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Ukraine, Trump, Putin: warum Deutschland zum wichtigsten Gegenspieler Russlands aufgestiegen ist

Friedrich Merz rückt in die Rolle des wichtigsten europäischen Gegenspielers Wladimir Putins. Mit harter Ukraine-Politik, dem Zugriff auf russische Vermögen und neuer Offenheit bei Cyberangriffen macht Berlin klar: Europa will mitentscheiden.

14. Dezember 2025
Friedrich Merz begrüßt Wolodymyr Selenskyj am Sonntag im Kanzleramt
Friedrich Merz begrüßt Wolodymyr Selenskyj am Sonntag im Kanzleramt (IMAGO / dts Nachrichtenagentur)

Als Donald Trump zum ersten Mal US-Präsident wurde, erklärten viele Medien Angela Merkel zur neuen Anführerin der freien Welt. Das schmeichelte der Kanzlerin in Berlin, traf ein verbreitetes Gefühl in liberalen Kreisen der USA und war zu diesem Zeitpunkt trotzdem – noch – nicht mit entsprechenden Gefahren und Lasten verbunden. Acht Jahre später ist die Lage eine ganz andere. Jetzt manifestiert sich, was sich damals erst andeutete: Mit einer US-Administration, die sich mit der sogenannten freien Welt nicht mehr identifiziert, wird Deutschland zum wichtigsten Gegengewicht zu Russland – und Friedrich Merz zum wichtigsten Gegenspieler Wladimir Putins.

Dabei spielt die Tatsache, dass Merz am Sonntag Gastgeber für Verhandlungen zwischen Washington und Kyjiw ist, nicht die wichtigste Rolle. Mindestens an diesem ersten Tag ist Berlin vor allem Schauplatz und Rahmengeber; wirklich beteiligt war Merz an den Gesprächen nicht. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass er sich als mächtigster Regierungschef der EU konsequent an die Seite der Ukraine gestellt hat und zu so etwas wie deren wichtigstem Beschützer aufgestiegen ist. Eine Rolle, die Olaf Scholz eher vermieden hat. Merz macht es – und die Tatsache, dass sich am Montag neben Merz, Selenskyj und Nato-Generalsekretär Mark Rutte ein knappes Dutzend europäischer Staats- und Regierungschefs im Kanzleramt versammeln wird, unterstreicht, dass der Kanzler zu Europas Primus inter pares geworden ist.

Merz hat diese Rolle angenommen. Und das nicht nur zur Unterstützung der Ukraine, sondern im ureigenen europäischen Interesse. Begonnen hat er am ersten Tag seiner Amtszeit, als er die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung ins Spiel brachte. Schon das sollte ein starkes Signal an Russland (und an Trump) sein: Wir werden uns jetzt um uns selbst kümmern. Noch viel konkreter aber ist es geworden, seit Merz die eingefrorenen russischen Geldvermögen in Belgien und anderen EU-Staaten als den großen finanziellen und politisch-diplomatischen Hebel Europas ausgewählt hat. Andere in der EU zögern, fragen, zweifeln oder fordern wie Italien, Malta, Bulgarien und Belgien Alternativen – Merz will hart bleiben.

Nichts ärgert Moskau mehr als das Bestreben, dieses Geld für die Verteidigung der Ukraine (und Europas) einzusetzen. Nichts zeigt auch Trump deutlicher, dass Berlin nicht gewillt ist, bei einer Lösung außen vor zu bleiben. Der Kanzler hat sich an der Stelle entschieden, Hardball zu spielen. Er hat keine andere Chance gesehen, Europa im Ringen um Frieden das nötige Gewicht zu verleihen. Ob er es schafft, bleibt bis zum EU-Gipfel offen. Aber er hat sich zum Kampf entschieden.

Zu dieser Entschlossenheit gehört auch der neue Umgang mit russischen Cyber-Angriffen. Dass AA und BND ausgerechnet am Freitag das russische Treiben mit konkreten Beispielen und Verantwortlichkeiten offenlegten, kann und muss als Zeichen an Moskau verstanden werden, nicht mehr länger nur zuzusehen. Gleich in zehn Fällen hat die Regierung Fake-News-Attacken gegen Politiker und Institutionen enthüllt und so gut wie jedes Mal auch die Verbindungen des russischen Militärgeheimdienstes GRU zu den Handelnden ausgesprochen. Merz und seine Regierung sind im Umgang mit Russland in eine neue Phase eingetreten.

Putins Trolle haben Merz längst als Hauptgegenspieler ins Visier genommen. Schon seit Monaten heißt es in Diplomaten- und Sicherheitskreisen, dass Merz in Moskau zum Gegner Nummer 1 aufgestiegen ist. Die Liste der Fake-News-Attacken bestätigt, wie russische Angreifer den Kanzlerkandidaten attackierten und den Kanzler weiter angreifen. Mal wird mit gefälschten Krankenakten behauptet, er sei psychisch instabil; dann wird erklärt, er habe bei der Jagd Bärenbabys getötet. Und dann wird über eine gefälschte Homepage behauptet, seine Bundesregierung wolle viel mehr Flüchtlinge nach Deutschland holen. Einziges Ziel: Diskreditierung und Zerstörung von Glaubwürdigkeit. Es wird nicht geschossen; es wird gelogen.

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Letzte Aktualisierung: 14. Dezember 2025