Mehr Kooperation mit der kleinsten Weltmacht

Von Carsten Ovens
Carsten Ovens ist Executive Director von ELNET Deutschland.

Der Ukrainekrieg, die sich wandelnde Weltordnung, nach überregionaler Macht strebende Staaten wie der Iran, sowie weitere globale Herausforderungen machen deutlich, dass Europa strategische Partner und politische Verbündete braucht. Dabei blickt die europäische Politik aus guten Gründen nach Israel.

Die kleine Nation im östlichen Mittelmeer feiert in diesen Tagen das 75. Jubiläum ihrer Staatsgründung. Das „Land der Verheißung“ hat über die Zeit eine außergewöhnliche Entwicklung durchlebt. Vom ersten Tag an sah sich der jüdische Staat permanenten Angriffen von außen sowie Herausforderungen von innen ausgesetzt. Über 75 Jahre formte sich so eine wehrhafte und starke Demokratie, die heute von manchen gar als – sicherlich geografisch kleinste – Weltmacht bezeichnet wird.

381 Abgeordnete aus 17 Parlamenten

Befragt man die europäische Politik nach ihrer Sicht auf Israel, zeigt sich mittlerweile ein ausgeprägtes Interesse an einer engen Zusammenarbeit. Während ein Viertel der europäischen Parlamentarier der Meinung ist, dass sich die bilateralen Beziehungen ihrer Staaten mit Israel in den vergangenen fünf Jahren bereits verbessert haben, sprechen sich 77 Prozent für einen weiteren Ausbau der Kooperationen aus. Im Fokus stehen dabei Wissenschaft und Wirtschaft sowie Sicherheit und Verteidigung.

Die aufgezeigten Perspektiven wurden im Rahmen des Israel Survey des European Leadership Network (ELNET) erhoben, der Parlamentarier in ganz Europa zu den Beziehungen ihrer Länder zu Israel sowie zur Nahostpolitik des eigenen Staates befragt. 381 Abgeordnete aus 17 europäischen Parlamenten beteiligten sich zwischen Februar und März 2023 an der Erhebung.

Für Parlamentarier in Frankreich, Griechenland, Schweden und Großbritannien stehen Sicherheit und Verteidigung sogar an erster Stelle. Und auch in Deutschland ist das Themenfeld längst in der öffentlichen Debatte angekommen und gehört für die Bevölkerung zu den zentralen Themen der bilateralen Beziehungen.

Während bislang vor allem deutsche U-Boote und Korvetten einen Beitrag für die Sicherheit Israels leisteten, sind es nun auch israelische Drohnen sowie das dort entwickelte Raketenabwehrsystem Arrow 3, welche unsere Verteidigungskapazitäten verstärken und Europa zukünftig schützen sollen.

Verteidigungspolitik an erster Stelle

Die zunehmende Bedeutung von Sicherheitsinteressen ist wohl auch durch den Einsatz iranischer Drohnen im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine geprägt. Der Iran wird mit seinem Streben nach nuklearen Waffen zunehmend nicht mehr nur als eine Bedrohung für den Nahen Osten wahrgenommen. Während sich zwei Drittel der europäischen Parlamentarier für ein stärkeres Engagement in der Region aussprechen, plädieren 70 Prozent für eine engere Abstimmung mit Israel, wenn es um den Iran geht.

Eine strategische Antwort auf die geopolitischen Veränderungen sind die Abraham-Abkommen. Die Verträge zwischen dem jüdischen und mehreren arabischen Staaten haben seit Herbst 2020 dazu beigetragen, die Beziehungen in der Region zu stärken und für eine Stabilisierung zu sorgen. Die EU hat diese Abkommen nach anfänglicher Zurückhaltung mittlerweile begrüßt. Brüssel betont dabei, dass sie eine wichtige Rolle für Frieden und Sicherheit im Nahen Osten spielen können. Konsequenterweise steht die Verteidigungspolitik auch aus Sicht europäischer Parlamentarier im Kontext der Abraham-Abkommen an erster Stelle.

Während wir in diesen Tagen das besondere Jubiläum der Gründung des jüdischen Staates begehen, erinnern wir uns an die mutigen Pioniere, die das Fundament ihrer Nation gelegt haben. Ihre Vorstellungen haben bis heute Bestand, vereinen Europa und Israel auf Grundlage demokratischer Werte und gemeinsamer Interessen. Die aufgezeigten Positionen der europäischen Parlamentarier verdeutlichen dies und sind gleichzeitig ein Aufruf zum Handeln für die europäische Politik. 

Carsten Ovens ist Executive Director des European Leadership Network (ELNET) in Deutschland. ELNET engagiert sich als Denkfabrik und Netzwerk im Kontext der europäisch-israelischen Beziehungen. 2007 gegründet, arbeitet die Organisation unabhängig und parteiübergreifend, und hat heute Büros in Berlin, Brüssel, London, Paris, Tel Aviv und Warschau. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf Außen- und Sicherheitspolitik, Innovation und Engagement gegen Antisemitismus.

Mehr zum Thema

    Israel: Bundesregierung muss Annexionsbestrebungen einhegen
    Friedensmissionen neu denken
    Fortschritte zum Frieden verstetigen
    Wie historisch wird der Nato-Gipfel in Vilnius?