What’s cooking in Brussels: Der Gebäudetausch des EP

Von Claire Stam
Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

Es ist wieder so weit: Nächste Woche ist Plenarsitzung in Straßburg. Es wird unter anderem um Geld und Gebäude debattiert und abgestimmt. In den Korridoren des Brüsseler EP-Gebäudes stehen schon die dunkelgrünen Koffer bereit.

Worum geht es? Um einen Änderungsantrag, den der Abgeordnete Nils Ušakovs von der S&D-Fraktion eingebracht hat. Der Antrag richtet sich gegen die Annahme des Vorschlags, über den nächste Woche abgestimmt werden soll, nämlich den Erwerb des Osmose-Gebäudes für das Europäische Parlament in Straßburg. Frankreich bietet dem Parlament diese Immobilie zum Kauf an. Im Gegenzug könnte das Parlament das Madariaga-Gebäude abstoßen – ein furchterregendes Labyrinth mit 80er-Jahre-Charme, das das Parlament beherbergt. Das Gebäude könnte in ein Hotel für die Abgeordneten umgewandelt werden.

Für Ušakovs würde ein solcher Austausch zu einer unvernünftigen Ausgabe von Steuergeldern führen, „besonders zu einer Zeit, in der die europäischen Bürger mit steigenden Energiepreisen und Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben“. Der Fall wäre relativ einfach, wenn das EU-Parlament nur einen Sitz hätte. Das Gebäude, in dem das Parlament in Brüssel untergebracht ist, befindet sich jedoch ebenfalls in einem sehr schlechten Zustand. Der von Nils Ušakovs eingereichte Änderungsantrag fordert, „die Pläne für die Zukunft des Spaak-Gebäudes in Brüssel vollständig zu überdenken“. Denn auch hier erfordert der Zustand des Gebäudes eine Entscheidung, und zwar eine schnelle.

Abreißen oder renovieren?

Das 1993 eröffnete Gebäude, das 303 Millionen Euro gekostet hat, soll Lecks, Stabilitätsprobleme sowie Mängel bei der Klimaanlage und der Isolierung aufweisen. Im Jahr 2012 musste das Gebäude vorübergehend geschlossen werden, nachdem in den Balken über dem Plenarsaal Risse entdeckt worden waren. Man befürchtete, dass sich der Vorfall wiederholen könnte, der sich vier Jahre zuvor im anderen Parlamentsgebäude in Straßburg, also eben dem Madariaga-Gebäude, ereignet hatte.

Abreißen und neu bauen oder komplett renovieren? Diese Frage ist noch offen und drängt in das politische Leben der Stadt Brüssel. Denn die Annahme, ein sehr umstrittenes Gebäude abzureißen, für das zuvor ein ganzes Wohnviertel weichen musste, würde die schlechte Stimmung in der Umgebung möglicherweise noch verschlimmern. Außerdem muss mit der Region Brüssel und den beiden betroffenen Stadtverwaltungen (Brüssel-Stadt und Ixelles) verhandelt werden, die heute etwas eifriger für ein weniger größenwahnsinniges Architekturprojekt eintreten, das die Stadt und ihre Bewohner besser respektiert.

Inzwischen steht immerhin fest, wer den internationalen Architekturwettbewerb zur Neugestaltung gewonnen hat. In der letzten Sitzungswoche im Juli hat die international besetzte unabhängige Jury des Wettbewerbs die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola informiert, welche Architektenentwürfe es auf die ersten fünf Plätze geschafft haben und damit in die nähere Auswahl kommen. Noch ist die Jury-Entscheidung aber geheim.

„Pro Straßburg“-Tandem

In die Debatte um die Gebäude mischt sich der nie ganz ausgestandene Streit über den Standort des Hauptsitzes – Brüssel oder Straßburg – und der faule Kompromiss, der drei Wochen in der belgischen Hauptstadt und eine Woche in der französischen Stadt vorsieht. Dieser Kompromiss führt zu einem monatlichen Umzug, dessen Kosten laut Nils Ušakovs auf rund 160 Millionen Euro pro Jahr geschätzt werden. Der vorsichtige lettische Europaabgeordnete plädiert dafür, das Hin und Her zwischen Brüssel und Straßburg „zumindest“ während der Energiekrise auszusetzen, „so wie wir es während der Pandemie getan haben“.

Denn es ist bekannt, dass Frankreich seinen Sitz in Straßburg mit Zähnen und Klauen verteidigt. Im Parlament kann Paris insbesondere auf den Einfluss der französischen Europaabgeordneten in der Renew-Fraktion zählen. Darüber hinaus bildet die Wahl der Europaabgeordneten Fabienne Keller (Renew), ehemalige Bürgermeisterin von Straßburg und ehemalige Senatorin des Bas-Rhin, zur Quästorin ein einflussreiches französisches „Pro Straßburg“-Tandem mit ihrer Kollegin Anne Sander (EVP), die seit 2019 erste Quästorin ist.

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