Der etablierten Wirtschaft hierzulande mangelt es an Innovation. Das lässt sich zumindest etwas kompensieren, wenn schnell neue Ökonomie entsteht. Gelingen wird das aber nur, wenn der volkswirtschaftliche Lebenszyklus von Anfang bis Ende intakt ist. In Deutschland jedoch ist dieser Zyklus – von Gründungsappetit über Gründung, Skalierung zu frischem Mittelstand, Expansion zum Konzern, Revitalisierung, Stagnation und endgültigem Aus – gestört.
Forschungsbasierte Technologie-Spin-outs sind Nadelöhr
Vor allem bei forschungsgetriebenen Hightech- und Deeptech-Ausgründungen erleben wir derzeit Tiefstände. Und unter Deutschlands Hidden Champions ist nur ein Zehntel jünger als 60 Jahre und die meisten unserer mittelständischen Weltmarktführer wurden vor 1950 gegründet. Zwei Drittel sind in Traditionsbranchen tätig.
Ruhm und Ehre sei allen unbenommen. Aber die Gründungs- und Wachstumsquote der Republik ist erschreckend niedrig. Es bedürfte dringend eines neuen Geschäftsmodells für Deutschland, eines Tech-Mittelstands 2.0, zu dem die deutsche Forschung existenzielles beitragen müsste, dabei aber versagt. Von digitalen Plattformen und E-Commerce à la Zalando wird Deutschland nicht genesen. Gefragt sind Deeptech insbesondere auf den Feldern Biotech, New Space, Künstliche Intelligenz und Internet of Things sowie ClimateTech. Doch dazu benötigt man exzellenten Transfer von Forschung in Kommerzialisierung.
Trotz kümmerlichem Transfer Spin outs ausquetschen?
Im April 2018 hielt ich bei der Technologie-Allianz, die Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Patentverwertungsagenturen und weitere Transferdienstleister als politische Interessensvertretung zu einem bundesweiten Netzwerk vereinigt, einen Vortrag mit dem Titel „Gründungsleidenschaft der Wissenschaft?“. Schon das Fragezeichen sorgte für Unruhe. Erkühnte sich doch ein Oppositionspolitiker ein Tabu zu adressieren.
Ich sagte den rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass das Ergebnis ihrer Arbeit im internationalen Vergleich mehr als dürftig sei. Nicht nur hinsichtlich der professionellen Qualität des Technologietransfers, sondern auch des Outputs an Ausgründungen, Patenten und wirklichem skalierendem Geschäft, welches nicht nur Umsatz, sondern auch innovatives Wachstum und innovative Beschäftigungsperspektiven schafft. Hier haben wir in Deutschland massive Probleme. Bei einigen davon, insbesondere bei Fraunhofer, habe ich mitgeholfen, diese medial aufzudecken. Eine Schlüsselfrage dabei ist, wie viel stille Beteiligung oder gar laute unternehmerische Beteiligung die Wissenschaft aus ihren Ausgründungen herauspressen will.
Bei den Briten sind Fakten zu finden
Seit langem fordere ich maximal zehnprozentige Beteiligungsquoten von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an ihren Spin-outs. Wo immer möglich mit virtuellen Anteilen für geistiges Eigentum (IP for virtual shares), sodass weder die Liquidität und unternehmerische Leidenschaft der jungen Gründerinnen und Gründer noch die künftige Investitionsbereitschaft von Wagniskapitalgebern Schaden nimmt.
Hochinteressant in diesem Zusammenhang ist eine Studie aus Großbritannien. Eine Grafik darin zeigt, dass britische Universitäten 2013 eine Durchschnittsbeteiligung von 24,8 Prozent an ‚ihren‘ Spin-outs (mit Höchststand in 2017 mit 26,9 Prozent) und jetzt bei strukturellem Abwärtstrend in 2022 mit 17,8 Prozent aufweisen.
Britische Top-Universitäten: deutliche Unterschiede
Die Universität Oxford hat zwar fast 40 Prozent mehr Spin-outs als Cambridge, aber die Skalierung ist signifikant geringer. Wagniskapitalgeber der Frühphase und Deeptech-Investoren erklären dies zum Teil damit, wie viel Gesellschaftsanteil die zwei Universitäten ihren Spin-outs abnehmen. Daten der britischen Vermögensverwaltungsplattform Beauhurst weisen darauf hin, dass Oxford anfänglich im Durchschnitt 24,3 Prozent an Equity nimmt, während es bei Cambridge mit 12,6 Prozent deutlich weniger ist. Damit werden die Gründungen aus Oxford für Investoren später signifikant unattraktiver.
In Deutschland schwadronieren wir ohne Datenbasis
In Deutschland schwadronieren wir bei solchen Themen nur herum: überzeugungsbasiert, nicht faktenbasiert. Da sind Universitätspräsidenten von Spitzenuniversitäten glücklich darüber, wenn sie deutlich mehr als 20 Prozent herausholen. Da gehen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bis fast an die 50-Prozent-Marke ran. Geizig und gierig, weil beide nicht strategisch in Gründungsportfolios denken, sondern nur daran, Gründungen einzeln glauben ausquetschen zu müssen.
Innovating Innovation: Es ist überfällig, dass die Transfer-Allianz nach fünf Jahren Erkenntnis endlich Daten dazu vorlegt. Sie behauptet, eine gute Indikatorik entwickelt zu haben, doch zu entdecken sind solche Werte nirgends. Ist Transparenz hier möglicherweise gar nicht gefragt? Transfer ist nur dann hilfreich für unsere Nation, wenn der IP-Transfer „worry free“ ist.