China
Protest-Ikone Tank Man + Leben in Shanghai kehrt zurück
Liebe Leserin, lieber Leser,
trotz allem, was wir heute über die Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1989 in Peking wissen: Von den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens selbst gibt es keine Bilder. Doch ein Bild hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: der Tank Man. Das Foto zeigt schräg von hinten einen Mann, der sich vor die Panzer stellt und sie so aufhält. Der Tank Man ist damit zum Inbegriff der „Macht der Namenlosen“ geworden, schreibt Marcel Grzanna anlässlich des 33. Jahrestags des Massakers am Wochenende. Tank Man ist in die Popkultur eingeflossen und gilt gar als eine der 100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts. Die chinesische Staatsmacht hält seine Identität jedoch bewusst geheim, um keinen Helden zu schaffen. Doch gerade dadurch fördert sie den Mythos des einfachen Bürgers, der sich genau jener Staatsmacht mutig entgegenstellt.
Millionen von Shanghaiern haben am Mittwoch einen Teil ihrer Alltagsfreiheit zurückgewonnen. Aus dem Stand erreichte die Auslastung der Verkehrsmittel wieder 75 Prozent des Normalbetriebs. Unser Autorenteam in China hat sich jedoch genauer umgehört: Viele Menschen fühlen sich betrogen, weil sie trotz der Lockerungen immer noch nicht vor die Tür dürfen. Solange alle gleichermaßen zu Hause saßen, war die Akzeptanz noch höher als jetzt in der Ungleichheit zwischen den Nachbarschaften. In einer Demokratie müssten sich die Verantwortlichen spätestens jetzt auf ihre Abwahl gefasst machen.
Viele neue Erkenntnisse wünsche ich Ihnen bei der Lektüre!
