- Interview mit Janka Oertel: Chinas Motive neu bewerten
- Wang Yi lehnt Sanktionen ab, aber kritisiert Russland
- Der Krieg verknappt Rohstoffe für Chips und Elektronik
- Chinesische Evakuierungsaktion aus Kiew stockt
- Tesla erweitert Werk in Shanghai
- KP rügt Zentralbank und Finanzaufsicht
- Standpunkt Nina Chruschtschowa: China manipuliert Putin
- Zur Sprache: „Futtertrog-Hopping“ – der „schnelle Jobwechsel“
wie positioniert sich China zum Ukraine-Konflikt? Zwar gehen derzeit mehrere Tendenzen durcheinander, widersprüchliche Meldungen jagen sich. Doch bei näherem Hinsehen folgt China durchaus einem erklärbaren Konzept. Sicher ist: Xi Jinping geht es allein um den Aufstieg Chinas. Russland ist da allenfalls ein nützlicher Unruhestifter, der die Entschlossenheit der westlichen Allianz austestet und sich zugleich in Abhängigkeit vom verbliebenen Partner im Osten begibt.
Deshalb wartet Peking mit seiner Positionierung derzeit noch ab, in welche Richtung der Konflikt läuft. Hat Putin Erfolg, ist China dabei. Läuft es schlecht für Russland, wird sich China schnell von dem Projekt verabschieden. Dieser Schritt befindet sich bereits in Vorbereitung: Am Sonntag hat Peking vorsichtig begonnen, sich von Russlands Vorgehen zu distanzieren. Die Wortwahl lässt aber kurzfristig noch alle Möglichkeiten offen, wie unsere Analyse zeigt.
Langfristig plant Xi dann jedoch, möglichst viel für China aus der Situation herauszuholen. Eine der führenden deutschen Expertinnen für Chinas Außenpolitik ordnet das Geschehen für uns in den großen Zusammenhang ein. Was sich vor unseren Augen abspielt, ist nicht nur ein Krieg um die demokratische Ukraine, sondern prägt die künftige Weltordnung, sagt Janka Oertel im Gespräch mit Michael Radunski. Oertel leitet das Asienprogramm des European Council on Foreign Relations, hat aber auch schon bei den Vereinten Nationen gearbeitet.
Die Maßstäbe, nach denen wir Chinas Interessen bewerten, stimmen nicht mehr, warnt Oertel. Wir müssen uns von der Gewissheit verabschieden, dass es der Führung in erster Linie um Wachstum und Wohlstand geht. Sie habe sich entschieden, kurzfristigen wirtschaftlichen Schaden in Kauf zu nehmen, um langfristige politische Ziele zu erreichen.
Auf der Positivseite signalisiert der Aufbau einer geschlossenen Front europäischer Länder am Wochenende auch Richtung Peking: Der Westen ist nicht ganz so uneins, wie er lange gewirkt hat. Auf der Negativseite sollten wir beginnen, uns auf eine Welt einzustellen, in der China und Russland eng zusammenarbeiten, so Oertel.
Eine weitere Lehre aus den Ereignissen betrifft Taiwan. Oertel rät dazu, Autokraten genau zuzuhören, wenn sie ihre Pläne darlegen. Wir sollten sie probeweise beim Wort nehmen, statt immer nur strategisches Kalkül zu unterstellen. Putin hat schließlich schon vor Jahren gesagt, dass er die Ukraine für keinen legitimen Staat hält. Und Xi Jinping hat wiederholt von einer bevorstehenden Vereinigung mit Taiwan gesprochen. All das weckt in Taipeh derzeit wahnsinnige Sorgen.
Unser Gastbeitrag stammt heute von einer Urenkelin von Nikita Chruschtschow, dem starken Mann der Sowjetunion in den 50er-Jahren. Nina Chruschtschowa ist Politologin – und überführt Wladimir Putin eines folgenschweren Irrtums. Putin glaube, sich in China durch den Vertrag zum Olympia-Auftakt einen Verbündeten gesichert zu haben. Tatsächlich spiele China die Russen gegen den Westen aus, glaubt Chruschtschowa. Die Strategen in Peking sehen Russland als korrupt und rückständig und wollen es zu einem Vasallenstaat machen. Indem Putin alle Brücken nach Europa abbricht, manövriert er sein Land in Abhängigkeit von dem großen Nachbarn im Osten. China könne also enorm gestärkt aus den Ereignissen hervorgehen, so Chruschtschowa.
Auch die Auswirkungen des Kriegs auf die Rohstoffmärkte spielen Peking in die Hände. In der Ukraine – und im nun geächteten Russland – befinden sich Vorkommen von Metalle und Gasen, die für die Herstellung von Chips und Elektronik gebraucht werden. Der Krieg könnte also auch hier die Lieferketten-Krise verstärken und die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft von China erhöhen. Die Rohstoffe sind so wichtig für die Hightech-Industrie, dass sie sogar in Putins Kalkül zum Überfall auf die Ukraine hineingespielt haben könnten, analysiert Frank Sieren.
Finn Mayer-Kuckuk

Interview
„Es fällt schwer, keine Parallelen zu Taiwan zu ziehen“

Frau Oertel, China behauptet, seine Politik sei konsistent, klar und eindeutig. Im Russland-Ukraine-Konflikt wirkt es aber, als laviere Peking und vermeide es, klar Stellung zu beziehen. Einerseits will man die Territorialität und Souveränität von Staaten schützen, andererseits will man Russlands Verhalten nicht verurteilen. Im UN-Sicherheitsrat hat China sich enthalten. Was sind die Gründe?
Dafür muss man zurück zu Putins Besuch in Peking kurz vor den Olympischen Spielen. Schon damals hat sich Xi Jinping für die Seite Putins entschieden, wohl wissend, was passieren kann. Das ist das, was mich am meisten irritiert. Und auch beunruhigt.
Sie glauben, Xi hat schon damals eine russische Invasion in die Ukraine abgesegnet?
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