
Sein Name war im Vorfeld gehandelt worden, kommentieren wollte er es nicht. Der Senat der Fraunhofer-Gesellschaft hat sich am heutigen Donnerstag – während der Mitgliederversammlung in Dresden – einstimmig für Holger Hanselka ausgesprochen.
Der 64-Jährige wird der elfte Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Sein Vorgänger Reimund Neugebauer, seit langem umstritten wegen unzähliger Vorwürfe, hatte während des Treffens selbst angeboten, seine Ämter mit dem heutigen Tag niederzulegen. Das Rücktrittsangebot nahm der Senat in seiner Sitzung einvernehmlich an. Neugebauer wird daher nicht, wie er es noch im vergangenen Jahr erklärt hatte, bis September an der Fraunhofer-Spitze bleiben. Dass keine Abwahl nötig wurde, wird allgemein als ein Kompromiss zwischen Senat und Neugebauer gewertet.
„Holger Hanselka ist für Fraunhofer die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Amt“, erklärt Hildegard Müller, die Vorsitzende des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft. Die VDA-Chefin verwies auf die jahrelange Führungserfahrung Hanselkas unter anderem an der Spitze des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt.
Wissenschaftliche Reputation und Erfahrung mit Transformation
„Seine hohe wissenschaftliche Reputation, seine profunde Kenntnis der nationalen und internationalen Wissenschaftsorganisationen, seine jahrelange Erfahrung mit der Transformation und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Einrichtungen sowie in der Führung von Institutionen zeichnen ihn aus“, lobt Müller weiter. Sie sei sicher, „dass er mit Gespür, Tatkraft und großer Leidenschaft Fraunhofer in Zeiten des herausfordernden stetigen Wandels in eine erfolgreiche Zukunft führen wird“.
Müller fand auch dankende Worte für Neugebauer. Er habe mehr als ein Jahrzehnt den Hightech-Standort Deutschland geprägt und die Fraunhofer-Gesellschaft zur weltweit führenden Institution für anwendungsorientierte Forschung ausgebaut.
Vor allen die Mitglieder aus dem technischen Rat des Senats scheinen sich für Holger Hanselka ausgesprochen zu haben. Er gilt als solider, aber auch wenig kantiger Wissenschaftsmanager. Dass die Wahl auf den Mann aus Karlsruhe und nicht auf Andreas Pinkwart gefallen ist, werten viele Beobachter als weitere Ohrfeige Fraunhofers für Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
Diese hatte sich im Laufe des Skandals um den umstrittenen Reimund Neugebauer zwar erst spät, schließlich aber doch für einen Rücktritt des bisherigen Präsidenten ausgesprochen. Offenbar ist Pinkwart, früherer Wissenschaftsminister aus NRW und langjähriges FDP-Mitglied, ihr Favorit für die Nachfolge gewesen.
Erste Ziele: Internationalisierung und modernes Leitbild
In einer ersten Stellungnahme nannte Hanselka die weitere Internationalisierung der Fraunhofer-Gesellschaft und die Erarbeitung eines modernen Leitbilds als zentrale Aufgaben zu Beginn seiner Amtszeit: „Wir leben in einer Zeit massiver globaler Veränderungen und Herausforderungen. Da muss auch die Forschung bedarfsorientiert und weltumspannender werden“.
Die Aufgaben für Hanselka sind tatsächlich nicht wenige. Er muss die Forschungsorganisation nach innen und außen modernisieren, es gilt eine funktionierende Governance- und Compliance-Struktur einzuführen. Die Forschungsprozesse bedürfen längst besonderer Lenkung. Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sind auch neue Strukturen eingefordert. Ohne Abhängigkeiten etwa von Russland oder mit viel mehr Vorsicht und größerem Selbstbewusstsein in Kooperationen mit China.
Derzeit laufen Gespräche zwischen allen Beteiligten mit dem Ziel eines schnellstmöglichen Amtsantritts von Holger Hanselka. Bis dahin wird die Fraunhofer-Gesellschaft interimistisch von Sandra Krey, Vorständin für Finanzen und Controlling, geführt.