Liebe Leserin, lieber Leser,
Provisionsverbot – dieses Reizwort, das in der Finanzbranche die Alarmglocken schrillen lässt – stand nur in einem Entwurf für die Kleinanlegerstrategie. Auf massiven Druck der Lobby und wohl auch nach Intervention aus dem Bundesfinanzministerium sieht der Vorschlag, den die Kommission heute beschließen will, keinen Anschlag auf das in Deutschland immer noch gängige und in der Branche so beliebte Vergütungsmodell mehr vor. Und dennoch wird die Strategie weder auf Seiten der Branche noch bei den Verbraucherschützern Beifall ernten, hat mein Kollege Christof Roche in Erfahrung gebracht.
Das Tückische ist, dass sowohl in der Anlageberatung als auch beim beratungsfreien Geschäft die gravierenden Änderungen selbst nach Lektüre des Vorschlags schwer zu prognostizieren sind: Details werden nämlich erst im Nachgang von der Kommission mit den zuständigen Behörden ausgekungelt, in diesem Fall wohl den Beamten der Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA. Ziel der Regulierung ist jedenfalls, die Wertpapierquote in der EU zu erhöhen. Sollte die Strategie das nicht bewirken? Für diesen Fall hat die Kommission die Überprüfungsklausel eingearbeitet. Die Kleinanlegerstrategie befindet sich damit also schon jetzt auf der Wiedervorlage.
Analyse
Kleinanlegerstrategie: Branche stöhnt jetzt schon
Erklärtes Ziel der Kleinanlegerstrategie – die Kommission will den Vorschlag heute vorlegen – ist, die Kohärenz der europäischen Finanzmarktregulierung zu erhöhen. Darüber hinaus will die Kommission damit den Kapitalmarktzugang für Kleinanleger einfacher und attraktiver machen. Das Ziel der „New Retail Investment Rules“ wird von den Akteuren der Finanzmarktbranche grundsätzlich begrüßt: Es sei „wichtig, den Zugang zum Wertpapierkauf zu erleichtern, um so Vermögensaufbau und Altersvorsorge zu stärken“. Das gelte besonders für Deutschland, wo die Beteiligung der Kleinanleger am Wertpapiergeschäft im europäischen Vergleich sehr gering sei.
Allerdings gibt es Zweifel, ob die Kommission mit den geplanten Anpassungen ihr Ziel der Vereinfachung erreichen wird. „So, wie es im Moment aussieht, drohen die Prozesse für Kunden und Banken eher aufwendiger und damit letztlich teurer zu werden„, heißt es in der Branche. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf geplante umfassende Änderungen in der Anlageberatung (Geeignetheitsprüfung), auch wenn diese inhaltlich von der Kommission noch nicht konkret definiert sind.
Detailfragen sollen im Level-2-Verfahren geklärt werden
„Es gibt aus dem Regulierungspaket heraus sehr viele Verweise, dass die konkreten Details über das sogenannte Level-2-Verfahren bestimmt werden. Deshalb kann man zu einzelnen Punkten konkret noch keine Angaben machen“, heißt es weiter in der Branche. Beim Level-2-Verfahren wird das legislative Grundgerüst von EU-Parlament und Rat verabschiedet, die Details in der Umsetzung aber der EU-Kommission im Zusammenspiel mit den zuständigen EU-Behörden überlassen. In diesem Fall dürfte das vorwiegend die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA sein.
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