- Kritik an Zeitdruck beim Chips Act
- Deutschland bleibt beim E-Rezept Schlusslicht
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- Pegasus-Affäre: EP-Sonderausschuss noch offen
- Faeser und Johansson wollen Internet stärker regulieren
- Chipindustrie: Ministerium könnte Siltronic-Übernahme stoppen
- Standpunkt: Wie eine Zwischenlösung für das Privacy Shield aussehen könnte
- EU-Zukunftskonferenz: Bundesregierung riskiert große Enttäuschung
heute reist Annalena Baerbock nach Kiew, anschließend geht es weiter nach Moskau. Die Umstände des Besuchs könnten schwieriger kaum sein: Die Forderungen ihrer ukrainischen Gastgeber nach Waffenlieferungen und einem Stopp von Nord Stream 2 kann die Bundesaußenministerin kaum erfüllen – ersteres aus eigener Überzeugung, letzteres wegen der Hartleibigkeit des Koalitionspartners SPD. Die wachsende Kriegsangst lässt derweil die Energiepreise in Europa Achterbahn fahren, was der Ampel-Koalition eine Debatte über weitere Hilfen für belastete Haushalte beschert.
Die Verantwortung für diese Lage liegt in erster Linie in Moskau. Aber Berlin hat den Kreml gewähren lassen, wie eine Gruppe von Osteuropa- und Sicherheitsexperten zu Recht anprangert. Die Abhängigkeit von russischem Gas, die Interessen der deutschen Industrie und eine falsch verstandene Dialogbereitschaft verhindern, dass die Bundesregierung Russland über Verbalnoten hinaus Grenzen setzt. Die vergangenen Wochen haben bei vielen Nachbarstaaten den Eindruck verfestigt: Das schwache Glied in Europas Antwort auf Wladimir Putin ist nicht Budapest oder Wien, sondern Berlin.
Moskau lässt derweil seine Muskeln spielen. Neben Truppenaufmärschen zählen dazu bekanntlich auch verdeckte Cyberoperationen. Jedenfalls gehen die ukrainischen Behörden davon aus, dass die Spuren bei den jüngsten Hackerangriffen nach Russland führen. Mehr dazu finden Sie in den News.
In Brüssel arbeitet Thierry Breton unter Hochdruck daran, Europas strategische Abhängigkeiten in einem anderen Technologiefeld zu reduzieren: der Halbleiterindustrie. Der Binnenmarktkommissar will schon in wenigen Wochen den Chips Act vorlegen, nur wenige Monate nachdem seine Chefin Ursula von der Leyen das Vorhaben angekündigt hatte. Das für Brüsseler Verhältnisse halsbrecherische Tempo ruft Mahner innerhalb wie außerhalb der Kommission auf den Plan, die Eile dürfe nicht zulasten der Treffsicherheit der Konzepte und der zu verteilenden Fördermilliarden gehen. Mehr dazu lesen Sie in meiner Analyse.
In den meisten EU-Mitgliedstaaten ist das elektronische Rezept längst Realität in der Patientenversorgung. Die Liste reicht von Kroatien über Dänemark und Estland bis Spanien. In Deutschland hingegen ist das Vorhaben jüngst erneut abgeblasen worden. Dass ausgerechnet die Bundesrepublik an diesem nicht übermäßig komplexen Vorhaben scheitert, sagt viel aus über die verkrusteten Strukturen im hiesigen Gesundheitssystem aus, wie Eugenie Ankowitsch analysiert. Auf Karl Lauterbach wartet viel Arbeit, auch jenseits von Omikron.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche.
Till Hoppe

Analyse
Chips Act: Gesetzgebung im Eiltempo
Till Hoppe
Thierry Breton drückt aufs Tempo. Der Binnenmarktkommissar möchte den Vorschlag für einen European Chips Act bereits „in wenigen Wochen“ vorlegen, wie es in seinem Umfeld heißt. Die verantwortlichen Mitarbeiter in seinem Kabinett und den beteiligten Generaldirektionen arbeiteten derzeit nahezu rund um die Uhr, heißt es in der Kommission, ihre Weihnachtspause sei „sehr kurz ausgefallen“.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Chips Act erst Mitte September in ihre Rede zur Lage der EU angekündigt – und damit auch viele im eigenen Haus überrascht. Der Vorschlag war zunächst für die zweite Jahreshälfte 2022 terminiert worden. Aus der Warte Bretons viel zu spät: Der frühere CEO sieht angesichts von akuter Lieferkrise und geopolitischer Bedeutung des Sektors großen Handlungsdruck. Derzeit steht das Vorhaben ohne konkretes Datum in der unverbindlichen Planung der Behörde.
Andere in der Kommission aber warnen, übertriebene Eile könne handwerkliche Fehler verursachen. Dazu zählt dem Vernehmen nach auch Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Die Skeptiker verweisen auf andere Beispiele wie den Data Act: Der interne Ausschuss zur Regulierungskontrolle hatte im November die ebenfalls unter hohem Zeitdruck erstellte Folgeabschätzung wegen Mängeln an die Dienststellen zurückverwiesen.
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