
Wer als Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit in Lieferketten nicht ernst nimmt, wird langfristig nicht erfolgreich sein. Dabei geht es sowohl um Anforderungen, die sich aus Lieferkettengesetzen ergeben, als auch um ökologische Belange wie die Reduzierung von CO₂-Emissionen. Beides stellt Unternehmen vor immense Herausforderungen.
Bei der Umsetzung kommt dem Einkauf- und Supply Chain Management eine zentrale Verantwortung zu, denn einen wesentlichen Anteil der Risiken und CO₂-Emissionen gibt es in den vorgelagerten Lieferketten.
Einkäufer haben ihren Fokus erweitert
Lange lag der Fokus des Einkaufs darauf, die Versorgung und die Qualität sowie Preise zu gewährleisten. Inzwischen gehört auch das Thema nachhaltiger Lieferketten zur täglichen Arbeit. Neben dem risikoorientierten Aufbau und der Entwicklung globaler Lieferketten sind vor allem zwei Fragestellungen wichtig: Wie kann der CO₂-Fußabdruck kontinuierlich gesenkt werden? Wie können die ausgelagerten Wertschöpfungsketten und die damit verbundene Vielzahl an global aktiven Zulieferern resilient gestaltet werden?
Wichtig ist es, vor allem beim Zukauf von Materialien oder Dienstleistungen auf die GHG-Protocol-Scope-3.1-Emissionen zu schauen, denn sie stellen einen signifikanten Anteil der unternehmerischen Gesamtemissionen dar. Um diese zu mindern, müssen zuerst die größten Emittenten unter den aktiven Lieferanten identifiziert werden. Dann sollte ein Unternehmen umgehend in die Interaktion mit den Lieferanten gehen und gemeinsam Reduktionziele und daraus abgeleitet spezifische Maßnahmen, etwa den Einsatz regenerativer Energien oder Ecodesign-Aktivitäten, vereinbaren und nachhalten.
Datentransparenz als Voraussetzung
Wer als Einkäufer Risiken oder Emissionen reduzieren will, braucht eine umfassende Datentransparenz. Bei Körber nutzen wir dafür Softwarelösungen. Tagesaktuell laufen Daten systematisch ein, beispielsweise zu Einkaufsvolumen und -prozesse sowie Lieferanten. Das umfasst die Aktivitäten von insgesamt mehr als 10.000 Lieferanten aus über 50 Ländern und ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als 1 Milliarde Euro. Um eine Datentransparenz zu erreichen, spielt die Organisationsentwicklung eine wichtige Rolle. Bei Körber haben wir die dezentralen Systeme der vormals eigenständigen Standorte auf einer zentralen Plattform zusammengeführt. Die damit geschaffene vollumfassende Datentransparenz ist der Startpunkt für die Analyse und Beantwortung unterschiedlichster Fragestellungen, zum Beispiel:
- Wie ist meine derzeitige Lieferantenbasis strukturiert – wo habe ich Chancen oder strukturelle Risiken?
- Wie fallen aktuelle Einkaufsverhalten und -volumina aus?
- Wie ist der CO2-Fußabdruck meiner aktiven Lieferanten?
- u.v.m.
Wir nutzen die vorhandenen Daten vollumfänglich und identifizieren Datenmuster automatisiert, um damit Potenziale oder Risiken freizulegen und aktiv zu bearbeiten.
Kommunikation und Kollaboration als Schlüsselelemente
Daneben kommt der Kommunikation mit den Lieferanten eine Schlüsselrolle im Umgang mit dem Lieferkettendesign und den Aktivitäten zur Reduktion von CO₂ zu. Dies gilt besonders für ein global agierendes Technologie-Unternehmen wie Körber. Es ist in fünf Geschäftsfeldern organisiert: Digital, Pharma, Supply Chain, Technologies und Tissue. Um soziale und ökologische Risiken in den Lieferketten zu reduzieren, gilt es, proaktiv den Austausch intern und extern über sämtliche Ebenen, Unternehmen und Lieferketten hinweg sicherzustellen. Die stetige Interaktion ist die Voraussetzung, um ein Bewusstsein für relevante Themen, Risiken und Prioritäten zu schaffen.
Eine konzernübergreifende Nachhaltigkeitsstrategie ist die Grundlage unseres Handelns. Gemeinsam heben wir Synergien und schaffen ein Verständnis davon, was Nachhaltigkeit für uns bei Körber bedeutet. Daraus leiten wir eine Kommunikationsstrategie ab, die sich u.a. nach Zielgruppen, Anlässen oder Kommunikationskanälen unterscheidet. Die Kombination aus Datentransparenz, klar vereinbarten Maßnahmen und gezielter Kommunikation ermöglicht es etwa weitergehende Aktivitäten im zuständigen Nachhaltigkeitsbereich zu verfolgen sowie die Effekte der Maßnahmenrealisierung zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit ist für uns ein kontinuierlicher Prozess, den wir in unserem Bericht an alle Stakeholder kommunizieren.
Die interne Steuerung sämtlicher Einkaufsaktivitäten erfolgt zum Beispiel im Rahmen von monatlichen Performance-Dialogen. Darin wird der Austausch und die Steuerung zwischen den konzernweiten Einkaufsteams sichergestellt. Diese Plattform bietet zudem die Möglichkeit, Aktuelles zu diskutieren, Entscheidungen zu reflektieren und weitere Maßnahmen zu definieren.
Darüber hinaus wird die konstante Weiterentwicklung der Körber Einkaufs- und Supply-Chain-Organisation mit einem eigens dafür entwickelten Programm kontinuierlich begleitet. Das interne „Professional Development Program“ zielt auf eine proaktive Reflexion und das Ergreifen von maßgeschneiderten Maßnahmen in verschiedenen Verbesserungsdimensionen wie Lieferantenmanagement oder Warengruppenmanagement ab. Mit dem maßgeschneiderten Entwicklungsprogramm kann somit umgehend auf jegliche unternehmerischen Notwendigkeiten proaktiv reagiert werden.
Die Kombination der beschriebenen Elemente ist ein wichtiger Schlüssel, um aktiv globale Lieferketten zu steuern und nachhaltiger zu gestalten. Wir sind davon überzeugt, dass insbesondere die Reduktion der CO₂-Emissionen in Lieferketten in der Verantwortung eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens liegt, auch auf Kundenseite rückt diese Anforderung vermehrt auf die Agenda.
Hier stellt sich nicht die Frage ob, sondern nur wie wir gemeinsam partnerschaftlich unter Nachhaltigkeitsaspekten mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten. Denn nur mit der konsequenten Beeinflussung der Lieferketten und Reduktion von unternehmerischen und ökologischen Risiken können beide Seiten künftig unternehmerische Erfolge erzielen.
Michael Stietz ist Senior Vice President & Chief Procurement Officer der Körber AG in Hamburg. In seiner Verantwortung liegen die Leitung und Entwicklung des Konzerneinkaufs sowie des Supply Chain Managements. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er in diversen Funktionen im Bereich Operations, Einkauf &SCM. Er ist zudem Key Note Speaker, Autor und Initiator und Mitgründer des ersten Procurement Lehrstuhls an der Universität Mannheim sowie Gastdozent an verschiedenen Universitäten.