaupraktiken und nachhaltiges Ressourcenmanagement beitragen. Geo-Tagging und Smart Ledgers gewährleisten Transparenz und Verantwortlichkeit während des gesamten Betriebs.
Der Volkswagen-Marken-CEO und SAFRI-Vorsitzende Thomas Schäfer war am Freitag zum Gespräch in der Table.Briefings-Redaktion in Berlin, um über Volkswagens Erfahrungen auf dem afrikanischen Kontinent zu berichten. Schäfer betonte unter anderem, Afrika sei der letzte Wachstumsmarkt für die Autoindustrie und darum von großer Bedeutung. Seine Kritik am kränkelnden Südafrika, wo Volkswagen in der Provinz Ostkap ein Werk betreibt, will er als Weckruf an die Regierung verstanden wissen, aber keinesfalls als Absage an den Kontinent: “Ich stehe fest zu unserem Werk in Südafrika. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir aber die richtigen Rahmenbedingungen.” Stattdessen setzt Volkswagen darauf, mit einem neuen, in Südafrika produzierten Modell vermehrt den afrikanischen Markt zu bedienen. “Wir haben in Afrika bisher immer gute Geschäfte gemacht,” sagt Schäfer. “Die Risikoeinschätzung mit Blick auf den Kontinent halte ich für überzogen.”
Das noch namenlose neue Modell soll mit einem Verbrennermotor fahren, doch auch Schäfer hat erkannt: “Auf dem Kontinent werden sicher noch länger Verbrenner genutzt werden als anderswo. Aber auch in Afrika ist die Zukunft eindeutig elektrisch.”
Neben dem Werk in Südafrika und den Montagewerken in Kenia, Ghana und Ruanda hat Volkswagen vor kurzem auch eine Absichtserklärung mit Ägypten über ein Montagewerk unterzeichnet. Afrika sei künftig vor allem als zu erschließender Absatzmarkt interessant, auch aufgrund der angekündigten Verbrennerverbote im globalen Norden, erzählt Schäfer. Gerade große Länder wie Ägypten, Äthiopien und Nigeria brauchten eine eigene Autoindustrie. Geringere Lohnkosten seien hingegen aufgrund des hohen Grads der Automatisierung in der Autoindustrie weniger relevant.
Einige Länder, etwa Ghana und Ruanda, gingen bei der Schaffung eines politischen Rahmens für entsprechende Investitionen mit gutem Beispiel voran, berichtet Schäfer. Deutsche Unternehmen sollten mutiger sein und diese Chancen auf dem Kontinent ergreifen, findet er. Wenn größere Unternehmen vorangingen, könnten sich auch mehr Mittelständler nach Afrika wagen. “Ich verstehe, dass deutsche Unternehmen zögerlich sind, aber es lohnt sich.” Dabei sei es aber von höchster Bedeutung, sich vor der Wahl des Standorts und der Partner umfassend zu informieren. Auch müsse man Geduld, Mut und den Willen, etwas zu bewegen, mitbringen, so Schäfer.
Schäfer begrüßte die wachsende Konkurrenz mit chinesischen Herstellern auch auf dem Kontinent mit dem Hinweis, Wettbewerb sei etwas Positives. “Wir stellen uns dieser Herausforderung”, so der VW-Chef. Überhaupt rät Schäfer davon ab, den chinesischen Ansatz ständig zu bashen: “China hat sich dank politischem Willen und industriellem Mut entwickelt. Das braucht es in Afrika auch.” Dass China in Afrika mit großen Infrastrukturprojekten punkte, während deutsche und europäische Unternehmen abgehängt würden, könne man nicht China anlasten. Dies zu ändern, liege vielmehr an den relevanten Akteuren in Europa. ajs
Nachdem Joe Biden am Sonntag seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als US-Präsident zurückgezogen hat, will US-Vizepräsidentin Kamala Harris für die Demokraten in das Rennen um das höchste Amt in den USA gehen. Mit Blick auf Afrika ist Harris eine interessante Kandidatin. Denn zuletzt hat sie ihr Profil bezüglich des Kontinents deutlich geschärft.
Im Frühjahr 2023 besuchte Harris auf einer fünftägigen Reise Ghana, Tansania und Sambia. Harris hatte dem Besuch damals besondere “persönliche Bedeutung” zugesprochen, da sie die erste Schwarze US-Vizepräsidentin sei, die den Kontinent besucht habe. Harris hat indisch-tamilische und afro-jamaikanische Wurzeln.
Mit ihrem Besuch übernahm Harris eine Führungsrolle bei der angestrebten Vertiefung der Beziehungen zwischen Afrika und den USA, die beim US-Africa-Summit 2022 im Mittelpunkt stand. Ihren Fokus legte die Vizepräsidentin bisher auf die Stärkung der Rolle der Frau, die Unterstützung bei der Klimaanpassung und die Verbesserung der digitalen Teilhabe. Auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang dieses Jahres forderte Harris ein Umdenken: weg von Entwicklungshilfe, hin zu Partnerschaften. “Die Innovationen, die auf dem Kontinent entwickelt werden, werden die Zukunft unserer Welt gestalten”, sagte Harris. Biden hatte Afrika in seiner Amtszeit lediglich für die Klimakonferenz in Ägypten im November 2022 besucht.
Ob Harris tatsächlich für die Demokraten als Präsidentschaftskandidatin antreten wird, entscheidet sich auf dem Parteitag, der vom 19. bis 22. August in Chicago stattfinden wird. Die Präsidentschaftswahlen sind für den 5. November geplant. dre/frn
Financial inclusion gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika. Marokko hat im vergangenen Jahr einen großen Schritt in diese Richtung getan, wie aus der neuesten Bankenstatistik der marokkanischen Zentralbank, Bank Al-Maghrib, hervorgeht.
Demnach gab es in Marokko 36,3 Millionen aktive Bankkonten zum Jahresende 2023. Das bedeutet einen Anstieg von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 18,2 Millionen Personen von insgesamt gut 37 Millionen Marokkanern besaßen ein eigenes Bankkonto. 62 Prozent von ihnen waren Männer, 38 Prozent Frauen. Allerdings waren unter denjenigen, die 2023 ein Bankkonto neu eröffnet haben, 45 Prozent Frauen. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich der Zugang von Frauen zu Bankdienstleistungen verbessert.
Auch für die junge Bevölkerung wird es offenbar leichter, ein Bankkonto zu eröffnen. Unter den Eröffnern eines Bankkontos waren 30 Prozent zwischen 20 und 25 Jahren alt, 18 Prozent zwischen 18 und weniger als 20 Jahren. 54 Prozent der marokkanischen Bevölkerung besaßen laut der Zentralbank Ende 2023 mindestens ein aktives Bankkonto.
Nur 49 Prozent der in Afrika lebenden Menschen hatten laut Weltbank im Jahr 2022 Zugang zu Bankdienstleistungen. Immerhin hat sich ihr Anteil seit 2011 damit in etwa verdoppelt. Die Institution beklagt vor allem regionale große Unterschiede: Gerade einmal sechs Prozent der Bevölkerung im Südsudan hat ein eigenes Bankkonto. Auf Mauritius sind es 91 Prozent. In Kenia sind es 79 Prozent, im Senegal 56 Prozent und in Südafrika 85 Prozent.
Vor allem Frauen sind beim Zugang zu einem Bankkonto benachteiligt. Rund 500 Millionen Frauen in Afrika, davon mehr als 300 Millionen in den Ländern südlich der Sahara, sind nach wie vor von formellen Finanzsystemen ausgeschlossen, kritisierte jüngste die Lobbyorganisation Women’s World Banking.
Das behindert Frauen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Ein Bericht der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) aus dem Jahr 2023 zeigt, dass frauengeführte Unternehmen in Afrika im Vergleich zu von Männern geleiteten Unternehmen ein Finanzierungsdefizit von 42 Milliarden Dollar aufweisen. hlr
Die unmenschliche Behandlung von Minenarbeitern durch ihre chinesischen Vorgesetzten in Simbabwe hat erneut große Empörung ausgelöst. Vergangene Woche war in den sozialen Medien ein beunruhigendes Video aufgetaucht, das zeigt, wie chinesische Manager Anweisungen geben, die Hände eines Arbeiters zu fesseln und ihn mit einem Frontlader in die Luft zu heben. Das Opfer, ein Angestellter der Makanga-Mine in Bindura, wurde angeblich für den Diebstahl von Diesel bestraft.
Nach der Verbreitung des Videos gab die simbabwische Polizei die Verhaftung der beschuldigten chinesischen Manager bekannt, was die Gemüter der empörten Bürger vorübergehend erleichterte. Die Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer, da die Beschuldigten wenige Stunden später ohne Gerichtsverfahren abgeschoben wurden. Dies führte zu schwerer Kritik seitens einiger Simbabwer, die der Meinung waren, dass sie für ihre “barbarischen Taten” gerichtlich hätten belangt werden müssen.
Die Oppositionspartei Zimbabwe Independence Movement bezeichnete den Vorfall als “leichtes Entkommen” und verurteilte die Vorgehensweise der Regierung. Da die Angeklagten nicht vor Gericht gestellt wurden, habe es keine Gerechtigkeit für die von ihnen begangenen Verbrechen gegeben.
Nick Mangwana, Staatssekretär für Information, Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunk, verteidigte die Entscheidung jedoch auf dem Kurznachrichtendienst X mit der Begründung, dass es das Land mehr kosten würde, sie zu ernähren und im Gefängnis zu halten.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Video, das die unmenschliche Behandlung von Bergarbeitern durch Chinesen zeigt, viral geht. Vor einem Jahr ging ein Video eines Chinesen, der einen Bergarbeiter auspeitscht, ebenfalls in den sozialen Medien viral.
Die simbabwischen Gewerkschaften haben sich dafür eingesetzt, dass die Regierung Ende 2023 eine Untersuchung über die Behandlung der Arbeiter einleitet, da über niedrige Löhne, Folter und Schläge berichtet worden war. Unternommen wurde allerdings nichts, was zu dem Vorwurf führte, die Regierung sei in Anbetracht der hohen Investitionen, die Chinesen in Simbabwe getätigt haben, zu nachsichtig mit ihnen und habe Angst, ihnen auf die Füße zu treten. frn
Während die EU immer neue Gesetze verabschiedet, um Nutzer bei der Verwendung von Apps vor Schaden zu bewahren, sind die Regeln im globalen Süden oft weniger streng. Was das zum Beispiel im Fall von Tiktok Lite bedeutet, haben Mozilla und AI Forensics in einer gemeinsamen Studie untersucht, die Table.Briefings vorab vorlag. Dabei haben die Autoren erhebliche Sicherheitsprobleme aufgedeckt.
Tiktok Lite ist eine reduzierte Version der Tiktok-App, die auch bei einfachen Smartphones und geringer Bandbreite funktioniert. Sie wird daher von Milliarden Menschen besonders in Ländern des globalen Südens genutzt. Tiktok hatte die Lite-Version im April auch in Spanien und Frankreich eingeführt, was sofort eine Gegenreaktion der EU-Kommission auslöste. Daraufhin stellte Tiktok sein umstrittenes Belohnungssystem dort ab.
Es sei eine bewährte Technik, beide Versionen der Anwendung in verschiedenen Teilen der Welt auszurollen, sagt Odanga Madung, Datenjournalist und Forscher in Kenia. “Plattformen erkennen, dass ein sehr großer Teil der Weltbevölkerung unter Bedingungen ins Internet kommt, die sich stark von den wohlhabenden Märkten unterscheiden.” Die nicht wie in den USA und der EU über hochwertige Smartphones mit den neuesten Versionen der Betriebssysteme sowie einfachem Zugang zu Elektrizität und zum Internet verfügten.
“Grundsätzlich werden viele dieser Anwendungen in Ökosystemen der Fülle erstellt, die möglicherweise nicht unbedingt in Ökosystemen wie in meinem Land, in Kenia, verfügbar sind”, sagt Madung. Dennoch seien gerade diese Regionen die Wachstumstreiber der Technologieplattformen. Facebook sei in diesem Bereich sehr aktiv. Auch Google habe ein eigenes Set von Lite-App-Tools namens Go, die Google im globalen Süden zuerst veröffentliche. Es sei “eine bewährte Methode zur Generierung von Wachstum in den aufstrebenden Märkten der globalen Mehrheit”.
Weil andere Länder die strenge Regulierung der EU nicht übernehmen, nutzten die Anbieter diese Lücken, um auf Sicherheitsmaßnahmen zu verzichten. “Leider gibt es hier keinen Brüssel-Effekt, eher das Gegenteil”, sagt Salvatore Romano von AI Forensics.
Erstaunlich ist: “Aus technischer Sicht, gibt es keinen Grund auf diese Sicherheitsfunktionen zu verzichten”, sagt Romano. Es habe sich gezeigt, dass diese Funktionen keinen hohen Datenverkehr verursachten. “Es scheint vielmehr eine Strategie zu sein, die höheren Standards dort einzuhalten, wo es erforderlich ist, und dort nicht, wo es nicht obligatorisch ist, wie zum Beispiel außerhalb Europas.”
In den Ländern Afrikas oder Südamerikas verfügt Tiktok Lite beispielsweise nicht über Warnhinweise oder Labels
Außerdem sind Beschreibungen von Videos in Tiktok Lite oft gekürzt, weshalb wichtige Informationen verloren gehen können. Zudem fehlt es an Benutzerkontrollen wie Kommentarfilterung und Bildschirmzeitmanagement. Es gibt außerdem keine Optionen, um unangemessene Inhalte einzuschränken, die möglicherweise nicht für alle Nutzer geeignet sind. vis
Der angesehene Politikwissenschaftler Eghosa E. Osaghae hatte seine Standardgeschichte Nigerias seit der Unabhängigkeit von 1998 mit “Der verkrüppelte Riese” betitelt. Osaghae hätte sich kaum vorstellen können, dass dieser Begriff 25 Jahre später wieder so an Aktualität gewinnen würde.
Der IWF und die Weltbank begrüßten Präsident Tinubus Entscheidung, nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt die Subventionen für Benzin abzuschaffen und den Wechselkurs der Naira freizugeben. Dies haben sie als notwendige Reform für den Beginn einer neuen Wachstumsära angepriesen. Das war vor gut einem Jahr. Kürzlich stellte Tinubu bei der ersten Sitzung seines Presidential Economic Coordination Council (PECC) einen Stabilisierungs- und Weiterentwicklungsplan von zwei Billionen Naira (1,1 Milliarden Euro) vor, der auf die Wiederbelebung der Wirtschaft in Rekordzeit von sechs Monaten abzielt – und das, obwohl die Regierung klamm ist.
Vielen ausländischen Beobachtern ist entgangen, dass ein Plan fehlt, der diejenigen schützt, die am stärksten unter den Reformen leiden, nämlich die größer werdende Zahl von Nigerianern, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Regierung Tinubu läuft seitdem der Entwicklung hinterher, während die Inflation der Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen ist. Gleichzeitig ist die Lebensmittelproduktion eingebrochen, weil die Inputkosten, in Naira gerechnet, unerträglich hoch geworden sind und die desaströse Sicherheitslage die Wirtschaft lähmt.
Die Regierung griff auf “Palliativmaßnahmen” zurück – sie hat 70.000 Tonnen Reis kostenlos verteilen lassen. Die Auswirkung blieb unbedeutend. In den großen Städten des Nordens herrscht Brotknappheit. Die WHO berichtet über Millionen unterernährter Säuglinge. Und es laufen Antikorruptionsuntersuchungen, die das “Verschwinden” von genau solchen Mitteln für Palliativmaßnahmen unter der letzten Regierung betreffen. Die Regierung kommentierte lapidar: “Bedauerlicherweise sind die Preise weiter gestiegen, und in einigen Fällen sind Lebensmittel heutzutage nicht mehr erhältlich.”
Die neue Lösung: Aussetzung der Einfuhrzölle auf Grundnahrungsmittel wie Mais, braunen Reis, Weizen und Bohnen. Gleichzeitig kündigten die Behörden an, man werde “die Produktion von Grundnahrungsmitteln, die von Kleinbauern angebaut werden, von 127 Millionen Tonnen im Jahr 2023 auf 135 Millionen Tonnen in diesem Jahr steigern und die Produktion durch Partnerschaften mit Großbauern stärken.” (Letzteres steht im Fokus neuer Antikorruptionsuntersuchungen.) Außerdem werde die Regierung 250.000 Tonnen Weizen und 250.000 Tonnen Mais importieren.
Nach der Freigabe des Wechselkurses wurde es für ausländische Unternehmen fast unmöglich, die inzwischen vernachlässigbaren Gewinne zu repatriieren. So entschieden sich Konzerne wie der Pharmakonzern GSK, sich aus Nigeria zurückzuziehen. Seitdem fehlen auch bezahlbare Medikamente. Das neue Stabilisierungsprogramm soll nun “80 bis 90 Millionen Nigerianern lebenswichtige Medikamente zu niedrigeren Kosten zur Verfügung stellen und den Krankenversicherungsschutz für eine Million gefährdete Menschen ausweiten”. In der vergangenen Woche wurden außerdem die Zölle auf pharmazeutische Wirkstoffe abgeschafft.
All dies wird die Regierung Geld kosten, entweder weil sie die versprochenen Güter kauft und verschenkt oder weil sie Einnahmen einbüßt. Zölle sind eine wichtige Einnahmequelle des Staats. In dieser Situation sind die jüngsten Zahlen des Debt Management Office entmutigend. Unter Präsident Muhammadu Buhari stieg die Staatsverschuldung von 12,6 Billionen Naira im Jahr 2015 auf 97,3 Billionen Naira im Jahr 2023. Allein zwischen Dezember 2023 und März 2024 ist die Staatsverschuldung um weitere 24,3 Billionen Naira gestiegen. Mehr als 30 Prozent des Haushalts fließen in den Schuldendienst, aber die Regierung schränkt sich nicht ein.
Woher soll also das Geld kommen? In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der staatlich kontrollierte Energiekonzern NNPC plötzlich versucht, einen Kredit von einer Milliarde Dollar als Barzahlung gegen künftige Öllieferungen aufzunehmen.
Alles deutet daraufhin, dass Tinubu sowohl eine kohärente Wirtschaftspolitik als auch eine schlüssige Wirtschaftsplanung fehlt. Man könnte auch annehmen, dass Kabinettsentscheidungen spontan und ohne ernsthafte Berücksichtigung der Kosten getroffen werden. Hinzu kommt die Unsicherheit darüber, was die Regierung will.
Während die Zentralbank im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen erhöht hat, verspricht sie im Rahmen des “Stabilisierungsprogramms” Unternehmen, “die Fertigwaren für den Inlands- und Exportmarkt produzieren”, niedrige langfristige Zinssätze. Dasselbe gilt für KMU. Ein solcher Mangel an politischer Klarheit ist Gift für die Wirtschaft. Papier mag geduldig sein, hungrige Münder sind es nicht.
Und bei all dem bleibt die Grundursache für den Zusammenbruch der Steuereinnahmen aus der verarbeitenden Industrie unbeachtet: die mangelhafte Stromversorgung. Vor wenigen Tagen ist das nationale Stromnetz erneut zusammengebrochen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Regierung ernsthaft darüber nachdenkt, das Licht wieder anzuschalten und die Maschinen wieder zum Laufen zu bringen.
Wenn die Betriebe Höchstpreise für Strom zahlen müssen, wie sollen sie dann jemals gegen Konkurrenten antreten, die beispielsweise in Äthiopien ein Fünftel des Preises für eine Kilowattstunde zahlen? Die einzige Möglichkeit für die Regierung besteht dann darin, entweder zuzusehen, wie die Unternehmen schließen, oder sie muss selbst Schutzmaßnahmen einführen: zum Beispiel für bestimmte Güter die Zölle erhöhen oder Einfuhrverbote verhängen. Also genau das Gegenteil dessen, was sie jetzt tut. Aber auch das würde Planung erfordern.
Dr. Jeremy Gaines ist Gründer der Unternehmensberatung Gaines Consulting und ehemaliger Koordinator der Deutsch-Nigerianischen Energiepartnerschaft.
Foreign Affairs: Die Krise am Roten Meer geht über die Huthis hinaus. Mehrere Kriege verursachen eine tiefe Instabilität am Horn von Afrika und tragen zur Krise am Roten Meer bei. Ein sich ausbreitendes Netz von inner- und zwischenstaatlichen Konflikten, das sich vom Sudan bis nach Somalia erstreckt, könnte in der gesamten Region ein noch nie dagewesenes Chaos verursachen. Um die sich abzeichnende Katastrophe abzuwenden, müssen die Vereinigten Staaten das Rote Meer und die umliegenden Länder (am Horn von Afrika und darüber hinaus) als zusammenhängenden geopolitischen Raum erkennen, schreibt eine Gruppe von US-Experten.
Le Monde: Ugandische Polizei umstellt Büros der Opposition. Die Räumlichkeiten der Partei von Bobi Wine, dem wichtigsten Oppositionspolitiker in Uganda, wurden am Montag von der Polizei umstellt. Dies geschieht am Vorabend einer von den Behörden verbotenen aber von den Organisatoren weiterhin geplanten Demonstration gegen Korruption. Das Hauptquartier der National Unity Platform (NUP) am Rande der Hauptstadt Kampala werde “von schwer bewaffneter Polizei und Militär belagert. Das haben wir von diesem Regime erwartet, aber wir werden den Kampf für die Befreiung Ugandas nicht aufgeben”, sagte Bobi Wine. Der ehemalige Popstar hatte Präsident Yoweri Museveni bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2021 herausgefordert. Während dieser Wahl wurden Demonstrationen gegen eine erneute Verhaftung von Bobi Wine von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt, wobei es mindestens 54 Tote gab.
Al Jazeera: Malaria-Impfkampagne in Westafrika. Elfenbeinküste hat die ersten Dosen Malaria-Impfstoff vom weltweit größten Impfstoffhersteller, dem Serum Institute of India, erhalten und letzte Woche mit einer landesweiten Impfaktion begonnen. Insgesamt wurden 656.600 Dosen des neuen R21/Matrix-M-Malariaimpfstoffs an die Elfenbeinküste geliefert, wo zunächst 250.000 Kinder geimpft werden. Nach der Elfenbeinküste wird die Aktion auf andere afrikanische Länder ausgeweitet, zunächst auf Burkina Faso. Das Globale Malariaprogramm der WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Malariafälle bis 2030 um 90 Prozent zu senken.
Reuters: Meta muss 220 Millionen Dollar Strafe an Nigeria zahlen. Nigeria hat den Facebook-Mutterkonzern Meta mit einer Geldstrafe in Höhe von 220 Millionen Dollar belegt, nachdem Untersuchungen ergeben hatten, dass die Weitergabe von Daten auf sozialen Plattformen gegen die dortigen Verbraucher-, Datenschutz- und Privatsphäregesetze verstößt. Die nigerianische Bundeskommission für Wettbewerb und Verbraucherschutz (FCCPC) erklärte, Meta habe sich die Daten nigerianischer Nutzer auf seinen Plattformen ohne deren Zustimmung angeeignet, seine Marktdominanz missbraucht, indem es den Nutzern ausbeuterische Datenschutzrichtlinien aufzwang, und Nigerianer diskriminierend und ungleich behandelt. Unterdessen hat die südafrikanische Wettbewerbsbehörde angekündigt, zu untersuchen, ob digitale Plattformen, darunter Meta, in unlauterer Weise mit Nachrichtenverlagen konkurrieren, indem sie deren Inhalte zur Erzielung von Werbeeinnahmen nutzen.
New York Times: Der vergessene Konflikt im Westen der DR Kongo fordert Tausende Tote. Überschattet von den Kämpfen im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat ein Streit zwischen zwei ethnischen Gruppen im Westen des Landes dazu geführt, dass in der Nähe der Hauptstadt Kinshasa Tausende von Zivilisten getötet und mehr als 550.000 Menschen vertrieben wurden. Die Initialzündung für den Konflikt vor zwei Jahren war ein Steuerstreit zwischen den lokalen ethnischen Gruppen, den Teke und den Yaka. Seitdem hat sich der Konflikt zu einem Kampf um den Zugang zu Land ausgeweitet, mit einer blutigen Spur von Hinrichtungen, niedergebrannten Dörfern und sexueller Gewalt.
The Economist: Afrikas neues Zeitalter der Eisenbahn. Mit riesigen Projekten wie dem Lobito-Korridor oder der Trans-Guineischen Eisenbahn schieben afrikanische Staaten den Ausbau ihrer Infrastruktur an. Einer Schätzung zufolge sind bis 2050 Investitionen von 105 Milliarden Dollar pro Jahr erforderlich, wenn die Netzdichte in Afrika mit der Chinas oder Indiens mithalten soll. In anderen Teilen der Welt haben Eisenbahnen oft zum Aufstieg von Nationen beigetragen, indem sie die Urbanisierung vorantrieben, Industriecluster schufen und für Wirtschaftswachstum sorgten. Wenn Afrikas neues Eisenbahnzeitalter diese Art von Spillover-Effekten bringen soll, muss es über die bloße Anbindung von Rohstoffkorridoren an Häfen hinausgehen.
Bloomberg: Capitec stellt Bankensystem nach weltweitem Ausfall wieder her. Nur wenige Stunden nach dem weltweiten Computerausfall, der Flughäfen und Banken weltweit lahmgelegt hat, habe sie alle ihre Bankdienstleistungen wieder online anbieten können, teilte Capitec, die nach Zahl der Kunden größte Bank Südafrikas, am Wochenende mit. Damit hat die Bank schneller die Krise überwunden als viele Kreditinstitute in Europa.
African Arguments: Der lange Schatten des deutschen Kolonialismus. Obwohl das Erbe der deutschen Kolonialherrschaft auf wachsendes Interesse stößt, neigen viele in Deutschland immer noch dazu, die dreißig Jahre des Überseeimperiums als eine vernachlässigbare historische Episode herunterzuspielen, schreibt der deutsch-namibische Afrikahistoriker Henning Melber. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag unter der Überschrift “Koloniales Erbe” die Absicht erklärt, die deutsche Kolonialgeschichte aufzuarbeiten – dabei gibt es solide, kompetente und unabhängige wissenschaftliche Arbeiten zur Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus schon fast im Überfluss, so Melber. Er fragt sich, ob die erklärte Absicht der Regierung ein Zeichen von Ignoranz ist oder einfach nur die Blindheit der offiziellen Politik und der politischen Entscheidungsträger widerspiegelt.
Die sozialen Medien in Westafrika überschlugen sich an diesem Wochenende mit Beileidsbekundungen. Am Freitag, 19. Juli ist der malische Musiker und zweifache Grammy-Preisträger Toumani Diabaté in der Klinik Golden Life in Bamako nach kurzer Krankheit im Alter von 58 Jahren gestorben. Viele Künstler gedachten einem der größten Musiker Westafrikas: Youssou Ndour, Salif Keïta, Alpha Bondy, Fatoumata Diawara, Oumou Sangaré, Shyan Kishore, Cheikh Tidiane Seck, Mathieu Chédid und viele andere.
Am 10. August 1965 in Bamako geboren, entstammte Diabaté einer Familie von Griots. Er gehörte zur 71. Griot-Generation in der Familie. Griots, die in Mali “Djéli” genannt werden, sind hochangesehene Geschichtenerzähler und Barden, die in mancher Hinsicht den Minnesängern des europäischen Mittelalters ähneln. Griots sind die Träger des kulturellen Erbes in Westafrika. In Gedichten, Gesängen und Erzählungen halten sie Traditionen, Brauchtum, Vorbilder und Heldengeschichten lebendig. Sie bilden eine homogene Gesellschaftsschicht, die traditionell unter sich heiratet.
“Man wird nicht Griot, man wird durch besondere Verbindungen als Griot geboren“, heißt es. Griots sind meist am Familiennamen zu erkennen. In der Regel heißen sie Sissoko, Kouyaté, Danté, Kamisoko, Koné, Konè, Soumano, Sako, Susso oder eben Diabaté. “Wäre Westafrika eine lebende Person, dann wären die Griots ihr Blut”, lautet ein anderes Sprichwort.
Toumani Diabatés Vater war der berühmte Griot und Kora-Spieler Sidiki Diabaté (1922 bis 1996), der als König der Kora berühmt geworden ist. Seine Mutter Nama “Néné” Koïta hatte sich als Sängerin einen Namen gemacht. Toumani Diabaté begann im Alter von fünf Jahren ebenfalls die Kora zu erlernen. Sein Vetter ist der Musiker Mamadou Diabaté, sein Sohn der Rap- und Hip-Hop-Musiker Sidiki Diabaté. 2020 saß dieser drei Monate in Mali unter dem Vorwurf häuslicher Gewalt gegen seine damalige Freundin Mariam Sow in Untersuchungshaft.
Die Kora ist eine Stegharfe mit 21 Saiten und einem ballonförmigen, fellüberzogenen Resonanzkörper mit einem Durchmesser von 40 bis 60 Zentimetern. Dieser hat seitlich ein etwa zehn Zentimeter großes Loch. Durch diesen Klangkörper wird der 1,2 bis 1,4 Meter lange Hals geführt. Die Saiten liegen allerdings nicht horizontal, sondern werden vertikal über einen aufrechten Steg geführt. Um den Ursprung der Kora ranken sich viele Legenden. In der Regel wird sie auf den Grundton F gestimmt und mit den Daumen und Zeigefingern gespielt.
Toumani Diabaté war nicht nur einer der größten Virtuosen auf der Kora. Er wurde auch eine Identitätsfigur für das wachsende Selbstbewusstsein einer Bevölkerung in Westafrika, die sich ihrer traditionellen Wurzeln immer stärker bewusst wird. Dabei hat er selbst sich nie politisch betätigt oder geäußert.
Sein Einfluss reichte weit über den Sahel hinaus: “Über seinen riesengroßen Beitrag zum musikalischen Erbe Malis hat Toumani Diabaté eine Schlüsselrolle in der Verbindung der Kulturen gespielt”, schrieb das Journal du Niger am Samstag.
In der Tat hat Diabaté nicht nur mit vielen Musikern aus Afrika gespielt, sondern auch die westafrikanische Musik für die Welt geöffnet. So spielte er mit dem kubanischen Orchester Buena Vista Social Club, mit der spanischen Flamenco-Band Ketama oder mit dem amerikanischen Blues-Gitarristen Taj Mahal.
Selbst mit dem Gitarristen der Rolling Stones, Keith Richards, hat er gespielt. Aber auch mit der isländischen Popikone Björk machte er Musik oder mit dem ehemaligen Frontmann der britischen Band Blur, Damon Albarn. Musikgeschichte hat das Album In the Heart of the Moon geschrieben, das Diabaté im Jahr 2005 zusammen mit Ali Farka Touré aufgenommen und an dem Ry Cooder am Klavier teilgenommen hat.
Ali Farka Touré stammte wie Diabaté aus Mali, spielte traditionelle Saiteninstrumente wie die Gurkel, die Njarka oder die Ngoni. International berühmt wurde Touré mit der Gitarre. Mit Ry Cooder hatte Touré das legendäre Album Talking Timbuktu aufgenommen. Touré starb ein Jahr nach der Aufnahme mit Diabaté, 2006, an Knochenkrebs. Ein zweites Album, Ali and Toumani, vereinte ebenfalls afrikanische und amerikanische Musiker. Es erschien nach Tourés Tod im Jahr 2010.
Afrika trauert um einen weiteren Botschafter seines kulturellen Reichtums. Christian v. Hiller
es ist erstaunlich, wie nah Europa und Afrika beieinander liegen. Gerade einmal 14 Kilometer trennen die beiden Kontinente an der Straße von Gibraltar. Und doch scheinen sie unendlich weit auseinander zu liegen. Das zumindest legt ein Vergleich einer Rede von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und einer Rede des neuen Außenministers von Südafrika, Ronald Lamola, nahe. Mein Kollege Andreas Sieren hat die beiden miteinander verglichen – und der Vergleich liest sich wie ein Theaterstück von Eugène Ionesco.
Daneben haben wir wieder weitere lesenswerte Analysen, News, Porträts und Standpunkte. Lesen Sie rein.
Während ihrer Reise in den Senegal und in die Elfenbeinküste in der vergangenen Woche hat Außenministerin Annalena Baerbock anlässlich des Neubaus des Goethe-Instituts in Dakar detailliert über die deutsche Außenpolitik gegenüber Afrika gesprochen.
Auch der neue Außenminister von Südafrika, Ronald Lamola, sprach vor kurzem in Kapstadt auf einer Veranstaltung des Thinktanks South African Institute for International Affairs (SAIIA) und des Außenministeriums (DIRCO) über die Sicht Südafrikas auf die Welt.
Lamola, ehemals Justizminister, ist mit 40 Jahren einer der jüngsten Minister im neuen Kabinett von Präsident Cyril Ramapahosa. Damit zählen beide zu einer neuen Generation von Politikern. Baerbock ist nur drei Jahre älter als Lamola.
Annalena Baerbock zitierte anfangs den senegalesischen promovierten Ökonom Felwine Sarr: “Es ist nicht an ihnen zu entscheiden, wohin unsere Träume gehen sollen und wie wir die Welt sehen und deuten.” Selbstbestimmung, erkennt Baerbock an, ist Afrika wichtig und zählt dann deutsche Erfolge im Senegal auf.
Lamola hingegen sprach anfangs von Werten, denen Südafrika folgt. Um die “existentiellen Herausforderungen der Welt” anzugehen, brauche es “Solidarität und gemeinsames Handeln zwischen progressiven Kräften auf der ganzen Welt”. Angestrebt werde eine unabhängige Außenpolitik, die “mit unseren Entwicklungsprioritäten im Einklang steht”.
Blockfreiheit helfe, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Afrika leide unter den Folgen des Kriegs, höheren Lebensmittel- und Energiepreisen. “Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer sofortigen globalen Zusammenarbeit”, sagte er. “Wir werden der Welt weiterhin als Gleichberechtigte gegenübertreten”, so der Minister. “In keinem Teil der Welt kann es Frieden geben, in dem Menschen unterdrückt werden oder unter dem Joch des Kolonialismus und der Besatzung leiden.”
Dass in der Vergangenheit zwischen Europa und Afrika nicht immer auf Augenhöhe verhandelt wurde, gesteht Baerbock ein: “Das hinterlässt auch Spuren.” Nicht nur auf wichtigen internationalen Foren wie der Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr, wo es gegenüber den Vorschlägen des globalen Nordens “Vorbehalte” auf Seiten des globalen Südens gab. Baerbock plädiert für “neues Vertrauen gemeinsam für die Zukunft”, um Debatten wie “Nord gegen Süd” oder “West gegen den Rest” zu vermeiden.
Bei Lamola klingt das selbstbewusster und zielgerichteter, wenn er die südafrikanische Außenpolitik skizziert. Er nennt die Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU), setzt sich für eine Stärkung der AU ein und will an der Umsetzung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) arbeiten.
Er verweist auf die Wachstumsprognose der Afrikanischen Entwicklungsbank von 3,7 Prozent in diesem Jahr für den Kontinent. Dies mache Afrika zur am zweitschnellsten wachsenden Region der Welt. “Dieses Wachstum ist ein Beweis für das Potenzial des afrikanischen Kontinents und die positiven Auswirkungen unserer Außenpolitik.”
Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Afrika und lokale Wertschöpfung, auch bei kritischen Mineralien, sollen den Aufschwung tragen. Dazu zählt Lamola auch Solidarität mit Palästina und Westsahara, aber auch ein Weiterverfolgen der Anklage Israels vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Auch nennt Lamola den Multilateralismus, unter anderem zusammen mit den BRICS-Staaten, mit dem er seine Rede schließt. “Da Afrikas Stimme in der G20 durch die Aufnahme der AU als ständiges Mitglied an Bedeutung gewinnt, müssen die Forderungen nach einer veränderten Weltordnung lauter werden”, so Lamola.
Seit Jahren setzt Afrika auf wirtschaftliche Zusammenarbeit mit autoritären Staaten wie China, Russland und dem Nahen Osten, was Baerbock sichtlich ein Dorn im Auge ist. Sie verweist auf die Charta der Vereinten Nationen und beklagt, dass Autokraten “in dieser Zeit verstärkt nach Macht und Einfluss greifen”. “Sie versuchen ganz bewusst, dieses Recht zu brechen, mit militärischer Gewalt oder mit wirtschaftlichem Druck. Dabei versuchen sie auch, die Wunden zu instrumentalisieren, die Europa in der Welt hinterlassen hat, gerade auch hier in Afrika.”
So thematisiert Baerbock die Spätfolgen des Kolonialsims. Ihre Schlussfolgerung: Wegen der Fehler in der Vergangenheit setze sich Deutschland dafür ein, “dass afrikanische Stimmen mehr Mitsprache bekommen, wenn es darum geht, globale Probleme gemeinsam zu lösen.” Etwa im Rahmen der G20, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen.
Erst dann spricht sie von dem, was Deutschland und Europa eigentlich bewegt: das eigene “harte Sicherheitsinteresse” angesichts der Militärcoups in Westafrika. “Deshalb sagen wir auch sehr klar: Wir haben ein starkes Interesse an Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Westafrika. Weil die Sicherheit der Menschen uns wichtig ist. Aber auch, weil wir einen stabilen Nachbarkontinent wollen.” Das will sie über Programme wie Just Energy Transition, Global Gateway oder klimafreundliche Initiativen erreichen. Sie verspricht, “zuzuhören, statt zu belehren”.
Die deutsche Außenpolitik ist eine Politik des schrittweisen Nachgebens. Bei Südafrika zeigt sich ein neues Selbstbewusstsein.
Auf einer Konferenz in Tripolis haben in der vergangenen Woche 28 Delegationen aus Afrika und Europa Strategien zur Eindämmung der irregulären Einwanderung diskutiert. So beschreiben die Veranstalter des “Trans-Mediterranean Migration Forum” das eintägige Treffen in der libyschen Hauptstadt. Neben der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni waren ihre maltesischen und tunesischen Amtskollegen Robert Abela und Ahmed Hachani der Einladung nach Tripolis gefolgt.
Meloni war nach Amtsbeginn im vergangenen Jahr mehrmals persönlich nach Nordafrika gereist und gilt als Hauptinitiatorin von Migrationsabkommen zwischen der EU-Kommission und Ägypten, Tunesien, Libyen sowie Mauretanien.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren das rigorose Vorgehen der Sicherheitskräfte am südlichen Mittelmeer. In Libyen werden tausende Migranten in privaten und staatlichen Gefängnissen festgehalten. In Tunesien leben mehrere zehntausend Migranten und Flüchtlinge auf Olivenhainen nahe der Hafenstadt Sfax. Hilfsorganisationen haben nur begrenzten Zugang zu den Hungernden, die mehrheitlich weiterhin hoffen, nach Europa weiterreisen zu können.
Doch der Rückgang der in Italien ankommenden Boote wird in migrationskritischen Kreisen in Europa als Erfolg der neuen Allianzen Melonis gefeiert. 30.348 Menschen kamen in diesem Jahr bis Anfang Juli auf Lampedusa, Sizilien und dem Festland Italiens an. Das waren 61 Prozent weniger als im selben Zeitraum ein Jahr zuvor.
Auch wenn kein konkretes Abschlussdokument beschlossen wurde, markiert das Forum aus Sicht vieler Teilnehmer einen Wendepunkt in Sachen Migration am südlichen Mittelmeer und in der Sahel-Region. Die Regierung Malis und Vertreter anderer Länder blieben einer zeitgleich in Berlin stattfindenden Sahel-Konferenz fern.
In den Vorjahren waren es stets europäische Initiativen, die in Sachen Migration tonangebend waren. In Nordafrika gilt das Thema bisher als Tabu. Europäische NGOs kritisieren Menschenrechtsverletzungen und Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Migranten aus Subsahara-Afrika. Dies wird in Nordafrika häufig als Fortsetzung kolonialer Politik gewertet. Aber Milizen und Sicherheitskräfte verdienen am Transport der Menschen mit: An Kontrollpunkten in der Sahara leisten die Schmuggler Zahlungen an Armeesoldaten, während Passagiere Fischern, Lastwagen- und Taxifahrern horrende Preise zahlen.
Zuletzt sorgten Berichte von aus Tunesien deportierten Migranten für Entsetzen. Die aus der Elfenbeinküste, Gambia oder dem Sudan kommenden Flüchtlinge wurden nahe dem Grenzübergang Ras Jadir über Mittelsmänner an libysche Milizen übergeben. Aus bewachten Lagerhallen mussten sie Videos von ihren eigenen Folterungen an Verwandte in der Heimat schicken, mit der Forderung, den Entführern 1.000 bis 2.000 Euro Lösegeld per Western Union oder über informelle Überweisungswege zu schicken.
Doch der Umsatz der Migrations-Mafia schwindet wegen der verstärkten Patrouillen auf dem Mittelmeer. “Weniger Abfahrten sind aus Sicht europäischer rechter Parteien ein Erfolg”, sagt Tarek Lamloum, ein Aktivist aus Tripolis. “Doch für Libyen, Tunesien oder Städte wie Agadez in Niger bedeutet dies soziale Spannungen, die den Regierungen gefährlich werden können.”
Die libyschen Gastgeber sind zudem von einer Legitimitätskrise betroffen. Mithilfe des Themas Migration scheinen sie die von westlichen Diplomaten immer wieder geforderte Planung von Neuwahlen verschieben zu wollen. Obwohl sein Mandat im Dezember 2022 abgelaufen ist, hat sich der libysche Ministerpräsident Abdulhamid Dabaiba in den vergangenen Monaten ebenso wie sein Konkurrent, der in Ostlibyen herrschende Feldmarschall Khalifa Haftar, zu einem Hauptverbündeten Europas gegen irreguläre Migration gewandelt.
In seiner Eröffnungsrede schlug Dabaiba am Mittwoch neue Töne an. Alle Länder entlang der Migrationsrouten nach Europa hätten eine moralische Verantwortung gegenüber den Menschen, “die auf ihrer gefährlichen Reise durch die Wüste und über das Meer ihr Leben aufs Spiel setzen”, sagte er beispielsweise.
Mittlerweile sprechen die Organisatoren offen darüber, das Thema Migration nun selbst in die Hand zu nehmen. “Denn seit dem Krieg im Sudan, der massiven Jugendarbeitslosigkeit in Ägypten, Mali und Marokko und der seit Jahren anhaltenden Trockenheit gerät die Lage außer Kontrolle“, sagte ein Berater Dabaibas. Innenminister Imad Trabelsi brachte ebenso wie der tunesische Premierminister Ahmed Hachani auf den Punkt, was das neue Selbstbewusstsein Nordafrikas zum Thema Migration für Europa bedeutet. “Wir benötigen Ressourcen und Geld”, sagte Hachani. “Städte wie Sfax sind jenseits ihrer Belastungsgrenze.”
Meloni forderte in Tripolis die stärkere Bekämpfung der illegalen Schmugglernetzwerke. Dafür war der Konferenzort gut gewählt. Saßen ihr doch einige Milizenkommandeure gegenüber, die Experten der Vereinten Nationen als Drahtzieher des Menschenhandels am südlichen Mittelmeer bezeichnen.
Simbabwes größter Goldproduzent, Kuvimba Mining House, hat ein Trackingsystem eingeführt, das Blockchain-Technologie nutzt, um Gold von der Förderung bis zum internationalen Verkauf genau zu verfolgen. Kuvimba fördert im Durchschnitt rund 300 Kilogramm pro Monat und rechnet im laufenden Jahr mit einer Produktion von 75.000 Unzen zu je 31,1 Gramm.
Bei der Blockchain-Technologie handelt es sich um ein dezentrales digitales Buchführungssystem, das Transaktionen auf mehreren Computern sicher, transparent und unveränderlich aufzeichnet. Der internationale Goldhandel war in der Vergangenheit besonders anfällig für Ausbeutung, Umweltzerstörung und Finanzierung krimineller oder terroristischer Aktivitäten. Deshalb ist eine bessere Nachverfolgung der Herkunft von Gold ein Anliegen zahlreicher Regierungen.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Schweiz. Goldscheideanstalten im Tessin und der Westschweiz bereiten rund 40 Prozent des international gehandelten Edelmetalls auf. Einige Banken in der Schweiz, etwa die Zürcher Kantonalbank oder die Bank Raiffeisen, haben in den vergangenen Jahren Transparenzinitiativen gestartet, um Gold lückenlos vom Abbau bis zur Endverwendung nachverfolgen zu können. Auch manche Goldscheideanstalten haben ähnliche Initiativen beschlossen. So hat die schweizerische Goldraffinerie Argor-Heraeus eine Responsible-Gold-Guidance-Zertifizierung der London Bullion Markets Association, die den wichtigsten außerbörslichen Goldhandel organisiert, eingeführt.
Die Schwierigkeit für eine bessere Nachverfolgbarkeit von Gold ist, dass sich die Herkunft nicht mehr feststellen lässt, wenn es einmal eingeschmolzen ist. Dies ist auch ein Mangel von Zertifizierungssystemen, deren Integrität nur schwer nachzuvollziehen ist.
Deshalb haben der World Gold Council und die London Bullion Markets Association gemeinsam ein Projekt für eine Datenbank begonnen, das die gesamte Lieferkette von Gold auf Blockchain-Basis nachvollziehbar machen soll. Zwei Unternehmen wurden damit beauftragt: Peer Ledgers in Kanada und Axedras in Zug, Schweiz. Die Goldscheideanstalten Argor-Heraeus, Valcambi und Metalor testen die Axedras-Lösung, MKS Pamp den Ansatz von Peer Ledger.
Der entscheidende Vorteil gegenüber bisherigen Zertifizierungen ist: Jedes physische Produkt erhält durch die Blockchain-Technologie einen digitalen Klon. Die Daten liegen dadurch digitalisiert vor, sind fälschungssicher und können problemlos weitergegeben werden. Auch entfällt die Notwendigkeit, ein zentrales Register führen zu müssen. Jedes Unternehmen in der Lieferkette behält die Hoheit über seine Daten.
Gold ist Simbabwes wichtigstes Exportprodukt. Es trägt mehr als 34 Prozent zu den Exporterlösen bei und bringt dem Land jährlich fast 1,2 Milliarden Dollar an Deviseneinnahmen.
“Dieses System ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur vollständigen Rückverfolgbarkeit unserer Goldproduktion von der Mine bis zum Markt”, sagte Trevor Barnard, CEO von Kuvimba Mining House. “Es gewährleistet unsere Legitimität und bestätigt, dass das von uns produzierte Gold verantwortungsvoll abgebaut und verarbeitet wird.”
In der Vergangenheit war der simbabwische Bergbausektor, einschließlich Gold und Diamanten, mit großen Problemen konfrontiert: Konflikte, Menschenrechtsverletzungen und illegaler Handel überforderten die behördliche Aufsicht und beeinträchtigten die nationalen Einnahmen.
Kuvimba Mining House, das sich mehrheitlich im Besitz des Mutapa Investment Fund, dem Staatsfonds Simbabwes, befindet, betreibt in Simbabwe mehr als ein Dutzend Minen in den Bereichen Gold, Platin, Schüttgüter und Energiemineralien.
Neben Gold strebt Kuvimba aktiv Partnerschaften im Sektor der Batteriemineralien an, besondere bei Lithiumanlagen. Die Sandawana-Minen etwa, die im Januar 2023 von einer Smaragdmine in einen bedeutenden Lithiumbetrieb umgewandelt wurden, beherbergen über eine Million Tonnen hochwertiges Erz. Dessen Wert wird auf den internationalen Märkten auf etwa 126 Millionen Dollar geschätzt. Dieses erhebliche wirtschaftliche Potenzial soll genutzt werden: Im Zuge der weiteren Exploration soll die Mine ausgebaut werden.
“Sandawana Mines ist einer der größten Lithium-Vermögenswerte in Simbabwe”, bestätigt Barnard. “Sobald unsere Explorationsarbeiten abgeschlossen sind, rechnen wir damit, dass sie zu den zehn größten Hartgestein-Lithiumvorkommen der Welt gehören werden”, fügte Barnard hinzu. “Wir stehen derzeit in Verhandlungen, um die Mine in Betrieb zu nehmen. Aber unser eigentliches Potenzial in dieser Mine besteht darin, eine Verarbeitungsanlage zu entwickeln, mit der wir ein Konzentrat produzieren, dieses exportieren und dann weitere Aufbereitungsschritte unternehmen können.” Dann könne Kuvimba Chemikalien entwickeln, die in der Batterieindustrie verwendet werden können.
Die Fortschritte bei Kuvimba Mining House und seinen Tochtergesellschaften stärken den Bergbausektor Simbabwes. Damit will Kuvimba zu einer globalen Benchmark für ethische Bergbaupraktiken und nachhaltiges Ressourcenmanagement beitragen. Geo-Tagging und Smart Ledgers gewährleisten Transparenz und Verantwortlichkeit während des gesamten Betriebs.
Der Volkswagen-Marken-CEO und SAFRI-Vorsitzende Thomas Schäfer war am Freitag zum Gespräch in der Table.Briefings-Redaktion in Berlin, um über Volkswagens Erfahrungen auf dem afrikanischen Kontinent zu berichten. Schäfer betonte unter anderem, Afrika sei der letzte Wachstumsmarkt für die Autoindustrie und darum von großer Bedeutung. Seine Kritik am kränkelnden Südafrika, wo Volkswagen in der Provinz Ostkap ein Werk betreibt, will er als Weckruf an die Regierung verstanden wissen, aber keinesfalls als Absage an den Kontinent: “Ich stehe fest zu unserem Werk in Südafrika. Um erfolgreich zu sein, brauchen wir aber die richtigen Rahmenbedingungen.” Stattdessen setzt Volkswagen darauf, mit einem neuen, in Südafrika produzierten Modell vermehrt den afrikanischen Markt zu bedienen. “Wir haben in Afrika bisher immer gute Geschäfte gemacht,” sagt Schäfer. “Die Risikoeinschätzung mit Blick auf den Kontinent halte ich für überzogen.”
Das noch namenlose neue Modell soll mit einem Verbrennermotor fahren, doch auch Schäfer hat erkannt: “Auf dem Kontinent werden sicher noch länger Verbrenner genutzt werden als anderswo. Aber auch in Afrika ist die Zukunft eindeutig elektrisch.”
Neben dem Werk in Südafrika und den Montagewerken in Kenia, Ghana und Ruanda hat Volkswagen vor kurzem auch eine Absichtserklärung mit Ägypten über ein Montagewerk unterzeichnet. Afrika sei künftig vor allem als zu erschließender Absatzmarkt interessant, auch aufgrund der angekündigten Verbrennerverbote im globalen Norden, erzählt Schäfer. Gerade große Länder wie Ägypten, Äthiopien und Nigeria brauchten eine eigene Autoindustrie. Geringere Lohnkosten seien hingegen aufgrund des hohen Grads der Automatisierung in der Autoindustrie weniger relevant.
Einige Länder, etwa Ghana und Ruanda, gingen bei der Schaffung eines politischen Rahmens für entsprechende Investitionen mit gutem Beispiel voran, berichtet Schäfer. Deutsche Unternehmen sollten mutiger sein und diese Chancen auf dem Kontinent ergreifen, findet er. Wenn größere Unternehmen vorangingen, könnten sich auch mehr Mittelständler nach Afrika wagen. “Ich verstehe, dass deutsche Unternehmen zögerlich sind, aber es lohnt sich.” Dabei sei es aber von höchster Bedeutung, sich vor der Wahl des Standorts und der Partner umfassend zu informieren. Auch müsse man Geduld, Mut und den Willen, etwas zu bewegen, mitbringen, so Schäfer.
Schäfer begrüßte die wachsende Konkurrenz mit chinesischen Herstellern auch auf dem Kontinent mit dem Hinweis, Wettbewerb sei etwas Positives. “Wir stellen uns dieser Herausforderung”, so der VW-Chef. Überhaupt rät Schäfer davon ab, den chinesischen Ansatz ständig zu bashen: “China hat sich dank politischem Willen und industriellem Mut entwickelt. Das braucht es in Afrika auch.” Dass China in Afrika mit großen Infrastrukturprojekten punkte, während deutsche und europäische Unternehmen abgehängt würden, könne man nicht China anlasten. Dies zu ändern, liege vielmehr an den relevanten Akteuren in Europa. ajs
Nachdem Joe Biden am Sonntag seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit als US-Präsident zurückgezogen hat, will US-Vizepräsidentin Kamala Harris für die Demokraten in das Rennen um das höchste Amt in den USA gehen. Mit Blick auf Afrika ist Harris eine interessante Kandidatin. Denn zuletzt hat sie ihr Profil bezüglich des Kontinents deutlich geschärft.
Im Frühjahr 2023 besuchte Harris auf einer fünftägigen Reise Ghana, Tansania und Sambia. Harris hatte dem Besuch damals besondere “persönliche Bedeutung” zugesprochen, da sie die erste Schwarze US-Vizepräsidentin sei, die den Kontinent besucht habe. Harris hat indisch-tamilische und afro-jamaikanische Wurzeln.
Mit ihrem Besuch übernahm Harris eine Führungsrolle bei der angestrebten Vertiefung der Beziehungen zwischen Afrika und den USA, die beim US-Africa-Summit 2022 im Mittelpunkt stand. Ihren Fokus legte die Vizepräsidentin bisher auf die Stärkung der Rolle der Frau, die Unterstützung bei der Klimaanpassung und die Verbesserung der digitalen Teilhabe. Auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang dieses Jahres forderte Harris ein Umdenken: weg von Entwicklungshilfe, hin zu Partnerschaften. “Die Innovationen, die auf dem Kontinent entwickelt werden, werden die Zukunft unserer Welt gestalten”, sagte Harris. Biden hatte Afrika in seiner Amtszeit lediglich für die Klimakonferenz in Ägypten im November 2022 besucht.
Ob Harris tatsächlich für die Demokraten als Präsidentschaftskandidatin antreten wird, entscheidet sich auf dem Parteitag, der vom 19. bis 22. August in Chicago stattfinden wird. Die Präsidentschaftswahlen sind für den 5. November geplant. dre/frn
Financial inclusion gilt als einer der wichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afrika. Marokko hat im vergangenen Jahr einen großen Schritt in diese Richtung getan, wie aus der neuesten Bankenstatistik der marokkanischen Zentralbank, Bank Al-Maghrib, hervorgeht.
Demnach gab es in Marokko 36,3 Millionen aktive Bankkonten zum Jahresende 2023. Das bedeutet einen Anstieg von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 18,2 Millionen Personen von insgesamt gut 37 Millionen Marokkanern besaßen ein eigenes Bankkonto. 62 Prozent von ihnen waren Männer, 38 Prozent Frauen. Allerdings waren unter denjenigen, die 2023 ein Bankkonto neu eröffnet haben, 45 Prozent Frauen. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich der Zugang von Frauen zu Bankdienstleistungen verbessert.
Auch für die junge Bevölkerung wird es offenbar leichter, ein Bankkonto zu eröffnen. Unter den Eröffnern eines Bankkontos waren 30 Prozent zwischen 20 und 25 Jahren alt, 18 Prozent zwischen 18 und weniger als 20 Jahren. 54 Prozent der marokkanischen Bevölkerung besaßen laut der Zentralbank Ende 2023 mindestens ein aktives Bankkonto.
Nur 49 Prozent der in Afrika lebenden Menschen hatten laut Weltbank im Jahr 2022 Zugang zu Bankdienstleistungen. Immerhin hat sich ihr Anteil seit 2011 damit in etwa verdoppelt. Die Institution beklagt vor allem regionale große Unterschiede: Gerade einmal sechs Prozent der Bevölkerung im Südsudan hat ein eigenes Bankkonto. Auf Mauritius sind es 91 Prozent. In Kenia sind es 79 Prozent, im Senegal 56 Prozent und in Südafrika 85 Prozent.
Vor allem Frauen sind beim Zugang zu einem Bankkonto benachteiligt. Rund 500 Millionen Frauen in Afrika, davon mehr als 300 Millionen in den Ländern südlich der Sahara, sind nach wie vor von formellen Finanzsystemen ausgeschlossen, kritisierte jüngste die Lobbyorganisation Women’s World Banking.
Das behindert Frauen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Ein Bericht der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) aus dem Jahr 2023 zeigt, dass frauengeführte Unternehmen in Afrika im Vergleich zu von Männern geleiteten Unternehmen ein Finanzierungsdefizit von 42 Milliarden Dollar aufweisen. hlr
Die unmenschliche Behandlung von Minenarbeitern durch ihre chinesischen Vorgesetzten in Simbabwe hat erneut große Empörung ausgelöst. Vergangene Woche war in den sozialen Medien ein beunruhigendes Video aufgetaucht, das zeigt, wie chinesische Manager Anweisungen geben, die Hände eines Arbeiters zu fesseln und ihn mit einem Frontlader in die Luft zu heben. Das Opfer, ein Angestellter der Makanga-Mine in Bindura, wurde angeblich für den Diebstahl von Diesel bestraft.
Nach der Verbreitung des Videos gab die simbabwische Polizei die Verhaftung der beschuldigten chinesischen Manager bekannt, was die Gemüter der empörten Bürger vorübergehend erleichterte. Die Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer, da die Beschuldigten wenige Stunden später ohne Gerichtsverfahren abgeschoben wurden. Dies führte zu schwerer Kritik seitens einiger Simbabwer, die der Meinung waren, dass sie für ihre “barbarischen Taten” gerichtlich hätten belangt werden müssen.
Die Oppositionspartei Zimbabwe Independence Movement bezeichnete den Vorfall als “leichtes Entkommen” und verurteilte die Vorgehensweise der Regierung. Da die Angeklagten nicht vor Gericht gestellt wurden, habe es keine Gerechtigkeit für die von ihnen begangenen Verbrechen gegeben.
Nick Mangwana, Staatssekretär für Information, Öffentlichkeitsarbeit und Rundfunk, verteidigte die Entscheidung jedoch auf dem Kurznachrichtendienst X mit der Begründung, dass es das Land mehr kosten würde, sie zu ernähren und im Gefängnis zu halten.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Video, das die unmenschliche Behandlung von Bergarbeitern durch Chinesen zeigt, viral geht. Vor einem Jahr ging ein Video eines Chinesen, der einen Bergarbeiter auspeitscht, ebenfalls in den sozialen Medien viral.
Die simbabwischen Gewerkschaften haben sich dafür eingesetzt, dass die Regierung Ende 2023 eine Untersuchung über die Behandlung der Arbeiter einleitet, da über niedrige Löhne, Folter und Schläge berichtet worden war. Unternommen wurde allerdings nichts, was zu dem Vorwurf führte, die Regierung sei in Anbetracht der hohen Investitionen, die Chinesen in Simbabwe getätigt haben, zu nachsichtig mit ihnen und habe Angst, ihnen auf die Füße zu treten. frn
Während die EU immer neue Gesetze verabschiedet, um Nutzer bei der Verwendung von Apps vor Schaden zu bewahren, sind die Regeln im globalen Süden oft weniger streng. Was das zum Beispiel im Fall von Tiktok Lite bedeutet, haben Mozilla und AI Forensics in einer gemeinsamen Studie untersucht, die Table.Briefings vorab vorlag. Dabei haben die Autoren erhebliche Sicherheitsprobleme aufgedeckt.
Tiktok Lite ist eine reduzierte Version der Tiktok-App, die auch bei einfachen Smartphones und geringer Bandbreite funktioniert. Sie wird daher von Milliarden Menschen besonders in Ländern des globalen Südens genutzt. Tiktok hatte die Lite-Version im April auch in Spanien und Frankreich eingeführt, was sofort eine Gegenreaktion der EU-Kommission auslöste. Daraufhin stellte Tiktok sein umstrittenes Belohnungssystem dort ab.
Es sei eine bewährte Technik, beide Versionen der Anwendung in verschiedenen Teilen der Welt auszurollen, sagt Odanga Madung, Datenjournalist und Forscher in Kenia. “Plattformen erkennen, dass ein sehr großer Teil der Weltbevölkerung unter Bedingungen ins Internet kommt, die sich stark von den wohlhabenden Märkten unterscheiden.” Die nicht wie in den USA und der EU über hochwertige Smartphones mit den neuesten Versionen der Betriebssysteme sowie einfachem Zugang zu Elektrizität und zum Internet verfügten.
“Grundsätzlich werden viele dieser Anwendungen in Ökosystemen der Fülle erstellt, die möglicherweise nicht unbedingt in Ökosystemen wie in meinem Land, in Kenia, verfügbar sind”, sagt Madung. Dennoch seien gerade diese Regionen die Wachstumstreiber der Technologieplattformen. Facebook sei in diesem Bereich sehr aktiv. Auch Google habe ein eigenes Set von Lite-App-Tools namens Go, die Google im globalen Süden zuerst veröffentliche. Es sei “eine bewährte Methode zur Generierung von Wachstum in den aufstrebenden Märkten der globalen Mehrheit”.
Weil andere Länder die strenge Regulierung der EU nicht übernehmen, nutzten die Anbieter diese Lücken, um auf Sicherheitsmaßnahmen zu verzichten. “Leider gibt es hier keinen Brüssel-Effekt, eher das Gegenteil”, sagt Salvatore Romano von AI Forensics.
Erstaunlich ist: “Aus technischer Sicht, gibt es keinen Grund auf diese Sicherheitsfunktionen zu verzichten”, sagt Romano. Es habe sich gezeigt, dass diese Funktionen keinen hohen Datenverkehr verursachten. “Es scheint vielmehr eine Strategie zu sein, die höheren Standards dort einzuhalten, wo es erforderlich ist, und dort nicht, wo es nicht obligatorisch ist, wie zum Beispiel außerhalb Europas.”
In den Ländern Afrikas oder Südamerikas verfügt Tiktok Lite beispielsweise nicht über Warnhinweise oder Labels
Außerdem sind Beschreibungen von Videos in Tiktok Lite oft gekürzt, weshalb wichtige Informationen verloren gehen können. Zudem fehlt es an Benutzerkontrollen wie Kommentarfilterung und Bildschirmzeitmanagement. Es gibt außerdem keine Optionen, um unangemessene Inhalte einzuschränken, die möglicherweise nicht für alle Nutzer geeignet sind. vis
Der angesehene Politikwissenschaftler Eghosa E. Osaghae hatte seine Standardgeschichte Nigerias seit der Unabhängigkeit von 1998 mit “Der verkrüppelte Riese” betitelt. Osaghae hätte sich kaum vorstellen können, dass dieser Begriff 25 Jahre später wieder so an Aktualität gewinnen würde.
Der IWF und die Weltbank begrüßten Präsident Tinubus Entscheidung, nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt die Subventionen für Benzin abzuschaffen und den Wechselkurs der Naira freizugeben. Dies haben sie als notwendige Reform für den Beginn einer neuen Wachstumsära angepriesen. Das war vor gut einem Jahr. Kürzlich stellte Tinubu bei der ersten Sitzung seines Presidential Economic Coordination Council (PECC) einen Stabilisierungs- und Weiterentwicklungsplan von zwei Billionen Naira (1,1 Milliarden Euro) vor, der auf die Wiederbelebung der Wirtschaft in Rekordzeit von sechs Monaten abzielt – und das, obwohl die Regierung klamm ist.
Vielen ausländischen Beobachtern ist entgangen, dass ein Plan fehlt, der diejenigen schützt, die am stärksten unter den Reformen leiden, nämlich die größer werdende Zahl von Nigerianern, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Regierung Tinubu läuft seitdem der Entwicklung hinterher, während die Inflation der Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen ist. Gleichzeitig ist die Lebensmittelproduktion eingebrochen, weil die Inputkosten, in Naira gerechnet, unerträglich hoch geworden sind und die desaströse Sicherheitslage die Wirtschaft lähmt.
Die Regierung griff auf “Palliativmaßnahmen” zurück – sie hat 70.000 Tonnen Reis kostenlos verteilen lassen. Die Auswirkung blieb unbedeutend. In den großen Städten des Nordens herrscht Brotknappheit. Die WHO berichtet über Millionen unterernährter Säuglinge. Und es laufen Antikorruptionsuntersuchungen, die das “Verschwinden” von genau solchen Mitteln für Palliativmaßnahmen unter der letzten Regierung betreffen. Die Regierung kommentierte lapidar: “Bedauerlicherweise sind die Preise weiter gestiegen, und in einigen Fällen sind Lebensmittel heutzutage nicht mehr erhältlich.”
Die neue Lösung: Aussetzung der Einfuhrzölle auf Grundnahrungsmittel wie Mais, braunen Reis, Weizen und Bohnen. Gleichzeitig kündigten die Behörden an, man werde “die Produktion von Grundnahrungsmitteln, die von Kleinbauern angebaut werden, von 127 Millionen Tonnen im Jahr 2023 auf 135 Millionen Tonnen in diesem Jahr steigern und die Produktion durch Partnerschaften mit Großbauern stärken.” (Letzteres steht im Fokus neuer Antikorruptionsuntersuchungen.) Außerdem werde die Regierung 250.000 Tonnen Weizen und 250.000 Tonnen Mais importieren.
Nach der Freigabe des Wechselkurses wurde es für ausländische Unternehmen fast unmöglich, die inzwischen vernachlässigbaren Gewinne zu repatriieren. So entschieden sich Konzerne wie der Pharmakonzern GSK, sich aus Nigeria zurückzuziehen. Seitdem fehlen auch bezahlbare Medikamente. Das neue Stabilisierungsprogramm soll nun “80 bis 90 Millionen Nigerianern lebenswichtige Medikamente zu niedrigeren Kosten zur Verfügung stellen und den Krankenversicherungsschutz für eine Million gefährdete Menschen ausweiten”. In der vergangenen Woche wurden außerdem die Zölle auf pharmazeutische Wirkstoffe abgeschafft.
All dies wird die Regierung Geld kosten, entweder weil sie die versprochenen Güter kauft und verschenkt oder weil sie Einnahmen einbüßt. Zölle sind eine wichtige Einnahmequelle des Staats. In dieser Situation sind die jüngsten Zahlen des Debt Management Office entmutigend. Unter Präsident Muhammadu Buhari stieg die Staatsverschuldung von 12,6 Billionen Naira im Jahr 2015 auf 97,3 Billionen Naira im Jahr 2023. Allein zwischen Dezember 2023 und März 2024 ist die Staatsverschuldung um weitere 24,3 Billionen Naira gestiegen. Mehr als 30 Prozent des Haushalts fließen in den Schuldendienst, aber die Regierung schränkt sich nicht ein.
Woher soll also das Geld kommen? In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der staatlich kontrollierte Energiekonzern NNPC plötzlich versucht, einen Kredit von einer Milliarde Dollar als Barzahlung gegen künftige Öllieferungen aufzunehmen.
Alles deutet daraufhin, dass Tinubu sowohl eine kohärente Wirtschaftspolitik als auch eine schlüssige Wirtschaftsplanung fehlt. Man könnte auch annehmen, dass Kabinettsentscheidungen spontan und ohne ernsthafte Berücksichtigung der Kosten getroffen werden. Hinzu kommt die Unsicherheit darüber, was die Regierung will.
Während die Zentralbank im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen erhöht hat, verspricht sie im Rahmen des “Stabilisierungsprogramms” Unternehmen, “die Fertigwaren für den Inlands- und Exportmarkt produzieren”, niedrige langfristige Zinssätze. Dasselbe gilt für KMU. Ein solcher Mangel an politischer Klarheit ist Gift für die Wirtschaft. Papier mag geduldig sein, hungrige Münder sind es nicht.
Und bei all dem bleibt die Grundursache für den Zusammenbruch der Steuereinnahmen aus der verarbeitenden Industrie unbeachtet: die mangelhafte Stromversorgung. Vor wenigen Tagen ist das nationale Stromnetz erneut zusammengebrochen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Regierung ernsthaft darüber nachdenkt, das Licht wieder anzuschalten und die Maschinen wieder zum Laufen zu bringen.
Wenn die Betriebe Höchstpreise für Strom zahlen müssen, wie sollen sie dann jemals gegen Konkurrenten antreten, die beispielsweise in Äthiopien ein Fünftel des Preises für eine Kilowattstunde zahlen? Die einzige Möglichkeit für die Regierung besteht dann darin, entweder zuzusehen, wie die Unternehmen schließen, oder sie muss selbst Schutzmaßnahmen einführen: zum Beispiel für bestimmte Güter die Zölle erhöhen oder Einfuhrverbote verhängen. Also genau das Gegenteil dessen, was sie jetzt tut. Aber auch das würde Planung erfordern.
Dr. Jeremy Gaines ist Gründer der Unternehmensberatung Gaines Consulting und ehemaliger Koordinator der Deutsch-Nigerianischen Energiepartnerschaft.
Foreign Affairs: Die Krise am Roten Meer geht über die Huthis hinaus. Mehrere Kriege verursachen eine tiefe Instabilität am Horn von Afrika und tragen zur Krise am Roten Meer bei. Ein sich ausbreitendes Netz von inner- und zwischenstaatlichen Konflikten, das sich vom Sudan bis nach Somalia erstreckt, könnte in der gesamten Region ein noch nie dagewesenes Chaos verursachen. Um die sich abzeichnende Katastrophe abzuwenden, müssen die Vereinigten Staaten das Rote Meer und die umliegenden Länder (am Horn von Afrika und darüber hinaus) als zusammenhängenden geopolitischen Raum erkennen, schreibt eine Gruppe von US-Experten.
Le Monde: Ugandische Polizei umstellt Büros der Opposition. Die Räumlichkeiten der Partei von Bobi Wine, dem wichtigsten Oppositionspolitiker in Uganda, wurden am Montag von der Polizei umstellt. Dies geschieht am Vorabend einer von den Behörden verbotenen aber von den Organisatoren weiterhin geplanten Demonstration gegen Korruption. Das Hauptquartier der National Unity Platform (NUP) am Rande der Hauptstadt Kampala werde “von schwer bewaffneter Polizei und Militär belagert. Das haben wir von diesem Regime erwartet, aber wir werden den Kampf für die Befreiung Ugandas nicht aufgeben”, sagte Bobi Wine. Der ehemalige Popstar hatte Präsident Yoweri Museveni bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2021 herausgefordert. Während dieser Wahl wurden Demonstrationen gegen eine erneute Verhaftung von Bobi Wine von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt, wobei es mindestens 54 Tote gab.
Al Jazeera: Malaria-Impfkampagne in Westafrika. Elfenbeinküste hat die ersten Dosen Malaria-Impfstoff vom weltweit größten Impfstoffhersteller, dem Serum Institute of India, erhalten und letzte Woche mit einer landesweiten Impfaktion begonnen. Insgesamt wurden 656.600 Dosen des neuen R21/Matrix-M-Malariaimpfstoffs an die Elfenbeinküste geliefert, wo zunächst 250.000 Kinder geimpft werden. Nach der Elfenbeinküste wird die Aktion auf andere afrikanische Länder ausgeweitet, zunächst auf Burkina Faso. Das Globale Malariaprogramm der WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Malariafälle bis 2030 um 90 Prozent zu senken.
Reuters: Meta muss 220 Millionen Dollar Strafe an Nigeria zahlen. Nigeria hat den Facebook-Mutterkonzern Meta mit einer Geldstrafe in Höhe von 220 Millionen Dollar belegt, nachdem Untersuchungen ergeben hatten, dass die Weitergabe von Daten auf sozialen Plattformen gegen die dortigen Verbraucher-, Datenschutz- und Privatsphäregesetze verstößt. Die nigerianische Bundeskommission für Wettbewerb und Verbraucherschutz (FCCPC) erklärte, Meta habe sich die Daten nigerianischer Nutzer auf seinen Plattformen ohne deren Zustimmung angeeignet, seine Marktdominanz missbraucht, indem es den Nutzern ausbeuterische Datenschutzrichtlinien aufzwang, und Nigerianer diskriminierend und ungleich behandelt. Unterdessen hat die südafrikanische Wettbewerbsbehörde angekündigt, zu untersuchen, ob digitale Plattformen, darunter Meta, in unlauterer Weise mit Nachrichtenverlagen konkurrieren, indem sie deren Inhalte zur Erzielung von Werbeeinnahmen nutzen.
New York Times: Der vergessene Konflikt im Westen der DR Kongo fordert Tausende Tote. Überschattet von den Kämpfen im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat ein Streit zwischen zwei ethnischen Gruppen im Westen des Landes dazu geführt, dass in der Nähe der Hauptstadt Kinshasa Tausende von Zivilisten getötet und mehr als 550.000 Menschen vertrieben wurden. Die Initialzündung für den Konflikt vor zwei Jahren war ein Steuerstreit zwischen den lokalen ethnischen Gruppen, den Teke und den Yaka. Seitdem hat sich der Konflikt zu einem Kampf um den Zugang zu Land ausgeweitet, mit einer blutigen Spur von Hinrichtungen, niedergebrannten Dörfern und sexueller Gewalt.
The Economist: Afrikas neues Zeitalter der Eisenbahn. Mit riesigen Projekten wie dem Lobito-Korridor oder der Trans-Guineischen Eisenbahn schieben afrikanische Staaten den Ausbau ihrer Infrastruktur an. Einer Schätzung zufolge sind bis 2050 Investitionen von 105 Milliarden Dollar pro Jahr erforderlich, wenn die Netzdichte in Afrika mit der Chinas oder Indiens mithalten soll. In anderen Teilen der Welt haben Eisenbahnen oft zum Aufstieg von Nationen beigetragen, indem sie die Urbanisierung vorantrieben, Industriecluster schufen und für Wirtschaftswachstum sorgten. Wenn Afrikas neues Eisenbahnzeitalter diese Art von Spillover-Effekten bringen soll, muss es über die bloße Anbindung von Rohstoffkorridoren an Häfen hinausgehen.
Bloomberg: Capitec stellt Bankensystem nach weltweitem Ausfall wieder her. Nur wenige Stunden nach dem weltweiten Computerausfall, der Flughäfen und Banken weltweit lahmgelegt hat, habe sie alle ihre Bankdienstleistungen wieder online anbieten können, teilte Capitec, die nach Zahl der Kunden größte Bank Südafrikas, am Wochenende mit. Damit hat die Bank schneller die Krise überwunden als viele Kreditinstitute in Europa.
African Arguments: Der lange Schatten des deutschen Kolonialismus. Obwohl das Erbe der deutschen Kolonialherrschaft auf wachsendes Interesse stößt, neigen viele in Deutschland immer noch dazu, die dreißig Jahre des Überseeimperiums als eine vernachlässigbare historische Episode herunterzuspielen, schreibt der deutsch-namibische Afrikahistoriker Henning Melber. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag unter der Überschrift “Koloniales Erbe” die Absicht erklärt, die deutsche Kolonialgeschichte aufzuarbeiten – dabei gibt es solide, kompetente und unabhängige wissenschaftliche Arbeiten zur Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus schon fast im Überfluss, so Melber. Er fragt sich, ob die erklärte Absicht der Regierung ein Zeichen von Ignoranz ist oder einfach nur die Blindheit der offiziellen Politik und der politischen Entscheidungsträger widerspiegelt.
Die sozialen Medien in Westafrika überschlugen sich an diesem Wochenende mit Beileidsbekundungen. Am Freitag, 19. Juli ist der malische Musiker und zweifache Grammy-Preisträger Toumani Diabaté in der Klinik Golden Life in Bamako nach kurzer Krankheit im Alter von 58 Jahren gestorben. Viele Künstler gedachten einem der größten Musiker Westafrikas: Youssou Ndour, Salif Keïta, Alpha Bondy, Fatoumata Diawara, Oumou Sangaré, Shyan Kishore, Cheikh Tidiane Seck, Mathieu Chédid und viele andere.
Am 10. August 1965 in Bamako geboren, entstammte Diabaté einer Familie von Griots. Er gehörte zur 71. Griot-Generation in der Familie. Griots, die in Mali “Djéli” genannt werden, sind hochangesehene Geschichtenerzähler und Barden, die in mancher Hinsicht den Minnesängern des europäischen Mittelalters ähneln. Griots sind die Träger des kulturellen Erbes in Westafrika. In Gedichten, Gesängen und Erzählungen halten sie Traditionen, Brauchtum, Vorbilder und Heldengeschichten lebendig. Sie bilden eine homogene Gesellschaftsschicht, die traditionell unter sich heiratet.
“Man wird nicht Griot, man wird durch besondere Verbindungen als Griot geboren“, heißt es. Griots sind meist am Familiennamen zu erkennen. In der Regel heißen sie Sissoko, Kouyaté, Danté, Kamisoko, Koné, Konè, Soumano, Sako, Susso oder eben Diabaté. “Wäre Westafrika eine lebende Person, dann wären die Griots ihr Blut”, lautet ein anderes Sprichwort.
Toumani Diabatés Vater war der berühmte Griot und Kora-Spieler Sidiki Diabaté (1922 bis 1996), der als König der Kora berühmt geworden ist. Seine Mutter Nama “Néné” Koïta hatte sich als Sängerin einen Namen gemacht. Toumani Diabaté begann im Alter von fünf Jahren ebenfalls die Kora zu erlernen. Sein Vetter ist der Musiker Mamadou Diabaté, sein Sohn der Rap- und Hip-Hop-Musiker Sidiki Diabaté. 2020 saß dieser drei Monate in Mali unter dem Vorwurf häuslicher Gewalt gegen seine damalige Freundin Mariam Sow in Untersuchungshaft.
Die Kora ist eine Stegharfe mit 21 Saiten und einem ballonförmigen, fellüberzogenen Resonanzkörper mit einem Durchmesser von 40 bis 60 Zentimetern. Dieser hat seitlich ein etwa zehn Zentimeter großes Loch. Durch diesen Klangkörper wird der 1,2 bis 1,4 Meter lange Hals geführt. Die Saiten liegen allerdings nicht horizontal, sondern werden vertikal über einen aufrechten Steg geführt. Um den Ursprung der Kora ranken sich viele Legenden. In der Regel wird sie auf den Grundton F gestimmt und mit den Daumen und Zeigefingern gespielt.
Toumani Diabaté war nicht nur einer der größten Virtuosen auf der Kora. Er wurde auch eine Identitätsfigur für das wachsende Selbstbewusstsein einer Bevölkerung in Westafrika, die sich ihrer traditionellen Wurzeln immer stärker bewusst wird. Dabei hat er selbst sich nie politisch betätigt oder geäußert.
Sein Einfluss reichte weit über den Sahel hinaus: “Über seinen riesengroßen Beitrag zum musikalischen Erbe Malis hat Toumani Diabaté eine Schlüsselrolle in der Verbindung der Kulturen gespielt”, schrieb das Journal du Niger am Samstag.
In der Tat hat Diabaté nicht nur mit vielen Musikern aus Afrika gespielt, sondern auch die westafrikanische Musik für die Welt geöffnet. So spielte er mit dem kubanischen Orchester Buena Vista Social Club, mit der spanischen Flamenco-Band Ketama oder mit dem amerikanischen Blues-Gitarristen Taj Mahal.
Selbst mit dem Gitarristen der Rolling Stones, Keith Richards, hat er gespielt. Aber auch mit der isländischen Popikone Björk machte er Musik oder mit dem ehemaligen Frontmann der britischen Band Blur, Damon Albarn. Musikgeschichte hat das Album In the Heart of the Moon geschrieben, das Diabaté im Jahr 2005 zusammen mit Ali Farka Touré aufgenommen und an dem Ry Cooder am Klavier teilgenommen hat.
Ali Farka Touré stammte wie Diabaté aus Mali, spielte traditionelle Saiteninstrumente wie die Gurkel, die Njarka oder die Ngoni. International berühmt wurde Touré mit der Gitarre. Mit Ry Cooder hatte Touré das legendäre Album Talking Timbuktu aufgenommen. Touré starb ein Jahr nach der Aufnahme mit Diabaté, 2006, an Knochenkrebs. Ein zweites Album, Ali and Toumani, vereinte ebenfalls afrikanische und amerikanische Musiker. Es erschien nach Tourés Tod im Jahr 2010.
Afrika trauert um einen weiteren Botschafter seines kulturellen Reichtums. Christian v. Hiller