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Kolumne|Bildungsföderalismus
Letzte Aktualisierung: 3. April 2024

„Hoffnung auf eine handlungsfähige KMK“

Bei der letzten Kultusministerkonferenz musste KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot das Gremium durch eine lange, vielfältige Agenda führen.
Die KMK steht vor vielfältigen Herausforderungen. Unser Kolumnist Mark Rackles zollt ihr Respekt dafür, wie sie mit dem „Themenhopping“ umgeht und zuletzt konkrete Beschlüsse gefasst hat. Aber da ist schon die nächste Großbaustelle.
Bildungsberater, KMK-Kenner, Reformer: In seiner Kolumne denkt Ex-Bildungsstaatssekretär Mark Rackles jeden Monat Bildungspolitik neu. Erfahren Sie hier mehr über die Vita unseres Kolumnisten.
Kurz vor Ostern hat die KMK noch einen bunten Strauß an Themen bearbeitet und der Bildungsrepublik ein paar knallige Eier ins Nest gelegt. Mit einer gehörigen Portion Respekt muss man anerkennen, dass die saarländische KMK-Präsidentschaft Sprunggelenke wie die Osterhäsin haben muss: Das vorösterliche Themen-Hopping macht einem nochmal die große Spannbreite der KMK-Aktivitäten bewusst.
Erst streiten Bund und Länder zum Thema Digitalpakt 2.0, dann beraten die Ministerinnen und Minister über einen Qualitätsrahmen für berufliche Schulen, verabschieden Solidaritätserklärungen mit der Ukraine (wenige Tage später fährt eine Delegation zum Solidaritätsbesuch nach Israel). Dann formulieren sie noch neue Leitlinien für die Grundschulen in Deutschland und neue Ansätze zur Bewältigung des Lehrkräftemangels. Nebenbei wird im Hintergrund die notwendige KMK-Reform auf Basis des sogenannten Prognos-Gutachtens weiter betrieben und die sensible Frage einstimmiger Beschlüsse politisch thematisiert. Man mag der KMK viel vorwerfen, aber Untätigkeit aktuell sicherlich nicht.

KMK zieht greifbare Konsequenzen

Es ist tatsächlich so, dass ein Hauch von Bewegung durch die staubigen Strukturen des Bildungsföderalismus weht. Mit der beschlossenen „Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule“ beweisen die Kultusministerinnen und Kultusminister, dass sie aus den vorausgegangenen (schlechten) Studienergebnissen zu Lernleistungen in der Grundschule tatsächlich greifbare Konsequenzen ziehen. Die Benennung eines „fachlichen Kernbereichs“ der Grundschule und die konkrete Stärkung der drei Kernfächer Mathematik, Deutsch und Sachkunde mit über 50 Prozent der Stunden ist sinnvoll. Und mutig: Denn die Lobbygruppen all der anderen Fächer – von Kunst und Musik bis zu Sport und Religion – dürften eine Einteilung in und Priorisierung von Kernfächern eher skeptisch sehen.
Konkrete Schlussfolgerungen zieht die KMK auch aus den diversen 2023 vorlegten Gutachten zur Lehrkräftebildung und zur Behebung von Bedarfsdefiziten. Das ist schon deshalb nicht selbstverständlich, da die Gutachten wichtiger Akteure wie der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) und des Wissenschaftsrats teilweise zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Mit dem Beschluss „Maßnahmen zur Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte und zur strukturellen Ergänzung der Lehrkräftebildung“ wägt die KMK vorgebrachte Argumente ab und macht dann das, wofür sie 1948 gegründet wurde: Sie formuliert länderübergreifend politische Schlussfolgerungen.

Ganztag – weitere Großbaustelle für die KMK

Im Ergebnis öffnet sie das System der Lehramtsausbildung an drei relevanten Punkten: Zulassung sogenannter „Ein-Fach-Lehrkräfte“, Zulassung eines dualen Lehramtsstudiums sowie Ausbau des Quereinstiegs-Masterstudiums. Weitere Schlussfolgerungen werden unter anderem in Bezug auf die bisherige Bedarfsprognostik sowie die Erhöhung der Studienerfolgsquote angekündigt. Das ist sicherlich noch keine grundlegende Reform der Lehrkräftebildung, es ist aber mehr, als manch einer und manch eine erwartet hätten.
Dieses frühlingshafte Keimen von Tatkraft und Entschlusskraft ist auch deshalb zu begrüßen, weil sich neben der erwähnten KMK-Strukturreform eine weitere bildungspolitische Großbaustelle absehbar in den Vordergrund drängen wird: der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung. Auch dieses Thema war im vorösterlichen Themenreigen der KMK gut vertreten: Die KMK-Präsidentin Streichert-Clivot trat gemeinsam mit der Vorsitzenden der Jugendministerkonferenz (JFMK) und den beiden zuständigen Bundesministerinnen (BMBF und BMFSFJ) auf dem zweitägigen Ganztagskongress in Berlin auf.

Professionsverständnis ändert sich durch Ganztag

Jenseits der allgemein bekannten und vertrauten Bekenntnisse zur ganztägigen Bildung und zu multiprofessionellen Teams war sowohl auf dem Podium als auch in den Fachgesprächen klar, dass da ein Ei mit erheblichem Innovationspotenzial im Nest der KMK und der JFMK liegt. Auf dem Ganztagskongress ging es nicht um das Mehr an Betreuungsstunden. Im Vordergrund standen die strukturellen Veränderungen, die ganztägiges Lernen im Professionsverständnis der Lehrkräfte, zwischen den Professionen oder auch in Bezug auf neue Arbeitszeitmodelle, auslöst.
Die Reichweite und Bedeutung des Themas wurden nicht nur durch das gemeinsame Auftreten von KMK- und JFMK-Vorsitzenden auf dem Kongress untermauert, sondern auch durch die (erstmalige) gemeinsame Sitzung der beiden Fachministerkonferenzen im Oktober 2023. Wie so oft im Bildungswesen hat ein externer Impuls (hier: ein Bundesgesetz) eine schiefe Ebene erzeugt, auf der alte Strukturen und Gewissheiten ins Rutschen kommen. Ob der Ganztagsanspruch fristgerecht umgesetzt wird, ist sicherlich wichtig. Wichtiger ist jedoch der Zwang zur Kooperation und zu Strukturanpassungen, die nachhaltig wirken werden.

KMK stellt sich politischen Herausforderungen

Diese aktuellen Beispiele einer politischen Priorisierung (von Kernfächern in der Grundschule), von politischer Schlussfolgerung (in Bezug auf Ausbildungsstrukturen) sowie von bereichsübergreifender Kooperation (im Ganztag) geben Anlass zur Hoffnung. Nicht auf ein klassisches Osterwunder, aber doch auf eine handlungsfähige KMK, die sich politischen Herausforderungen stellt und sich nicht wie so oft in Formalkompromisse flüchtet. Das ist das Schöne an diesen Ostertagen: Man darf ganz unbedarft hoffen.