
Die Wertschöpfungskette von Halbleitern ist unglaublich komplex und erstreckt sich weltweit: Deren Herstellung ist nicht nur eine der forschungs- und entwicklungsintensivsten Aktivitäten, sie umfasst auch eine Reihe spezialisierter Fertigungsschritte, die von Firmen in der ganzen Welt durchgeführt werden. Die größten Halbleiterfirmen sind überwiegend in den Vereinigten Staaten, Südkorea, Europa und Japan ansässig (zum Beispiel Intel, Samsung, Infineon, und Kioxia). Viele Hersteller lagern die kapitalintensive Fertigung sowie Gehäusemontage- und Testtätigkeiten an spezialisierte Unternehmen in Chinesisch-Taipeh, China und Singapur aus. Einige, wie TSMC, haben sich zu Technologieführern bei der Bereitstellung von fortschrittlichen Chipfertigungsdiensten entwickelt. Auf ihre Dienste ist ein Großteil der Smartphones und Computer der Welt angewiesen. Unternehmen wie TSMC sind ihrerseits von wichtigen Lieferanten spezialisierter Präzisionsgeräte wie dem niederländischen Unternehmen ASML abhängig. Diese Zulieferer stellen beispielsweise die Lithografie-Maschinen her, die für die Halbleiterfertigung benötigt werden.
Da die Chipproduktion ein innovationsgetriebener, kapitalintensiver und strategisch wichtiger Sektor ist, ist staatliche Einmischung seit langem ein Merkmal der Halbleiterindustrie. Anfang der 1960er Jahre wurde die NASA zum Hauptabnehmer integrierter Schaltkreise und sorgte für eine stabile Nachfrage bei den US-Herstellern. Etwa zur gleichen Zeit richteten die chinesischen Behörden das Werk Nr. 742 in Wuxi als staatliche Ausbildungsstätte für Halbleiteringenieure ein. Frankreich gründete 1967 das CEA-Leti, ein auf Mikroelektronik spezialisiertes öffentliches Forschungszentrum. In den 1970er und 80er Jahren folgten die Behörden in Japan, Korea und Chinesisch-Taipeh, die alle die Halbleiterforschung und -entwicklung (F&E) durch öffentliche Institute wie ETRI und ITRI unterstützten. Auch die Vereinigten Staaten gründeten 1980 das Very High Speed Integrated Circuit Programm und 1987 das Forschungs- und Entwicklungskonsortium Sematech.
Staatliche Eingriffe sind Merkmal der Chip-Industrie
Einem aktuellen OECD-Bericht über Subventionen in der Halbleiterindustrie zufolge haben 21 der weltweit größten Halbleiterunternehmen zwischen 2014 und 2018 mehr als 50 Milliarden US-Dollar an staatlicher Unterstützung erhalten. Davon entfielen zwei Drittel auf staatliche Zuschüsse und Steuervergünstigungen, darunter mehr als 15 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von F&E-Ausgaben und 20 Milliarden in Form von Einkommensteuervergünstigungen und Investitionsanreizen. Ein weiteres Drittel der Unterstützung erfolgte in Form von Finanzierungen unter Marktniveau, das heißt Fremd- und Eigenkapital, welches die Unternehmen zu marktunüblich günstigen Konditionen erhielten.
Während alle untersuchten Unternehmen F&E-Förderung und in gewissem Umfang Steuervergünstigungen erhielten, scheint die Finanzierung unter Marktniveau weitgehend ein chinesisches Phänomen zu sein. Dies gilt insbesondere nach der Entscheidung Chinas, im Jahr 2014 einen nationalen Investitionsfonds für integrierte Schaltkreise sowie ähnliche Fonds auf Provinz- und Kommunalebene einzurichten. Diese Fonds haben seitdem einer Reihe wichtiger chinesischer Halbleiterhersteller, darunter SMIC, Hua Hong und Tsinghua Unigroup und deren Tochtergesellschaften, frisches Eigenkapital zugeführt. Außerdem besteht offenbar ein direkter Zusammenhang zwischen den Eigenkapitalerhöhungen durch Chinas Staatsfonds und dem Bau neuer Halbleiterfabriken.
Wenig Transparenz bei staatlicher Hilfe
Ein entscheidendes Problem aus handelspolitischer Sicht ist die mangelnde Transparenz der staatlichen Unterstützung und insbesondere der Finanzierung unter Marktniveau. Viele Regierungen legen die von ihnen gewährten Subventionen nicht offen. Dieses Problem verschärft sich noch im Fall von Finanzierungen unter Marktniveau. Der Nachweis einer solchen Unterstützung erfordert einen Vergleich mit einem marktbasierten Referenzwert, wofür detaillierte Methoden erst noch festgelegt oder vereinbart werden müssen. Mitunter fehlen auch Informationen über die Eigentumsstruktur von Unternehmen, was das wahre Ausmaß staatlicher Investitionen in Industrieunternehmen verschleiern kann.
Einige Formen von Subventionen können notwendig sein, und dies gilt für die Halbleiterindustrie ebenso wie für andere Sektoren. Doch selbst F&E-Subventionen können marktverzerrend wirken, wenn sie schlecht konzipiert und umgesetzt werden. Eine Analyse der ZEW-Forscher Philipp Boeing und Bettina Peters zeigt beispielsweise, dass die von China zwischen 2001 und 2011 gewährten F&E-Subventionen bisweilen zweckentfremdet wurden, was die Wirksamkeit der F&E-Politik untergräbt und darauf hindeutet, dass ein gewisser Teil der F&E-Förderung möglicherweise für andere Zwecke wie den Ausbau von Produktionskapazitäten verwendet wurde (China.Table berichtete). Zwar gibt es gute wirtschaftliche Argumente für die Förderung von Forschung und Entwicklung. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass diese F&E-Unterstützungsmaßnahmen so gestaltet werden, dass sie den gesellschaftlichen Nutzen erhöhen und gleichzeitig die Kosten in Grenzen halten. Konkret: Innovationsanstrengungen, die Produktivität und Wohlstand steigern können, sollten im Vordergrund stehen. Wettbewerbsverzerrungen sollten vermieden werden.
China bei Halbleitern noch im Rückstand
Staatliche Eigenkapitalerhöhungen in der Halbleiter-Wertschöpfungskette haben Auswirkungen auf den Handel und den globalen Wettbewerb. Was sie für Handelsregeln und insbesondere für die Disziplinierung von Subventionen bedeuten, muss genauer untersucht werden. Eigenkapital unter Marktniveau gehört aufgrund seiner Eigenheiten wahrscheinlich zu den am schwierigsten zu identifizierenden und zu quantifizierenden Formen der Unterstützung. Daher ist mehr Transparenz erforderlich, die sich insbesondere auf Folgendes konzentrieren sollte:
- das Ausmaß, in dem Staaten Anteile an Halbleiterunternehmen und ihren Geldgebern besitzen, sowie
- die Unterstützungsmaßnahmen, die in verschiedenen Ländern angewandt werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Industriesektoren ist nicht immer ersichtlich, welche Halbleiterfirmen teilweise oder vollständig in staatlicher Hand sind.
In einem breiteren Kontext wirft die Arbeit der OECD auch Fragen über die Rolle und Wirksamkeit staatlicher Unterstützung in F&E-intensiven Industrien auf, die durch kurze Produktzyklen gekennzeichnet sind. Diese Diskussion ist von besonderer Bedeutung für China, das in Technologien der Halbleiterfertigung trotz relativ umfangreicher staatlicher Unterstützung im Rückstand ist und seit langem eine Politik verfolgt, die ausdrücklich die Entwicklung der heimischen Industrie für integrierte Schaltkreise fördern soll.
Jehan Sauvage arbeitet derzeit als Politikanalyst in der Direktion Handel und Landwirtschaft der OECD, wo er sich auf Fragen im Zusammenhang mit Marktverzerrungen und staatlichen Subventionen in Industriesektoren spezialisiert hat.
Christian Steidl ist Politikanalyst bei der OECD und beschäftigt sich mit der Analyse verschiedener Formen der staatlichen Unterstützung für Industrieunternehmen.
Dieser Beitrag steht im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Global China Conversations“ des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag diskutieren Dr. Sophia Helmrich (BDI), Jehan Sauvage (OECD) und Christian Steidl (OECD) über das Thema: „Der Wettlauf um die Technologie-Souveränität: Der Fall der staatlichen Unterstützung in der Halbleiterindustrie“. China.Table ist Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.
Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln rein die Meinung der Autoren wider. Sie sind nicht notwendigerweise Ausdruck der Ansichten des OECD Sekretariats oder der Mitgliedsstaaten der OECD.