
Die durch Russlands Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise und geopolitische Faktoren erschweren den Kampf gegen die Klimakrise. In ihren Eröffnungserklärungen auf der COP27 verurteilten die Staats- und Regierungschefs zwar Putins Vorgehen und drängten auf ein stärkeres Engagement im Klimaschutz und für saubere Energien. Aber für mich gibt es keinen Zweifel: Putins Abwesenheit vom Gipfel stellt ein erhebliches Hindernis für die Verhandlungen dar. Zugleich verschärft Russlands Krieg mit jedem Tag, den er andauert, die Klimakrise.
Russland sagt, es sei engagiert, aber wofür?
Angesichts der weltweiten Sanktionen weigerte sich Putin, an den Gesprächen auf der COP27 teilzunehmen. Er überließ es dem russischen Klimabeauftragten Ruslan Edelgeriev, zu versichern, dass das Land seinen Klimaverpflichtungen treu bleibe. Aber wenn russische Politiker sagen, dass sie den Verpflichtungen des Landes nachkommen werden, ist unklar, von welchen Verpflichtungen sie sprechen.
Trotz all der Jahre, in denen Russland an Klimaverhandlungen teilgenommen hat, gibt es im Land immer noch keine Klimapolitik. Die offizielle russische Klimastrategie besagt sogar, dass die russischen Emissionen steigen werden. Stattdessen werden sie sehr wahrscheinlich sinken – doch das ist eine direkte Folge der Wirtschaftskrise in Russland und damit eine Folge des Krieges. Mit den Klimaverpflichtungen des Landes hat es nichts zu tun, sondern mit den Folgen der Krise für die russische fossile Energieindustrie.
Wohlverhalten gegen Brennstoffkauf
Gleichzeitig geht es den riesigen Wäldern Russlands immer schlechter. Seit dem Beginn von Putins Krieg werden die Waldbrände immer heftiger, und es wird nur noch schlimmer werden. Es ist eine große Bedrohung für die Russinnen und Russen und die Menschen überall, wenn die Wälder des größten Landes der Welt brennen.
Die offizielle russische Delegation wird bei den Gesprächen jedoch weder darüber noch über eines der vielen Probleme sprechen, die die Menschen zu Hause betreffen. Stattdessen wird sie unverhohlen mit Russlands „angemessenem“ Verhalten feilschen und hoffen, dass die Welt weiterhin Diktaturen für fossile Brennstoffe bezahlt. Doch das würde in naher Zukunft zu einer weiteren Katastrophe führen. Die Klimakrise würde Tausende von Menschen töten und Millionen obdachlos machen.
Warum wird der Krieg nicht thematisiert?
Greenpeace Russland ist regelmäßig davon bedroht, verboten zu werden oder von den Behörden als ausländischer Agent eingestuft zu werden. Verfolgt werden die Aktivisten vor allem wegen ihrer Kampagnen gegen Gesetze, die das Ökosystem des Baikalsees bedrohen.
Formal stehen solche lokal definierten Themen auf der COP27 nicht zur Debatte, und sicherlich werden die Leben dieser Aktivisten nicht gezählt. Doch die Bedeutung dieses Ökosystems für die Welt ist unbestreitbar. Etwa 20 Prozent des weltweiten Süßwassers sind durch Korruption und den Missbrauch der Natur im Baikalsee bedroht. In Verbindung mit den klimabedingten Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung der Hälfte der Weltbevölkerung stellt sich die Frage, warum nicht nur dies, sondern sogar der Krieg bei diesen Verhandlungen nicht thematisiert wird.
Botschaften von Aktivisten werden nicht berücksichtigt
Der Krieg ist der Elefant im Raum dieser Konferenz. Zwar wurde er in den Eröffnungsvorträgen etwas hervorgehoben. Aber selbst die unübersehbare Tatsache, dass Putins Krieg aus meiner Sicht alle Verhandlungsfortschritte um Jahrzehnte zurückgeworfen hat, wird nicht offiziell diskutiert. Es gibt eine lange Geschichte, in der die Botschaften von Aktivisten wie mir, unsere Arbeit und die Bedrohungen, denen wir begegnen, nicht berücksichtigt wurden, insbesondere in Krisenjahren wie diesem. Aber es ist schwierig, die enorme Gefahr zu ignorieren, die darin besteht, die unmissverständliche Realität jetzt nicht anzugehen.
Die Welt hat nicht gehandelt, als Russland Tschetschenien und Georgien angriff, die Krim besetzte und Syrien bombardierte – dieser Krieg in der Ukraine darf nicht ein weiteres Mal zum Anlass genommen werden, die Augen zu verschließen.
Der Krieg hat alle Fortschritte zunichtegemacht
Die aktuelle Situation macht deutlich: Autoritäre Regime wie Russland können die ganze Welt erpressen, indem sie Gespräche blockieren und schweigen, um ihre Macht zu schützen und Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu legitimieren. Nicht nur die Klimapolitik ist davon zunehmend betroffen, sondern auch alles andere – egal, ob in den autoritären Ländern selbst oder durch die Kriege, die sie gegen ihre Nachbarn führen.
In Demokratien kann die Zivilgesellschaft die Position eines Landes beeinflussen und dafür sorgen, dass die Klimapolitik an die veränderte Situation angepasst wird. Zwar passiert das in Russland derzeit. Allerdings nicht wegen der Treibhausgasemissionen, sondern wegen der riesigen Menge an Petrodollars, mit denen das Regime in Russland bislang finanziert wird, und weil die bisherigen Käuferländer jetzt die Notwendigkeit spüren, sich von Putins fossiler Erpressung zu lösen.
In Ländern mit autoritären Regimen ist die Sache viel komplizierter als in Demokratien. Mein Klimaaktivismus beispielsweise hat dazu geführt, dass mir meine einzige Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Aktivisten jeder Art dürfen in Russland nicht mehr protestieren. Der Krieg hat alle Fortschritte zunichtegemacht, die wir im Laufe der Jahre gemacht haben. Jetzt wird die Umweltpolitik in Russland auf Arbeitseinsätze reduziert, bei denen die Leute Müll aufsammeln, wo und wann es ihnen aufgetragen wird.
Verhandelt Russland auf der COP27 für das Klima oder für seinen Krieg?
Die Tatsache, dass die internationalen Gespräche auf der COP27 nicht in der Lage sind, Russlands Kriegstreiberei direkt zu konfrontieren, bedeutet letztlich, dass Ruslan Edelgiriev, Berater des Präsidenten in Klimafragen, für die Aufhebung der Sanktionen in Bereichen der Klimapolitik eintreten kann.
Diese Linie hat er in zahlreichen Reden vertreten. Es ist jedoch offensichtlich, dass er beispielsweise nicht den klimarelevanten Bereich der erneuerbaren Energien meint. Solar- und Windenergie erzeugen derzeit weniger als ein Prozent des Stroms in Russland, und ein weiterer Ausbau ist nicht geplant. Stattdessen meint er etwas anderes, indem er zum Beispiel andeutet, dass Russland die Kohlenstoffneutralität früher als bis zum Jahr 2060 erreichen könnte, wenn die Sanktionen gelockert würden.
Ohne Greta Thunberg nie von der Klimakrise erfahren
Seit mehr als 20 Jahren ist die russische Politik und das russische Handeln in der Klimakrise trotz aller COPs völlig unzureichend. Ich selbst hätte ohne den Klimastreik von Greta Thunberg weder von der Klimakrise noch von der Existenz von Klimaverhandlungen erfahren.
In Russland beschäftigt sich niemand ernsthaft mit diesem Thema. Das von Putin kontrollierte Staatsfernsehen verbreitet Weltverschwörungstheorien und führt das russische Volk in die Irre. Und deshalb ist es nur logisch, dass Ruslan Edelgiriev die Klimakrise nicht ernst nimmt, obwohl sie Millionen von Menschen in Russland bedroht. Auf der COP25 vor drei Jahren in Madrid sagte er mir, dass Aktivisten nichts anderes täten als zu schreien. Jetzt dürfen wir nicht einmal das.
Dennoch meint Edelgiriev es mit einigen Dingen ernst, zum Beispiel mit der Aufhebung der Sanktionen, der Rückbesinnung auf Russlands enorme Gewinne aus fossilen Brennstoffen und der Förderung der Kernkraft, um wieder mehr Einfluss auf die Energiesysteme anderer Länder zu gewinnen. In Russland wurde die Ausarbeitung eines Plans zur Umsetzung der langfristigen Strategie für eine kohlenstoffarme Entwicklung auf das Jahr 2023 verschoben, während die weltweiten Verhandlungen auf der COP27 weitergehen. Mit anderen Worten: Klimamaßnahmen in Russland werden morgen und nur morgen kommen – aber morgen kommt nie.
„Ich bitte die internationale Gemeinschaft um Hoffnung.“
Vor drei Jahren schien es mir, dass Russland nicht aufgeben würde, dass wir auf die Straße gehen würden, bis sich wirklich etwas ändert. Nach allem, was mir und meinem Land seitdem widerfahren ist, kann ich dieses Vertrauen nicht mehr haben. Deshalb bitte ich die internationale Gemeinschaft um Hoffnung.
Für den Krieg wie auch für die Klimakrise gibt es keine einfachen Lösungen, und wir haben schwierige Jahre vor uns. Aber je länger wir echte und direkte Maßnahmen hinauszögern, desto höher sind die Kosten. Lassen Sie uns nicht noch mehr vom Fortschritt der Welt wegen Leuten wie Putin aufs Spiel setzen.
Arshak Makichyan ist ein bekannter Klimaaktivist aus Russland. Er streikte in Moskau von 2019 an jeden Freitag allein für das Klima und organisierte die russische Fridays-for-Future Bewegung. Als Russland 2022 in die Ukraine einmarschierte, protestierte er vom ersten Tag an gegen den Krieg. Um einer Inhaftierung zu entgehen, reiste er im März nach Berlin, wo er derzeit lebt. Wegen seines Engagements wurde ihm vor Kurzem die russische Staatsbürgerschaft – seine einzige – entzogen.