- Heftige Proteste gegen Null-Covid
- Bericht von der Wulumuqi-Road
- Taiwans Präsidentin Tsai verliert Midterms
- Bundeswehr-Munition hängt von China ab
- USA verbieten Huawei und ZTE
- Kris Wu zu 13 Jahren Haft verurteilt
- Ermittlungen gegen Ex-Nationaltrainer
- Brüssel verhandelt zu Anti-coercion
- Im Portrait: Technik-Vermittler Jeff Zhou
- Zur Sprache: Pärchen knuspern
ein Feuer in Urumqi hat einen politischen Flächenbrand in China entzündet. In den Großstädten protestieren junge Menschen offen gegen die Partei. Die Sprechchöre setzten sich auch in der Nacht von Sonntag auf Montag fort. Vor allem die Unruhe an den Hochschulen in Peking und Shanghai ist der Stoff, aus dem die Albträume der KP sind. Der Mut der Leute ist dabei bewundernswert. Wer den Abtritt Xi Jinpings fordert, setzt sich höchster Gefahr aus.
Xi hat elementare Fehler gemacht, die man der Partei noch vor wenigen Jahren kaum zugetraut hätte: Er hat zugelassen, dass der Druck im Kessel bis ins Unerträgliche steigt. Während der Rest der Welt in den vergangenen Monaten den Weg aus der Pandemie gefunden hat, ließ Chinas Führung die Unterdrückung noch verdoppeln. Xi hat seiner Lust an der Macht freien Lauf gelassen und das Virus nur durch politische Kontrolle bekämpft, statt mit den zur Verfügung stehenden medizinischen Mitteln. Die chinesischen Bürger haben diesen Unterschied trotz aller Propaganda verstanden. Das macht auch den großen Unterschied zu 2020 aus, als sie die Maßnahmen noch akzeptiert haben.
Unsere Autoren fassen die dramatischen Ereignisse der vergangenen drei Tage zusammen. Zudem liefern wir authentische Augenzeugenberichte vom Brennpunkt der Demo in Shanghai. Die Ereignisse rollen damit jedoch gerade erst an. Denn sobald die Studenten und die jungen Angestellten einmal auf der Straße sind und sich zu Demos zusammentun, gibt es keine richtige Reaktion der Staatsmacht mehr. Lässt sie die Zusammenkünfte laufen, wird aller Ärger der vergangenen Jahre und Jahrzehnte auf der Straße laut. Die Partei wird die Proteste daher früh unterdrücken wollen. Damit zeigt sie jedoch unweigerlich ihr wahres Gesicht.
Was uns jetzt auch umtreibt, ist die steigende Sorge um Taiwan. Denn wie stellt ein Diktator die nationale Einheit wieder her, wenn ihm der Rückhalt im Volk entgleitet? Durch den Fokus auf einen gemeinsamen Feind. Eine Aggression gegen Taiwan (in KP-Darstellung dann: eine „Spezialoperation“ in einem „ureigenen Landesteil“) würde viele Länder gegen China aufbringen und könnte das Volk zusammenschweißen. Das Kalkül wäre zynisch, aber genau so denken Machthaber.
Angesichts der steigenden Bedrohungslage verwundert aus der Ferne gesehen das Wahlergebnis in Taiwan vom Wochenende. Die Kuomintang, der man größere Nähe zu Peking nachsagt, hat gewonnen. Präsidentin Tsai Ing-wen ist sogar vom Posten als Vorsitzende der Demokratisch-Progressiven Partei zurückgetreten. Was es damit auf sich hat, erklärt die Analyse von David Demes.
Die Woche wird politisch aufregend.
Finn Mayer-Kuckuk

Analyse
Protest gegen Null-Covid: Der Funke springt über

Straßen und Plätze voller Demonstranten in einem Dutzend Städten – so viel Courage gegen die Regierung hat es in China seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Selbst den Rücktritt des allmächtigen Staats- und Parteichefs forderten einige der Protestierenden. In Shanghai in der Wulumuqi Road im Zentrum der Stadt, die nach der westchinesischen Stadt Urumqi benannt ist, riefen die Demonstranten im Chor: „Xi Jinping, xiatai, Gongchangdang, xiatai“ – „Nieder mit Xi Jinping, nieder mit der Kommunistischen Partei.“ Und: „Wir wollen keine Diktatur. Wir wollen Demokratie.“ Die Polizei reagierte zunächst zurückhaltend, setzte aber schließlich Pfefferspray ein, um die Demonstrationen aufzulösen und führte einige von ihnen ab. Ein BBC-Korrespondent wurde verhaftet.
Bei einem Wohnhaus-Brand in Urumqi, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang, hatte es am Donnerstag zehn Tote gegeben. Aus dem Gedenken an die Toten hat sich über das Wochenende eine beispiellose Protest-Welle gegen die Corona-Politik der Regierung gebildet. Zuerst fluteten die Menschen die sozialen Netzwerke mit einer so gewaltigen Anzahl an wütenden Kommentaren, dass die Zensoren kaum noch mit dem Löschen hinterherkamen. Es folgten die Proteste in gleich mehreren Großstädten, die sich in der Nacht von Sonntag auf Montag fortsetzten. Typisch ist dabei die Konfrontation von Mittelschicht-Chinesen mit rabiaten Sicherheitskräften in weißen Schutzanzügen.

Nicht nur aus Shanghai gab es Bilder, die selbst langjährige China-Beobachter erstaunen. In Peking, ausgerechnet an der renommierten Tsinghua Universität, an der auch Xi Jinping und viele andere KP-Führer studierten, versammelten sich am Sonntag Hunderte zum Protest. „Wenn wir uns aus Angst vor dem dunklen Regime nicht zu Wort melden, wird unser Volk enttäuscht sein“, rief ein Student durchs Megafon. „Als Tsinghua-Student würde ich das für den Rest meines Lebens bereuen.“ Die Menschenmenge antwortete im Chor: „Keine Angst! Keine Angst!“ Das Singapurer Digitalmedium Initium News zählt landesweit 79 Unis, an denen Proteste stattgefunden haben.
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