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Chinas neues Wehrdienst-Gesetz: Vorbereitung auf einen Krieg

Ein neues chinesisches Reservistengesetz tritt am 1. März in Kraft. Mit ihm wird ein System zur Aufstockung des Militärpersonals eingeführt. Der jüngste Schritt des Landes zur Reform der Militärgesetzgebung.

Das nationale Verteidigungsgesetz und das Wehrdienstgesetz wurden zuletzt vor zwei Jahren angepasst. Die auffälligste Änderung wurde seinerzeit am Wehrdienstgesetz vorgenommen.

  • In der alten Fassung des Wehrdienstgesetzes hieß es, dass der Zweck der Mobilisierung im Kriegsfall darin bestehe, „plötzliche Angriffe des Feindes abzuwehren und einer Invasion zu widerstehen“.
  • In der Fassung von 2021 wurde die Zielsetzung wie folgt erweitert: „zur Abwehr von Bedrohungen für die Souveränität, die Einheit, die territoriale Integrität, die Sicherheit und die Entwicklungsinteressen des Landes sowie zur Abwehr einer Invasion“.

Die deutliche Ausweitung der möglichen Kriegsursachen, die das Gesetz zur Anwendung bringen würden, ist an sich schon bezeichnend genug. Die Hinzufügung von „Einheit und territoriale Integrität“ bringt Taiwan eindeutig auf den Radar.

Wer würde für China kämpfen?

Wer würde den Hauptteil der Soldaten bilden, die für China kämpfen, wenn das Land einen Krieg um Taiwan führen würde und dann höchstwahrscheinlich auch gegen die USA, vielleicht auch gegen Japan und weitere andere? Sicherlich nicht die chinesischen Netizens, die Dissidenten auf Twitter bedrohen. Oder diejenigen, die an westlichen Universitäten anti-chinesische Regierungsplakate herunterreißen. Und auch nicht diejenigen, die Demonstranten vor den chinesischen Botschaften und Konsulaten verprügeln.

Diejenigen, die an die Front geschickt werden, sind junge Männer und Frauen aus armen Familien, vor allem aus kleinen Städten und vom Land.

Die Armee als Ausweg aus der Armut

Trotz der öffentlichkeitswirksamen Errungenschaften Chinas bei der Beseitigung der Armut leben immer noch mehr als 40 Prozent der Bevölkerung von etwa 1.000 Yuan (140 Euro) oder weniger pro Monat, sagte Premierminister Li Keqiang im Jahr 2020. Angesichts des stagnierenden Wirtschaftswachstums in den vergangenen drei Jahren und der Härten, die durch die Covid-Maßnahmen verursacht wurden, dürfte die Situation heute nicht viel anders sein.

Die Hochschulbildung in China ist meist kostenpflichtig. Für Schulabgänger aus sozial schwachen Familien, aber mit guten akademischen Leistungen, sind die mehr als 40 Militärschulen des Landes eine verlockende Wahl. Der Besuch dieser Schulen ist nicht nur kostenlos, sondern es werden auch Zuschüsse gewährt. Die Absolventen dieser Einrichtungen sind die wichtigste Quelle für Offiziere der Armee.

Jungen Männern, die die Hochschulzugangsprüfung nicht bestehen oder deren Familien nicht das Geld haben, um sie zur Uni zu schicken, steht für gewöhnlich nur ein Weg offen: in Fabriken zu arbeiten, die Produkte für den heimischen und den Weltmarkt herstellen. Die Rahmenbedingungen dort sind nicht die besten, und Arbeitnehmerrechte bleiben ein heikles Thema. Ihre Löhne reichen in der Regel nur aus, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nur die Sparsamen können etwas für die Familie oder für die Zukunft zurücklegen.

Die Armee scheint hier die entscheidende Alternative zu bieten. Diejenigen, die der Armee beitreten, können sich von der harten Fabrikarbeit fernhalten, und es erwartet sie ein gutes körperliches und technisches Training. Andere sehen das Militär als ihre erste große Chance, Kontakte zu knüpfen, einige hegen vielleicht sogar Fantasien von soldatischem Ruhm. Das alles, obwohl sie, wenn sie den aktiven Dienst verlassen, immer noch die gleichen Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden, wie alle anderen auf dem Arbeitsmarkt.

Viele Soldaten sind Einzelkinder

In China gibt es dank der großen Bevölkerungszahl keine Wehrpflicht. Doch die demografische Entwicklung zeigt auch hier ihre Schattenseiten, während die Aussicht auf einen Krieg immer realer wird. 

Chinas strenge Familienplanungspolitik wurde erst 2015 abgeschafft. Davor durften Familien in den Städten nur ein Kind bekommen. Um der sexistischen Tradition des Landes und dem Bedarf an Männern für die landwirtschaftliche Arbeit Rechnung zu tragen, erlaubte das Land Familien auf dem Land bis zu zwei Kinder, wenn das erste ein Mädchen war.

Das bedeutet, dass die jungen Männer und Frauen, die zum Militär gehen, höchstwahrscheinlich der einzige Sohn und in vielen Fällen sogar das einzige Kind sind.

In friedlichen Zeiten in die Armee einzutreten, ist die eine Sache. Es ist eine andere, wenn Krieg droht.

Wenn es Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und der Stärkung der Kampfbereitschaft gibt, wird China sicherlich seine Bemühungen verstärken, das Opfer der Soldaten zu verherrlichen.

Patriotischer Eifer zieht immer

Die erfolgreiche nationalistische Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas wird auch zur Kriegsmobilisierung gegen Taiwan, die Vereinigten Staaten, Japan und sogar die gesamte westliche Welt beitragen.

Das Narrativ, dass Taiwan Teil des chinesischen Territoriums ist, ist immer sehr gut angekommen. Die große Mehrheit der Chinesen würde sogar im Schlaf sagen, dass „Taiwan ein Teil Chinas ist“.

Die Vereinigten Staaten haben in China das Image eines Tyrannen, der seine Hegemonie aufrechtzuerhalten sucht, indem er China klein hält und sogar zum Zusammenbruch bringen will. Was Japan betrifft, so lässt China die Geschichte der japanischen Invasion in den Jahren 1937 bis 1945 nie los. Regelmäßig werden neue Filme und Fernsehdramen über den chinesisch-japanischen Krieg und den Koreakrieg von 1950 bis 1953 produziert. Einige von ihnen wurden sogar zu Blockbustern. Die anderen westlichen Länder, die sich ebenfalls offen gegen Chinas Kriegsvorbereitungen stellen, können leicht als willenlose Gefolgsleute der Vereinigten Staaten dargestellt werden, auch wenn dieses Image derzeit aus wirtschaftlichen Gründen heruntergespielt wird.

Der patriotische Eifer ist heute natürlich nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahrzehnten. Eine wachsende Zahl von Menschen durchschaut das politische Spiel von Xi Jinping. Einige haben sogar den Mut, sich dagegen auszusprechen. Aber vorerst wird er genug politischen Brennstoff haben, um das nationalistische Feuer hoch genug zu schüren, wenn er das Land in einen Krieg führen will.

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