Ich bin es müde, mir von Politikern wie Journalisten anhören zu müssen, dass Effizienzsteigerungen oder Kürzungen von Bildungs- und Forschungsbudgets Tabu sind. Dass Kürzungen beim Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), bei Inno-KOMM oder dem BAföG Wehklagen hervorrufen und die Zuse-Gemeinschaft gar 22 Prozent mehr fordert, gehört zum Standard-Repertoire der gemeinhin als Beutegemeinschaften bekannten Forschungsorganisationen.
Doch auch Politik und Journalismus leugnen, dass Schrumpfung und Wachstum etwas ganz Natürliches sind. Früh wurde mir beigebracht, dass Ökonomie – Betriebswirtschaft wie Volkswirtschaft – wie ein mathematischer Bruch funktioniert: im Zähler das Wachstum durch Investition in die Erneuerung des Kapitalstocks, durch Renditen auf Invest in Humankapital, durch Return on Invest von Investitionen in Zukunftstechnologien und potenzielle Innovationen.
Im Nenner dagegen geht es um Fortschritt bei Rationalisierung, Reorganisation von Alt zu Neu, Kostensenkung, Prozessoptimierung, summa summarum um Effizienz, Produktivität und entsprechende Einsparungen. Das Gleiche gilt gleichermaßen für Familienhaushalte wie für den Bundeshaushalt.
Man muss Zähler und Nenner im Griff haben
Wer jahrelang nur die Balance im mathematischen Bruch hält, stagniert. Wer im Wesentlichen auf Effizienz setzt, ohne Wachstum zu erzielen, erlebt, wie es ‚on the long tail‘ immer schwerer wird, die Margen zu squeezen. Wer – wie im Forschungs- und Bildungshaushalt – ohne entsprechenden Output oder ohne Effizienzsteigerung investiert, schrumpft oder verschuldet sich (mit entsprechenden Folgen in Hochzins-Zeiten). Erst recht, wenn destruktive Einschläge wie der Krieg in der Ukraine neue Prioritäten notwendig machen.
Dies hatte schon die Große Koalition nicht im Visier. Weder wurden die Experten-Empfehlungen zur gescheiterten Familienpolitik, noch zur ruinösen Verteidigungspolitik aufgegriffen. Der desolate Zustand ist unübersehbar. In der Bildungs- und Forschungspolitik erst recht. So wurden die milliardenschweren Aufholprogramme für Schüler nach Corona ohne Erfolgskontrolle blind über die Republik verstreut.
Der Digitalpakt 1.0 hat keinerlei Verpflichtung, Erfolg zu belegen. Zudem wurde der über 120 Milliarden Euro schwere Pakt für Forschung und Innovation von 2021 bis 2030 ohne jegliche Output-Erwartungen, geschweige denn Verpflichtungen geschlossen. Den gleichen Fehler wiederholte der Haushaltsausschuss des Bundestags, als er den Hochschulpakt dynamisierte, ohne ihn beispielsweise an die drastische Reduktion von Studienabbruchs-Zahlen zu knüpfen.
Pflichtfach Ökonomie für (Forschungs-)Politiker und Journalisten
Da mutet die Aussage des bildungspolitischen Sprechers der CDU, Thomas Jarzombek hoch befremdlich an. Er beklagt: „Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger wird die erste ihrer Zunft seit einem Jahrzehnt sein, die ein Minus in ihrem Ministerium verantworten muss. Und zwar ein Minus von über einer Milliarde Euro“. Hat doch 16 Jahre christdemokratische Bildungs- und Forschungspolitik Geld in den Zähler reingepumpt, nicht nur ohne Erzeugung von Wachstum, ja sogar mit Verschlechterung der Bildungs- und Innovationsrenditen.
Gleichzeitig wurde nichts, aber auch nichts zur Effizienzsteigerung im Nenner gemacht. Förderlinien wurden fast unsterblich. Strategische Prioritäten gab es nicht oder wurden politisch manipuliert wie bei der Forschungsfabrik Batterie. Praktisch wurde nur in gesteigertem Input, nicht in Outcome oder Impact gedacht. „Mehr bringt Mehr“ ist eine der schlechtesten Maximen, der die Politik folgen kann. Leider fallen auch einige Medien und Wissenschaftsjournalisten auf diesen Unsinn rein. Ein Pflichtfach Ökonomie hätte ihnen allen nicht nur gutgetan, sondern wäre Voraussetzung für die Ausübung ihres Jobs in Politik wie Journalismus gewesen.
Sparen und Sanieren kann heilsam sein
Ich selbst habe dramatische Effizienzprogramme und Sparkurse bei Lufthansa, Continental und Telekom nicht nur miterlebt, sondern mitgestaltet. Die meisten waren überfällig, weil zuvor eine Phase der Arroganz den Kunden gegenüber, der Blindheit gegenüber Umweltsignalen und eine Ignoranz gegenüber Wettbewerbern vorausging. Meist waren sie hoch erfolgreich und heilsam, weil sie nicht nur das System, sondern auch das Mindset reinigten.
Deswegen habe ich nichts gegen Sparen. Ganz im Gegenteil: Ich würde dabei noch strategischer und härter vorgehen. Denn auch Effizienz-Management ist eine Kunst.
Innovating Innovation:
Verringerung der Ressourcen zwingt zur Prioritätensetzung. In opulenten Zeiten wird die Gießkanne ausgegossen. Magere Zeiten zwingen zur Devise: Fokus, Fokus, Fokus. Das gibt es die Gelegenheit, alte Zöpfe abzuschneiden und neues zuzulassen – eben strategisch zu priorisieren. Was heißt das praktisch für die Bildung- und Forschungspolitik?
- Den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) aufschnüren, jetzt die Weichen stellen, damit output-orientierte Erfolgsindikatoren die Höhe der Zuwendung variabel beeinflussen. Die Evaluierung und Neujustierung des PFI beginnt nicht 2025, sondern jetzt.
- Den Hochschulpakt ebenfalls an Erfolgsindikatoren knüpfen. Nicht so hart wie beim PFI, aber zumindest an Zufriedenheit mit dem Studium und an Studienerfolg, d.h. an einen signifikanten Rückgang des Studienabbruchs und damit für einen massiven Beitrag gegen den Fachkräftemangel.
- Durchforsten aller Bildungs- und Forschungsreferate in den Ministerien, mit Fokus darauf, welche Wertschöpfung sie bisher erbracht haben (‚past merits‘). In der Konsequenz muss dann die Schließung oder Stärkung die Konsequenz sein. Danach braucht es eine Bündelung unter Dachmarken mit gleichzeitiger Ressourcenbündelung, also statt Budgets für einzelne Förderprojekte, richtige Dachmarken-Budgets. Dadurch wird eine effiziente wie effektive referats- und abteilungsübergreifende Projekt- und Programmsteuerung möglich. Sprich: strategische Reorganisation!
- Die Kürzungen bei Quantencomputing im Wirtschaftsministerium – um fast ein Drittel – belegen wieder einmal, dass die Federführung für Schlüsseltechnologie-Programme nicht über zwei oder noch mehr Ministerien verteilt werden dürfen. Damit nimmt man sich jede Möglichkeit, Budgets klug auszubalancieren, weil jedes Ministerium nur eigene Foki im Blick hat. Übrigens hat das Programm Quantensysteme des BMBF außerordentlich wirtschaftsfreundliche Ziele, so dass das BMWK keine Angst haben müsste.
- Eine interne Strukturreform des Forschungssystems (die macht übrigens die Hälfte des BMBF-Haushalts aus.) Dazu empfehle ich noch einmal meine letzte Kolumne, in der ich darauf schon vertieft eingegangen bin.