Talk of the town
Erscheinungsdatum: 28. Oktober 2025

Stadtbild und andere Debatten: Warum der Kanzler eine eigene Eva Christiansen bräuchte

Friedrich Merz und Jacob Schrot
Kein ganz unumstrittenes Gespann: der Kanzler und sein Büroleiter Jacob Schrot (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Die Kritik an Friedrich Merz und seinen Kommunikationspannen wird lauter. In der CDU glauben viele, ihm fehle das enge, eingespielte Team, das einst Angela Merkel vor Fehlern bewahrte und ihre Regierung so stabil machte.

Als Friedrich Merz Kanzler wurde, gab es in der Union nicht wenige, die davon ausgingen, dass der CDU-Chef an dieser Aufgabe scheitern würde. Der kann es nicht – das war ihr Diktum. Gut fünf Monate später gibt es in der CDU immer mehr Leute, die in vertraulichen Gesprächen erklären, der Kanzler mache es in der Sache nicht so schlecht, nur handwerklich mache er immer wieder schwere Fehler, vor allem beim Kommunizieren. Für sie ist die verkorkste Stadtbild-Debatte nur das letzte Beispiel in einer langen Reihe. So wie seine vorschnelle Verkündung einer Mercosur-Einigung, was EU-Partner verärgerte. Oder seine Aussetzung von Waffenlieferungen an Israel, die er kundtat, ohne die wichtigsten Unionspolitiker vorab zu informieren.

Es ist diese mangelnde Einbindung, die inzwischen viele in der Partei wahlweise bestürzt, ärgert oder den Kopf schütteln lässt. Und das nicht nur, weil sie und eigentlich alle um den Kanzler herum immer wieder erklären, erläutern und einfangen müssen, was der Kanzler an Irritation auslöst. Sie wollen, dass Merz besser wird, weil alle spüren, wie brüchig die politische Gesamtlage geworden ist – mit schlechten Umfragen für Union und Koalition und einer AfD, die auf jeden Fehler nur wartet, um ihn gegen den Kanzler einzusetzen. Das ist es, was viele in der CDU-Führung antreibt, wenn sie fragen: Wie nur lassen sich weitere Pannen verhindern?

Die einfachste Antwort wäre: Der Regierungssprecher ist schuld und müsste ausgetauscht werden. Aber genau das ist bislang kaum bis gar nicht zu hören, weil vor allem die in der Partei, die sich auskennen und Erfahrung mitbringen, darauf verweisen, dass Angela Merkel in ihren 16 Jahren zwei Leute hatte, wo Stefan Kornelius bis heute allein ist. Die Alt-Kanzlerin hatte stets einen fachlich kompetenten und eloquenten Regierungssprecher. Erst Ulrich Wilhelm, dann Steffen Seibert. Und sie hatte mit Eva Christiansen vom ersten Tag an eine zweite Person ganz in ihrer Nähe, die vor allem politische Stimmungen beobachtete und lesen konnte, die Kontakte zwischen Partei, Fraktion und Kanzleramt pflegte und die Kanzlerin eben auch mal vor Fehlern warnte.

Wilhelm und Seibert wirkten nach außen, Christiansen wirkte nach innen. Und das funktionierte so gut, dass derartige Kommunikationspannen die absolute Ausnahme blieben. Eine zentrale Voraussetzung dafür war allerdings, dass sich Merkel, ihre Büroleiterin Beate Baumann, Christiansen und der jeweilige Sprecher als Team betrachteten und gut verstanden. Leute, die Merz seit seiner Rückkehr auf die politische Bühne in unterschiedlichen Rollen eng begleitet haben, sehen genau hier den ersten Mangel: Merz habe, nach allem, was man von ihnen hören kann, kein solch eingeschworenes Team mehr, wie es Merkel hatte. Und sie beklagen die Christiansen-Lücke, die bislang nicht gefüllt wurde.

Dabei hat es in der Amtszeit von Merz offenbar zweimal die Überlegung gegeben, eine derartige Rolle zu schaffen. So berichten es Leute aus Parteispitze und Kanzleramt, die Merz sehr gut kennen. Zunächst gleich zu Beginn, aber damals habe Merz selber erklärt, er brauche so etwas nicht. Und zum zweiten Mal vor kurzem, als es offenbar die Überlegung gab, einen von Merz geschätzten und ihn schon länger begleitenden Social-Media-Experten für eine solche Rolle ins Kanzleramt zu holen. In diesem Fall, so heißt es aus mehreren Quellen, habe Merz’ Büroleiter Jacob Schrot das verhindert.

Ob das tatsächlich alleine er war, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen. Aber dass diese Erzählung die Runde macht, ist für Merz angesichts der Pannen nicht ungefährlich. Zumal diese Berichte begleitet werden von einem wachsenden Ärger über eine Art Abschottungspolitik, die Schrot gegenüber alten Mitarbeitern und Weggefährten des Kanzlers betreibe. Derartige Kritik indes musste Baumann auch aushalten; an der Stelle kommt es schlicht aufs richtige Maß an.

Im Kanzleramt wird darauf verwiesen, dass es falsch sei zu glauben, es habe zum Beispiel rund um die Stadtbild-Aussage keine ausführlichen Beratungen im kleinen Kreis gegeben. Selbstverständlich fänden solche Runden jeden Tag statt. Die Kritiker der aktuellen Rollenverteilung im Kanzleramt beklagen dagegen, dass im Umfeld von Merz schon jetzt zu wenige Menschen zu viele Aufgaben hätten – und genau deshalb kaum jemand Zeit und Raum habe, um den Blick auch mal kritisch zu weiten. Sie verweisen außerdem darauf, dass Merkels Büroleiterin Baumann immer nur diesen einen zentralen Job gemacht hätte. Schrot habe dagegen schon früh auch die Organisation des neuen Nationalen Sicherheitsrats übernommen.

Verteidiger der Lage im Kanzleramt erinnern hingegen daran, dass Merkel und Merz nun mal ganz andere Persönlichkeiten seien. Das solle man bei alledem nicht außer Acht lassen. Keine falsche Beobachtung, so viel ist sicher.

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Letzte Aktualisierung: 28. Oktober 2025

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