- Beijing Borgward ist insolvent
- Südkorea lehnt Chip-Allianz mit USA ab
- Noch mehr Geld für Straßen und Schienen
- Seefracht wird wieder günstiger
- Standpunkt: Unsere Angst vor Bestrafung durch China
- Im Portrait: Ulrich Ackermann – Krisenberater des VDMA
- Personalien: Robin Aschhoff wird Generalsekretär der Volkswagen Group China
Borgward gehörte einst zu den bekanntesten Autoherstellern Deutschlands. Dort ging der Erfinder von legendären Modellen wie der „Isabella“ jedoch schon 1961 pleite. In China wollte der Lastkraftwagenhersteller Beiqi Foton der Automarke aus Bremen neues Leben einhauchen. Nun ist die deutsche Traditionsmarke einen zweiten Tod gestorben. Oder sollte man besser sagen: Ein zweites Leben hat es gar nicht so richtig gegeben?
Denn tatsächlich hat Foton mit seiner 2016 gegründeten Vertriebsgesellschaft Beijing Borgward zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise Geld verdient. In China habe der Marke eben doch der nostalgische Faktor gefehlt. Die „Träume vom Auto-Phönix aus der Asche“, wie die Stuttgarter Zeitung einst titelte, blieben unerfüllt.
In der zweiten Analyse widmen wir uns dem Versuch der USA, mit dem Chip-Mangel fertigzuwerden. Sie haben Südkorea umworben, einer Halbleiter-Allianz beizutreten, die zumindest zum Teil gegen China gerichtet gewesen wäre. Doch Samsung-Land hat Joe Biden abblitzen lassen, schreibt Frank Sieren. Denn China ist der viel größere und wichtigere Markt.
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Felix Lee

Analyse
Der zweite Tod der Traditionsmarke Borgward

Felix Lee
„Träume vom Auto-Phönix aus der Asche“, titelte die Stuttgarter Zeitung. Von „Lebenstraum“, schrieb 2015 auch der Weser-Kurier in Bremen. „Deutsche Traditionsmarke weckt romantische Gefühle“, lautete auch die Schlagzeile in der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Rede ist von der legendären deutschen Automarke Borgward.
Dieser Traum ist nun ausgeträumt. Wie das chinesische News-Portal Gasgoo berichtet, hat Beijing Borgward am 8. April in Peking Insolvenz angemeldet. Seit seiner Gründung habe der Autobauer Verluste gemacht, heißt es zur Begründung. Zuletzt habe das Unternehmen seine Schulden nicht mehr begleichen können.
Borgward: Verkauf der Namensrechte als Hoffnung
Christian Borgward wollte mit dem Verkauf der Namensrechte an den chinesischen Lastkraftwagenhersteller Beiqi Foton der legendären Automarke neues Leben einhauchen. Er ist der Enkel von Gründer Carl F. W. Borgward, der in den 1950er Jahren mit dem Luxusgefährt Isabella geradezu Kultstatus erlangte, und war im Besitz der Markenrechte. Diese verkaufte er 2014 für angeblich fünf Millionen Euro an Beiqi Foton.
Sowohl Bremen als auch Stuttgart setzten große Hoffnung in diese Investition. In Stuttgart wollte Foton die neue Europa-Zentrale der Marke errichten. Bremen, einstiger Hauptsitz dieser Edelmarke, sollte wieder eine Produktionsstätte bekommen. In der Hansestadt sollten jährlich bis zu 10.000 Borgward-Fahrzeuge gefertigt werden, die rein elektrisch fahren. Als Standort wurde Bremerhaven favorisiert, wo ein Werk auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern entstehen sollte. Plan war, fertige Fahrzeugteile aus China zu importieren. In dem Werk sollten die Fahrzeuge dann nur noch zusammengesetzt werden.
Borgward gehörte einst zu den bekanntesten Autoherstellern Deutschlands und ging 1961 pleite. Im heutigen Daimler-Werk in Bremen-Sebaldsbrück liefen bis Anfang der 60er-Jahre jährlich bis zu 100.000 Borgward-Fahrzeuge vom Band.
„Die Marke ist zu lange tot“
Zu dem Werk in dem norddeutschen Stadtstaat ist es nie gekommen. Bereits 2018 geriet Foton in Geldnöte und bot seine Anteile an der Marke zum Verkauf an. In Deutschland lieferte Borgward dem Branchenportal kfz-betrieb.vogel zufolge „einige wenige Einheiten eines BX7-Sondermodells aus“. Das geplante „Brand Experience Center“ in Stuttgart eröffnete zwar, war aber nur kurze Zeit später schon nicht mehr im Betrieb. 2019 übernahm der chinesische Fahrdienstanbieter Ucar das Fabrikat. Doch auch mit dem neuen Eigentümer liefen die Geschäfte nicht besser (China.Table berichtete). Im selben Jahr gab es die Fahrzeuge in Europa nicht mehr zu kaufen und auch die Verkaufszahlen in China waren miserabel. Im vergangenen Sommer kam das faktische Aus. Chinesische Medien munkelten, der Elektronik-Konzern Xiaomi könnte zumindest Teile von Borgward übernehmen. Aber diese Meldungen bestätigten sich nicht. Mit der Insolvenz ist das Ende der Traditionsmarke nun auch offiziell besiegelt.
Tatsächlich hat Foton mit seiner 2016 gegründeten Vertriebsgesellschaft Borgward China zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise Geld verdient. Vier Modelle entwickelte Borgward, allesamt SUVs, einige auch mit Elektromotor. Mit dem BX3 kam das letzte Modell im Januar 2020 auf den chinesischen Markt. Doch gerade einmal rund 165.000 Fahrzeuge verkaufte Foton bis 2021. Das eigens für die Produktion errichtete Werk Miyun, rund 60 Kilometer nordöstlich von Peking, war für die Herstellung von 360.000 Fahrzeugen ausgerichtet.
Schon bei der Vorstellung der Pläne 2016 warnte Chang Zhangyi, der damalige stellvertretende Vorsitzende von Chinas Autoverband (CAAM), vor einer solchen Investition. „Die Marke ist zu lange tot und in China zu unbekannt, als dass sich viele Käufer finden würden“, sagte er in einem Interview. Er verwies damals schon auf Übernahmen anderer ausländischer Automarken durch chinesische Firmen und deren geringen Erfolge. Ein Beispiel ist der schwedische Autohersteller Saab. Die Marke wurde 2012 ebenfalls von chinesischen Investoren übernommen. Doch schon 2014 mussten sie die Produktion wieder einstellen. Heute gehören die Rechte zur Konkursmasse des Immobilienkonzerns Evergrande.
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Südkorea lässt Biden bei Halbleiter-Allianz abblitzen
Frank Sieren
Die US-Regierung ist mit einer geplanten Halbleiter-Allianz zwischen Südkorea, Japan und Taiwan abgeblitzt. Aus Angst, Peking zu verärgern, lehnten die Koreaner den Vorschlag der Amerikaner als „nicht vollständig akzeptabel“ ab, wie südkoreanische Medien berichten. Der Hintergrund: Südkoreanische Chip-Riesen wie Samsung und SK Hynix unterhalten wichtige Fabriken auf dem chinesischen Festland und fürchten Sanktionen, sollten sie zu eng mit der US-Industrie zusammenarbeiten.
Die Versorgung mit Mikrochips ist derzeit einer der größten Engpässe für die Industrie und ein entscheidender Grund für die Knappheit vieler hochwertiger Produkte. Alle großen Volkswirtschaften versuchen derzeit, ihre Versorgung mit Halbleiterelementen sicherzustellen. Auch die EU versucht derzeit, eine Halbleiter-Allianz zu schmieden. Als Erfolg deutscher Ansiedlungspolitik investiert Intel gerade in Magdeburg. Die USA wollen nun ihrerseits ein Bündnis schaffen, um zu verhindern, dass China ihnen die kostbaren Teile laufend wegkauft.
Doch genau das ist zugleich Südkoreas Grund dafür, das amerikanische Werben abzulehnen. „Die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten hat natürlich höchste Priorität, und doch ist der größte Markt für uns auch von enormer Bedeutung“, zitiert die Zeitung Business Korea einen Brancheninsider. Gemeint ist: China. Halbleiter sind Koreas wichtigster Exportartikel im Handel mit dem großen Nachbarn.
Im Jahr 2021 erzielte das Land laut südkoreanischer Zollhandelsstatistik einen Handelsüberschuss von 26 Milliarden US-Dollar beim Chiphandel mit China. 2020 waren es noch 20 Milliarden US-Dollar. China ist laut der Semiconductor Industry Association (SIA) bereits heute der größte Chipmarkt der Welt, mit Verkäufen von 192 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr und einem Wachstum von 27 Prozent. China ist auch sonst mit großem Abstand der größte Handelspartner Südkoreas. Es exportiert rund doppelt so viel nach China wie in die USA.
Der südkoreanische Samsung-Konzern hat daher bereits große Summen in der Volksrepublik investiert. Er betreibt seit Februar 2021 eine Fabrik für moderne Speicherchips in Xi’an in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Der 25 Milliarden US-Dollar teure Komplex ist die einzige im Ausland angesiedelte Samsung-Fabrik und beherbergt zwei Wafer-Fertigungsanlagen und eine Verpackungs- und Testanlage, die mehr als 40 Prozent der gesamten Produktionskapazität für NAND-Speicherbausteine des Konzerns ausmacht.
Samsung profitiert von der hohen Nachfrage nach Halbleitern, die durch die globale Knappheit angefeuert wird. Die Südkoreaner sind Weltmarktführer bei Speicherchips. Im vierten Quartal kletterte das operative Ergebnis von Samsung um 52 Prozent auf umgerechnet rund 11 Milliarden US-Dollar. Es ist der beste Wert seit vier Jahren, meldet der Konzern. Gleichzeitig legte der Umsatz um ein knappes Viertel auf 56 Milliarden Euro zu – ebenfalls ein Rekordwert.
Halbleiter: Wer wird schneller unabhängig?
Die USA versuchen derweil, von chinesischen Produkten unabhängig zu werden und setzen neben Kooperationen mit Ländern wie Südkorea auch auf den Ausbau der eigenen Industrie. So will die Biden-Regierung mit dem „America Competes Act“ 52 Milliarden US-Dollar in die heimische Halbleiterherstellung und -forschung stecken. Auch Südkorea will ein Gesetz auf den Weg bringen, das Investitionen in die Chip-Herstellung in Höhe von 450 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren auslöst. Japan genehmigte im Winter 2021 ein Investitionspaket in Höhe von 5,71 Milliarden Euro, das die Halbleiterindustrie stärken soll. Der Anteil Japans an der weltweiten Chipproduktion lag Ende der 80er-Jahre noch bei über 50 Prozent. Heute sind es nur noch 10 Prozent.
Laut aktuellen Marktzahlen von IC Insights sind die USA weiter die dominante Chip-Kraft. 2021 hatten US-Unternehmen einen globalen Marktanteil von 54 Prozent. Es folgten südkoreanische Firmen mit 22 und taiwanische Firmen mit neun Prozent Marktanteil. Ganz Europa kommt auf sechs Prozent, China auf vier Prozent. Das Marktforschungsunternehmen berechnet die Länderanteile jedoch danach, wo sich das Hauptquartier befindet und nicht danach, wo tatsächlich produziert wird. Schaut man sich die Marktanteile anhand der tatsächlichen Produktion an, haben die USA nur noch einen Anteil von 12 Prozent. Im Jahr 1990 waren es noch rund 40 Prozent. Der German Marshall Fund befürchtet eine „Erodierung“ der US-Position in dem Maße, in dem „strategische Rivalen ihre eigene Industrie aufbauen.“
Die staatliche chinesische Zeitung Global Times geht davon aus, dass die US-Sanktionen gegen Huawei und den chinesischen Chip-Produzenten Semiconductor Manufacturing International Corp (SMIC) für den weltweiten Halbleitermangel mitverantwortlich sind. „Die unerbittliche politische Einmischung der USA hat globale Unternehmen überfordert“, so die Zeitung. Der Versuch der USA, das chinesische Festland aus der globalen Chip-Lieferkette auszuschließen, sei „unrealistisch und kontraproduktiv“. Die Folge sei ein noch schlimmerer Mangel.
China will jedoch mit allen Mitteln selbst eine schlagkräftige Chip-Industrie aufbauen, und das möglichst ohne auf Zulieferteile aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Dabei sucht Peking nicht unbedingt nach Allianzen im Ausland, sondern bündelt die Expertise verschiedener Tech-Firmen im Inland. So gab der chinesische Automobilhersteller SAIC Motor kürzlich bekannt, gemeinsam mit dem Tech-Unternehmen Horizon Robotics in den Bereich der Auto-Chips einzusteigen (China.Table berichtete).
Vorwürfe der Industriespionage
Bislang können Chinas Firmen die modernsten Chips mit einer Breite von nur wenigen Nanometern noch nicht selbst herstellen. Trotzdem hat sich die Volksrepublik vorgenommen, bis 2025 ganze 70 Prozent des Halbleiterbedarfs durch heimische Hersteller zu decken. Firmen wie Oppo und Huawei wollen dabei mit eigenen Chips vorne mitmischen. Derzeit produziert China weniger als 20 Prozent seiner benötigten Halbleiter selbst (China.Table berichtete).
Ganz ohne Hilfe aus dem Ausland geht es aber ganz offensichtlich noch nicht. So wirft unter anderem Taiwans Regierung chinesischen Firmen vor, aggressiv Taiwans Hightech-Talente abzuwerben und sich am Diebstahl von Technologien zu beteiligen.
Taiwans Justizministerium hat bereits Ermittlungen gegen 60 chinesische Staatsangehörige aufgenommen, denen unter anderem Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen vorgeworfen wird. Die Liste der untersuchten Unternehmen liest sich wie ein Branchenverzeichnis. Sie umfasst unter anderem Vimicro, GLC Semiconductor, Beijing Yinxing Technology und Analogix Semiconductor.
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News
Xi will Infrastruktur-Ausgaben erhöhen
Infrastruktur-Ausgaben sollen das Wachstum in China ankurbeln. Das wurde aus einer Sitzung des Zentralkomitees für Finanz- und Wirtschaftsfragen bekannt. Präsident Xi Jinping hatte bei der Sitzung betont, die Volksrepublik müsse alle Anstrengungen unternehmen, um die Ausgaben für Infrastruktur anzukurbeln, wie Bloomberg berichtet. Demnach habe Xi die lokalen Behörden aufgefordert, den Bau und die Effizienz von Infrastruktur-Netzwerken in Bereichen wie Verkehr, Energie und Wasserschutz zu verbessern. Investitionen sollen auch in regionale Flughäfen, städtische Eisenbahnsysteme sowie Öl- und Gaspipelines fließen.
Bei einem Treffen des Staatsrats wurden weitere Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums beschlossen. Durch Steuersenkungen sollen Unternehmen gefördert werden, die durch die Pandemie besonders stark belastet sind, wie das Wirtschaftsportal Caixin berichtet. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen demnach gesenkt werden.
Schon in der Vergangenheit hatte China auf den Bau von Infrastruktur gesetzt, um das Wachstum in Krisenzeiten wieder zu erhöhen. Durch den Bau von Straßen, Schienenwege oder Immobilien wird die inländische Nachfrage nach Baumaterialien wie Beton und Stahl, aber auch nach Arbeitskräften, angekurbelt. Erst im Januar hatte die Volksrepublik einen Fünfjahresplan für die Entwicklung eines modernen Verkehrssystems veröffentlicht. Der Plan sieht den Bau von zehntausenden Kilometern an Straßen und Zugstrecken vor (China.Table berichtete). nib
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Kosten für Seefracht aus China sinken
Die Kosten für Seefracht aus China sind in diesem Monat weiter gesunken. Das berichtete das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin am Dienstag. Demnach sei der „China Containerized Freight Index“ (CCFI) zuletzt auf den Wert von 3109 gesunken. Seit Anfang Februar hat er damit rund 13 Prozent verloren, wie die Daten der Shanghaier Versandbörse belegen. Hauptursachen seien die nachlassende Nachfrage aus Übersee sowie die sich verschärfende Corona-Pandemie in China. Der CCFI ist ein wichtiger Indikator für die Kosten von Containerschiffsfahrten zu wichtigen Absatzmärkten im Ausland.
Allein der Hafen von Shanghai – der größte Containerhafen der Welt – sei im Grunde schon seit zwei Jahren stark überlastet, sagt Xu Yi, Gründer des Außenhandelsdienstleisters Mayibida, gegenüber Caixin. Wegen der scharfen Corona-Einschränkungen in China können nur noch wenige Lkw den Hafen beliefern (China.Table berichtete). Dieser logistische Zusammenbruch verzögere wiederum auch die Ankunft von Außenhandelsdokumenten, erklärt Xu.
Die angespannte Situation spiegelt sich auch im Umsatz der chinesischen Häfen wider: Von 11. bis 20. April ging der Frachtumsatz der großen inländischen Küstenhäfen im Jahresvergleich um 5,2 Prozent zurück; der Frachtumsatz im Außenhandel sank um 4,9 Prozent, wie die „China Ports & Harbors Association“ berichtet.
Die Nachfrage aus dem Ausland ist in diesem Jahr langsamer gestiegen. Da sich die US-Wirtschaft erholt hat, haben die amerikanischen Verbraucher mehr lokal hergestellte Waren gekauft, was die Importnachfrage schwächt, erklärt Xu Bin, Analyst der UBS Group. Zudem hätten Produzenten in Ländern wie Vietnam und Indien mehr Bestellungen erhalten, die in den vergangenen Jahren noch in China aufgegeben worden waren.
Die jüngsten Coronavirus-Ausbrüche in China, der wochenlange Lockdown in Shanghai sowie die drohenden Einschränkungen in Peking (China.Table berichtete) werden wohl auch in den kommenden Wochen den Betrieb in den Häfen, den Binnenverkehr sowie den Transport von Rohstoffen stören – und das dürfte sich wiederum auch auf Außenhandelsaufträge auswirken. rad
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Standpunkt
Stefan Sack: „Wandel durch Handel“ war für China eine erfolgreiche Strategie

Wenn deutsche Kanzler oder Kanzlerinnen nach Chinas reisten, trugen sie immer die Wunschvorstellung Wandel durch Handel im Gepäck. Die Logik dahinter: Durch immer engere Geschäftsbeziehungen zwischen China und dem Westen würde die Volksrepublik schrittweise liberaler werden, irgendwann sogar vielleicht demokratisch.
China würde sich nach der wirtschaftlichen Öffnung unter Deng Xiaoping und dem beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg automatisch dem gewinnbringenden System der freiheitlichen Demokratien und einer regelbasierten Weltordnung anschließen, so die Überzeugung.
Wandel durch Handel – nur nicht so, wie antizipiert
Und tatsächlich ist das Prinzip Wandel durch Handel 20 Jahre nach Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation aufgegangen. Nur nicht so, wie wir es antizipiert hatten, sondern genau andersherum. Durch den Handel mit China haben vor allem auch wir Deutschen damit begonnen, uns zu wandeln.
Wir sind aus unserem schönen Traum bitter erwacht. Die Abhängigkeiten unserer Lieferketten und die Gier nach neuen Wachstumsmärkten haben uns in eine Situation manövriert, in der wir heute unser Verhalten chinesischen Befindlichkeiten anpassen. Unsere Abhängigkeiten vom chinesischen Markt sind inzwischen so groß, dass Peking sie im „Divide et Impera“-Verfahren – Teile und Herrsche – gegen uns ausspielt. Wir müssen uns endlich eingestehen und darüber diskutieren, dass wir uns mittlerweile so verhalten, um chinesischen Bestrafungen zu entgehen.
Wir lassen Vorsicht walten, wenn wir Kommentare mit China-Bezug in Sozialmedien posten. Firmenbosse beißen sich auf die Zunge, um nahezu jede öffentliche Kritik an China zu vermeiden. Und selbst unsere Regierung ist extrem darauf bedacht, Hongkonger Menschenrechtsaktivisten, Exil-Dissidenten oder geschweige denn dem Dalai Lama eine allzu große Bühne zu bieten, wenn überhaupt. Wir nehmen hin, dass westliche Online-Plattformen in China gesperrt sind, während Chinas Propagandamaschine hierzulande Twitter und Co. nutzt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Der chinesische Traum: Aufstieg einer Kollektivität
Das Selbstvertrauen des Westens in seine eigene Stärke, das nach dem Kalten Krieg offenbar ins Unermessliche stieg, scheint viele blind gemacht zu haben. Dass die Volksrepublik jedoch anderes im Sinn hat, als nur westliche Waren zu kaufen und westliche Werte anzunehmen, kam uns offenbar nicht in den Sinn. China hat es seit dem WTO-Beitritt exzellent verstanden, diese für sich zu instrumentalisieren.
Der chinesische Traum, den Präsident Xi Jinping als Vision formuliert hat, befeuert Stolz auf Gewesenes, aber auch den Anspruch auf die Spitze. Dies ist per se nicht verwerflich. Als Westen müssen wir uns aber im Klaren darüber sein, dass diesem chinesischen Traum der Aufstieg einer Kollektivität zugrunde liegt, der auf einem anderen Wertesystem fußt, statt Freiheit und persönlicher Entwicklung des Einzelnen fördert.
Hätten wir wissen können, auf welchem Fundament der chinesische Traum wachsen soll? Vergessen scheinen Vorzeichen wie das Dokument Nr. 9, für dessen Veröffnetlichung die Journalistin Gao Yu zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Demokratie und Journalismus nach westlichem Vorbild, eine Zivilgesellschaft, universelle Werte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie wurden im Dokument Nr. 9 ebenso klar abgelehnt wie ein ökonomisches System, das mehr von Privatwirtschaft als Sozialismus geprägt wird. Ein Blick in die chinesische Verfassung (Art.7), die das Primat der Staatswirtschaft festhält, wäre auch von Nutzen gewesen.
Ja, wir hätten dies alles wissen können und müssen. Wir hätten mehr Druck auf die Einhaltung eines weltumspannenden Regelwerks machen können, statt auf Wandel durch Handel im Zuge wachsender Verflechtung zu hoffen. Ohne westliche Investitionen war und ist China auch heute noch nicht in der Lage, das Versprechen einzulösen, seiner riesigen Bevölkerung einen moderaten Wohlstand zu verschaffen.
Stattdessen haben sich westliche Unternehmen jahrzehntelang mit Zugangsbeschränkungen zum chinesischen Markt durch Joint Venture-Erfordernisse, erzwungene Wissenstransfers oder ausgeschlossene Industrien abgefunden, während chinesische Unternehmen Hafenanlagen und Stromnetze in Europa erwarben, oder Autobahnen und andere Infrastruktur bauen durften.
Reziprozität war lange kein Thema
Die Hoffnung, dass China dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beitritt, hat sich auch nach 20 Jahren WTO-Mitgliedschaft bis heute nicht erfüllt. Die de facto Unmöglichkeit bei wichtigen Vergaben in China als ausländische Firma zum Zug zu kommen, wurde zu lange ignoriert. Erst seit wenigen Jahren scheint Reziprozität überhaupt Teil unserer Diktion zu sein.
Zu spät. Mittlerweile sind Mammutkonzerne in China entstanden, die (nicht nur, aber auch) durch Transfer von Know-how aus dem Ausland mächtig geworden sind und durch ihre staatliche Unterstützung Wettbewerbsvorteile weit über den chinesischen Markt hinaus genießen.
Ich bin während meiner Zeit in der Europäischen Handelskammer für die Verwendung des Begriffs Reziprozität mehr als einmal kritisiert worden. Heute ist klar, dass sie die richtige, regelbasierte Grundlage für friedliche Koexistenz und gemeinsame Entwicklung ist. Auch die Lösung globaler Probleme funktioniert im Zusammenarbeit mit China.
Kein Akteur – natürlich auch der Westen nicht – sollte Rosinen aus den Regelwerken picken dürfen, die einseitige Vorteile versprechen. Doch genau das haben wir China jahrzehntelang zugestanden. In unseren demokratisch verfassten Gesellschaften müssen wir deshalb definieren, welchen Preis wir für Wachstum und Wohlstand zu zahlen bereit sind und entsprechende Linien ziehen. Der Krieg in der Ukraine gibt uns gerade ein gutes Beispiel dafür, dass wir solche klaren Grenzen benötigen und behaupten müssen.
Stefan Sack, 54, arbeitete früher als Unternehmensberater bei McKinsey, ehe er 2005 nach China ging. Dort war er in zahlreichen leitenden Positionen bei internationalen Unternehmen tätig. Zwischen 2013 und 2016 war er Vize-Präsident der Europäischen Handelskammer in Shanghai. Seit Ende vergangenen Jahres lebt Sack in Hamburg.
- Deng Xiaoping
- Handel
- Xi Jinping
Portrait
Ulrich Ackermann – der Krisenberater

„Ich habe gehofft, dass wir nach zwei Jahren Corona jetzt mal in ruhigeres Fahrwasser kommen“, gesteht Ulrich Ackermann. Es kam anders. Seine Abteilung Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat momentan besonders viel zu tun. Aktuell die zentralen Themen: die Sanktionen gegen Russland und die Implikationen, auch für den Handel mit China. Bei Ackermann und seinem Team können sich die mehr als 3.400 Mitgliedsunternehmen melden, wenn sie Fragen haben zu Zöllen, Export-Regeln oder Rahmenbedingungen auf ausländischen Märkten.
Mittelständische Unternehmen schätzen VDMA Expertise
„Im Endeffekt sind wir eine Art Beratungsunternehmen für unsere Mitglieder in allen Fragen rund um die Themen Export und Außenwirtschaft“, beschreibt Ackermann seine Aufgabe. Und an Anfragen mangelt es nicht. Gerade bekam der 63-Jährige einen Anruf eines Mitgliedsunternehmens, das dringend einen neuen Stahllieferanten sucht, der Markt sei wie leergefegt. „Wer weiß denn schon, dass 20 Prozent der in Westeuropa verarbeiteten Stahlbrammen aus Russland und der Ukraine kommen?“, fragt Ackermann. Für Nicht-Expert:innen: Eine Bramme ist ein gegossener, länglicher Block.
Vor allem die vielen mittelständischen Unternehmen der Branche schätzten die Expertise des VDMA. 15 Expert:innen für die Regionen der Welt und alle relevanten Sachthemen sitzen in seiner Abteilung in Frankfurt am Main. Zusätzliche Unterstützung bekommen sie aus dem Berliner Standort und den VDMA-Auslandsbüros, darunter auch zwei in China. Das Land ist extrem wichtig für die Branche, 2020 lieferten deutsche Unternehmen dorthin Maschinenbau-Produkte im Wert von über 18 Milliarden Euro. Sanktionen gegen China hätten enorme Auswirkungen.
Stabilität als Fundament für Freihandel und Wohlstand
Mit Sorge blickt Ackermann deshalb auf das Verhalten Xi Jinpings gegenüber Putin, aber auch auf das Verhältnis zu Taiwan. „Freihandel setzt einfach stabile Rahmenbedingungen voraus“, sagt der gebürtige Frankfurter. Märkte faszinieren ihn seit Jahrzehnten. Schon seine Diplomarbeit in Volkswirtschaftslehre schrieb Ackermann 1986 über eine mögliche Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs. Direkt im Anschluss landete er beim VDMA, beschäftigte sich dort mit dem damals entstehenden EG-Binnenmarkt. Seit 2005 steuert er nun die Außenwirtschaftsabteilung durch unsichere Zeiten.
Unsicherheit präge aktuell auch den chinesischen Markt. Durch die strengen Coronavirus-Einreiseregeln seien besonders kleine und mittelständische Firmen in ihrem Geschäft eingeschränkt. „Viele sagen uns, wir verlieren gerade ein Stück weit den Zugang zum Markt“, verrät er. „Es geht nichts darüber, wirklich vor Ort zu sein.“ Er möchte selbst unbedingt bald wieder nach China fahren. Die landschaftlich schönen Regionen habe er sich bisher aufgehoben. „Touristisch war ich noch nie in China unterwegs, dafür kenne ich die Industriegebiete sehr gut“, erzählt er schmunzelnd. Paul Meerkamp
- Coronavirus
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Personalien
Robin Aschhoff übernimmt zum 1. August das Generalsekretariat der Volkswagen Group China.
Aschhoff begann seine Karriere bei Volkswagen in der Wirtschafts- und Unternehmenskommunikation. 2017 übernahm er als Leiter Communications Operations die übergreifende Koordinationsverantwortung für die Volkswagen Kommunikation. Er berichtet an Ralf Brandstätter, der ab dem 1. August als Konzernvorstand das Ressort „China“ leiten wird.
Norbert Dütsch wurde von der Volkswagen AG zum Key-Account-Manager China & Oversea Offices ernannt. Dütsch war zuvor als Manager und Senior Expert bei Porsche Consulting tätig.
Daniel Zittel ist seit Beginn des Monats neuer CEO der Sparte für Busse und Trucks bei Daimler China in Peking. Zittel war zuvor Head of Sales für Mercedes-Benz Truck & Fuso in Berlin.
China.Table Redaktion
CHINA.TABLE REDAKTION
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