CO2-Grenzwerte für Pkw: Schlüssel für Klimaschutz und Energiesicherheit

Michael Müller-Görnert
Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub Deutschland (VCD), über CO2-Flottengrenzwerte für Pkw in der EU.
Michael Müller-Görnert ist verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Der Ukraine-Krieg führt uns auf erschreckende Weise vor Augen, welche Auswirkungen unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern hat. Zu lange haben wir uns darauf verlassen, dass Öl und Gas auch weiterhin fließen, und den Verbrauch immer weiter in die Höhe getrieben – egal, woher die Rohstoffe kommen. Angesichts stark gestiegener Energiepreise und drohender Versorgungsengpässe ist klar: So kann es nicht weitergehen.

Dieselben Rezepte, die für Klimaschutz sorgen – der Ausbau der Erneuerbaren und mehr Effizienz – führen uns auch aus der Energiekrise und der Abhängigkeit vom Öl. Im Verkehrsbereich heißt das: So schnell wie möglich weg vom Öl und hin zu elektrischen Antrieben, sparsamen und effizienten Fahrzeugen und vor allem: Umsteigen auf Bus, Bahn, Rad und Fuß.

CO2-Flottengrenzwerte für Pkw zentrales Instrument der EU

Im Fokus steht der Straßenverkehr. Er verursacht etwa ein Viertel aller Treibhausgasemissionen in Europa und hängt noch immer zu über 90 Prozent am Öltropf. Der CO2-Ausstoß ist in diesem Sektor in den letzten 30 Jahren gestiegen, statt zu sinken. Hauptverantwortlich dafür sind immer mehr, immer größere und leistungsstärkere Pkw.

Um den Verbrauch von Pkw zu senken, begrenzt die EU seit 2009 den CO2-Ausstoß von Neuwagen. Zuletzt mussten Autohersteller entsprechende Vorgaben im vergangenen Jahr erfüllen, weitere Grenzwerte treten 2025 und 2030 in Kraft. Dabei gelten die Grenzwerte nicht für das einzelne Fahrzeug, sondern für die Flotte der Neuwagen im Zieljahr. Zwar ist auch der durchschnittliche Verbrauch von Neuwagen seitdem zurückgegangen, entscheidend sind CO2-Flottengrenzwerte für Pkw aber als das zentrale Instrument der EU für die Antriebswende.

Jeder zehnte Neuwagen ein Elektroauto

Die Regulierung ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen im letzten Jahr deutlich zulegte. In der EU war jeder zehnte Neuwagen ein reines Elektroauto. In Deutschland hat sich der Bestand gegenüber 2020 sogar verdoppelt, und Ende 2021 lag der Anteil der Neuzulassungen bei über 20 Prozent. Das E-Auto verdrängt Benziner und Diesel zunehmend und beschleunigt damit die Dynamik weg vom Verbrennungsmotor. Hinzu kommt: Viele Länder haben inzwischen Ausstiegsdaten für Verbrennungsmotoren festgelegt. Immer mehr Autohersteller kündigen an, ihre Produktion bald komplett auf rein batterieelektrische Pkw umzustellen.

Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission im Juli 2021 im Rahmen ihres „Fit for 55„-Pakets einen Entwurf zum Nachschärfen der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw vorgelegt. Das Ziel für 2030, den CO2-Ausstoß im Schnitt um 37,5 Prozent gegenüber 2021 zu verringern, wurde auf 55 Prozent angehoben. Ab 2035 sollen Neuwagen kein CO2 mehr ausstoßen. Unangetastet blieb hingegen der Grenzwert für 2025 von 15 Prozent.

Positiv am neuen EU-Vorschlag ist, dass erstmals ein EU-weites Enddatum für den Verbrennerausstieg vorgegeben werden soll. Dies gibt Herstellern Planungssicherheit und beschleunigt die Umstellung auf den E-Antrieb. Allerdings ist 2035 zu spät und sind die Vorgaben bis 2030 viel zu schwach. Dies gefährdet das Erreichen des EU-Klimaziels sowie der nationalen Klimavorgaben, da bis 2030 keine zusätzlichen CO2-Reduktionen erfolgen.

Die Beratungen in Brüssel haben begonnen. Traditionell ist es das Europaparlament, das die Vorgaben strenger fassen will. Der federführende Berichterstatter, der niederländische Rechtsliberale Jan Huitema (Europe.Table berichtete), hat vorgeschlagen, den durchschnittlichen Ausstoß der Neuwagen bereits 2025 um 25 Prozent zu verringern, das Ziel für das Jahr 2030 von 55 Prozent auf 75 Prozent anzuheben und ein zusätzliches Zwischenziel von 45 Prozent für 2027 einzuführen. Er bekräftigt das Ziel, dass Neuwagen ab 2035 kein CO2 mehr ausstoßen dürfen.

Verbände fordern strengere Zwischenziele

Ähnliche Vorgaben wollte auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke für die deutsche Position vorschlagen, wurde aber von ihrem Kabinettskollegen Volker Wissing und Bundeskanzler Olaf Scholz ausgebremst. Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag soll lediglich der Entwurf der EU-Kommission unterstützt werden (Europe.Table berichtete). Die deutsche Position ist zwar im Vergleich zu früher ein Fortschritt – sie reicht aber angesichts der neuen Situation nicht aus.

Wir müssen jetzt umsteuern. Die kommenden Jahre sind entscheidend für den Klimaschutz und für die Abkehr vom Öl. Darum fordern der VCD und andere deutsche Umweltverbände, bereits im kommenden Jahr ein Zwischenziel von Minus 15 Prozent einzuführen, die Vorgabe für 2025 auf 45 Prozent anzuheben und danach bis 2030 jährliche Zwischenziele zu setzen. Neuwagen sollen nach unserem Vorschlag bereits ab 2030 keine Emissionen mehr ausstoßen.

Ambitionierte europäische Pkw-Grenzwerte sind ein entscheidender Hebel für mehr Klimaschutz im Verkehr. Gleichzeitig sind sie unabdingbar, uns schneller vom Öl und von Despotenstaaten unabhängig zu machen. Dies sollte sich die Bundesregierung bewusst machen und ihre Position überdenken. Der Verweis auf den Koalitionsvertrag ist angesichts der Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg nicht mehr angemessen.

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