
Für Tagesschau und Tagesthemen gehörte es am 12. Januar zu den wichtigsten Nachrichten: Der schwedische Staatskonzern LKAB hatte bei der Suche nach Eisenerz zufällig mehr als eine Million Tonnen Seltene Erden gefunden, mehr als das Vierfache der derzeitigen weltweiten Jahresproduktion.
Seltene Erden, das sind 17 Elemente, die für die Herstellung von Dauermagneten für Windkraftanlagen, Elektromotoren, Brennstoffzellen oder Leuchtmitteln gebraucht werden – also für Technologien, die in der Klimawende unabdingbar sind. Die Elemente heißen Neodym, Praseodym, Lanthan oder Yttrium. Noch nie wurden sie in so großer Menge in Europa gefunden. Entsprechend groß war die mediale Aufmerksamkeit.
Bislang bezieht Europa die Seltenen Erden, die es für eine klimafreundliche Transformation dringend benötigt, vor allem aus China. Die Abhängigkeit von dem asiatischen Land ist groß, obwohl die Seltenen Erden – anders als ihr Name vermuten lässt – gar nicht so selten sind. Beispielsweise kommen sie auch im sächsischen Storkwitz vor. Nur werden sie dort nicht abgebaut, weil das nicht wirtschaftlich wäre.
Doch leider ist der schwedische Fund kein Gamechanger, der Europa helfen könnte, seine Abhängigkeit von China in diesem für eine klimafreundlichere Wirtschaft so wichtigen Bereich zu reduzieren.
Hoher Aufwand für die Förderung
Schon in den 2010er-Jahren wurde 95 Prozent der globalen Fördermenge Seltener Erden in China abgebaut. Ihre hohe technologische Bedeutung machte sie schon damals zu einem potenziellen Druckmittel. Bis heute hängt unsere Versorgung mit Seltenen Erden von China ab: Von den 280.000 Tonnen Seltener Erden, die im Jahr 2021 weltweit bergbaulich gefördert wurden, kamen 70 Prozent über China auf den Markt – entweder weil man sie in dem Land selbst abbaute, oder weil China sie kaufte, bevor sie im Inland weiter verwendet oder erneut exportiert wurden.
Wir brauchen neue Bezugsquellen. Doch die schwedische Entdeckung hilft uns dabei nur begrenzt weiter: Die Konzentration an Seltenen Erden im erzhaltigen Gestein beträgt am Fundort nur 0,2 Prozent, sagt Jens Gutzmer, Leiter des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie in Freiberg und einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet: viel niedriger als beispielsweise in den Minen Mountain Pass (USA) mit 3,8 Prozent oder in Bayan Obo (China), mit drei bis fünf Prozent Erzgehalt. Das bedeutet, dass in den neuen Lagerstätten sehr viel Gestein bewegt werden muss, um vergleichsweise wenig Seltene Erden zu fördern. Es macht den Abbau teuer und die ökologischen Schäden groß.
Selbst wenn die Förderung der Seltenen Erden in Schweden in den kommenden zehn bis 20 Jahren einen gewissen Anteil der Weltproduktion erreichen würde, bleibt die Frage ihrer Verarbeitung ungeklärt. Auch hier hat China aktuell einen Marktanteil von 85 Prozent, wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mitteilt. Und die chinesischen Reserven an Seltenen Erden werden auf bis zu 44 Millionen Tonnen geschätzt.
Wertvolle Rohstoffe besser nutzen: durch Recycling
Unsere Abhängigkeit von China wird also bestehen bleiben – es sei denn, wir lernen, besser mit wertvollen Rohstoffen wie den Seltenen Erden umzugehen. Wir hätten die Möglichkeiten dazu. Seltene Erden können recycelt werden, doch obwohl sie für die Zukunftstechnologien so wichtig sind, ist die Kreislaufwirtschaft für Seltene Erden in Europa bisher nur mangelhaft etabliert. Immer wieder wird darauf verwiesen, wie wichtig Seltenen Erden für Windanlagen oder Elektromotoren sind, und damit dafür, dass die Energiewende gelingt.
Dennoch werden sie verschwendet. Dem Klima schadet das ganz erheblich, denn der Bergbau und die Weiterverarbeitung von Metallen tragen zwischen zehn und 15 Prozent zu den globalen CO₂-Emissionen bei.
Aktuell liegt der Anteil von recyceltem Material an der Gesamtnutzung von Seltenen Erden in Deutschland bei deutlich unter zehn Prozent. Das heißt, mehr als 90 Prozent muss durch Bergbau gewonnen werden. Ansätze wie Substitution – denn tatsächlich gibt es auch Windkraftanlagen ohne Seltene Erden – oder ein Ausbau der Kreislaufführung, erhalten zu wenig Aufmerksamkeit.
EU-Gesetz für Kritische Rohstoffe muss Rahmen setzen
Das für März von der EU-Kommission angekündigte Kritische Rohstoffgesetz (Critical Raw Materials Act) wird hier entscheidende Rahmenbedingungen richtig setzen müssen:
- Die Weiterverarbeitung der Seltenen Erden auf EU-Ebene muss ausgebaut werden,
- und ebenso ihre Kreislaufnutzung.
- Zudem muss Substitution in Produkten geprüft werden, bei denen es sinnvoll ist.
Ganz grundsätzlich muss der Anteil des Bergbaus an der Metallnutzung reduziert werden – und mit ihm die Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen, die so häufig mit dem Bergbau einhergehen. Deutschland und Europa brauchen eine echte Rohstoffwende, die den Schutz von Mensch und Umwelt ins Zentrum der Politik stellt.
Die neu entdeckten schwedischen Vorräte sind unter den aktuellen Umständen schnell verbraucht – falls sie überhaupt abgebaut werden können. Denn eine Sache ging in der Euphorie der Berichterstattung völlig unter: Die Sami, auf deren Land die Seltenen Erden gefunden wurden, haben ihre Zustimmung zum Abbau noch nicht erteilt.
Michael Reckordt ist Programmleiter Rohstoffe und Ressourcengerechtigkeit bei PowerShift – Verein für eine ökologisch-solidarische Energie-& Weltwirtschaft e.V. in Berlin.