Berlin.Table – Ausgabe 732

Merz und die CDU + Merz und die Tränen + Die Fraktionen und die Macht

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Dies ist die letzte reguläre Ausgabe des Berlin.Table in diesem Jahr. Nach einem ereignisreichen, ja wilden und auch aufregenden Jahr danken wir Ihnen sehr für Ihre Treue. Wir melden uns nach der Weihnachtspause am Abend des 4. Januar, wie gewohnt mit unseren Analysen, überraschenden News und vielen Infos über all das, was Sie aus Berlin wissen müssen. In der Zwischenzeit können Sie sich mit unserem kostenlosen Newsletter 100 Headlines auf dem Laufenden halten. Auch unser Podcast Table.Today erscheint zwischen den Jahren.

Erlauben Sie mir noch einen Hinweis: Vom kommendem Jahr an erscheint jeden Mittwoch der neue Space.Table. Das erste deutschsprachige Briefing für Raumfahrt liefert kompakt, was zählt: Weltraumprogramme, Budgets, Beschaffung. Industrie- und Innovationspolitik. Sicherheit und Verteidigung, Regulatorik, Wissenschaftsmissionen. Zum Test geht es hier.

Im Namen der Redaktion des Berlin.Table wünsche ich Ihnen friedliche Weihnachtstage!

Ihr Stefan Braun
Redaktionsleiter Berlin.Table

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Talk of the Town

Der Kanzler und seine CDU: Warum die Wahlkämpfer mit Zweifeln in die Weihnachtspause gehen

Friedrich Merz, so viel ist sicher, hat sich das Finale ganz anders vorgestellt. In der letzten Vorstandssitzung des Jahres hatte er dafür geworben und es selbst versprochen, dass die letzten Entscheidungen gute sein würden. Ausdrücklich wollte der Kanzler die Menschen mit einem positiven Gefühl in die Feiertage entlassen. Außenpolitisch mit einem Erfolg in Brüssel, als klares Signal an Trump, Putin und die Ukraine; innenpolitisch mit der Verabschiedung weiterer Gesetze; und parteipolitisch mit einem Erfolg bei der KAS-Nachfolge. Geblieben ist wenig. Allenfalls aus Brüssel lässt sich bei nüchterner Betrachtung ein halber Erfolg vermelden: mit 90 Milliarden Ukraine-Hilfe ohne Euro-Bonds – und einem nicht erwarteten Ja von Viktor Orbán. Not bad, hätte man sagen können.

Hängen blieb gefühlt trotzdem das Wort Niederlage. Der Grund: Merz hatte zuvor allein und sehr laut auf die frozen assets gesetzt. Im Vorfeld und zu Beginn der Stunden von Brüssel hatte er das so vehement vertreten, dass alles andere wie eine politische Pleite aussehen musste. Seit seiner Wahl im Mai ist daraus ein Muster geworden – und das besorgt die Partei. Viel anzukündigen, um am Ende maximal mit der Hälfte nach Hause zu kommen – das zieht sich durch Merz‘ bisherige Amtszeit.

Helmut Kohl hat den Satz geprägt: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Merkel hat dieses Denken lange Zeit perfektioniert. Merz aber agiert so, als habe er den Satz noch immer nicht verstanden. Obwohl er in der Koalition, in Brüssel und bei der KAS-Abstimmung Bündnisse schmieden und Kompromisse aushandeln muss, verspricht er vorneweg fast alles. Darüber haben seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in ihn Schaden genommen.

Womöglich schwang all das mit, als sein Kandidat Günter Krings dann auch noch bei der KAS-Wahl durchfiel. Das Ergebnis ist ein klares Signal der eigenen Leute, dass Merz auf eine geschlossene Gefolgschaft seiner Partei nicht mehr hoffen darf. Schon in den vergangenen Wochen hatte es Unmut über diese erzwungene Kampfabstimmung gegen Annegret Kramp-Karrenbauer gegeben. Der Vorwurf: Ausgerechnet der CDU-Chef spalte das eigene Lager. Statt zu versöhnen habe er einen Graben geschaffen, heißt es auch bei Parteivertretern und Abgeordneten, die eigentlich seinen Erfolg wollen.

Wie angespannt auch um Merz herum alle sind, zeigten unfreiwillig seine Mitstreiter. Als der Sieg von AKK verkündet wurde, waren Jens Spahn und Carsten Linnemann vor allem eines: hochgradig verärgert. Sie hatten sich für Merz und seinen Kandidaten Krings in die Schlacht geworfen. Als diese verloren war, verließen sie in einer Mischung aus Frust und Zorn nahezu wortlos den Ort der Niederlage. So jedenfalls berichten es mehrere Teilnehmer, die mitgewählt haben und Zeugen wurden.

Das Ergebnis von alledem: Von Nord bis Süd zweifeln die CDU-Wahlkämpfer an ihrem Kanzler. Und hoffen zugleich auf seine Einsicht. Nicht jeder Christdemokrat, der im kommenden Jahr Landtagswahlen bestreiten muss, äußert seine Sorgen so offen wie Gordon Schnieder aus Rheinland-Pfalz. Er sagte der Welt am Wochenende: „So dürfen wir nicht weitermachen.“ Ähnliches ist seit Längerem aus Baden-Württemberg zu hören, auch wenn Spitzenkandidat Manuel Hagel jede direkte Kritik vermeidet. Alle wünschen sich, dass verabschiedete Reformen und andere Erfolge nicht mehr überlagert werden von Pannen, zu großen Versprechen und schlecht geführten Debatten. Diesen Wunsch allerdings hat es nach dem Richterwahlärger vor einem halben Jahr schon einmal gegeben.

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News

Friedrich Merz und die Tränen: Wo der Kanzler ein neues Gesicht gezeigt hat. Wer 16 Jahre lang eine meist kontrollierte Angela Merkel und anschließend drei Jahre einen weitgehend emotionslosen Olaf Scholz erlebt hat, für den ist ein weinender Regierungschef mindestens ungewohnt. Beim ersten Mal dachte man noch, es habe mit der besonderen Situation zu tun. Merz, der zwei Mal am Parteivorsitz gescheitert war, hatte es nun endlich geschafft – bei der Mitgliederbefragung erreichte er eine große Mehrheit. Das rührte ihn zu Tränen, für viele verständlich.

Beim zweiten Mal wird die Skepsis schon größer. Der Oppositionsführer Merz bekam einen Polizeibericht in der Fraktion vorgelesen, kurz nach dem Attentat in Aschaffenburg. Die Abgeordnete Andrea Lindholz las damals vor, wie ein marokkanisches Kleinkind und weitere Menschen schwer verletzt wurden. Teilnehmer berichteten später von einem sichtlich emotionalen Merz. Die Konsequenz: Der CDU-Chef wollte unbedingt handeln. Es folgte die Ankündigung, Merz wolle einen Antrag in den Bundestag einbringen und später als Kanzler gleich am ersten Tag mit seiner Richtlinienkompetenz harte Maßnahmen verkünden. Das Ganze kam so übereilt, dass nicht bedacht wurde, die AfD könne sich dranhängen und mitstimmen. Ein schwerer Fehler, von dem in der CDU heute viele glauben, er habe die Partei bei der Bundestagswahl Stimmen gekostet.

Aber, so würde es sein Umfeld beschreiben: Merz ist nun mal emotional. Es ist eine Stärke, aber auch eine Schwäche. Für manche wirkt er authentisch, andere fürchten, er sei dadurch getrieben. Ein Für und Wider. Es gab deshalb sehr unterschiedliche Reaktionen, als der Kanzler bei einem Besuch in der Münchner Synagoge erneut zu Tränen gerührt war. Merz sprach über den Holocaust, sichtlich ergriffen. Ob ein Kanzler weinen darf oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. In jedem Fall ist es ein Anblick, an den sich die Deutschen erst wieder gewöhnen müssen. Sara Sievert

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Die Koalitionsfraktionen und die Macht: Wieso Regieren schwerer geworden ist. Es wäre einfach und ist am Ende dieses Jahres auch immer wieder zu hören: Schuld an der neuen Unberechenbarkeit der Unionsfraktion sei der Fraktionschef. Die Aufgabe von Jens Spahn sei es nun einmal, den Laden zusammenzuhalten. Falsch ist das nicht, aber es reicht als Erklärung nicht alles. Denn die Lage hat sich seit den Zeiten von Angela Merkel nachhaltig verändert. 2021 und 2025 kamen jeweils rund 50 neue Abgeordnete in die Fraktion. Das bedeutet: Bei aktuell insgesamt 208 Abgeordneten ist knapp die Hälfte in einer Nach-Merkel-Zeit ins Parlament eingezogen, geprägt von der Oppositionsarbeit seit 2021. Die Folge: Sie sind nicht auf Pragmatismus, sondern mehr auf Union pur ausgerichtet.

Nicht viel anders ist es spiegelverkehrt bei den Sozialdemokraten. Auch hier sind über die letzten beiden Wahlen viele jüngere Abgeordnete eingezogen, die sich vor allem über soziale Fragen oder den Einsatz für Flüchtlinge identifizieren. Aus diesem Grund kommen jene, die die Zusammensetzung der Regierungsfraktionen präziser studiert haben, zu dem Schluss: Noch nie in den letzten zwanzig Jahren war die Spannbreite in einer schwarz-roten Koalition so groß wie heute. Anders ausgedrückt: Die kulturellen Unterschiede zwischen den Regierungspartnern sind noch gravierender geworden. Ein erfahrener CDU-Mann im Kanzleramt kommt zu dem Resumé: „Wir machen Fehler, keine Frage. Aber es ist auch aus objektiven Gründen schwieriger geworden, den Laden zusammenzuhalten.“ Stefan Braun

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Video von der Preisverleihung bei „Deutschlands beliebteste Pflegeprofis“. Strahlende Gesichter, spannende Gespräche und so manch feuchtes Auge: Die 16 Landessiegerinnen und -sieger sowie Gäste aus Politik und Pflegeszene waren gekommen, um die drei Bundessieger des großen Wertschätzungs-Wettbewerbs der PKV auszuzeichnen und gemeinsam die Pflege hochleben zu lassen. (mehr bei unseren Youtube-Shorts)

Koalition im Schatten der politischen Ränder: Linnemann und Klüssendorf beschwören neuen Anspruch an sich selbst. Die vielen Baustellen, Pannen und schwierigen Abstimmungen sind natürlich auch den Generalsekretären von CDU und SPD nicht verborgen geblieben. Und sie mussten wieder und wieder erkennen, dass von der mangelnden eigenen Kraft vor allem die Ränder profitierten. Carsten Linnemann sagte Table.Briefings: „Die politischen Ränder werden aggressiver und zunehmend aus dem Ausland unterstützt. Die Mitte ist deswegen besonders gefordert.” Den Anspruch an sich und die Koalition formuliert er so: Jetzt gelte es, „den Rücken gerade zu machen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“.

Noch einen Schritt weiter geht Tim Klüssendorf. Er sagte Table.Briefings zum Abschluss des Jahres: „Es reicht nicht mehr aus, Politik zu liefern, indem wir gute Gesetze verabschieden oder Einzelmaßnahmen diskutieren.“ Die Koalition und die sie tragenden Parteien bräuchten „eine neue Geschichte für unsere Demokratie und eine gemeinsame Vision einer freien und gerechten Gesellschaft“. Damit könne sie „den Kampf aufnehmen und sich den Rechtsextremen und Autoritären entgegenstellen.“ Stefan Braun, Sara Sievert

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Rückblick der CSU-Landesgruppe: So kompliziert war es noch nie. Politik „aus einem Guss“ sei nicht umsetzbar, dafür sei die Situation derzeit zu unberechenbar, sagte der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Hoffmann im Gespräch mit Table.Briefings. Das gelte etwa für die Gespräche über Friedensverhandlungen in der Ukraine. Da komme es zu Momenten, in denen eine Regierung handlungsfähig bleiben und unter Umständen auch eine Neuausrichtung vornehmen müsse, so Hoffmann.

Mit Blick auf die Arbeit der Koalition unterstreicht Hoffmann, dass in den ersten Monaten bereits einiges erreicht worden sei. Aber er wolle die Leistung nicht an der Anzahl der Gesetze messen. „Gesetze sind nicht per se gut für die Bürger. Auch das ist eine Botschaft, die wir mit dem Gedanken der Entbürokratisierung verbinden“, sagt Hoffmann. Aber es gehe um die Maßnahmen an sich, wie die Änderungen beim Bürgergeld oder die Senkung der Netzentgelte, die nach und nach bei den Menschen ankommen würden. Dennoch sieht er Verbesserungspotenzial, was die Kommunikation der Regierung betrifft. Nach der Klausur in Würzburg habe zwar eine Verbesserung eingesetzt, „aber wir erleben eigentlich keinen Tag, wo wir nicht feststellen: Da können wir noch besser werden, anders kommunizieren, uns enger abstimmen“. Magdalena Latz

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Der Koalitionsvertrag und Ergebnisse: Die Eile hatte ihren Preis. Vor Beginn der Legislatur war Friedrich Merz oft die Frage gestellt worden, was das wichtigste Ziel sei, das er sich selbst setze. Seine Antwort: eine Regierung, die weniger streitet und Handlungsfähigkeit ausstrahlt. Blickt man auf die vergangenen Monate zurück, blieb der Streit nicht wirklich aus. Die Handlungsfähigkeit hing zu oft am seidenen Faden. Warum? Mitunter, weil Probleme zu oft verlagert wurden. Angefangen bei einem Koalitionsvertrag, der binnen kürzester Zeit verhandelt wurde. Der Blick auf den damals bevorstehenden Nato-Gipfel, bei dem unklar war, ob Donald Trump an Bord bleiben würde, und die instabile Lage nach dem Ampel-Bruch sorgten für Zeitdruck. Das Ergebnis: Merz zwang seine Union in ein übereilt verhandeltes Rekordschulden-Manöver und viele der großen Konflikte wurden im Koalitionsvertrag ausgespart. Nur: Damit waren sie nicht aus der Welt. Große Reformen drängen mehr denn je. Dass im nächsten Jahr drei wichtige Landtagswahlen bevorstehen, macht es nicht leichter. Allerdings dürfte die Koalition aus den vergangenen Monaten gelernt haben, dass man Probleme nicht ewig aufschieben kann. Sara Sievert

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Berlin und Paris: Der Europafreund Macron ist zu einem komplizierten Partner geworden. Das Freihandelsabkommen Mercosur, die Finanzierung der Ukraine, mögliche Gespräche mit Wladimir Putin, das gemeinsame Flugzeugprojekt FCAS – zwischen Friedrich Merz und Emmanuel Macron gibt es am Ende des Jahres mehr Gegensätze als Gemeinsamkeiten. Dabei sind sowohl Kanzler als auch Staatspräsident leidenschaftliche Europäer. Die Reibereien haben negative Auswirkungen auf das deutsch-französische Verhältnis, das – wenn es harmonisch war – Streitigkeiten auf europäischer Ebene schneller zu Ende gehen ließ.

Doch nach Harmonie zwischen Berlin und Paris sieht es nicht aus, momentan überwiegt die Rivalität. Zuletzt versuchte Merz, für Deutschland eine Führungsrolle auf dem internationalen Parkett zu sichern. Doch Macron konterte. Er sieht diese Rolle auch für Frankreich. Und er hat innenpolitisch wegen unklarer Mehrheiten viel größere Probleme als Merz. Macron sind schon die Hände gebunden, wenn es um weitaus geringere Fragen als die nach Krieg und Frieden geht. Das dürfte sich auch im kommenden Jahr nicht verändern, sondern eher noch komplizierter werden. Denn die nächste Präsidentschaftswahl steht spätestens im Frühjahr 2027 an. Damir Fras

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Merz und Tusk: Auch persönliche Freundschaft schützt nicht vor tiefen Gräben. Friedrich Merz und Donald Tusk sind sich in strategischen Fragen weitgehend einig. Beide wollten die Ukraine mit eingefrorenen russischen Staatsgeldern stärken. Beide wollen die gemeinsame Verteidigung der Nato-Ostflanke verbessern und die Verkehrsinfrastruktur zwischen Deutschland und Polen ausbauen. Auch dass Merz in internationalen Fragen das sogenannte E3-Format mit Emmanuel Macron und Keir Starmer dem Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich und Polen vorzieht, scheint keine lauten Störgeräusche hervorzurufen. Dazu kommt, dass Merz und Tusk einander persönlich sehr schätzen.

Dennoch klafft ein Graben zwischen Polen und Deutschland. Das hat innenpolitische Gründe – in Berlin wie in Warschau. Die von Alexander Dobrindt verfügten Grenzkontrollen sind in Polen sehr schlecht angekommen. Die Gegenkontrollen ließen nicht lange auf sich warten. Wie das weitergeht, ist unklar. Hinzu kommt die polnische Debatte über Kriegsreparationen. Tusk macht sich die PiS-Forderung nach Zahlung von 1,5 Billionen Euro zwar nicht zu eigen. Doch zu nachgiebig gegenüber Berlin kann er sich nicht zeigen. Der neue nationalpopulistische Präsident Karol Nawrocki tut alles, um Tusk zu Hause und im Ausland in die Parade zu fahren. Das wird er fortsetzen. Damir Fras

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Reform des Sozialstaats: Mit falschen Zahlen wird das nichts. Selbst Fachleute haben zum Teil den Überblick über das System verloren und hoffen, dass die Sozialstaatskommission im Januar einen großen Wurf vorschlägt. Die Frage ist, ob bestimmte Stellen im föderalen Gefüge und in Behörden bereit sind, Macht abzugeben – beziehungsweise mehr Verantwortung zu übernehmen. Und ob die Regierung bereit ist für eine Abkehr vom Konzept der Einzelfallgerechtigkeit. Im Koalitionsvertrag heißt es, die Verwaltungsmodernisierung im Sozialbereich solle „zur Blaupause“ für den Staat insgesamt werden. Wenn man mit nicht belegten Zahlen oder unrealistischen Einsparerwartungen agiert, hilft das nicht beim Erreichen dieses Ziels.

Schafft man es, bringt das nicht nur einen einfacheren Alltag für viele, sondern auch mehr Vertrauen in die Politik. Entscheidend wird sein, wie die Koalition mit den nächsten Streit-Themen umgeht. Manche wollte sie eigentlich noch 2025 klären, darunter das Tariftreuegesetz und die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes. Auch der von der EU-Mindestlohnrichtlinie vorgegebene Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen, den der Bund bis 31. Dezember nach Brüssel hätte schicken müsse, schaffte es nicht mehr durch das Kabinett. Besonders verhärtet sind die Fronten bei der geplanten Flexibilisierung der Arbeitszeit, auch nach dem offiziellen Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Dieser habe gezeigt, dass die Positionen „sowohl zu einzelnen Fragestellungen als auch zu übergeordneten Fragen sehr weit auseinanderliegen“, so das BMAS zu Table.Briefings. Okan Bellikli

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Migration und Sicherheit: Machen ist ungleich schwerer als Wahlkampf. Mit seiner „Migrationswende“ hat Friedrich Merz vor der Bundestagswahl hohe Erwartungen bei seinen Anhängern geweckt. Beauftragt ist damit seit Mai Innenminister Alexander Dobrindt. Er begann schnell mit den Kontrollen an der Grenze zu Polen – und musste bald lernen, dass Gerichte manches Vorgehen für unrechtmäßig halten. Im Juni erklärte das Verwaltungsgericht Berlin Zurückweisungen an der Grenze ohne Dublin-Verfahren für rechtswidrig. Die Statistik lässt sich für die Union dennoch als Erfolg erzählen. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zu 2024 von rund 230.000 auf etwa 106.000 zurück, jeweils von Januar bis November. Einen Rückgang gab es auch in der EU. Die Hoffnung, damit die AfD zu schwächen, ist aber bisher nicht erfüllt worden.

Im Laufe des Jahres immer wichtiger wurden hybride Bedrohungen. Wie intensiv er sich mit Drohnen würde befassen müssen, konnte Dobrindt bei Amtsübernahme kaum wissen. Cyber- und Sabotageangriffe bedrohen das Land; vor allem aus Russland, doch auch China und der Iran machen sich bemerkbar. Zahlreiche neue Gesetze oder Novellen sollen Deutschland besser schützen. Die lange verzögerte Umsetzung der NIS-2-Richtlinie ist in Kraft getreten, zu Polizei- und Geheimdienstbefugnissen, Cyber Resilience Act und weiteren Vorhaben stehen Debatten und Beschlüsse an. Thematisiert hat der Innenminister vieles. Konkretisiert wurde noch lange nicht alles. Franziska Klemenz

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Strompreiskompensation: Brüssel verschickt ein Weihnachtspräsent. Für die energieintensive Industrie war das Jahr geprägt vom Kampf um niedrigere Strompreise. Nachdem EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera im Sommer die Weichen für den Industriestrompreis gestellt hatte, kam von der Spanierin kurz vor Weihnachten ein finanziell noch bedeutenderes Signal. Am Dienstag genehmigte die Kommission die Ausweitung der Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen. Mehr Branchen profitieren vom Ausgleich der CO₂-Kosten ihres Strombezugs; und wer schon bisher begünstigt war, erhält eine höhere Förderung.

Die Chemieindustrie hat noch mehr auf dem Wunschzettel. „Die EU-Kommission erkennt den verschärften internationalen Wettbewerb an“, teilte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup am Dienstag zufrieden mit. Die Bundesregierung solle sich nun in Brüssel dafür einsetzen, dass die Strompreiskompensation mit dem Industriestrompreis kombiniert werden könne. Manuel Berkel

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Deutschland und China: Eine wackelige Basis ist besser als gar keine. 2025 war zwischen Berlin und Peking ein Jahr voller Spannungen, vorsichtiger Annäherungen und offener Fragen. Sinnbildlich dafür steht die Reise von Außenminister Johann Wadephul nach Peking: Zunächst unter Gewitterstimmung abgesagt, später nachgeholt, begann sie mit gedämpften Erwartungen und endete mit ebenso eingeschränkten Ergebnissen.

Zentrale Konfliktlinien bleiben bestehen. Geopolitische und wirtschaftliche Differenzen werden auch 2026 viel Krisenmanagement und Pragmatismus nötig machen. Das von Misstrauen und Abhängigkeiten getragene Fundament der Beziehungen wirkt zum Jahreswechsel wackelig und brüchig. Doch gerade in einem Umfeld wachsender globaler Unsicherheiten scheint für beide Seiten klar: Der Gesprächsfaden darf jetzt nicht abreißen. Fortschritte sind möglich, aber mühsam. Eine besondere Einordnung lesen Sie im China.Table. Fabian Peltsch.

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AfD Sachsen-Anhalt: Vom Umfragerausch zum internen Streit. Mit Umfragewerten von knapp 40 Prozent ging der Landesverband durchs Jahr. Der Landesvorstand und der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026, Ulrich Siegmund, gaben sich siegessicher. Nicht wenige fühlten (und benahmen) sich schon wie künftige Minister. Doch dann folgte eine Bruchlandung. Jan-Wenzel Schmidt, bis Februar Generalsekretär, belastete den Landesvorstand mit schweren Vorwürfen von Vetternwirtschaft über falsche Abrechnungen bis hin zu potenziellen Straftaten.

Schmidt schlägt nun viel Hass entgegen. Eine Polizeistreife muss alle paar Stunden bei ihm und seiner Familie vorbeischauen. Gegen ihn gab es auch selbst Vorwürfe unter anderem der Vetternwirtschaft. Laut Schmidt werden er und seine Fürsprecher seit neun Monaten bedroht. Der Verband will ihn nun über ein Parteiausschlussverfahren loswerden. All das hat kurz vor Weihnachten auch den AfD-Bundesvorstand aufgeschreckt. Es habe Sonderschalten gegeben, hieß es aus Vorstandskreisen; Sachsen-Anhalt werde die Partei noch weit über die Feiertage hinaus beschäftigen. Schmidt will ab Mitte Januar wöchentlich E-Mails mit Belegen für seine Vorwürfe liefern. Sie sollen sich gegen die wichtigsten Köpfe richten. Franziska Klemenz

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Table.Today Podcast

Table.Today mit Daniel Günther. "Sind Sie jetzt ein Merz-Fan, Herr Günther?"

Er hat sich vom notorischen Kritiker des CDU-Politikers Friedrich Merz zu einem seiner wichtigsten Unterstützer in den Ländern entwickelt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zieht im Podcast eine durchaus positive Bilanz des ersten Jahres der Merz-Regierung, wünscht sich allerdings eine etwas ruhigere Kommunikation und einen raschen Durchbruch bei den Bund-Länder-Verhandlungen zu den Finanzverflechtungen. Außerdem berichtet der CDU-Regierungschef, wie er mit den parteiinternen, eher konservativen Spöttern umgeht, die ihn „Genosse Günther“ nennen, und warum er Markus Söder in seinem Bundesland immer noch nicht empfangen hat. Den Podcast hören Sie ab 5 Uhr hier.

Auch während der Feiertage sind wir mit einer täglichen Sonderausgabe des Podcasts für Sie da und haben dazu interessante Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für ein ausgeruhtes Gespräch eingeladen. Mit dem Vorsitzenden der dm-Geschäftsführung, Christoph Werner, reden wir über die vermeintliche Nähe der Wirtschaft zur AfD und die Debattenkultur im Land. Die USA-Expertin und Politikwissenschaftlerin an der Brookings Institution, Constanze Stelzenmüller, blickt auf ein Jahr Donald Trump zurück. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler analysiert die politischen Ränder in Deutschland. Der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck, erklärt, wie ernst die Lage rund um die Droge Fentanyl in Deutschland ist. Dazu die CEOs Bastian Nominacher (Celonis) und Martin Ott (Taxfix) sowie der Podcaster und Moderator Micky Beisenherz mit einer humorvollen Jahresvorschau. Und als Start ins neue Jahr: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Wir wünschen viel Hörvergnügen. Michael Bröcker

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Table.Briefings bietet Werte, "die traditionelle Entscheidermedien via Print oder Website in der Regel so nicht erreichen." Jens Schröder. Jetzt die neuen Table.Briefings-Leserschaftsdaten anfordern.

Table.Documents

Time.Table

Weihnachtsansprache von Frank-Walter Steinmeier am 25. Dezember

Neujahrsansprache von Friedrich Merz am 31. Dezember

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Must-Reads

Politico: Viele Deutsche nennen die USA unzuverlässig. 40 Prozent der Deutschen finden, dass die USA eine negative Kraft in der Welt sind. Auch 40 Prozent der Franzosen sehen das so. In Kanada sind es sogar 56 Prozent. Das geht aus einer internationalen Umfrage von Politico hervor, die nach der Veröffentlichung der neuen US-Sicherheitsstrategie Anfang Dezember durchgeführt wurde. 52 Prozent der Befragten in Deutschland sind der Meinung, dass die USA mehr Probleme schaffen als lösen. In Frankreich sehen das 47 Prozent so, in Kanada 63 Prozent. („Poll: Major allies see US as unreliable and destabilizing“)

T-Online: Reul will CDU im Fall von AfD-Kooperation verlassen. „Falls meine Partei meint, man müsse da umdenken, dann bin ich weg“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Er bezieht sich auf Forderungen nach einem neuen Umgang mit der AfD. „Diese Truppe und ihr Denken ist die größte Gefahr für die Demokratie. Da darf es nur ein Dagegen geben.“ Dass die AfD auch mal mitstimmt, lasse sich nicht verhindern; für Mehrheiten auf sie angewiesen zu sein, dürfe aber keinesfalls System werden. („Dann bin ich weg“)

Tagesspiegel: Merz muss Auskunft zu Ermittlungen geben. Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Kanzleramt dazu verpflichtet, Details zu Friedrich Merz betreffenden Ermittlungen wegen eines Delikts nach Paragraf 188 Strafgesetzbuch offenzulegen. Der Passus bestraft Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede gegen Politiker härter als gegen andere. Merz wollte bisher keine Auskunft zu solchen Fällen geben. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. („Merz muss offenlegen, welche Staatsanwaltschaften ermitteln“)

Nicht überhören!


Spiegel: Die Karriere des Jens Spahn. Der CDU-Politiker ist bekannt und mächtig, aber immer wieder auch Gegenstand von Vorwürfen: von der Maskenaffäre bis hin zu persönlichen Investments. Diese Podcast-Folge verfolgt seinen Weg von den Anfängen bis heute. Sie gehört zur Reihe Firewall, die „Schwachstellen im System“ als Überthema hat. Solche Schwachstellen scheine Spahn zu nutzen, so das Rechercheteam. („Jens Spahn – eine Karriere in der Grauzone“)

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Wir sind die Weitblick-für-die-Pflege-Versicherung. Weil wir für eine generationengerechte Pflege vorsorgen. Ein Großteil aller Einnahmen fließt in die PKV-Nachhaltigkeitsreserve. Dieses Geld legen wir gewinnbringend am Kapitalmarkt an. Mit den Erträgen sind die Leistungen der Pflegeversicherung komplett abgedeckt – auch wenn die Zahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigt. (mehr auf pkv.de)

Meistgelesenes von heute

Geburtstage von morgen

Britta Müller, Ministerin für Gesundheit und Soziales in Brandenburg (BSW), 54

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Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute zur Lage der deutschen Wirtschaft. Fünf mittelständische Unternehmen haben die Macher dieser Dokumentation ein Jahr lang begleitet – vom Weingut in Rheinland-Pfalz bis zum Porzellanhersteller in Thüringen. Die Chefinnen und Chefs eint die Erfahrung, dass das Geschäft etwa mit Blick auf die Zollpolitik von Donald Trump weniger planbar ist als früher. „Sich arrangieren, kämpfen, machen“ gibt der eine als Losung aus. Katherina Reiche wirbt in der Doku für mehr Optimismus sowie Mut und verweist auf ihre Arbeit an besseren Rahmenbedingungen. Okan Bellikli

Wirtschaft im Stresstest: Ein Jahr unter Mittelständlern | ARD

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Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Okan Bellikli, Manuel Berkel, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Damir Fras, Daniel Friesen, Franziska Klemenz, Magdalena Latz, Vincent Mikoteit, Fabian Peltsch und Sara Sievert mitgewirkt.

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.

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