- Die weiße DIN-A-4-Revolution
- Katz-und-Maus-Spiel im Internet
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- Deutsche Botschaft erinnert an Liu Xiaobo
- Standpunkt: Exilantin fürchtet Blutvergießen
wie kann man in einem hochgradig zensierten Umfeld seinen Unmut kundtun? Welche Form des Protests kann man wählen in einer Welt, in der selbst Städtenamen aus dem Internet und historische Ereignisse aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden? Die Menschen, die in China in dieser Woche auf die Straße gegangen sind, haben eine so einfache wie geniale Waffe gefunden: Ein weißes Blatt Papier. „Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können“, erklärte ein junger Demonstrant in Peking. Das Beste daran: Im Gegensatz zu Blumen oder gelben Regenschirmen hat fast jeder weißes Papier im Haus. Es zu verbieten, käme einem Kampf gegen Windmühlen gleich.
Peking versuchte trotzdem alles, die Proteste – die nun passend „A4Revolution“ genannt werden – im Keim zu ersticken. An den Straßen, an denen die Menschen in den vergangenen Tagen zusammenkamen, ist die Polizei nun stets präsent. Sie machen punktuelle Handykontrollen. Demonstranten bekommen Anrufe von den Behörden. Unis schicken Studierende vorzeitig in die Semesterferien. Die „A4“-Revolution ist jedoch noch nicht am Ende, wie Michael Radunski analysiert. Mit Kreativität und Ironie sind die Protestierenden den Zensoren noch immer einen Schritt voraus – gerade auch im Internet.
Wie ihnen das gelingt, haben uns einige Protestler erzählt. Dabei erschöpften sich die Reaktion des Staates nicht nur in blindem Löschen. Vielmehr wurden gezielt Bots aktiviert, um die digitalen Kanäle zu fluten und so ein gezieltes Kommunizieren und Informieren unmöglich zu machen. Und natürlich durfte auch dieses Mal die Mär vom Einfluss ausländischer Kräfte nicht fehlen.
Eine, die sich auskennt mit Protesten gegen die chinesische Regierung, ist die Hongkonger Demokratie-Aktivistin Glacier Wong. Im Standpunkt beschreibt die Exilantin, die inzwischen in Deutschland lebt, wie befremdlich es für sie war, die Menschen auf dem Festland demonstrieren zu sehen. Denn die Festland-Chinesen hatten nicht verstanden, weshalb die Hongkonger 2019 auf die Straße gegangen waren.
Jetzt bekomme sie Nachrichten von Chinesen, die sich entschuldigen. Sie würden verstehen, weshalb die Hongkonger für nach Demokratie und Freiheit streben. Deshalb herrsche zum ersten Mal ein Gefühl von Sympathie und gegenseitigem Verständnis, schreibt Wong.
Marcel Grzanna

Analyse
Symbol der Proteste: Ein leeres weißes Papier

Michael Radunski
Ob in Peking oder Shanghai, in Chengdu, Dali oder Wuhan; egal, ob der Rücktritt von Xi Jinping gefordert wird, Wahlen und Meinungsfreiheit oder schlicht das Ende der strikten Null-Covid-Politik – eines haben die Demonstrierenden der vergangenen Tage in China gemein: Sie halten ein leeres, weißes Blatt Papier in ihren Händen (China.Table berichtete).
„Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können“, erklärte ein junger Demonstrant am Montag in Peking. „Wir wollen wieder ein normales Leben führen. Wir wollen Würde haben.“
Am Dienstag gelang es den chinesischen Behörden durch massive Polizeipräsenz ein Wiederaufflammen der Proteste zu verhindern. Die Lage auf den Straßen blieb weitgehend ruhig. Zudem schickten mehrere Universitäten ihre Studentinnen und Studenten nach Hause. Einige Universitäten organisierten sogar Busse, um die Studierenden zu den Bahnhöfen zu bringen. Auf diese Weise wolle man weitere Corona-Infektionen verhindern, heißt es offiziell. Doch allen ist klar, was in Wirklichkeit mit diesem Schritt erreicht werden soll: das Ende der Proteste.
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