Talk of the town
Erscheinungsdatum: 23. September 2025

Haushalt: Wie dem Finanzminister die Deutungshoheit entglitten ist – und welche Rolle die Grünen dabei spielen

Felix Banazak, Lars Klingbeil, Katharina Dröge
Anfang des Jahres noch im vertrauten Miteinander: Felix Banaszak, Lars Klingbeil und Katharina Dröge (IMAGO / photothek / Kira Hofmann)

Vor einem halben Jahr lobten die Grünen noch das Sondervermögen – heute zählen sie zu den härtesten Kritikern. Wie berechtigt ist ihr Vorwurf, die Regierung nutze die Mittel nicht wie vereinbart?

Was für ein Unterschied ein halbes Jahr machen kann: Mitte März, als sich die Grünen mit Union und SPD über das neue Sondervermögen geeinigt hatten, war Katharina Dröge noch voll des Lobes. Ihre Partei habe durchgesetzt, „dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird“, sagte die Grünen-Fraktionschefin damals. Indem „das Kriterium der sogenannten Zusätzlichkeit in diesem Sondervermögen verankert wird“, sei sichergestellt, „dass am Ende nicht Hunderte von Milliarden Euro genutzt werden, um Steuersenkungen aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren“, so Dröge. 

Sechs Monate später ist von dieser Gemeinsamkeit nichts mehr übrig. Die Grünen gehören nun zu den schärfsten Kritikern der Regierung und speziell ihres Umgangs mit dem gemeinsam beschlossenen Sondervermögen. „Keine Koalition vorher hatte so viel Geld zur Verfügung, um das Land wieder auf Vordermann zu bringen“, sagte Andreas Audretsch am Dienstag. Doch die Regierung gebe das Geld nicht wie vereinbart für zusätzliche Investitionen aus. Mindestens 75 Prozent der Ausgaben im Sondervermögen für 2026 seien schon zuvor eingeplant gewesen. 

Auch von den anderen Oppositionsparteien und vielen Sachverständigen gab es Kritik. Doch das vernichtende Urteil der Grünen dürfte den Finanzminister besonders hart treffen. Immerhin besitzen sie als Mit-Architekten des Sondervermögens in dieser Frage starke Glaubwürdigkeit. Mit ihrer Positionierung dürften sie entscheidend dazu beigetragen haben, dass in der öffentlichen Debatte über den Bundeshaushalt vor allem über – reale oder angebliche – Tricksereien der Regierung gesprochen wird und kaum über die Rekordinvestitionen, auf die Lars Klingbeil immer wieder verweist.  

Entsprechend war dem Finanzminister der Frust über die Debatte in seiner Haushaltsrede anzumerken. Er wünsche sich „Zuversicht statt schlechter Laune“, sagte er und erinnerte daran, „dass Kooperation uns guttut“. Es gehe auch um die politische Kultur, so Klingbeil. Inhaltlich verteidigte er den Haushalt mit dem Argument, dass die Investitionen mit insgesamt 126 Milliarden Euro einen absoluten Rekordwert erreichten. Die Kritik der Grünen wies er zurück: „Mit den Investitionen aus dem Sondervermögen stopfen wir keine Haushaltslöcher.“ Als Beleg führte er erneut die Tatsache an, dass im Kernhaushalt wie vereinbart eine Investitionsquote von mehr als 10 Prozent erreicht werde.  

Und damit hat er tatsächlich einen Punkt: Exakt dieses Kriterium hatten die Grünen bei der Grundgesetzänderung durchgesetzt, um zu verhindern, dass in großem Umfang Investitionen aus dem Kernhaushalt ins Sondervermögen verschoben werden – und es wird eingehalten, wenn auch ziemlich knapp. Ihre Kritik stützen die Grünen darum nun nicht auf die Gesamtquote, sondern stattdessen auf die Verschiebung einzelner Posten vom Haushalt ins Sondervermögen.   

Gleichzeitig macht sich die Regierung mit einigen Maßnahmen tatsächlich angreifbar. So gibt es für die 8,3 Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen pro Jahr an die Bundesländer weitergeleitet werden, und für die 10 Milliarden, die jährlich in den Klima- und Transformationsfonds fließen, kein Kriterium, das Zusätzlichkeit sicherstellt. Die Krankenhäuser erhalten 2,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, mit denen ziemlich eindeutig Betriebskosten und keine Investitionen finanziert werden. Und bei der Berechnung der Investitionsquote gibt es einen logischen Fehler, der dazu führt, dass diese etwas zu hoch ausfällt – allerdings nicht so stark, wie von den Grünen angegeben, die dabei ihrerseits nicht ganz exakt rechnen.  

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Regierung zwar tatsächlich trickst – aber nur in dem Umfang, in dem die gemeinsam mit den Grünen vereinbarten Regeln es erlauben. Von den 59 Milliarden Euro, die in diesem Jahr aus dem Sondervermögen fließen, gehen gut 18 Milliarden an Länder und KTF, wo keine Zusätzlichkeit verlangt wird. Knapp 41 Milliarden Euro werden vom Bund direkt ausgeben. Gleichzeitig liegen die geplanten Investitionen (ohne finanzielle Transaktionen) im Bundeshaushalt 2026 nur rund 3 Milliarden Euro niedriger als der Wert im Jahr 2024. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die realen Investitionen am Ende niedriger sein werden als der Planwert und dass die Gesundheitsausgaben teilweise keine Investitionen sind, ist der Vorwurf, dass der Großteil der Investitionen nicht zusätzlich ist, nicht berechtigt. 

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 23. September 2025

Teilen
Kopiert!