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wenn es um die Kerninteressen der Volksrepublik China geht, spielt die eigene internationale Reputation für die Kommunistische Partei keine Rolle mehr. Im Gegenteil scheint sie jedes Maß zu verlieren für die Verhältnismäßigkeit ihres Handelns. Das von Peking lancierte Ausmaß an Gewalt gegen die Bürgerinnen und Bürger Hongkongs und die Entdemokratisierung der Stadt in den vergangenen knapp zwei Jahren lieferte ein Lehrbuch-Kapitel für die verabscheuenswürdige Gnadenlosigkeit autoritärer Systeme.
Dem politischen Westen hat das Beispiel Hongkong deutlich vor Augen geführt, wie wenig Einfluss er auf die Autokraten in Peking tatsächlich hat. Zumal Hongkong nicht eine x-beliebige chinesische Großstadt ist, sondern eine Metropole, deren Rechtssystem bis heute ausländische Richter beruft, um letztinstanzlich Zivil- oder Verfassungsfragen zu beantworten. Diese Richter waren eigentlich dafür gedacht, die Aufrechterhaltung demokratischer Grundsätze und Rechte bis 2047 zu gewährleisten.
Bis vergangene Woche waren es noch zwölf Briten, Australier, Neuseeländer und Kanadier, die als nichtständige Mitglieder dem Obersten Gerichtshof der Stadt angehörten. Die beiden prominentesten, die Briten Lord Reed und Lord Hodge, haben nun resigniert. Sie haben die Bedeutungslosigkeit ihrer Berufung eingesehen und die Konsequenzen gezogen. Richtig so. Denn wenn der Westen schon hilflos ist, die KP zu beschwichtigen, dann sollte er zumindest klare Signal setzen, dass er sich meilenweit von autokratischem Gebaren entfernt.
Marcel Grzanna

Analyse
„Überfällige“ Rücktritte am höchsten Gericht Hongkongs

Marcel Grzanna
Der Sinneswandel von Lord Robert Reed benötigte sieben Monate. Noch im August des vergangenen Jahres hatte der Richter des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs die Justiz in Hongkong als „weitgehend unabhängig von der Regierung“ und deren Entscheidungen „im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit“ beurteilt. Auf Basis dieser Einschätzung setzten Reed und sein Amtskollege Lord Patrick Hodge ihre Tätigkeit als nichtständige Mitglieder am Court of Final Appeal (CFA), dem höchsten Gremium des Hongkonger Rechtssystems, bis auf Weiteres fort.
Vor wenigen Tagen folgte die Kehrtwende. Reed und Hodge beendeten ihre Berufung in den CFA mit einem Knall (China.Table berichtete). Die beiden Repräsentanten des britischen Obersten Gerichtshofs könnten ihre Tätigkeit nicht weiter fortsetzen, „ohne eine Regierung zu unterstützen, die sich von den Werten der politischen Freiheit und der Meinungsfreiheit entfernt hat“. So ihre Begründung. Ausschlaggebend für diese Entwicklung sei die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong im Juli 2020 gewesen. Es ist das erste Mal, dass ausländische Richter das Sicherheitsgesetz konkret für die Erosion der Hongkonger Demokratie verantwortlich machten.
Mehrere Rechtsexperten:innen wie Eva Pils, die bis 2014 an der Chinese University of Hongkong Rechtswissenschaft lehrte, bewerten den Schritt des britischen Duos gegenüber China.Table als „überfällig“. Andere kommentierten auf Twitter, so wie Eric Lai vom Georgetown University Law Centre in Washington: „Die Erklärung scheint zu implizieren, dass die Rücktritte Misstrauensvoten gegen die Stadtverwaltung sind.“
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