Vor einigen Tagen hofften nicht wenige bei der D2030 auf eine kontroverse Debatte zur „Zukunftsstrategie“ der Bundesregierung. Mit mir dabei waren Uwe Cantner, Chef der Expertenkommission Forschung und Innovation und Steffi Ober vom NABU. Natürlich bin ich zum Thema vorbelastet, hatte ich doch den ersten Strategieentwurf im BMBF noch selbst kritisch redigiert. Doch unsere Debatte blieb bei zentralen Punkten dünn wie Wassersuppe.
Das Strategische an der Strategie fehlt
Einig, wenn auch mit unterschiedlicher Tonalität, waren wir uns bei der Frage, was denn das eigentlich Strategische an dieser Strategie sei? Sie muss in den zermürbenden interministeriellen Abstimmungsrunden weichgekocht worden sein. Oder gar früher im BMBF? Schon im Ministerium war mir aufgefallen, dass Strategie-Guru Michael Porter (Harvard) nicht unbedingt zur Standardliteratur der Ministerialen gehört.
Komparative Wettbewerbspositionierung, SWOT-Analyse, Priorisierung der Challenges, Vernetzung mit anderen Teilstrategien: alles fehlt komplett. Professionelle Strategiearbeit ist in der Politik nicht gefragt, macht sie doch transparent und nachprüfbar. Egal ob es sich um die Startup-Strategie des Wirtschaftsministeriums, die KI-Strategie des Forschungsministeriums oder eben die Zukunftsstrategie der Bundesregierung handelt.
Container statt Missionen
Kernstück der Zukunftsstrategie sind die Missionen. Doch hier muss ich die Strategiepapier-Verfasser zumindest ein wenig in Schutz nehmen. Echte Missionen sind schon in der Hektik der Koalitionsverhandlungen Opfer fehlender Auseinandersetzung der Verhandlungspartner geworden. Jeder durfte seine Containerbegriffe ausspucken und wiederfinden.
Das hätte aber nicht daran hindern dürfen, im Nachhinein strategisch nachzuschärfen. Man muss sich nur John F. Kennedys berühmte Rede vom 25. Mai 1961 in Erinnerung rufen: „I believe that this nation should commit itself to achieving this goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth“. Dieser Satz erklärt großartig, was eine Mission ist.
Bei schwerem Geschütz schwieg der EFI-Chef
Zu meiner Kritik an der Expertenkommission Forschung und Innovation gab es das große Schweigen. Da hätte ich mir endlich mal eine streitbare Debatte gewünscht: etwa zum Vorwurf, dass die Kommission nicht gründlich genug alle Optionen auf den Tisch gelegt hat – zum Beispiel das Steuerungsmodell der US-Regierung. Stattdessen hat sie eine oberflächliche Benchmark mit Japan und Südkorea produziert und nicht adressiert, dass in Deutschland interessengeleitete Subventionsempfänger und nicht wie in den USA unabhängige Köpfe die Politikberater sind.
Konkret: die US-Regierung hat ein Office of Science and Technology mit Experten im Weißen Haus, deren Positionen bei jeder Wahl, jedem Regierungswechsel zur Verfügung stehen. Also keine deutschen Beamten. Und es gibt ein President Council on Science and Technology mit 30 unabhängigen (!) Wissenschaftlern, also nicht Chefs von Subventionsempfängern wie Fraunhofer und Co., sondern Nobelpreisträgern, MacArthur Genius Fellows und weiteren unabhängigen Köpfen. Und dann ist die Forschung über drei Ministerien (Health, Energy & Defense) mittels intelligenter Agenturmodelle (Arpa-Energy, DARPA, National Institute of Health) verteilt. Zu all diesen Punkten gab es nur Schweigen seitens Uwe Cantner.
EFI-Kommission muss endlich Mut und Wumms aufbringen
Hat die EFI-Kommission jetzt schon der Mut verlassen?Scheut sie den Konflikt, auch mit ihrem früheren Chef Harhoff, der andere Positionen vertritt? oder hat sie handwerkliche Probleme?
Innovating Innovation: Eine gute EFI-Kommission muss alle, auch die unbequemen Optionen auf den Tisch legen, sie bewerten und dabei nicht die Faktoren Kompetenz und Führung verschweigen. Eine weich gekochte Kommission ist genauso unnötig wie eine Kalte-Kaffee-Strategie.