CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 18. Oktober 2025

Werden Versicherungsrisiken unkalkulierbar?

Table.Briefings hat Torsten Leue, den Vorstandsvorsitzenden der Talanx AG, in der Konzernzentrale in Hannover getroffen.

Seit Jahrhunderten besteht das Geschäftsmodell der Versicherungsbranche darin, Risiken zu berechnen. Doch externe Faktoren – von Klimawandel über Geopolitik bis Cyberangriffe – stellen bisherige Kalkulationen infrage.

Die Gesamtschäden durch Naturkatastrophen beliefen sich in der ersten Jahreshälfte 2025 weltweit auf 143 Milliarden US-Dollar. Dieser Wert liegt deutlich über dem Zehnjahresdurchschnitt von rund 106 Milliarden und unterstreicht den anhaltenden Trend steigender Kosten durch solche Ereignisse. Die Waldbrände in Kalifornien haben ganze Stadtviertel vernichtet, und in Myanmar sind die Erdbeben-Schäden auf etwa 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes angestiegen.

Die Entwicklung trifft auch deutsche Unternehmen wie die Talanx AG, einen der großen europäischen Versicherer, zu dem mit der Hannover Rück die drittgrößte Rückversicherung der Welt gehört. Laut eigenen Angaben haben Talanx die Waldbrände in Los Angeles 624 Millionen Euro gekostet. Damit zählt dieses Ereignis zu den größten Naturkatastrophenschäden in der Geschichte des Konzerns.

Torsten Leue, Vorstandsvorsitzender der Talanx-Gruppe, bleibt jedoch optimistisch und sagt im Gespräch mit Table.Briefings: „Die Versicherungswirtschaft sehe ich langfristig auch für höhere Risiken gut gerüstet.“ Laut Leue werden sogenannte Kipppunkte, ausgelöst durch Naturkatastrophen, sicherlich zunehmen. Entscheidend sei jedoch, risikoadäquate Prämien zu erzielen und breit diversifiziert aufgestellt zu sein. Auch deshalb habe der Konzern seine Gewinnprognose für das laufende Jahr von 2,1 auf 2,3 Milliarden Euro angehoben.

“Eine generelle Gefahr, dass Rückversicherung unbezahlbar werden könnte, sehen wir nicht. Ich gehe jedoch auch davon aus, dass in extrem gefährdeten Regionen der Welt das Protection Gap weiterhin bestehen beziehungsweise steigen könnte.”
— Torsten Leue

Gleichzeitig widerspricht Leue der pauschalen Aussage, Prämien würden langfristig steigen. In jeder Branche gebe es Versicherungszyklen, die auf Schadenerfahrungen basieren. Dennoch bleibe die Frage der Protection Gap, also der Lücke zwischen Gesamtschäden und versicherten Schäden, „natürlich relevant“.

Wirtschaftliche Verluste durch Katastrophenereignisse beliefen sich 2024 auf 318 Milliarden US-Dollar, davon waren 57 Prozent unversichert. Es verbleibt also eine globale Protection Gap von 181 Milliarden US-Dollar.

Nicht nur Naturkatastrophen nehmen zu, sondern auch Cyberangriffe. Obwohl Leue eine steigende Nachfrage nach Cyberversicherungen beobachtet, gibt es „leider immer noch zu viele Unternehmen, die das Risiko nicht ernst genug nehmen“. Besonders viele kleine und mittelständische Unternehmen sind unterversichert, obwohl sie dringend Cyber-Versicherungsschutz bräuchten – auch hierzulande. Laut einem aktuellen Microsoft-Report ist Deutschland das Hauptziel von Cyberangriffen in der EU und macht insgesamt 3,3 Prozent aller weltweiten Angriffe aus.

Ob Menschen das Vertrauen in das Versicherungswesen verlieren, warum Data-Driven Insurance heute genauso wichtig ist wie Prämien und was „Cat Bonds“ sind, erfahren Sie im ausführlichen Interview.

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Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2025

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