Analyse | Gesundheit
Erscheinungsdatum: 02. November 2025

Nikotinbeutel: Warum die Bundesländer nach der EU rufen

Es gibt Nikotinbeutel mit und ohne Tabak (picture alliance/NurPhoto/Jakub Porzycki)

Sie sind gefährlich und werden nicht ausreichend reguliert. Die zuständigen Behörden sehen Brüssel in der Verantwortung.

Der Krankenkasse DAK zufolge hat jeder Siebte zwischen 16 und 17 sie schon mal probiert. Verkauf und Konsum sind in Deutschland zwar verboten, dennoch gelangen die Nikotinbeutel über Onlinehandel und Nachbarländer über die Grenze. Der Drogen- und Suchtbeauftragte Hendrik Streeck (CDU) verlangt deshalb eine konsequente Durchsetzung geltenden Rechts und fordert vor allem mehr Prävention und Aufklärung. Weil die Beutel, die man sich zwischen Oberlippe und Zahnfleisch klemmt, als Lebensmittel eingestuft sind, ist das Ernährungsministerium zuständig.

Das BMLEH betont, es setze sich schon länger für eine EU-Regelung ein. Die gibt es derzeit nur für die Tabak enthaltende Variante der Beutel, auch Snus genannt. Schon 2021 sprach sich die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) für eine nationale Regelung aus und bat den Bund, sich für eine internationale Regulierung einzusetzen. Mehrere EU-Staaten haben bereits Verbote beziehungsweise Einschränkungen erlassen oder planen diese, darunter Frankreich und Spanien. Allerdings verschickte Schweden an beide kürzlich Schreiben, es sei besorgt über eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs. Bei seinem EU-Beitritt hatte sich Stockholm die Zusage gesichert, Snus aufgrund seiner langen Tradition weiter herstellen zu dürfen. Der Staat muss dafür sicherstellen, dass die Produkte nicht in anderen Mitgliedsländern vermarktet werden.

In Deutschland sind die Lebensmittel-Überwachungsstellen der Länder zuständig. Beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gibt es eine Zentralstelle zur Kontrolle des Onlinehandels. „Die Problematik zu Nikotinbeuteln ist bekannt“, so das BVL. Viele Zahlen liegen aber nicht vor, wie die Abfrage bei den Bundesländern zeigt. Eine Änderung der Tabakprodukt-Richtlinie durch die Kommission sei dringend notwendig, schreiben mehrere von ihnen auf Anfrage von Table.Briefings. Das sei auch einer Regelung auf Bundesebene vorzuziehen, heißt es aus Thüringen. Die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben in den EU-Mitgliedstaaten erschweren aus Sicht der Länder die Überwachung. Das betreffe insbesondere den Onlinehandel.

Weil auf diesem Weg Nikotinbeutel in großem Umfang illegal ins Land importiert würden, seien Kontrollen eine Herausforderung. Es müssten „erhebliche“ Ressourcen dafür aufgebracht werden. Im Saarland wurde in den vergangenen beiden Jahren eine Menge im vierstelligen Bereich beschlagnahmt. Aus Brandenburg heißt es, die bisherigen Erkenntnisse wiesen auf einen „deutlichen Anstieg“ zum Vorjahr hin. Ebenso berichtet Rheinland-Pfalz von einem eher ansteigenden Trend. In etwa 50 Prozent der Fälle seien die Nikotinbeutel aus Dänemark importiert worden.

Auch die VSMK äußerte jüngst erneut Kritik und hat dabei auch E-Zigaretten im Blick. Bei ihrem Treffen im Mai stellten die Minister fest, der „bestehende Regulierungsrahmen für Tabakerzeugnisse und verwandte Produkte“ reiche nicht aus, um effektiven Verbraucher- und Jugendschutz zu gewährleisten. Die Verzögerung notwendiger Gesetzesanpassungen führe „zu erheblichen Unsicherheiten für die Vollzugsbehörden der Länder und ermöglicht weiterhin den unregulierten Verkauf gesundheitlich bedenklicher Produkte“.

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Letzte Aktualisierung: 02. November 2025

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