Warum Green Tech Europa zum Vorreiter beim Klimaschutz machen kann

Von Susi Dennison
Warum Grüne Technologien Europa zum Vorreiter beim Klimaschutz machen können: Susi Dennison ist Leiterin des European Power Programms des European Council on Foreign Relations (ECFR).
Susi Dennison ist Leiterin des European Power Programms des European Council on Foreign Relations (ECFR).

Über einen Monat nach der Klimakonferenz in Glasgow sind die Spannungen über den Wortlaut des Abkommens über den Kohleausstieg allmählich verflogen. Doch der Klimagipfel wird uns möglicherweise noch aus anderen Gründen im Gedächtnis bleiben. Denn falls in den kommenden Monaten keine raschen Maßnahmen ergriffen werden, könnte COP26 als der Moment in die Geschichte eingehen, an dem der globale Süden aufgegeben hat, den Versprechungen der Industrieländer zur Klimafinanzierung Glauben zu schenken.

In Glasgow wurde deutlich, dass die im Pariser Klimaabkommen gemachte Zusage, die Industrieländer würden bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für eine klimawandelresiliente Entwicklung bereitstellen, von Anfang an völlig unrealistisch war: Der Bedarf an Anpassungsfinanzierung wird vom UN-Umweltprogramm auf das Fünffache des derzeitigen Niveaus geschätzt.

EU als Vermittler zwischen Industrie- und Entwicklungsländern

Falls die aus dieser Tatsache resultierende Vertrauenslücke zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nicht geschlossen wird, sehen die Aussichten für COP27 in Sharm El Sheikh und weitere Kilmakonferenzen düster aus. Der ohnehin zerbrechliche Konsens im Rahmen des COP-Prozesses könnte sich gar völlig auflösen, wenn die Volkswirtschaften, die sich früher und schneller industrialisiert haben, nicht akzeptieren, dass es ungerecht ist, jene Länder nicht zu unterstützen, die unter den Folgen der uneingeschränkten Nutzung fossiler Brennstoffe in den letzten Jahrzehnten leiden.

Es ist unwahrscheinlich, dass die USA dieses Vertrauen wieder herstellen können. Grund sind die tiefen politischen Gräben mit Blick auf Klimaschutz und Dekarbonisierung sowie der gigantische Umfang von Joe Bidens Gesetzentwurf „Build Back Better“. Da in Brüssel und anderen großen EU-Hauptstädten das Gefühl vorherrscht, dass die Europäer:innen bereits einen weitaus größeren Beitrag zur Klimafinanzierung geleistet haben als ihre transatlantischen Partner, ist es aber leider auch unwahrscheinlich, dass Europa hier die Initiative ergreift.

Dennoch könnte es die EU hinbekommen, die Lage zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu entspannen. Dazu bedarf es jedoch sowohl eines umfassenderen Verständnisses der Bedeutung von Klimaunterstützung als auch einen stärker interessengeleiteten Ansatz.

Geistige Eigentumsrechte an grünen Technologien: Keine Monopolisierung

Entscheidend ist, ein breites Spektrum von kohlenstofffreien Technologien zu schaffen und die entsprechende Infrastruktur schnell zu entwickeln und einzuführen, um den Klimawandel zu verlangsamen. Dies gilt insbesondere für den globalen Süden. Reiche Länder – und vor allem diejenigen, die beim Aufbau von Technologiekapazitäten führend sind – werden den globalen Fortschritt behindern, wenn sie die geistigen Eigentumsrechte an grüner Technologie monopolisieren und zugleich einen CO₂-Grenzausgleich (CBAM) einführen. Eine rasche und wirksame Einführung solcher Technologien auf globaler Ebene würde hingegen die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels insgesamt stärken und den Ländern, die jene Technologien entwickeln, wirtschaftliche Vorteile bringen.

Die EU sollte sich dafür entscheiden, in führender Rolle und in Partnerschaft mit dem globalen Süden Kapazitäten für grüne Technologien aufzubauen. Dies sollte auch die Übernahme der Entwicklungskosten für einige Technologien beinhalten. Und die EU könnte außerdem dazu beitragen, den grünen Wandel in einer Weise zu beschleunigen, die den eigenen Bedarf deckt und gleichzeitig Industrien für Greentech im globalen Süden aufbaut. Obwohl es einen harten globalen Wettbewerb um umweltfreundliche Technologien gibt, spielen europäische Unternehmen noch immer eine führende Rolle in Bereichen wie Windkraft oder Wasserstoff- und Stromnetztechnologien – einschließlich der Ladetechnik für Elektrofahrzeuge.

Wir sollten aber auch unsere gegenseitige Abhängigkeit anerkennen. Die EU ist sowohl bei Rohstoffen als auch bei Innovationen und Kapazitäten auf Beziehungen zu Drittländern angewiesen. Daher sind Forschung und Entwicklung sowie eine Industriepolitik, die die Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien im globalen Süden fördern, ein Gewinn sowohl für die Dekarbonisierung der EU als auch für die Partnerländer und deren wirtschaftliche Entwicklung.

Neuer Fonds für Ko-Investition und Verbreitung grüner Techologien

Die kürzlich angekündigte EU-Infrastruktur-Initiative „Global Gateway“ ist eine vielversprechende grüne Alternative zu Chinas „Neuer Seidenstraße“ – die aber angemessen finanziert werden muss, auch mithilfe des Kapitals der Europäischen Investitionsbank. Die EU sollte stärker in Ko-Innovationsprogramme investieren und sicherstellen, dass grüne Technologien, die mit öffentlicher Unterstützung entwickelt wurden, auch denjenigen zur Verfügung stehen, die nicht über das geistige Eigentum verfügen.

Zu diesem Zweck könnte die EU einen „Fonds für Ko-Innovation und Verbreitung grüner Technologien“ einrichten, der zum Teil aus dem Programm „Globales Europa“ und zum Teil aus den Einnahmen des EU-Emissionshandelssystems und dem CBAM finanziert wird. Ein weiterer Schwerpunkt der Bemühungen sollte die Mobilisierung privater Investitionen in diesem Bereich sein. Die EU sollte sich auch bemühen, den Stillstand bei den multilateralen Verhandlungen über den Transfer grüner Technologien zu überwinden, indem sie innerhalb der WTO einen konstruktiveren Ansatz in Bezug auf die Rechte an geistigem Eigentum verfolgt.

Neue Green-Tech-Partnerschaften können die Klimafinanzierung nicht ersetzen, doch können sie dazu beitragen, guten Willen zu zeigen und die in Glasgow verlorenen gegangene Glaubwürdigkeit der Industrieländer bei den Klimaverhandlungen mit dem globalen Süden wiederherzustellen. Da Europa dadurch auch seine eigene Dekarbonisierung fördert und es europäischen Unternehmen ermöglicht, wettbewerbsfähig zu bleiben, während sich ihre Abhängigkeiten verlagern, scheint dies eine sinnvolle Strategie zu sein.

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