- Nur „Patrioten“ stehen in Hongkong zur Wahl
- USA sanktionieren Sensetime
- Zerbrechliche Herzen: Patriotische Cancel Culture
- NGOs fordern EU-Boykott der Winterspiele
- EU kritisiert Lage in Xinjiang
- Jimmy Lai zu 13 Monaten Haft verurteilt
- Scholz will China „fair“ und „kritisch“ behandeln
- Weibo wird abgemahnt
- Portrait: Li Shuo – Politikberater bei Greenpeace
Carrie Lam fürchtet, es ist Wahl und keiner geht hin. Die Bürger in Hongkong sehen offenbar so wenig Sinn in der Abstimmung unter Pekinger Regeln, dass sie lieber zu Hause bleiben. Verwaltungschefin Lam versucht allerlei Anreize zu setzen, um die Leute an die Urne zu locken. Die Opposition im Exil rät jedenfalls davon ab, seine Stimme abzugeben, weil eben nur konforme Kandidaten zur Wahl stehen. Das macht die Veranstaltung zur Farce, analysiert Marcel Grzanna. Trotzdem fährt die Stadt Tausende von Polizisten auf, um die Wahl zu schützen. Auffällig ist daran: Zu demokratischeren Zeiten war die verschärfte Überwachung der Wähler unnötig.
Um Überwachung geht es auch in der Analyse zu Sensetime, einem Weltmarktführer bei Gesichtserkennung. Das Unternehmen muss neue Sanktionen der US-Regierung hinnehmen. Es hat schließlich wichtige Ausrüstung für den Aufbau des digitalen Polizeistaats in Xinjiang geliefert. Die Programme von Sensetime erlauben die Identifikation anhand von ethnischen Merkmalen. Uiguren wurden damit wohl auch in anderen Regionen Chinas von der Polizei im öffentlichen Leben zur engmaschigen Überwachung herausgesiebt.
Der Patriotismus der Mehrheitsgesellschaft treibt derweil neue Blüten. Auch in China verbreitet sich Cancel Culture. Sie zeigt sich hier aber in einer nationalistischen und staatstragenden Variante. Die Wut im Netz entlädt sich vor allem über Nutzer, die vorgeblich nicht genug Respekt vor der chinesischen Kultur oder dem chinesischen Volk gezeigt hat. Wenn andere Meinungsäußerungen unterdrückt sind, entladen sich die Emotionen hier über den letzten erlaubten Kanal. Was leidet, ist die Kunstfreiheit, analysiert Fabian Peltsch.
Finn Mayer-Kuckuk

Analyse
Nur noch „Patrioten“ zur Wahl in Hongkong

Marcel Grzanna
Eine „Geste der kollektiven Verantwortung“ nannte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam die Ankündigung, dass am kommenden Sonntag Fahrten mit dem öffentlichen Verkehr für alle Bürger kostenlos sein werden. Man wolle, dass die Leute wählen gehen, so Lam. Dieser Anreiz dürfte nicht von großer Bedeutung sein, da die meisten Wahllokale in der Nähe des Wohnortes der Wähler liegen. Doch sie ist ein Zeichen dafür, dass die Sorge um eine niedrige Wahlbeteiligung groß ist.
Es ist aber auch paradox. Kaum hat die Volksrepublik China die faktische Kontrolle über die Parlamentswahlen in Hongkong an sich gerissen, sind offenbar 10.000 Polizisten zum Schutz des Urnengangs nötig. In der Vergangenheit – als die Stadt noch deutlicher unabhängiger über ihr politisches Personal abgestimmt hat – verliefen die Wahlen immer friedlich, auch ohne Polizeischutz.
Dabei hatte der Nationale Volkskongress in Peking der Sonderverwaltungszone seine einschneidende Wahlrechtsform im März doch eigens deshalb auferlegt, um die Stadt zu befrieden. Jetzt gehen die Behörden anscheinend lieber auf Nummer sicher, um den Frieden tatsächlich auch zu wahren, wenn am Sonntag (19. Dezember) ein neues Parlament unter neuen Bedingungen durch die rund 4,5 Millionen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Stadt gewählt werden soll.
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