
Während die Europäische Union in die Ukraine blickt, drängt auch der Iran auf die politische Bühne. Reza Pahlavi, Sohn des letzten iranischen Schahs, besucht Brüssel, nachdem am 20. Februar 6.000 Menschen aus der iranischen Diaspora und ihre Verbündeten durch die Stadt marschiert sind und demokratische Rechte und mehr Freiheit für Frauen im Iran sowie die Anerkennung der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) als terroristische Organisation durch Europa gefordert haben.
Die Demonstration wurde von Europaabgeordneten wie Abir Al-Sahlani (Renew) und eben Charlie Weimers (EVP) sowie von nationalen Parlamentariern wie Darya Safai aus Belgien, Theo Francken und Alireza Akhondi aus Schweden unterstützt. Sie sollte Druck auf die Mitgliedsstaaten ausüben, deren Außenminister sich an diesem Tag in der EU-Hauptstadt trafen.
Auch das Europäische Parlament forderte am 18. Januar, die IRGC auf die Terrorliste zu setzen: Die Abgeordneten unterstützten einen Änderungsantrag zum Jahresbericht über die Außenpolitik, in dem die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die IRGC angesichts ihrer terroristischen Aktivitäten, der Unterdrückung von Demonstranten und der Lieferung von Drohnen an Russland auf die Terrorliste der EU zu setzen.
„Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora“
Das Parlament unterstützt also offiziell einige der Forderungen der iranischen Diaspora. Und was sagen die Vertreter der iranischen Diaspora, die in Brüssel im Exil leben? Es sind die kriegslüsternen IRGC und ihre paramilitärischen Basij, die seit vier Jahrzehnten Regimegegner im In- und Ausland erschossen, verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und brutal behandelt haben, erklärt Ali Bagheri, Forscher an der Thomas More University in Belgien. Er verließ den Iran 2015, nachdem er 2009 an Demonstrationen teilgenommen hatte, und ist seither nicht mehr in sein Heimatland zurückgekehrt. „Die beiden Organisationen haben keine Unterstützung in der Bevölkerung“, sagt er und weist darauf hin, dass die IRGC in den USA bereits als ausländische Terrororganisation auf der schwarzen Liste stehen.
Der Beschluss des Europäischen Parlaments sende ein wichtiges Signal, sagt er. „Es geht um eine Institution, die 450 Millionen Menschen vertritt“, betont Bagheri. Aber die EU tue nicht genug, und die Anwesenheit von Reza Pahlavi in Brüssel sei das falsche Signal.
„Reza Pahlavi repräsentiert nicht die iranische Diaspora„, sagt Sourosh Aboutalebi, Student der Politikwissenschaften in Brüssel und Aktivist der iranischen Opposition. Er verließ den Iran mit seiner Familie, als er sieben Jahre alt war, und lebt seither in Belgien. Die Tausenden Iraner und Iranerinnen, die in Nordamerika und Europa demonstriert haben, etwa 80.000 im Oktober 2022 in Berlin, und 10.000 Anfang Februar in Paris, haben mehr als deutlich gemacht, dass sie nicht in die Vergangenheit schauen, sondern in die Zukunft – und auf eine demokratisch gewählte Republik, sagt er.
Kritik an angeblicher Unterstützung der Revolutionsgarde
Aboutalebi erzählt, die Demonstrierenden hätten immer wieder „Nieder mit dem Unterdrücker, sei es der Schah oder der Oberste Führer (Khamenei)“ und „Nein zum Schah! Nein zu den Mullahs!“ gerufen. „Das zeigt, dass die Menschen wirklich keinen Weg zurück sehen“, führt er fort. „Sie wollen eine säkulare Demokratie„. In der Tat habe Pahlavi durch seine angebliche Unterstützung des IRGC Feindseligkeit im Iran hervorgerufen. „Während einer Talkshow bei Iran International TV im Jahr 2018 sagte er, dass er in bilateralen Kontakten mit dem (Regime-)Militär, dem IRGC und den Basij stehe. Er sagte, dass sie miteinander kommunizieren“, sagt Aboutalebi.
Sowohl Bagheri als auch Aboutalebi bringen auch ihre Überraschung und Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass Reza Pahlavi als angeblicher Vertreter der iranischen Opposition zur jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen wurde. Vor allem, nachdem Anfang des Monats 165 Kongressabgeordnete der beiden großen Parteien im US-Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet hatten, die den Wunsch des iranischen Volkes nach einer demokratischen, säkularen und atomwaffenfreien Republik Iran unterstützt.
Sie erzählen: Pahlavi hätte vor der Konferenz eine kleine Gruppe von Demonstranten zusammengebracht. Unter den Plakaten, die von den Monarchisten geschwungen wurden, hätte sich ein großes Foto des berüchtigten Parviz Sabeti befunden, der für die Folterung vieler Oppositioneller verantwortlich sei. Der Farsi-Slogan auf dem Plakat verkündete: „Albtraum der zukünftigen Terroristen“.
„Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will„
„Es scheint, dass man die Gefängnisschlüssel aus der rechten Tasche nimmt, um sie in die linke Tasche zu stecken“, sagt Bagheri.
Und die Iraner sind dieses Mal nicht damit einverstanden, wie es scheint. Obwohl es im Iran schon früher landesweite Demonstrationen gegeben hat – 2009, 2017 bis Anfang 2018 und eine weitere im November 2019 – sind die aktuellen Proteste einzigartig, da sie Menschen aus der gesamten Gesellschaft einbeziehen und Frauen unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ eine führende Rolle einnehmen, erklärt Aboutalebi. Die Bildungsrate im Iran sei sehr hoch und mehr als 50 Prozent der Frauen hätten einen Hochschulabschluss.
„Ich glaube, dass die Iraner wirklich ein demokratisches Land im Nahen Osten aufbauen können und dass dies zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Ländern in der Region und mit den europäischen Ländern führen wird“, sagt Bagheri. „Und es wird eine Zusammenarbeit sein, die auf den Menschenrechten basiert“. Aboutalebi betont, wie hoffnungsvoll die Menschen in Afghanistan, im Irak und in Syrien seien, wenn sie auf die Bewegung blicken, die im Iran begann. „Aber Europa hat noch nicht entschieden, wo es hinschauen will„, sagt er.