
Um die Macht der Internetplattformen zu begrenzen, arbeitet die EU am Digital Markets Act (DMA). Der Entwurf der Kommission für den DMA sieht vielversprechend aus und zeigt glaubwürdige Ambitionen, gegen digitale Gatekeeper wie Google oder Facebook vorzugehen und deren Monopolmacht in Europa zu bekämpfen.
Entscheidend für das Funktionieren der Verhaltensmaßnahmen des DMA ist jedoch, dass die Verpflichtungen für Plattformen schnell und ohne Verzögerungen in Kraft treten. Aber nicht alle der für die Gatekeeper festgelegten Regeln sind sofort anwendbar. Einige ermöglichen einen sogenannten regulatorischen Dialog mit den Gatekeepern, bevor die Regeln durchgesetzt werden. Diese Chance wollen BigTech-Lobbyisten nutzen, um die Durchsetzung der Regeln zu untergraben: Regulierungsdialoge bieten die Möglichkeit, die Verpflichtungen für Gatekeeper infrage zu stellen oder zumindest zu verzögern.
Google, Facebook und Co wollen Regelung in der Praxis aushebeln
Internetplattformen wie Google oder Facebook setzen sich in ihrer Lobbyarbeit zum DMA für einen fallweisen Ansatz ein und warnen immer wieder vor den vermeintlich schädlichen Folgen von sofort greifenden Regeln. Wenn man Lobbyisten der Plattformen in Brüssel zuhört, scheint eine Ausweitung des Regulierungsdialogs der Schlüssel zu sein. Facebook spricht von einem „soliden, konformen Dialog“. Verbände wie der Computer and Communications Industry Council (CCIA) fordern die EU auf, „den regulatorischen Dialog der DMA zu verstärken“.
Big Tech will damit Zeit gewinnen – und vor allem einen Ansatzpunkt, um die Verpflichtungen für Gatekeeper des DMA anzufechten. Das ist gefährlich und ein Versuch, die konkreten Regeln des DMA zu verwässern. Und es würde den Ansatz des DMA im Grundsatz auf den Kopf stellen: Sinn und Zweck des Gesetzes über digitale Märkte ist es, ein Regelwerk und Standards für das Verhalten von Plattformen zu schaffen – die Umwandlung des DMA in eine Einzelfallprüfung konterkariert dieses ursprüngliche Ziel.
Im Europäischen Parlament fand diese Forderung leider Anklang bei einigen liberalen Abgeordneten. Dies gilt etwa für Andrus Ansip, Ex-Vizepräsidenten der Kommission, einem wichtigen osteuropäischen Liberalen und stellvertretenden Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses (IMCO), der federführend am DMA beteiligt ist. Die liberale Gruppe im Parlament könnte bei der Abstimmung über den DMA das Zünglein an der Waage sein, daher ist ihre Position zum Regulierungsdialog wichtig.
Parlament und Rat sollten weitere Gruppen einbeziehen
Während Abgeordnete im Europäischen Parlament den Interessen von Big Tech entgegenzukommen zu scheinen, bleiben die Kommission und wichtige Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder Frankreich bisher standhaft und beabsichtigen die Dialoge nicht auszuweiten. Für eine effektive Umsetzung des DMA muss das Europäische Parlament die Position der Kommission zu begrenzten regulatorischen Dialogen stärken. Es sollte nicht in die Falle tappen: Big-Tech-Lobbyisten versuchen, die neuen Regeln auf diese Weise zu schwächen.
Das allein reicht jedoch nicht aus. Die EU sollte Facebook, Google und Co nicht nur verbieten, ihre Verhandlungsmacht zu stärken. Es gibt auch eine Möglichkeit, die Position der Kommission in den Durchsetzungsverfahren der DMA zu stärken. Bislang spielen Unternehmen oder Interessengruppen, die von der Gatekeeper-Macht betroffen sind, im DMA noch keine Rolle. Das muss sich ändern.
Von Gatekeepern betroffene KMU, unabhängige Wissenschaftler*innen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen könnten als Zeugen im Durchsetzungsverfahren eine entscheidende Rolle spielen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es werden mehr kritische Stimmen zu Big Tech gehört, und die Verhandlungsposition der Kommission wird verbessert, wenn es zu Gesprächen mit den Anwälten von Facebook, Google und Co kommt. Die warten bereits auf neue, erweiterte Regulierungsdialoge.