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Das EU-ETS-System – ein Modell für einen globalen Emissionshandel

Von Ruth von Heusinger
Ruth von Heusinger ist Diplom-Physikerin und Geschäftsführerin der gGmbH ForTomorrow.

Das EU-ETS-System hatte einige Schwachstellen, aber nach seiner Reform bietet es nun eine gute Vorlage, um sich weltweit daran zu orientieren. Die Zeit dafür drängt. Denn um das Übereinkommen von Paris einzuhalten, also den weltweiten Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken, dürfen wir nur noch eine begrenzte Menge an Treibhausgasen in die Atmosphäre emittieren. Bei gleichbleibenden weltweiten Emissionen ist dieses sogenannte Restbudget (das „Cap“) in gut sechs Jahren aufgebraucht. Für die Begrenzung auf 1,5 Grad müssen die Emissionen gegenüber 2010 bis 2030 um 45 Prozent sinken. 

Wichtig ist, dass dieses Cap effizient verteilt wird. Aus meiner Sicht wäre dafür ein weltweites „Cap and Trade System“ am besten geeignet. Allerdings sollten die politisch Handelnden aus den Fehlern lernen, welche die EU früher gemacht hat. Seit 2005 gibt es den EU-Emissionshandel (EU-ETS), ein Cap and Trade System für Treibhausgase. Die EU hat das Cap festgesetzt und versteigert dieses in Form von Emissionsrechten. Emittenten müssen sich für jede Tonne CO₂ Äquivalente (CO₂eq) ein Emissionsrecht kaufen. So wird sichergestellt, dass das festgesetzte Cap nicht überschritten werden kann und Emissionen dort reduziert werden, wo es am kostengünstigsten ist. 

Allerdings setzte die EU das Cap bei seiner Einführung 2005 viel zu hoch an – ein Geburtsfehler. Das führte dazu, dass nach der Weltwirtschaftskrise 2008 die Preise für Emissionsrechte sogar bei nur rund sechs Euro pro Tonne lagen. Viel zu niedrig, um Anreize für Investitionen in neue klimafreundliche Technologien zu setzen. Und die Preise waren auch zu niedrig, als dass die EU Klimaschutzmaßnahmen über die Einnahmen aus dem Verkauf der Emissionsrechte adäquat hätte finanzieren können. Der Preis stieg erst infolge der Einführung der Marktstabilitätsreserve im Jahr 2020 und die Aussicht auf eine Reform des Systems. Trotz des gravierenden Geburtsfehlers hat der ETS bereits zu deutlichen Emissionsreduzierungen geführt. Seit seiner Einführung sind die Emissionen in den regulierten Sektoren um rund 43 Prozent gesunken. Einen weiteren Geburtsfehler hat die EU nun ebenfalls beseitigt. Bislang deckte der ETS nur rund 40 Prozent aller Emissionen ab. 

EU-ETS-Reform ist richtungsweisend für einen globalen Emissionshandel

Aber kurz vor Weihnachten 2022 beschloss die EU eine Verschärfung und Ausweitung des ETS, die man auch als richtungsweisend für einen globalen Emissionshandel verstehen kann. Die EU, die das das weltweit größte und älteste Emissionshandelssystem betreibt, zeigt jetzt, wie Sektoren (hier: Gebäude und Verkehr) in ein Cap and Trade System integriert werden können. Damit fungiert sie als Vorbild für andere Staaten, beispielsweise für China mit seinem 2021 gestarteten Emissionshandelssystem.

Außerdem schafft die EU die notwendige soziale Flankierung des ETS. Zur Bekämpfung von Energie- und Mobilitätsarmut schafft sie einen Klima-Sozialfonds, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert, weil beispielsweise Einnahmen aus dem Emissionshandel in sozial wirksame Investitionen fließen, beispielsweise den öffentlichen Nahverkehr oder die Gebäudesanierung, wovon gerade auch Menschen mit geringerem Einkommen profitieren. 

Ab 2024 erfasst der Mechanismus der EU auch die Schifffahrt, die für drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Hier geht die EU einen wichtigen Schritt in Richtung eines globalen ETS, denn sie erfasst nicht nur innereuropäische, sondern auch außereuropäische Routen.

Ein weiterer global wichtiger Schritt der EU ist der ab 2026 greifende Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), ein CO₂-Grenzausgleichssystem. Güter, die in die EU importiert werden, müssen einen zum EU-ETS äquivalenten CO₂-Preis bezahlen. CO₂-Preise, die im Ursprungsland gezahlt wurden, sollen anrechenbar sein. Wenn diese Umsetzung in der Praxis gelingt, wäre dies für ein weltweites System ebenfalls ein Vorbild. 

Natürlich werden durch diese politischen Maßnahmen bestimmte treibhausgasintensive Güter erstmal teurer. Der Preis pro Tonne CO₂eq liegt derzeit vor Steuern bei rund 80 Euro. Aber die Versteigerung der Emissionsrechte bringt Rekordeinnahmen – die zu 100 Prozent in Klimamaßnahmen investiert werden müssen. 

Das Cap muss konsequent sinken!

Allerdings bewirkt ein hoher Emissionsrechtepreis allein noch keine Reduktion der Treibhausgase. Er sorgt erstmal nur dafür, dass eine klimafreundliche Transformation unterstützt wird. Die Emissionsreduktion wird durch das Cap festgelegt. Auch das mittlerweile deutlich abgesenkte Cap ist noch immer zu hoch für den Pfad, der die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt. Hier muss die EU nachbessern, um wirklich Vorbild für ein globales ETS zu sein. 

Um den Prozess zu beschleunigen, können parallel Bürger aktiv werden – indem sie Emissionsrechte kaufen und ungenutzte Zertifikate stilllegen. So kann das Cap gesenkt werden und damit sichergestellt werden, dass in der EU weniger CO₂ ausgestoßen wird. Tonne für Tonne, Emissionsrecht für Emissionsrecht können wir selbst den Prozess beschleunigen und dafür sorgen, dass das EU-ETS wirklich zum Vorbild für ein globales ETS wird.

Als Vorbild taugt die EU aber nur, wenn sie konsequent das Cap senkt. Ein weltweites Arrangement ist entscheidend, weil wir die Klimakrise nur gemeinsam lösen können. Und um langfristig weltweit klimaneutral zu wirtschaften, sollten in einem globalen ETS die Emissionsrechte von denen verkauft werden, die eine äquivalente Menge an Treibhausgasen aus der Luft holen.

Ruth von Heusinger, Diplom Physikerin, arbeitete erst im Bereich erneuerbare Energien und Emissionshandel bei Statkraft und dann im Markt der freiwilligen CO₂-Kompensation bei atmosfair. Was fehlte, war die Möglichkeit, mit Klimaschutzmaßnahmen in Europa zu kompensieren. Darum gründete sie im Jahr 2019 die gemeinnützige GmbH ForTomorrow. 

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