China
Gemeinsamer Wohlstand + Medienzensur
Liebe Leserin, lieber Leser,
ärgerlich, dass es mit den Träumen manchmal so kompliziert sein muss! Xi Jinpings Vision vom „gemeinsamen Wohlstand“ ist ein schönes Ziel, doch leider funkt die wenig rosarote Realität dazwischen: Geprellte Sparer, magere Wachstumszahlen, erzürnte Immobilienkäufer, enttäuschte Absolventen, die von der Uni direkt in eine Rekord-Arbeitslosigkeit schlittern. Die Probleme türmen sich, analysiert unser Autor Fabian Kretschmer aus Peking. Und das nur wenige Monate vor dem Parteitag, der Xis dritte Amtszeit einleiten soll.
Stichwort dritte Amtszeit: Autoritäre Regierungen nutzen die Medien gerne als unkritische Sprachrohre für ihre Botschaften. Journalisten sind also dazu gezwungen, aufzuschreiben, was man ihnen sagt. Alles abseits dieser Linie fällt der Zensur zum Opfer. Die Sinologin und Bestseller-Autorin ("Die lautlose Eroberung") Mareike Ohlberg sagt im heutigen Interview, dass die Medienzensur für die Partei jedoch auch ein Problem sein könne. Die Zensur sei mühsam und man widerspreche sich ständig selbst. Deshalb sei Pekings langfristiges Ziel, die eigene globale Diskursmacht auszubauen. Wenn das Ausland chinesischen Erzählungen folgt, kann die Zensur in China Schritt für Schritt fallen, so die Idee.
Davon ist die Partei aber noch ein sehr, sehr großes Stück weit entfernt. Denn während sie im eigenen Land, ihre Widersprüche unter den Teppich kehren kann, bekommt sie im demokratischen Ausland die Widersprüche stets vorgehalten. Und die Tendenz, dass chinesische Narrative globale Diskurse dominieren, ist seit einigen Jahren stark rückläufig. Xi Jinping dürfte viele Amtszeiten mehr benötigen, um ein mögliches Ende der Medienzensur in China noch erleben zu können.
