Analyse
Erscheinungsdatum: 15. November 2025

USA ohne Marktdaten: Deutsche Unternehmen operieren im Blindflug und finden Alternativen

Nicht nur die US- Zentralbank operiert derzeit im Blindflug ohne staatliche Daten zu Arbeitsmarkt, BIP und Inflation. Auch deutsche Unternehmen suchen nach Alternativen, um zu verstehen, wie sich der wichtige US-Markt entwickelt.

Erst feuerte US-Präsident Donald Trump im Juli die Chefin für Arbeitsmarkt-Statistik Erika Lee McEntarfer. Dann sorgte der Government Shutdown dafür, dass es keine staatlichen Wirtschafts-Indikatoren für Oktober gibt. Vor wenigen Tagen sagte die Regierungssprecherin Karoline Levitt, dass die Inflations- und Arbeitsmarkt-Zahlen für Oktober voraussichtlich nie veröffentlicht werden.

Weil Kongress und Regierung sich nicht auf einen Haushalt einigen konnten, waren nicht-essenzielle Behörden mehr als sechs Wochen lang geschlossen, nicht unbedingt benötigte Bundesangestellte beurlaubt und bestimmte öffentliche Dienstleistungen eingestellt oder verzögert. Dazu gehörten auch wichtige Statistikbehörden.

Das Fehlen von verlässlichen staatlichen Zahlen zu Inflation, Arbeitsmarkt, BIP und Einzelhandelsumsätzen erschwert nicht nur der Federal Reserve die nächste Zins-Entscheidung. Auch deutsche Unternehmen wissen nicht, mit welchen Szenarien sie auf dem ohnehin schon schwer kalkulierbaren US-Markt rechnen sollen.

Viele deutsche Unternehmen suchen daher in den USA nach kreativen Alternativen, um an Daten zu kommen. Dazu gehören Research-Firmen wie ADP für Arbeitsmarkt-Daten im Privatsektor oder auch das Job-Portal Indeed zu Trends bei Einstellungen. Andere Analysten sammeln die Daten, die es auf Bundesstaaten-Ebene noch gibt und versuchen diese, hochzurechnen.

„Wir haben ADP vorher nicht benutzt. Aber wir sind erstaunt wie akkurat und detailliert die Daten sind, vielleicht sogar besser als die vom Amt für Arbeitsmarktstatistik“, sagt das Vorstandsmitglied der US-Tochter eines großen deutschen Industrie-Unternehmens. Voraussichtlich wird die US-Tochter die alternativen Daten auch nach dem Ende des Shutdowns weiter nutzen.

„Es ist die Stunde der privaten Daten-Anbieter“, sagt ein deutscher Bank-Manager, der deutsche Unternehmen in den USA betreut. Er gibt zu bedenken, dass die amerikanischen staatlichen Statistiken oft im Nachgang stark revidiert werden. Seine Bank benutze daher schon länger auch alternative Daten und er beobachtet, dass das nun auch mehr und mehr deutsche Unternehmen tun.

Beim Thema Inflation kommen Anbieter wie Truflation oder auch Preiss-Tracker von Einzelhändlern wie Amazon zum Einsatz. Wer wissen will, wie es um die Ausgaben der Verbraucher steht kann die Echtzeit-Analysen zum Zahlungsverhalten und Kreditkarten-Transaktionen von Anbietern wie Earnest Research von Alternative Data oder Affinity Solutions nutzen. Und der Verband American Trucking Association veröffentlicht in seinem „Freight Index“ Daten zum Güter-Transport und Lieferketten.

Der Vorteil der privaten Anbieter ist auch, dass diese oft wöchentlich oder sogar täglich herauskommen und nicht nur monatlich wie die Arbeitsmarkt- und Inflationsdaten der staatlichen Statistikbehörde. Außerdem brechen viele private Anbieter die Daten extrem detailliert auf einzelne Sektoren herunter. Damit sind sie nicht nur für Großkonzerne, sondern auch für deutsche Nischen-Spieler interessant.

Katharina Kort berichtet aus New York für Table.Briefings. Sie war lange US-Büroleiterin des Handelsblatts und wird auch für den Spiegel über die US-Wirtschaft schreiben.

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Letzte Aktualisierung: 15. November 2025

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