
Trotz seiner geringen Größe von weniger als 24 Millionen Einwohnern, oder 0,3 Prozent der Weltbevölkerung, gehört Taiwan zu den weltweit führenden Volkswirtschaften im globalen Handel. Ein Anteil von fast zwei Prozent des globalen Warenhandels platziert Taiwan 2021 auf Rang 16 aller Volkswirtschaften der Welt – verglichen mit gerade einmal Rang 57 der bevölkerungsreichsten Staaten. Wichtigster Absatzmarkt ist mit rund 42 Prozent China (inklusive Hongkong), gefolgt von den Asean-Staaten (16 Prozent), den USA (15 Prozent), der EU (7 Prozent) und Japan (7 Prozent).
Besonders erfolgreich ist Taiwan in der Elektronikindustrie. Rund die Hälfte der Warenexporte Taiwans entfallen auf elektrische und elektrotechnische Güter. Neben vielen erfolgreichen kleinen und mittleren Unternehmen stecken dahinter auch einige Großunternehmen, die zu Weltmarktführern in ihren Bereichen zählen.
TSMC ist für mehr als die Hälfte der globalen Auftragsfertigung von Halbleitern verantwortlich und nahezu konkurrenzloser Technologieführer bei der Produktion von Halbleitern mit besonders kleiner Strukturbreite. Mediatek hatte 2022 einen weltweiten Marktanteil bei Smartphone-Prozessoren von rund 40 Prozent und im selben Jahr stammten rund 14 Prozent aller weltweit verkauften PCs von den beiden taiwanesischen Firmen Asus und Acer.
Fehlen von Handelsabkommen birgt massive Nachteile
Die bedeutende Rolle Taiwans im Welthandel ist umso bemerkenswerter, als es aufgrund der von China vehement verfochtenen „Ein-China-Politik“ bisher nur sehr wenige bi- oder multilaterale Investitions- oder Handelsabkommen abschließen konnte. Allerdings konnte Taiwan 2002 – mit Zustimmung Chinas – der Welthandelsorganisation WTO beitreten und ist auch Mitglied wichtiger plurilateraler WTO-Abkommen. Dies gilt insbesondere für das globale WTO-Informationstechnologie-Abkommen (ITA), das den vollständigen Abbau von Zöllen für zahlreiche Produkte im für die taiwanesische Wirtschaft so wichtigen Bereich der Informationstechnologie vorsieht.
Die Mitgliedschaft in WTO und ITA haben taiwanesischen Unternehmen geholfen, sich auch ohne bilaterale oder regionale Freihandelsabkommen eine zentrale Rolle innerhalb des „Produktionsnetzwerks Asien“ („Factory Asia“) und globaler Liefer- und Produktionsketten insbesondere im Elektronik- und IT-Bereich zu erarbeiten. Verschiedene aktuelle Entwicklungen haben jedoch dazu geführt, dass sich die Nachteile, die sich für Taiwans Unternehmen aus dem Fehlen regionaler und bilateraler Handels- und Investitionsabkommen ergeben, erheblich zunehmen.
- Die Verschärfung der ökonomischen und politischen Konflikte mit China haben dazu geführt, dass die USA und vermehrt auch die EU – wie zuvor schon China – ihre Handelspolitik und auch ihre Industriepolitik zunehmend an geopolitischen Zielen ausrichten. Mit dem Ziel, strategische Abhängigkeiten von China zu reduzieren, ihre Resilienz gegenüber Störungen internationaler Lieferketten zu erhöhen und die technologische Führerschaft oder Souveränität zu verteidigen, werden dabei vermehrt auch protektionistische und teilweise WTO-widrige Instrumente eingesetzt (Zölle, Exportverbote, Subventionen und Local-Content-Auflagen). In der Folge geraten die bestehenden globalen und regionalen Liefer- und Produktionsnetzwerke immer mehr unter ökonomischen und politischen Anpassungsdruck. Dies betrifft speziell auch das „Produktionsnetzwerk Asien“.
- Durch die Zunahme geopolitischer Konflikte und geopolitisch motivierter wirtschaftspolitischer Maßnahmen wird die globale regelbasierte Wirtschaftsordnung unterminiert und die Rolle der WTO weiter geschwächt. Zudem hat die Blockadepolitik der USA im Hinblick auf die ständige Berufungsinstanz der WTO dazu geführt, dass das Streitschlichtungssystem der WTO nicht mehr funktionsfähig ist, sodass sich die Mitgliedstaaten auf WTO Ebene nicht mehr effektiv gegen mögliche Rechtsverletzungen anderer Mitgliedstaaten zur Wehr setzen können.
- In den letzten Jahren wurden von Ländern im indopazifischen Raum bedeutende regionale und bilaterale Handelsabkommen geschlossen: Im Jahr 2018 haben elf Länder der Region das inhaltlich ambitionierte „Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership“ (CPTPP) geschlossen. Ende 2020 folgte mit der „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) das nach Bevölkerung und Wirtschaftsleistung der beteiligten Länder größte regionale Handelsabkommen der Welt. Taiwan ist an keinem der beiden Abkommen beteiligt. Zudem hat die EU seit 2015 umfassende bilaterale Handelsabkommen mit Südkorea, Japan, Singapur und Vietnam unterzeichnet. Mit Neuseeland wurden die Verhandlungen kürzlich abgeschlossen, mit weiteren Partnern aus der Region (u.a. Australien, Indien, Indonesien) laufen Verhandlungen – jedoch nicht mit Taiwan.
Taiwan kann nicht bei Standards mitwirken
Die Verschärfung geopolitischer Konflikte und die damit einhergehende Schwächung der globalen regelbasierten Wirtschaftsordnung erhöhen die Unsicherheit, denen sich Taiwans Unternehmen in ihren außenwirtschaftlichen Aktivitäten ausgesetzt sehen. Zugleich führen die zahlreichen neuen bilateralen und regionalen Handelsabkommen zwischen Taiwans Handelspartnern und Konkurrenten im indopazifischen Raum, zu einer zunehmenden Benachteiligung taiwanesischer Unternehmen bei der Reorganisation regionaler und globaler Produktionsnetzwerke.
Als Nichtmitglied partizipiert Taiwan nicht an den in diesen Abkommen vereinbarten Handelsliberalisierungen und wirkt nicht mit an der Weiterentwicklung der darin vereinbarten Regeln und Standards. Zudem erschwert das Fehlen eigener Handelsabkommen Taiwans Bemühungen, seine wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren.
Für Taiwan wäre ein Beitritt zu den regionalen Handelsabkommen ebenso wie ein Abschluss bilateraler Handels- oder Investitionsabkommen mit seinen wichtigsten Handelspartnern daher von erheblichem wirtschaftlichem Vorteil. Ein Beitritt Taiwans zur RCEP scheint aber auf absehbare Zeit ausgeschlossen, da dieser die Zustimmung aller Mitglieder des Abkommens und somit auch Chinas erfordern würde. Ein Beitritt Taiwans zur CPTPP scheint grundsätzlich denkbar. Sowohl Taiwan als auch China haben bereits einen Beitrittsantrag gestellt.
Zunehmende Isolation Taiwans wäre teuer
Selbst ein gemeinsamer Beitritt von Taiwan und China wird von China jedoch vehement abgelehnt. Eine Aufnahme Taiwans würde jedoch ein einstimmiges Votum aller elf derzeitigen CPTPP-Mitglieder voraussetzen, was gegen den Widerstand Chinas nicht realistisch erscheint. Auch der Abschluss bilateraler Handels- oder Investitionsabkommen mit der EU, den USA oder anderen wichtigen Handelspartnern würde wohl auf scharfe Ablehnung seitens Chinas stoßen. Solche Abkommen wären somit nur möglich, wenn Taiwan und seine potenziellen Vertragspartner bereit wären, die zu erwartenden Gegenmaßnahmen seitens Chinas in Kauf zu nehmen.
Sowohl für Taiwan als auch für seine Partner wäre eine zunehmende Isolation Taiwans mit erheblichen Kosten verbunden. Die technologischen und wirtschaftlichen Potenziale Taiwans insbesondere im Bereich der Elektronikindustrie gingen der Welt verloren. Eine langfristige wirtschaftliche Schwächung Taiwans könnte die Insel zudem wirtschaftlich noch abhängiger von China machen, möglicherweise auf Kosten der über Jahrzehnte aufgebauten demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen.
Daher gilt es seitens der Partnerländer Taiwans sorgfältig zu prüfen, über welche Möglichkeiten und Spielräume sie verfügen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Taiwan aufrechterhalten oder weiter zu stärken? Mit welchen diplomatischen, wirtschaftlichen oder gar militärischen Gegenmaßnahmen China müssten sie rechnen? Wie ließen sich die damit verbundenen Risiken minimieren?
Frank Bickenbach ist Stellvertretender Leiter des Forschungszentrums „Internationaler Handel und Investitionen“ und ein Senior Researcher im Forschungszentrum „Innovation und internationaler Wettbewerb“ am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Silas Dreier ist Koordinator der Global China Conversations an der China-Initiative des Kiel Institut für Weltwirtschaft. Er studiert außerdem den Master in China Business and Economics an der Universität Würzburg.
Wan-Hsin Liu ist eine Senior Researcherin in den Forschungszentren „Internationaler Handel und Investitionen“ und „Innovation und internationaler Wettbewerb“ am Kiel Institut für Weltwirtschaft. Sie ist zudem Koordinatorin des Kieler Zentrums für Globalisierung.
Dieser Beitrag entsteht im Rahmen der Veranstaltungsreihe ,,Global China Conversations“ des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag (11.00 Uhr, MEZ) diskutieren Shin-Horng Chen, Vizepräsident der Chung-Hua Institution für Wirtschaftsforschung, und Sarah Kirchberger, Leiterin des Bereichs Asien-Pazifik-Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, über das Thema: „Spannungen um Taiwan: Wie ist die aktuelle Situation und welche Herausforderungen ergeben sich für Unternehmen und die Wirtschaft?“ China.Table ist der Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.