
Restriktiv soll sie sein, die Rüstungsexportpolitik der Ampel-Koalition. So steht es im Koalitionsvertrag und im Entwurf der Eckpunkte des Rüstungsexportkontrollgesetzes. Der restriktive Ansatz, meint Sven Giegold, Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, „entspricht unseren Sicherheitsinteressen“. Ist das so?
Deutschland diskutiert Rüstungsexporte immer kontrovers. Einzelfallentscheidungen stehen mit ihren spezifischen Rahmenbedingungen im Mittelpunkt. Das verstellt den Blick für die politischen Ziele, die Deutschland damit verfolgt. Eine klare Trennung von Sicherheits- und Wirtschaftspolitik entspricht nicht der geoökonomischen Logik, die gegenwärtig die internationale Politik prägt.
Geoökonomie beschreibt, wie Akteure wirtschaftliche Instrumente für politische Vorteile nutzen. Zentral ist der Wettbewerb um und mit Technologien wie zum Beispiel unbemannte Systeme, künstliche Intelligenz, digitale Anwendungen oder weltraumgestützte Lösungen. Sie werden heute oft von Unternehmen aus dem kommerziellen Umfeld entwickelt.
Eine Frage der Werte
Gerade weil solche Systeme für Streitkräfte immer relevanter werden, entsteht eine Bruchstelle gegenüber systemischen Wettbewerbern und strategisch agierenden Partnern. Diese erkennen den direkten Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik und streben ihr enges Zusammenwirken - nicht ihre Trennung – an.
Wie dieses Zusammenwirken im Rüstungskontext gewichtet wird, ist eine Frage der eigenen Weltbilder und Wertannahmen. In dieser Frage gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Zu diskutieren ist, in welcher Beziehung verschiedene Werte zueinanderstehen. Menschliche Sicherheit ist ein Aspekt; ein anderer ist die Versorgungssicherheit in einem sich grundlegend verändernden geoökonomischen Umfeld.
Kennzeichnend hierfür ist, dass der Wettstreit zwischen demokratischen und autoritären Staaten ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen toxisch werden lässt. Jüngste Beispiele, die von Lieferengpässen bei medizinischer Schutzausrüstung bis zur Instrumentalisierung der Rohstoffversorgung reichen, illustrieren die Folgen.
Hemmungen zu investieren
Der Ausbau der wertegebundenen Zusammenarbeit zwischen Demokratien soll den Ausweg weisen, argumentieren Koalitionsvertrag und Eckpunkteentwurf. Beide zielen darauf ab, die rüstungspolitische Zusammenarbeit in Europa zu stärken – auch als Kompensation für den Wegfall von Partnern, die mit der restriktiven Politik künftig nicht mehr unterstützt werden.
Genau an dieser Stelle wird der Charakter sicherheits- und verteidigungsrelevanter Technologie aber zur Herausforderung. Je mehr kommerziell entwickelte Technologie militärisch adaptiert und genutzt wird, desto mehr wird ein restriktives Verständnis der adressierbaren Märkte die kommerzielle Industriebasis und ihre Investoren abschrecken, in die entsprechenden Technologien zu investieren und streitkräfterelevante Produkte zu entwickeln.
Zudem ist Handel unter Freunden nicht problemfrei. Er kann die Risikokonzentration erhöhen, weil es weniger, nicht mehr Versorgungspartner und Versorgungswege gibt. Zudem politisiert die wertebasierte Neuausrichtung die Lieferketten, weil sich politische und unternehmerische Ansprüche gegenüberstehen.
Rüstungskooperation ist mehr als Rüstungsexport
Der Ausweg aus dieser Lage ist dornig. Ein erster Schritt besteht im Eingeständnis, dass Rüstungskooperation – genauso wie Energiekooperation – Dilemma-Management ist: Immer geht es darum, gewollte und nicht gewollte Abhängigkeiten gegeneinander abzuwägen. Einen Wert dabei zentral über alle anderen zu stellen, wird der Sache kaum gerecht, weil das Dilemma gerade aus dem Widerstreit verschiedener Werte entsteht.
Zweitens ist Rüstungskooperation mehr als Rüstungsexport. Sie umfasst ein breites Portfolio, das vom strategischen Dialog über Aus- und Weiterbildung, Übungen und Einsätze, die Standardisierung bis hin zu gemeinsamer Entwicklung, Produktion und dem Betrieb technischer Systeme reicht. Die Bausteine dieses Portfolios bauen aufeinander auf und verstärken sich.
Ein restriktiver Umgang mit Exporten sendet Partnern ein klares Signal, das den Nutzen des breiten Portfolios beschränkt. Wer will mit Deutschland in den strategischen Dialog treten und gemeinsame militärische Ausbildung anstreben, wenn er weiß, dass ihm die technischen Systeme, die Streitkräfte kooperationsfähig machen, verwehrt bleiben?
Pakete für strategische Partnerschaften
Und damit sind wir beim dritten Punkt. Rüstungskooperation unterstützt als Technologiekooperation gleichzeitig mehrere Politikfelder: Ein intelligentes Sensornetzwerk der Luftraumüberwachung stärkt die zivile Transportinfrastrukturentwicklung, die unbemannt fliegende Systeme nutzbar machen will; Forschung zur Entwicklung von Produkten, die menschliche Leistungsfähigkeit verbessern, baut Ernährungssicherheit aus; und satellitengestützte Aufklärung dient der Krisenprävention.
Genau mit diesem politikfeldübergreifenden Ansatz schnürt Deutschland Pakete für strategische Partnerschaften mit anderen Ländern, die politische und wirtschaftliche Interessen zusammenbinden. Eine restriktive Rüstungspolitik, die beide Aspekte trennt, wird diesen Ansatz unterlaufen.