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die Mär von den unpolitischen Olympischen Winterspielen hat China jahrelang verbissen verteidigt. Am Donnerstag, nur drei Tage vor dem Ende des Mummenschanzes, fielen auf der Zielgeraden dann doch noch die Hüllen. Eine Sprecherin des Organisationskomitees BOCOG erklärte vor der internationalen Presseschar den Inselstaat Taiwan zu einem „untrennbaren Teil“ der Volksrepublik und bezeichnete die Beweise für die systematische Zwangsarbeit von Uiguren in Xinjiang als „Lüge“.
Die Aussagen waren eine Ohrfeige für das Internationale Olympische Komitee. So lange hatte sich der Verband mit seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach schützend vor das Gastgeberland gestellt, Pekings Propaganda nachgeplappert und im Fall Peng Shuai sogar darauf verzichtet, Chinas Führung um Aufklärung zu bitten.
Überraschend ist das alles nicht. Und Schadenfreude ist fehl am Platz. Dafür sind die Hintergründe viel zu tragisch. Und dennoch bietet der Moment, in dem das BOCOG die Contenance verlor, der Welt eine Lehre. Wer sich auf eine autokratische Regierung verlässt, um sein eigenes Gesicht zu wahren, der begibt sich auf ganz dünnes Eis. Nicht nur bei Olympischen Winterspielen.
Dass es eine Frau war, die dem IOC in den Rücken fiel, hat auch ein bisschen symbolische Bedeutung. Denn wer im patriarchischen China als Frau Karriere machen möchte, ist gut beraten, im Sinne der Männer zu reden und zu handeln. Wer hingegen mehr Rechte für Frauen einfordert, gerät schnell in Schwierigkeiten, wie uns heute Fabian Peltsch berichtet.
Marcel Grzanna

Analyse
Frauen wehren sich gegen „toxisches Umfeld“
Fabian Peltsch
Im Januar 2021 wurde die chinesische Stand-Up-Komikerin Yang Li schlagartig für ihren Ausspruch berühmt, Männer seien „普確信“ Pǔ quèxìn: „mittelmäßig, aber selbstbewusst“. Auf Chinas Social-Media-Plattformen wurde der Satz innerhalb weniger Stunden zur feministischen Parole. Gleichzeitig brach ein Shitstorm über Li herein, der sie auch einige Werbeverträge kostete. Der Tenor: Li würde mit ihrer Comedy „Männerhass“ schüren. Auch sonst kochen beim Thema Gleichberechtigung in China die Gemüter schnell hoch. Zuletzt sorgte der Fall einer von ihrem Ehemann angeketteten, psychisch kranken Frau in der Stadt Xuzhou für landesweite Empörung. Frauen würden oft nicht einmal als menschliche Wesen behandelt, las man in Kommentarspalten von chinesischen Social-Media-Kanälen wie Weibo.
Noch nie wurden Geschlechterdebatten und Gleichstellungsfragen in China so öffentlich verhandelt wie in den vergangenen drei Jahren. Wie in westlichen Ländern werden Gewissheiten in Zweifel gezogen. Feministisch angehauchte Fernsehshows wie „Hear Her“ 听见她说“ kritisieren ungesunde Schönheitsideale und verzerrte Selbstwahrnehmungen junger Frauen. Die Popsängerin Tan Weiwei adressierte in ihrem Lied „Xiǎo juān 小娟“ reale Fälle häuslicher Gewalt, während sich die Rapperin Yamy auf ihrem Weibo-Kanal offen über sexuelle Belästigung im chinesischen Showbusiness echauffierte.
Feminismus ist heute zu einem gewissen Grad Teil der chinesischen Popkultur. Die Künstlerinnen bewegen sich jedoch auf einem schmalen Grat. Die chinesische Regierung bewertet eine feministische Massenbewegung als Gefahr für die soziale Stabilität. Insbesondere die unter dem Hashtag „MeToo“ um die Welt gegangene Solidaritätswelle mit Opfern von Missbrauch und Übergriffen bezeichnet Peking als „Werkzeug ausländischer Kräfte“, mit dem das chinesische System unterwandert werden soll.
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