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Tank Man, Prostituierte, reiche Mönche und Bidens Menü

China hat sich endlich wieder für den internationalen Tourismus geöffnet. Obwohl derzeit nicht die beste Reisezeit für Peking ist – mit etwas Glück kann man schöne Tage mit wenig Wind oder Smog erwischen. Hier sind einige Vorschläge für Erkundungstouren in Chinas Hauptstadt.

1. Der Ort, an dem der Tank Man stand

Am 5. Juni 1989, dem zweiten Tag nach der Niederschlagung der Studentenbewegung durch das Militär, wurde ein Mann gesichtet, der sich einer Kolonne von Panzern in den Weg stellte. Er lieferte damit eines der denkwürdigsten Bilder des 20. Jahrhunderts.

Seine Identität ist außer Vermutungen weiterhin unbekannt, ebenso wie sein weiteres Schicksal. Immerhin können wir mit einem genauen Blick auf die Fotos den exakten Ort dieses Ereignisses bestimmen: Er liegt an der Chang-An-Straße (Chang An bedeutet ewiger Frieden), etwa 400 Meter vom östlichen Ende des Tiananmen-Platzes und gut 100 Meter vom Grand Hotel (Gui Bin Lou 贵宾楼) entfernt. 

Der Tank Man hat nach Westen geschaut und Panzer blockiert, die Richtung Osten unterwegs waren. Fast alle Fotos und Videos, die heute zu sehen sind, wurden vom Beijing Hotel aus aufgenommen, dem anderen großen Hotel neben dem Grand Hotel. Dort wohnten ausländische Journalisten.

2. Wo ein KP-Mitgründer eine Sexworkerin begrapscht hat

Die Acht Großen Hutongs (八大胡同, Hutong bedeutet Gasse) waren Pekings Rotlichtviertel, von etwa 1800 bis 1949, als die Kommunisten die Kontrolle über die Stadt erlangten. Diese Gassen einige hundert Meter südwestlich des Qian Men (前门) existieren noch heute. 

Wie ihre Gegenstücke an anderen Orten der Welt besitzen auch diese Gassen Verbindungen zu wichtigen politischen und sozialen Persönlichkeiten und Ereignissen jener Zeit.

Im Jahr 1920 wurde Chen Duxiu (1879-1942), damals Professor an der Peking-Universität und kommunistischer Aktivist, „aus Eifersucht in einem der Bordelle in einen körperlichen Kampf verwickelt und kratzte eine der Prostituierten am Geschlechtsteil“, so Medienberichte der Zeit. Dafür wurde er von der Universität geworfen. 

Ein Jahr später wurde die Kommunistische Partei Chinas gegründet. Sie wählte Chen zu ihrem ersten Generalsekretär. Er war zwar nicht beim ersten Parteitag dabei, hatte aber großen Einfluss auf die beginnende kommunistische Bewegung in China. 

Die Acht großen Hutongs haben auch eine Verbindung nach Deutschland – durch die Kurtisane Sai Jinhua (赛金花 1872-1936). Sai Jinhua, was „rivalisierende goldene Blumen“ bedeutet, ist ein Pseudonym für den Beruf. Sie arbeitete schon in jungen Jahren in der Branche, bevor sie eine Konkubine des Diplomaten Hong Jun wurde. Als Hong zum Gesandten der Qing-Dynastie in Europa ernannt wurde, gab seine Frau vor, krankheitsbedingt nicht mitkommen zu können. So ging 1889 stattdessen Sai als seine Ehefrau mit ihm nach Deutschland. Drei Jahre verbrachte sie als vorgebliche Diplomatengattin in Berlin und lernte dort Kaiser Wilhelm II., Reichskanzler Otto von Bismarck und General Alfred von Waldersee kennen. 

Hong starb kurz nach der Rückkehr des Paares nach Peking. Sais Beziehung zur Familie Hong verschlechterte sich und sie nahm ihren alten Beruf als Kurtisane in den acht großen Hutongs wieder auf. Nach dem Boxeraufstand im Jahr 1900 wurde General von Waldersee zum Oberbefehlshaber der europäischen Besatzungsarmee im Krieg zwischen acht westlichen Ländern und China, der in Peking endete. Es heißt, dass er und Sai wieder eine Beziehung aufnahmen. Sai nutzte die Gelegenheit, um ihn von zu großer Brutalität gegen die Einheimischen abzubringen.

Einige der alten Bordelle in den Gassen sind für Besucher geöffnet. Aber die Gassen und die Gebäude sind in keinem guten Zustand, zumindest nicht so gepflegt und elegant wie die, in denen Michelle Yeoh im Film Crouching Tiger, Hidden Dragon umherfliegt.

3. Der reichste Tempel der Stadt

Die Reichen und Mächtigen wetteifern darum, hier die ersten Räucherstäbchen für das chinesische Neujahrsfest und die großen tibetisch-buddhistischen Feiertage zu opfern, um ihre Frömmigkeit zu zeigen. Andere müssen sich hinten anstellen. Die Rede ist vom Lama-Tempel oder Yong He Gong (雍和宫), der kaiserliche Tempel während der Qing-Dynastie.

Das Privileg, an der Warteschlange vorbeizukommen, ist mit einem Preis verbunden, dessen Höhe diskret gehandhabt wird. Mit Beiträgen wie diesen ist der Tempel aber angeblich zur reichsten Kultstätte der Stadt und zu einem der reichsten des Landes geworden. 

Der Buddhismus ist in China ein großes Geschäft. Es kursiert die Vermutung, dass einige Mönche zu den vielen verborgenen Reichen des Landes gehören. Was die Opfergaben angeht, haben die großen Gönner ganz eigene Wünsche an die Buddhas: Bitte hilf mir, in der offiziellen Hierarchie aufzusteigen; mach, dass ich den Machtkampf überlebe; hilf mir, meine geschäftlichen Rivalen zu besiegen; sichere mir dauerhafte Bekanntheit, und so weiter. 

Auf der anderen Seite der Kreuzung befindet sich übrigens das riesige, vierstöckige Restaurant Jin Ding Xuan (金鼎轩), das rund um die Uhr geöffnet hat. Das Essen dort ist in Ordnung.

4. Joe Bidens (anti)gastronomische China-Erfahrung  

Als der damalige US-Vizepräsident Joe Biden 2011 Peking besuchte, aß er in einem bescheidenen Lokal am Fuße des Trommelturms, in dem lokale Pekinger Kleinigkeiten serviert werden. Der Preis dort ist angemessen, aber das Essen ist empörend schlecht. Dies hindert neugierige Menschen jedoch nicht daran, hier das „Biden-Menü“ probieren zu wollen.

Der Trommelturm und der Glockenturm sind schöne und sehenswerte Gebäude. Ein Wohnort von Mao Zedong, als er noch unbekannt war, befindet sich im Tofu-Teich-Hutong (豆腐池胡同) nördlich der beiden Türme. 

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