Talk of the town
Erscheinungsdatum: 29. Oktober 2025

Zielbild des BMDS: Wildberger schwört auf neue politische Arbeitsweise ein

Karsten Wildberger
Karsten Wildberger (picture alliance / photothek.de | Juliane Sonntag)

Karsten Wildberger will mit dem Digitalministerium Deutschland „entknoten“: Bürokratie abbauen, Projekte messbar machen, digitale Infrastruktur ausbauen – und dabei Häuser, Mitarbeiter und Bürger gewinnen. Erfolg hängt von Kooperation und Durchhaltevermögen ab.

Karsten Wildberger hat ein Zielbild für seine Arbeit und das Digitalministerium entwickelt. Es liegt Table.Briefings exklusiv vor und zeigt, wie der Minister seine Rolle versteht und wie er das Haus und das ganze Land für seine Umbauarbeiten gewinnen möchte. „Deutschland hat sich verknotet“, schreibt Wildberger. Das BMDS sei angetreten, um diesen Knoten zu entflechten. „Die Menschen in Deutschland haben das Gefühl, dass nicht viel vorangeht. Sie denken, dass viel geredet und wenig gemacht wird.“ Und in der Tat: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage trauen 75 Prozent der Befragten dem Ex-Mediamarkt/Saturn-CEO die Entbürokratisierung nicht zu.

Wildberger und seine Mannschaft wollen diese Stimmung brechen. Aber sie können das nicht alleine schaffen. Um erfolgreich zu sein, ist das BMDS auf die anderen Häuser angewiesen. Gesetze zu reduzieren, also Bürokratie abzubauen, klingt simpler, als es in der Realität ist. Es bedeutet, Regeln zurückzunehmen; es heißt womöglich, ganze Aufgaben abzuschaffen. Für viele Häuser geht es also ans Eingemachte. Bislang macht das Ministerium deshalb vor allem die Erfahrung, dass zwar alle Häuser verbal gerne mitmachen, aber zu bremsen anfangen, wenn es konkret wird. Um das zu durchbrechen, schlägt das BMDS nichts weniger vor als eine „neue politische Arbeitsweise“. Das bedeutet für das Digitalministerium, auch mal hartnäckig nachzuhalten. Es heißt, das Haus werde am Anfang auch mal so was wie der „Kieselstein im Schuh“ der anderen (was in der Regel nervt) sein. Angestrebt werde aber, deren neue „Einlegesohle“ zu werden, (was am Ende wohltut).

Um erfolgreich zu sein, muss Wildberger nicht nur die anderen Häuser gewinnen, sondern auch seine eigenen Leute. Sein Ministerium ist nichts anderes als eine aus verschiedenen Ministerien zusammengesetzte neue Gemeinschaft. Um daraus ein verschworenes und erfolgreiches Team zu formen, bemüht sich der Minister um einen „Mindset-Wandel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ganz unterschiedliche Kulturen mitbringen“. Nach innen scheint Wildberger zu motivieren – und zu fordern. Nach dem Weggang von Martin von Simson, der den wichtigen Deutschland-Stack betreute, übernahm Christina Decker aus dem BMI seine Aufgaben.

Anfang 2026 will das Ministerium ein Dashboard für seine wichtigsten Projekte veröffentlichen. Kommunikationschefin Betty Kieß, die wie Wildberger aus der Wirtschaft kommt, sagte Table.Briefings: „Was uns hier im Haus wirklich wichtig ist: Wir arbeiten in Projekten und machen diese messbar.“ Die acht Durchbruchsprojekte, die in dem Dashboard dargestellt werden sollen, stehen in dem Zielbild: Abbau von Berichtspflichten, Abbau von Doppelstrukturen, Regulierungssimulation und Gesetzesfolgenabschätzung, Glasfaser- und 5G-Ausbau, ein neuer Standard für offene Datenökosysteme, KI, digitale Identitäten und Start-up-Förderung.

Um die Menschen für sich zu gewinnen, will das Ministerium offener und transparenter kommunizieren. Sprachlich wolle man „weg vom Beamtendeutsch“, hin zu einer „aufbrechenden, lebendigen Sprache“, die Bürger mitnimmt. Vor allem aber möchte Wildberger selbst auch dann erklären und auftreten, wenn Dinge mal nicht gut laufen. Die Idee erinnert an Habecks Videobotschaften aus der Zeit der Energiekrise.

Das BMDS gilt schon jetzt als das zentrale innenpolitische Projekt der Amtszeit von Friedrich Merz. Wildberger weiß sich deshalb der Unterstützung des Kanzlers gewiss. Vielversprechend ist für ihn außerdem, dass sich die Koalitionspartner bei diesem Thema bislang nicht streiten. Sogar große Teile der Opposition stehen hinter dem Bemühen – in Zeiten zunehmender Polarisierung ein seltener Konsens. Aber noch weiß niemand, auch Wildberger nicht, wie groß der Widerstand noch wird, wenn zu Bürokratieabbau, Gesetzesvereinfachungen und Personalabbau auch die Rücknahme von Umwelt- oder Klimaschutzauflagen gehören. Klar ist aber, dass das Thema Modernisierung entscheidend dafür ist, ob diese Regierung am Ende positiv erlebt und bewertet wird. Wildbergers Bitte, als Kurzusammenfassung aus dem Zielbild: Macht alle mit – sonst wird’s nichts.

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Letzte Aktualisierung: 29. Oktober 2025

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