Talk of the town
Erscheinungsdatum: 03. November 2025

Deutschland und die KI: Wie die Wirtschaft bei der Infrastruktur vorangeht

Timotheus Höttges
Timotheus Höttges (picture alliance / Flashpic | Jens Krick)

Deutsche Telekom, SAP, Deutsche Bank und Nvidia starten in München eine milliardenschwere KI-Fabrik, die als wichtiger Schritt zur digitalen Souveränität gilt. Doch überbordende Bürokratie könnte den Fortschritt noch ausbremsen.

Mit einer neuen KI-Fabrik, die in München entstehen und die Kapazität der deutschen Rechenzentren um 50 Prozent erhöhen soll, wollen deutsche Großkonzerne die Aufholjagd bei der KI-Entwicklung starten. An diesem Dienstag stellen die Vertreter von Telekom, SAP, Deutsche Bank und dem US-Chiphersteller Nvidia mit den Ministern Karsten Wildberger (CDU) und Dorothee Bär (CSU) die Pläne mit einem Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro vor.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, sieht das Projekt als wichtigen Baustein für die digitale Souveränität der Industrie. „Über 70 Prozent der gesamten Rechenzentrenkapazität sitzt heute in Amerika. Nur fünf Prozent in Europa, der Rest in Asien und vor allem China. Deswegen müssen wir hier aufrüsten“, sagte Höttges im Podcast von Table.Briefings. „Wir müssen investieren, damit wir auch die Hoheit über diese Daten behalten – und damit die Sicherheit für unsere Industrien, aber auch für die öffentliche Verwaltung gewährleistet ist.” Die KI-Fabrik wird eine Kapazität von rund 10.000 Grafikprozessoren (GPU) bieten und kann damit nur der Startschuss sein. Zum Vergleich: Ein einzelnes Rechenzentrum von OpenAI oder Oracle in den USA nutzt 500.000 GPUs.

In dem Rechenzentrum sollen Industriekunden etwa digitale Zwillinge für ihre Produkte testen, 3-D-Simulationen durchführen oder eigene KI-Anwendungen entwickeln können. Zu den ersten Nutzern gehört das Walldorfer Software-Unternehmen SAP, mit weiteren Partnern wird verhandelt. Die Daten sollen in Deutschland bleiben. „Es wird keine Rechenzentrumsarchitektur geben in Deutschland, die so souverän ist wie die, die wir jetzt anbieten. Der Betrieb, die gesamte Betreuung findet am Standort Deutschland statt“, verspricht Höttges. Man stelle der Industrie „neue Kapazitäten zur Verfügung, so dass jeder seine Daten selbst hier testen und prozessieren kann, um an dem KI-Wachstum teilzuhaben“.

Experten zufolge ist Deutschland bei der Entwicklung der Sprachmodelle (LLM) zwar im Hintertreffen, bei der KI-Anwendung von industriellen Daten könne die Bundesrepublik aber führend werden. Für diese oft sensiblen Firmendaten brauche es eine eigene europäische Infrastruktur. Hier setzt die KI-Fabrik an, die Höttges nur als Ergänzung zu den von der EU geplanten Gigafactorys sieht. Man habe nicht auf die EU-Pläne warten wollen, so Höttges. Deutschland könne bei der KI-Infrastruktur durchaus noch aufholen, sagt der Telekom-CEO. „Die anderen haben auch ihre Data Center noch nicht gebaut. In Amerika sind riesige Ankündigungen gemacht worden, aber jetzt müssen die erst mal ihre Kapazitäten auch in den Markt bringen.“

Die Bundesregierung hatte sich früh bemüht, die KI-Fabrik politisch zu unterstützen (es gibt allerdings keine finanzielle Hilfe). Der US-Chiphersteller Nvidia liefert die Hochleistungschips, Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich im Juni mit Nvidia-CEO Jensen Huang in Berlin getroffen. Dass bei der Vorstellung des Projekts zwei Bundesminister anwesend sind, zeigt, wie wichtig der Regierung dieses technologische Vorzeigeprojekt ist.

Der Telekom-CEO mahnt Bürokratieabbau an. Was den Standort Deutschland insgesamt angeht, gibt sich Höttges demonstrativ optimistisch: „Totgesagte leben länger.“ Es gebe aber zu viel Bürokratie (vor allem aus Brüssel) und zu wenig Investitionen in die großen Innovationsthemen. „Die Chinesen und die Amerikaner haben uns da abgehängt.“ Die Regelungsdichte aus Brüssel sei ein Hemmnis. Alleine die Telekom hat bei der Durchführung ihres Geschäfts mit 230 verschiedenen Behörden zu tun. „Wir fühlen uns manchmal wie Gulliver, der von Millionen von Fäden festgebunden ist und eigentlich seine unternehmerische Kraft nicht entfalten kann, es braucht dringend eine entsprechende De-Bürokratisierung.“ Das gesamte Gespräch zur KI-Fabrik und zum Ausbau des schnellen Internets hören Sie am Dienstag ab 5 Uhr hier.

Table.Today "Wie holen wir bei der KI auf, Herr Höttges?", Interview mit Timotheus Höttges, Dienstag ab 5 Uhr

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Letzte Aktualisierung: 03. November 2025

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