China
Interview Annette Schavan + Penicillin aus China
Liebe Leserin, lieber Leser,
sind die Verhältnisse heute in China schlimmer als während der Kulturrevolution? Im Gesamtbild sicherlich nicht. Annette Schavan erinnert im Interview mit Table.Media daran, dass Deutschland 1972 diplomatische Beziehungen zu China aufgenommen hat. Willy Brandt war damals deutscher Bundeskanzler und Mao Zedong der Machthaber in China. Dort wurden Professoren als Volksfeinde durch die Straßen getrieben, buddhistische Tempel brannten, die Gesellschaft verrohte. Schavan plädiert nun als Vorsitzende des Deutsch-Chinesischen Dialogforums dafür, an die Denkweise der 1970er-Jahre anzuknüpfen und auch dann mit Peking zu reden, wenn die Verhältnisse dort schwierig sind. Heute haben wir es da immer noch leichter als vor 50 Jahren.
Am Dienstag ist der offizielle Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Es ist einerseits verständlich, dass sich die deutsche Politik von der chinesischen Seite nicht in Feierlaune hineinziehen lassen wollte. Schließlich hat sich China nach der Ukraine-Invasion an die Seite Russlands gestellt, während Deutschland Teil des Energiekriegs wurde. Dazu kamen die Drohungen gegen Taiwan, auf dessen Kosten die China-Diplomatie damals ging. Es ist zugleich bedauerlich, dass dieses Jubiläum in den vergangenen Monaten so gar nicht genutzt wurde, um neue Kanäle zu öffnen. Denn umgekehrt zeigen die aktuellen Krisen, wie wichtig ein Mindestmaß an Verständigung ist, um fatale Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Schavan ist hier übrigens durchaus nicht naiv. Auch Peking sei in der Pflicht, sich auf Deutschland zuzubewegen. „China muss die Strategie der Verschlossenheit beenden und die Zeichen der Öffnung setzen, die es früher gab“, fordert die ehemalige Forschungsministerin im Gespräch mit Felix Lee. Schließlich sind wir weiterhin gegenseitig voneinander abhängig.
