- Die weiße DIN-A4-Revolution
- Michels „Mission Impossible“ in Peking
- Sinolytics.Radar: Sozialkredit und Individuum
- Neue Impfkampagne für Ältere
- Peking verhinderte Kampfjets für Kiew
- Aus für Staatskonzern bei britischem Atomkraftwerk
- Botschafter in London wegen BBC-Streit einbestellt
- Batterie-Investments in Brandenburg
- Porträt: Frank Kraushaar – Brückenbauer in Lettland
wie kann man in einem hochgradig zensierten Umfeld seinen Unmut kundtun? Welche Form des Protests kann man wählen in einer Welt, in der selbst Städtenamen aus dem Internet und historische Ereignisse aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden? Die Menschen, die derzeit in China auf die Straße gehen, haben eine so einfache wie geniale Waffe gefunden: Ein weißes Blatt Papier. „Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können“, erklärte ein junger Demonstrant am Montag in Peking. Das Beste daran: Im Gegensatz zu Blumen oder gelben Regenschirmen hat fast jeder weißes Papier im Haus. Es zu verbieten, käme einem Kampf gegen Windmühlen gleich.
Peking versucht trotzdem alles, die Proteste – die nun passend „A4Revolution“ genannt werden – im Keim zu ersticken. An den Straßen, an denen die Menschen in den vergangenen Tagen zusammenkamen, ist die Polizei nun stets präsent. Sie machen punktuelle Handykontrollen. Demonstranten bekommen Anrufe von den Behörden. Unis schicken Studierende vorzeitig in die Semesterferien. Die „A4“-Revolution ist jedoch noch nicht am Ende, wie Michael Radunski analysiert. Mit Kreativität und Ironie sind die Protestierenden den Zensoren noch immer einen Schritt voraus.
Inmitten der Proteste reist derweil EU-Ratschef Charles Michel nach China. Das Timing könnte für Schweißausbrüche sorgen: Viele EU-Parlamentarier fordern von ihm ein klares Zeichen in Richtung Peking. Europaparlaments-Vizepräsidentin Nicola Beer schlägt gar vor, dass Michel Xi Jinping mit einem weißen Blatt Papier entgegentreten soll. Dass es dazu kommt, ist natürlich genauso unwahrscheinlich wie eine öffentliche Entschuldigung Xis für die außer Kontrolle geratenen Corona-Restriktionen in seinem Land.
Auch sonst dürfe man von dem Treffen keine klaren Ergebnisse erwarten, schreibt Amelie Richter. Für die EU wird der Besuch im besten Fall ein Beschnuppern nach einer langen Pause. Für Xi kann das Treffen allerdings zum Imagegewinn werden. Denn zeitgleich findet in Washington ein Treffen des EU-USA-Dialogs zu China und der Indo-Pazifik-Region statt. Von der einheimischen Presse könnte Michels Besuch daher als Beweis für Risse in der transatlantischen Freundschaft umgedeutet werden – nach dem Besuch von Scholz ein weiterer Punktgewinn für Chinas starken Mann.
Fabian Peltsch

Analyse
Symbol der Proteste: Ein leeres weißes Papier

Michael Radunski
Ob in Peking oder Shanghai, in Chengdu, Dali oder Wuhan; egal, ob der Rücktritt von Xi Jinping gefordert wird, Wahlen und Meinungsfreiheit oder schlicht das Ende der strikten Null-Covid-Politik – eines haben die Demonstrierenden der vergangenen Tage in China gemein: Sie halten ein leeres, weißes Blatt Papier in ihren Händen (China.Table berichtete).
„Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können“, erklärte ein junger Demonstrant am Montag in Peking. „Wir wollen wieder ein normales Leben führen. Wir wollen Würde haben.“
Am Dienstag gelang es den chinesischen Behörden durch massive Polizeipräsenz ein Wiederaufflammen der Proteste zu verhindern. Die Lage auf den Straßen blieb weitgehend ruhig. Zudem schickten mehrere Universitäten ihre Studentinnen und Studenten nach Hause. Einige Universitäten organisierten sogar Busse, um die Studierenden zu den Bahnhöfen zu bringen. Auf diese Weise wolle man weitere Corona-Infektionen verhindern, heißt es offiziell. Doch allen ist klar, was in Wirklichkeit mit diesem Schritt erreicht werden soll: das Ende der Proteste.
- Coronavirus
- Gesundheit
- Menschenrechte
- Proteste
- Zivilgesellschaft
Jetzt weiterlesen
… und 30 Tage kostenlos dieses Professional Briefing kennenlernen.
Sie sind bereits Gast am China.Table? Jetzt einloggen