- Zwangsarbeit: EU-Parlament fordert Verbot verdächtiger Waren
- Aufregung um mögliche Marinebasis in Kambodscha
- Termine der kommenden Woche
- Teile Shanghais schon wieder im Lockdown
- Xinjiang-Forscher kritisieren Bachelet
- Grünes Licht für EU-Regeln zur Beschaffung
- Große Schäden durch Überflutung
- Ant-Börsengang scheint wieder möglich
- Johnny Erling zu Xis Blick auf Chinas vieltausendjährige Geschichte
die USA treiben die EU beim Thema Zwangsarbeit vor sich her. Die Amerikaner wollen künftig Waren an der Grenze beschlagnahmen lassen, deren saubere Herkunft sich nicht eindeutig nachweisen lässt. Europa fürchtet nun, der globale Abladeplatz für Produkte zu sein, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden. Die ethisch richtige Lösung sind eigene Kontrollen. Amelie Richter beschreibt, was das Europäische Parlament dazu beschlossen hat.
Durch eine Resolution allein wird die Lage allerdings nicht übersichtlicher. China weist jeden Vorwurf der Zwangsarbeit in Xinjiang zurück und verweist umgekehrt auf Menschenhandel in USA und EU. Außerdem sind die Lieferketten gerade an ihren Anfängen filigran verzweigt. Woher kam die Baumwolle in diesem T-Shirt, wer hat das Silizium für diese Solarzelle geliefert? Mit solchen mühsamen Fragen müssen sich Unternehmen und Zoll künftig herumschlagen. Das könnte am Ende vielleicht doch einen Impuls für die Rückverlagerung der Beschaffung ins EU-Inland geben.
Konflikte gibt es weiterhin auch um die Nutzung der Ozeane. China betrachtet das Südchinesische Meer als sein Hausmeer. Die Südmeerflotte der Volksbefreiungsarmee wird rasch ausgebaut und verfügt mit der Shandong inzwischen über einen fest zugewiesenen Flugzeugträger. Daher wäre es ein Durchbruch für die chinesischen Hegemonialstrategie, in Kambodscha Zugriff auf den Marinestützpunkt Ream zu erhalten, berichtet Michael Radunski. Bisher leugnet China, hier in großem Stil Schiffe stationieren zu wollen. Doch schon jetzt erhöht der chinesisch finanzierte Ausbau den Stresslevel von Geostrategen in Washington, Tokio und auch Berlin.
China begründet seinen Anspruch auf Vorherrschaft auch mit historischer Überlegenheit der eigenen Zivilisation. Johnny Erling beschäftigt sich daher in seiner Kolumne mit Xi Jinpings ganz eigenem Blick auf die Geschichte. Während in Shanghai die Leute im Lockdown zu Hause hocken, während die Handelszahlen abschmieren und sich kein Weg aus der Covid-Krise findet, geht das Politbüro der Frage nach: Wie alt ist Chinas Zivilisation? Die von der Partei beauftragten Wissenschaftler geben darauf die einzig korrekte Antwort: noch älter als bisher, nämlich 5.000 Jahre. Denn je mehr Jahre, desto mehr Legitimation.
Finn Mayer-Kuckuk

Analyse
EU-Parlament fordert Kommission zu Zwangsarbeits-Verbot auf
Amelie Richter
Rund 25 Millionen Menschen arbeiten nach EU-Angaben weltweit in Verhältnissen, die als Zwangsarbeit eingestuft werden können. Die modernen Sklavinnen und Sklaven pflücken in Staaten wie China Baumwolle für Kleidung, ernten Obst und Gemüse oder stecken Elektroteile zusammen. Diese Ware landet dann auch bei Konsumenten in Europa. Das soll sich ändern. Das Europaparlament macht Druck auf die ausführende EU-Kommission: Im Herbst soll ein schon lange geforderter Gesetzesentwurf für ein Import- und Exportverbot für Produkte aus Zwangsarbeit endlich das Brüsseler Bürokratie-Licht erblicken.
Die EU-Parlamentarier legten am Donnerstag ihre Empfehlungen für die Gesetzgebung vor. Sie fordern, dass die Einfuhr von Produkten aus Zwangs- und Kinderarbeit bereits an den EU-Grenzen gestoppt werden soll. Die Definition von Zwangsarbeit soll dabei nach Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gesetzt werden. Aussortiert wird dann anhand mehrerer Kriterien:
- dem Produktionsstandort,
- den beteiligten Unternehmen,
- den Logistikern
- oder auch einer ganzen Herkunftsregion, beispielsweise Xinjiang.
Laut der Empfehlung des EU-Parlaments
- sollen die Behörden der Mitgliedsstaaten Produkte beschlagnahmen können, wenn es „ausreichende Beweise“ gibt, dass Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen die Waren hergestellt oder transportiert haben. Die Behörden können auf der Grundlage von Informationen handeln, die von Interessengruppen, Nichtregierungsorganisationen, betroffenen Beschäftigten oder anonymen Hinweisen stammen;
- kann die beschlagnahmte Fracht nur dann freigegeben werden, wenn das Unternehmen entweder nachweisen kann, dass keine Zwangsarbeit eingesetzt wurde, oder wenn die verantwortlichen Unternehmen den betroffenen Arbeiterinnen und Arbeitern „Abhilfe geschaffen“ haben und es vor Ort keine Zwangsarbeit mehr gibt;
- können die Behörden von Unternehmen verlangen, dass sie Informationen über ihre Lieferketten offenlegen. Außerdem sollen die einzelnen Zollbehörden der Mitgliedsstaaten in der EU enger zusammenarbeiten.
Die Verantwortung liegt also beim Importeur. Dieser trägt dem Entwurf des EU-Parlaments zufolge die sogenannte Beweislast und muss belegen, dass es bei der Produktion und dem Transport der Waren keine Zwangsarbeit oder Kinderarbeit gab. Sonst bleibt die Ladung festgesetzt. Um den Importeuren zu helfen, fordert das Europaparlament eine öffentlich zugängliche Liste bereits sanktionierter Unternehmen, Regionen und Erzeuger. Kleinen und mittleren Unternehmen soll gesonderte Hilfe bei der Umsetzung der neuen Vorschriften zukommen.
US-Gesetzgebung tritt ab Ende Juni in Kraft
Der Vorschlag erhielt bei der Abstimmung am Donnerstag im EU-Parlament eine große Mehrheit. „Heute signalisieren wir, dass die EU sich nicht länger zum Komplizen des totalitären chinesischen Regimes machen lässt, das seit fünf Jahren in der Provinz Xinjiang Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht“, sagte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer nach der Abstimmung.
Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der EU-Kommission und zuständig für Demokratie und Demografie, betonte im Plenum, dass eine Gesetzesvorlage der Brüsseler Behörde nach der Sommerpause erfolge. Wegen des engen Zeitplans sei jedoch keine Folgenabschätzung mehr möglich, so Šuica. EU-Parlamentarier hatten in einer Debatte zu dem Thema eine Gesetzesvorlage für September gefordert – also genau ein Jahr, nachdem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Einfuhrverbot in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt hatte (China.Table berichtete). Eigentlich sollte es Teil der EU-Lieferkettengesetzgebung werden. Wegen Gerangels um die Zuständigkeit blieb das Vorhaben aber liegen.
In zeitliche Bedrängnis kommt die EU nun jedoch auch, weil auf der anderen Seite des Atlantiks Ende des Monats eine wichtige rechtliche Änderung ansteht: Ab dem 21. Juni tritt in den Vereinigten Staaten der Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) in Kraft. Einfuhrverbote für Baumwolle und Tomaten aus Xinjiang gibt es dort bereits. UFLPA wird den Import von Waren aus der Region jedoch noch weiter einschränken.
Bei der US-Gesetzgebung gilt:
- die Annahme, dass alle in Xinjiang hergestellten Waren mit Zwangsarbeit hergestellt wurden. Es greift also das Prinzip der sogenannten „widerlegbaren Vermutung“. Es sei denn, der Beauftragte des US-Zoll- und Grenzschutzes bestätigt, dass bestimmte Waren bekanntermaßen nicht mit Zwangsarbeit der uigurischen Bevölkerung hergestellt wurden;
- die Aufforderung an den US-Präsidenten, Sanktionen gegen „jede ausländische Person zu verhängen, die sich wissentlich an Zwangsarbeit beteiligt“. Die USA haben bereits gegen Beamte und Organisationen in Xinjiang Strafmaßnahmen verhängt, so wie auch die EU;
- dass Firmen ihre Geschäfte mit Xinjiang offenlegen müssen;
- dass eine Liste chinesischer Unternehmen erstellt werden soll, die mit Produkten aus Zwangsarbeit arbeiten.
EU droht Schwemme an Zwangsarbeit-Produkten
Die US-Gesetzgebung geht also noch einen Schritt weiter als der Vorschlag des EU-Parlaments, da an der US-Grenze per se alle Waren aus Xinjiang aufgehalten werden und die Freigabe erst erfolgt, wenn bewiesen wurde, dass keine Zwangsarbeit bei der Herstellung involviert war. Den strengeren US-Ansatz als Vorbild lehnte die EU-Generaldirektion für Handel in der Vergangenheit ab (China.Table berichtete). Inwieweit die Brüsseler Behörde den Empfehlungen aus dem EU-Parlament folgen wird, ist offen.
UFLPA wird jedoch auch Auswirkungen auf Europa haben: „Wir erwarten, dass Unternehmen nun die EU und andere Märkte als Abladeplatz für Produkte aus Zwangsarbeit nutzen„, sagt Chloe Cranston von der Nichtregierungsorganisation Anti-Slavery International im Gespräch mit China.Table. Was also nicht mehr in die USA verkauft werden kann, wird in den EU-Markt transportiert. Komplett neu sei diese Strategie nicht, so Cranston. Beispielsweise bei Baumwolle oder in der Solarindustrie sei das bereits zu beobachten. „Deswegen fordern wir eine gleich starke Gesetzgebung in allen Ländern.“
Bei unterschiedlich starken Gesetzen drohe sonst eine Aufspaltung der Wertschöpfungsketten, warnt Cranston: Eine „saubere“ Lieferkette für Ware in die USA und eine für andere Regionen, wo Produkte aus der Herstellung mit Zwangsarbeit noch nicht so scharf aufgespürt und aussortiert werden. Erschwerend käme dann in der EU noch hinzu, dass Zolldaten nicht öffentlich zugänglich sind.
Die USA versuchen derweil auch über die IAO Druck auf China auszuüben. Bei der Jahreskonferenz der Arbeitsorganisation, die am Samstag in Genf nach knapp zwei Wochen zu Ende gehen wird, forderte die US-Delegation an der Seite anderer westlicher Staaten eine Untersuchung der Zwangsarbeit-Vorwürfe durch eine Expertenkommission. Weil China Mitglied der IAO-Exekutive ist, wird es jedoch schwierig, ein entsprechendes Mandat zu erteilen.
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Baut China einen Militärstützpunkt in Kambodscha?

Michael Radunski
Kraftvoll rammt Chinas Botschafter Wang Wentian einen roten Spaten in den sandigen Boden der kambodschanischen Küste. An seiner Seite steht Kambodschas Verteidigungsminister Tea Banh, der daraufhin ebenfalls zur Schaufel greift. Der Diplomat und der Militär wollen durch ihren ungewöhnlichen Arbeitseinsatz zeigen: Von nun an gehen China und Kambodscha gemeinsam in die Zukunft. Es ist ein besonderer Spatenstich, den die beiden am vergangenen Mittwoch zelebrieren. Mit ihm beginnt die Modernisierung des Ream-Marinestützpunkts an der kambodschanischen Küste – und damit steckt Wang schon mitten in einem doppelten Spiel.
Einerseits preist er das Vorhaben als große Errungenschaft in den Beziehungen zwischen China und Kambodscha. Andererseits muss er aber das Bauvorhaben als einfaches Renovierungsprojekt abtun, das sich nicht gegen Dritte richte. Denn während China und Kambodscha ihr Hafenprojekt feiern, sind die USA verärgert. „Eine exklusive Militärpräsenz Chinas in Ream könnte die Autonomie Kambodschas bedrohen und die regionale Sicherheit untergraben“, sagte Chad Roedemeier, der Sprecher der US-Botschaft in Phnom Penh. In Washington fürchtet man, China könnte den Stützpunkt am Golf von Thailand nicht nur modernisieren, sondern auch für das chinesische Militär nutzen.
Sowohl in Kambodscha als auch in China streitet man solche Vorwürfe denn auch konsequent ab. „Machen Sie sich keine Sorgen, die Ream-Basis ist sehr klein. Sie stellt für niemanden und nirgendwo eine Bedrohung dar“, sagte Kambodschas Verteidigungsminister Banh am Mittwoch und ergänzte: „Wir müssen unsere Basis aufrüsten, um unsere Nation, unser Territorium und unsere Souveränität zu schützen.“
Auf chinesischer Seite wird man deutlicher: Botschafter Wang polterte, dass einige Länder die normale Zusammenarbeit zwischen China und Kambodscha immerfort kritisieren und verleumden würden. Vielmehr hätten diese Länder einseitige Sanktionen gegen Kambodscha verhängt, um sich unter dem Deckmantel der Demokratie und des Schutzes der Menschenrechte grob in die inneren Angelegenheiten Kambodschas einzumischen. Gemeint sind die USA, die vor wenigen Monaten tatsächlich Sanktionen und ein Waffenembargo gegen Kambodscha verhängt haben. Die Gründe damals: Korruption, Menschenrechtsverletzungen – und der wachsende Einfluss des chinesischen Militärs in dem südostasiatischen Land.
China hat bislang nur einen Stützpunkt im Ausland
Erst vor wenigen Tagen berichtete die US-Zeitung „Washington Post“, China baue in Kambodscha heimlich eine Marineeinrichtung zur ausschließlichen Nutzung für sein Militär. Demnach solle die Marinebasis mit einer Wartungswerkstatt, zwei Piers, einem Trockendock, einer Slipanlage und Möglichkeiten für das Anlegen größerer Schiffe ausgestattet werden. Westliche Beamte hätten gegenüber der Zeitung gesagt, die Basis werde für die „alleinige Nutzung“ durch die chinesische Marine gebaut. Ein chinesischer Beamter habe demnach gar bestätigt, dass „ein Teil der Basis“ in Kambodscha vom chinesischen Militär genutzt werden würde.
Bislang verfügt China im Ausland lediglich über einen Marinestützpunkt in Dschibuti (China.Table berichtete). Die Basis in Kambodscha wäre also erst der zweite Außenposten. Zum Vergleich: Die USA verfügen über hunderte Stützpunkte, verteilt auf der ganzen Welt. John Brandford vom Maritime Security Programme der Nanyang Technological University in Singapur erklärt im Gespräch mit China.Table, wie China einen neuen Stützpunkt in Kambodscha rechtfertigen könnte: „So wie Peking die Nützlichkeit seiner Stützpunkte in Dschibuti und im Südchinesischen Meer bei der Reaktion auf Katastrophen und der Durchführung humanitärer Missionen hervorhebt, wird es wahrscheinlich argumentieren, dass Stützpunkte im Golf von Thailand ebenso sinnvolle Anwendung haben.“
Tatsächlich ist China trotz seiner starken wirtschaftlichen Präsenz im Golf von Thailand bislang kein wichtiger Akteur im regionalen Katastrophenmanagement. Laut Bradford wird ein chinesischer Stützpunkt in Kambodscha zwar gravierende Folgen in der Region haben, ein Wendepunkt zugunsten Chinas, ein Gamechanger, sei das allerdings nicht.
Chinas Ziel: Die Kontrolle über das Südchinesische Meer
Malcolm Davis sieht das anders. Der Wissenschaftler vom renommierten „Australian Strategic Policy Institute“ weist im Gespräch mit China.Table darauf hin, dass die Einrichtung in Kambodscha durchaus eine völlig neue Qualität habe. Es wäre der erste chinesische Stützpunkt in der strategisch bedeutsamen Indopazifik-Region – und damit perfekt für Chinas strategisches Ziel: die Kontrolle über das Südchinesische Meer.
Es passt ins Bild: Seit Jahren schüttet China im Südchinesischen Meer Riffe auf, installiert Landebahnen und Stützpunkte. Vor wenigen Wochen schloss man ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen (China.Table berichtete). Erst vergangene Woche wagte man ein ähnliches Unterfangen auf Inseln im Westpazifik – und scheiterte (China.Table berichtete). Nun folgt also der Vorstoß in Kambodscha. „Die offensiv einsetzbaren Marinekapazitäten von Ream ermöglichen es Peking, den östlichen Eingang in die Straße von Malakka leichter zu kontrollieren und chinesische Stützpunkte im Südchinesischen Meer zu verteidigen„, erklärt Davis gegenüber China.Table.
Davis sieht vor allem innenpolitische Gründe für Kambodschas Entscheidung, die chinesische Präsenz zuzulassen. Das Land habe seine Zukunft an Chinas Aufstieg ausgerichtet. „Hun Sen steckt tief in Pekings Tasche, und die Teilnahme seines Landes an der BRI macht Kambodscha anfällig für die chinesische Schuldenfallen-Diplomatie.“ Kambodscha sei längst ein chinesischer Vasall, meint Davis. China ist seit Jahren der größte Investor in Kambodscha. „Und Peking hält Hun Sen im Gegenzug für seine Gehorsamkeit an der Macht.“
Kambodscha wendet sich China zu – auch militärisch
Schon länger ist eine Verschiebung in Kambodschas politischer Ausrichtung zu erkennen – weg von den USA hin zu China. Als Phnom Penh 2010 uigurischen Asylsuchende nach China abschob und die USA daraufhin die Lieferung von 200 Militärfahrzeugen aussetzten, sprang kurzerhand China ein – und stellte dem kambodschanischen Militär 257 Fahrzeuge und fünfzigtausend Uniformen zur Verfügung. Seit Dezember 2016 halten China und Kambodscha unter der Bezeichnung „Golden Dragon“ regelmäßig gemeinsame Militärübungen ab, während man fast zur gleichen Zeit die Angkor-Sentinel-Übungen mit den USA nach sieben Jahren beendete.
Bliebe die Frage nach der Nutzung des Stützpunktes. Noch ist nur ein symbolischer Spatenstich vorgenommen worden. In zwei Jahren soll die Modernisierung des Ream-Stützpunktes abgeschlossen sein. Bis dahin gelten wohl die Dementis aus Phnom Penh und Peking. Doch gerade in letzter Zeit hat China eine lange Liste an Unwahrheiten angehäuft – von angeblichen Ausbildungslagern für Uiguren in Xinjiang bis hin zu natürlichen Korallenriffen im Südchinesischen Meer, die plötzlich doch Stützpunkten mit Kaimauern und Raketenwerfern gleichen.
Und vor diesem Hintergrund ist eine Aussage von Botschafter Wang beim gemeinsamen Spatenstich am Mittwoch in Kambodscha doch besonders auffällig: „Als eine starke Säule der eisernen Partnerschaft liegt die militärische Zusammenarbeit zwischen China und Kambodscha im grundlegenden Interesse unserer beiden Nationen und zwei Völker.“ Es klingt wie eine diplomatische Hintertür, die sich in zwei Jahren öffnen könnte.
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Termine
13.06.2022, 10:00-11:00 Uhr (London Time)
SOAS London / Virtual Open Day: Postgraduate Diploma in Asian Art Mehr
14.06.2022, 8:30-9:30 Uhr (MEZ) / 14:30-15:30 Uhr (Beijing Time)
CNBW / Webinar: Young Leaders Career Talk: Experiences of two German expats in China Mehr
14.06.2022, 9:00-10:00 Uhr (MESZ)
Burkardt & Partner / Webinar: Managing the Crisis: Compliance Challenges in locked-down China – What tools do you have at hand to control and ensure compliance of your PRC entity? Mehr
14.06.2022, 19:00-20:00 Uhr (MEZ)
Konfuzius-Institut Bonn / Webinar: Chinesische Philosophie – von Konfuzius bis zur Gegenwart Mehr
15.06.2022, 10:00 Uhr (MEZ) / 16:00 Uhr (Beijing Time)
Dezan Shira / Webinar: Remotely Establishing Entities in Asia: China’s Mainland vs. Hong Kong vs. Singapore Mehr
16.06.2022, 10:00 Uhr (MEZ) / 16:00 Uhr ( Beijing Time)
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16.06.2022, 14:00-15:00 Uhr (MEZ)
ifw Kiel / Webinar: Kann China sein BIP-Wachstumsziel von 5,5 % für 2022 erreichen? Anmeldung
News
Erneuter Lockdown für Teile Shanghais
In Shanghai müssen rund 2,7 Millionen Menschen im Bezirk Minhang schon wieder in den Lockdown. Der Bezirk plant eine neue Runde von Massentests am Samstag, nachdem in der 25 Millionen Einwohner zählenden Metropole neun positive Coronavirus-Fälle festgestellt wurden. Nach der Entnahme der Proben sollen sich die Menschen wieder frei bewegen dürfen. Wann genau, ist aber noch nicht bekannt. Auch andere Shanghaier Bezirke kündigten Massentests am Wochenende an.
Der zwei Monate dauernde Lockdown in Shanghai wurde erst vergangene Woche beendet. Corona-Auflagen gelten aber weiterhin, für das Arbeiten in einem Großraumbüro ist beispielsweise ein negativer PCR-Test erforderlich, ebenso für den Besuch von Einkaufszentren oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. jul
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Xinjiang-Experten beklagen Bachelets Widersprüche
Die China-Reise der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat starke Kritik von internationalen Xinjiang-Experten provoziert. In einem offenen Brief an die Chilenin drücken 37 Unterzeichner, darunter der deutsche Anthropologe Adrian Zenz und der Sinologe Björn Alpermann von der Uni Würzburg, ihr Unverständnis über Bachelets Einordnungen zu den Menschenrechtsverletzungen in der autonomen Region in Nordwestchina aus. Sie seien „zutiefst irritiert“, dass Bachelet den akademischen Konsens über die Vorgänge in Xinjiang „ignoriert“ und ihm „sogar widersprochen“ habe, heißt es.
Die Experten, die allesamt intensiv und seit vielen Jahren zu den Vorgängen in Xinjiang forschen, klagen, dass die Hochkommissarin eine „beispiellose Menge an Beweisen“ außer Acht gelassen habe, als sie Ende Mai in einer Pressekonferenz ein Fazit ihrer Reise zog. Staatliche chinesische Dokumente, Zeugenaussagen von Überlebenden und Satellitenbilder „bieten ein detailliertes Bild dessen, was glaubwürdig als Völkermordprogramm bezeichnet werden kann“, so die Autoren.
Bachelet in Xinjiang: Aneignung des offiziellen Duktus Pekings
Zwei von ihnen hatten die Hochkommissarin vor ihrer Reise über den Stand der Forschung ausführlich in Kenntnis gesetzt. In ihrem Appell erinnern die Forscher daran, dass die Informationen, die Bachelet zur Verfügung gestellt worden sind, „nicht das Ergebnis der Arbeit von nur ein oder zwei Forschern“ seien. „Es ist der einstimmige Konsens der gesamten Gemeinschaft von Gelehrten, die unabhängig vom chinesischen Staat ihr Leben der Erforschung der Region gewidmet haben.“
Bachelet hatte in ihrer Erklärung die chinesische Xinjiang-Politik weder verurteilt, noch hatte sie auf die vorliegenden Beweise Bezug genommen. Die Menschenrechtsbeauftragte bezeichnete zudem die Internierungslager, in denen „Folter, Vergewaltigung und andere Misshandlungen“ nach einhelliger Meinung der Wissenschaftler „weit verbreitet“ seien, als „Berufsbildungszentren“ und eignete sich damit den offiziellen Duktus der chinesischen Regierung an. Auch andere Begriffe chinesischer Propaganda übernahm Bachelet in ihre Beurteilung, als sie Peking dazu aufforderte, „Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und Deradikalisierung“ zu prüfen.
Alpermann: kultureller Genozid in Xinjiang
„Es geht nicht darum, sich an Michelle Bachelet abzuarbeiten, sondern um eine sachliche Auseinandersetzung darum, wie die Vorgänge in Xinjiang zu bewerten sind“, sagt Björn Alpermann von der Uni Würzburg. Der Forscher sei sich im Klaren, dass der offene Brief zum Bumerang werden könne, wenn die chinesische Propaganda ihn mit Verweis auf Bachelets Aussagen dazu nutzen sollte, die Forschenden zu delegitimieren. Dennoch hält Alpermann den Brief für ein wichtiges „politisches Signal“.
Er selbst unterzeichnete das Papier, obwohl er nicht in allen Einzelheiten mit dem Inhalt übereinstimme. Beispielweise fehlten ihm wissenschaftliche Belege, die einen geplanten Völkermord der Regierung nachweisen und damit die Bezeichnung Genozid rechtfertigen würden. Alpermann sieht die Bedingungen für einen „kulturellen Genozid“ dagegen als erfüllt an. Das EU-Parlament bezog am Donnerstag Stellung zu den Geschehnissen in Xinjiang: In einer mit Mehrheit verabschiedeten Resolution erklärten die Abgeordneten, diese kämen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und einer ernsthaften Gefahr eines Völkermords gleich“ (China.Table berichtete). grz/ari
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Grünes Licht für Verordnung zu öffentlicher Beschaffung
Das Europaparlament hat grünes Licht für eine Verordnung gegeben, mit der die EU Chinas Markt für öffentliche Beschaffung für europäische Firmen öffnen möchte. Das „Instrument für das internationale Beschaffungswesen“ (IPI) erhielt am Donnerstag die nötigen Stimmen. „Die EU wird dadurch im rauen internationalen Handelsumfeld erheblich gestärkt“, sagte der für IPI federführend zuständige Abgeordnete Daniel Caspary (CDU). „In Zukunft wird der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen der EU für Unternehmen aus Drittstaaten eingeschränkt, wenn sie europäischen Unternehmen keinen vergleichbaren Zugang bieten.“
Konkret ist der Plan: Wenn sich ein Drittstaat wie die Volksrepublik weigert, seinen öffentlichen Beschaffungsmarkt für EU-Anbieter in einem vergleichbaren Ausmaß zu öffnen wie umgekehrt, drohen Sanktionen. So könnten Angebote aus China entweder komplett von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, oder erhalten einen Preisaufschlag (China.Table berichtete). Nun fehlt noch die Annahme der Verordnung im EU-Rat der Mitgliedsstaaten, dann kann die Gesetzgebung in Kraft treten. Wann genau dies der Fall sein wird, ist noch nicht bekannt. ari
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Flut in Hunan
Über der zentralchinesischen Provinz Hunan sind in den vergangenen Tagen historische Unwetter niedergegangen und haben zu zahlreichen Überschwemmungen geführt. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sind rund 1,8 Millionen Menschen in dem überwiegend ländlichen und bergigen Gebiet betroffen. 286.000 von ihnen wurden evakuiert und in Sicherheit gebracht. 2.700 Häuser wurden beschädigt oder sind eingestürzt.
Während eines Erdrutsches in der südlichen Region Guangxi sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen und drei werden vermisst, berichtetet Xinhua weiter. Laut dem staatlichen Fernsehsender CCTV hatten tagelange Regenfälle Hänge überschwemmt und zum Abrutschen gebracht. Die Behörden warnten vor weiter anhaltenden starken Regenfällen in Guangxi und den nahe gelegenen Provinzen Jiangxi, Fujian, Guangdong, Hainan, Sichuan, Chongqing und Yunnan.
In den Sommermonaten kommt es in China regelmäßig zu Überschwemmungen. Meist sind davon vor allem die zentralen und südlichen Gebiete der Volksrepublik betroffen. Die Regierung hat massiv in den Hochwasserschutz und in Wasserkraftprojekte wie den gigantischen Drei-Schluchten-Damm am Jangtse investiert. löh
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Tauwetter für Börsengang von Ant
Die Ant Group ist aus Sicht der Führung offenbar genug gestraft: Chinas Behörden erwägen, dem Finanzarm der Alibaba-Gruppe doch noch seinen Börsengang zu gewähren. Das berichten die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters. Eine Freigabe des Börsengangs gilt als Anzeichen dafür, dass der Crackdown gegen Technik-Firmen langsam ausläuft (China.Table berichtete). Das Unternehmen selbst teilte auf Wechat mit, dass es noch keine konkreten Pläne für einen Wiederbelebung der Börsenpläne habe. Es hat allerdings kürzlich eine Ex-Vorsitzende der Hongkonger Börse als Beraterin engagiert, was auf erste Vorbereitungen hinter den Kulissen hindeutet.
Ant Financial steht an der Schnittstelle der Technik- und der Finanzwelt. Es handelt sich um einen der wichtigsten Zahlungsdienste des Landes. Das Unternehmen wollte im November 2020 an die Börse gehen, doch die Behörden haben das Projekt unterbunden. Die Vorgänge stehen im Zusammenhang mit der Strategie der KP-Führung, den enorm gewachsenen Einfluss von datengetriebenen IT-Konzernen zu beschneiden. Dieses Vorgehen wird auch der „Tech-Crackdown genannt“. fin
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Presseschau
Konflikt mit China: USA liefern Taiwan Waffen im Wert von 120 Millionen Dollar SPIEGEL
China Lashes Out at Key Taiwan Ally Over US-Friendly Remarks BLOOMBERG
French lawmakers pledge support for Taiwan on island visit APNEWS
Biden seeks to counter China at Americas summit DW
In landmark UN meeting, China and Russia defend veto DW
Fury at UN human rights chief over ‚whitewash‘ of Uyghur repression THEGUARDIAN
Chinese Pilots Sent a Message. American Allies Said They Went Too Far. NYTIMES
China ordnet Massentests und Lockdown in Shanghai an TAGESSPIEGEL
Hong Kong’s Lam Says ‚Not Possible‘ to Open China Border Soon BLOOMBERG
Chinesische Marinebasis in Kambodscha sorgt für Oppositionskritik DERSTANDARD
Habecks China-Bann und die Folgen für deutsche Firmen WELT
China hawks seek to ban Confucius Institutes from Britain POLITICO
Human rights breaches in China, Nicaragua and Georgia EUROPARL
Swirling doubts herald major shifts at upcoming Chinese political meeting WASHINGTONPOST
Inflation isn’t China’s problem, income is: ‚all we can do is spend less‘ SCMP
Top Gun: Maverick betrays Hollywood’s weakness in China BBC
Kolumne
Wie alt ist Chinas Zivilisation?

Die 25 mächtigsten Funktionäre Chinas, darunter nur eine Frau, versammelten sich im Palais des einst kaiserlichen Parks Zhongnanhai, mitten in Peking. Parteichef Xi Jinping hatte sein Politbüro und dessen Ständigen Ausschuss in das 1949 zum Sitz der KP China gemachten Seengelände bestellt. Bis in den späten Abend des 27. Mai tagte Chinas innere Führung.
Der illustre Kreis traf sich nicht zum Krisenmanagement, obwohl an diesem Tag Shanghai weiter gegen die Pandemie ankämpfte, und Peking bangte, als nächste Metropole in den Lockdown zu müssen. Auch der internationale Kollateralschaden, der China bedroht, wegen seiner Billigung von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, war so wenig Thema wie der Abwärtsdruck auf die Wirtschaft.
Stattdessen lauschten die Granden der Partei – so als lebten sie in einer Blase – sichtlich entspannt den Ausführungen des Pekinger Historikers und Gastreferenten Wang Wei (王巍). Im Anschluss fasste Xi Jinping dessen Vortrag zusammen. Chinas TV-Sender zeigten, wie alle brav mitschrieben. Die Elite hatte sich zu ihrer sogenannten 39. Studiensitzung zusammengesetzt, zu der KP-Chef Xi seit dem letzten Parteitag 2017 sein Politbüro regelmäßig alle vier bis sechs Wochen zusammenruft. Ihre Tagesordnung bestimmte eine scheinbar weltfremde, akademische Frage: Wie alt ist Chinas Zivilisation wirklich?

Wang Wei, Präsident der Gesellschaft für Archäologie, berichtete über das von ihm seit 2001 geleitete „Projekt zur Erforschung der Ursprünge von Chinas Zivilisation“ (中华文明探源工程). Neue Erkenntnisse hätten die 400 beteiligten Wissenschaftler über die seit 1921 entdeckte Yangshao-Kultur entlang des Gelben Flusses gewonnen, die zu den frühesten neolithischen Kulturen der Menschheit gehöre (7000 bis 4700 v. Chr.). Ausgrabungen in den Ruinen von Liangzhu bei Hangzhou (5300 bis 4300 v. Chr.) hätten enthüllt, wie komplex die frühere Stadtsiedlung organisiert war. 2019 nahm die UNESCO die Stätte in ihr Weltkulturerbe auf. Weitere Funde in der 1959 in Zentralchinas Henan entdeckten Erlitou-Stätte scheinen frühere Annahmen zu bestätigen, dass Erlitou ein Teilzentrum der Xia-Herrschaft gewesen sein könnte (2070 bis 1600 v. Chr.), der legendären ersten Dynastie im Reich der Mitte, deren Existenz bis heute archäologisch nicht wirklich untermauert ist.
Xi aber triumphierte: Chinas Forscher hätten den faktischen Nachweis erbracht „für die Millionen Jahre andauernde Menschheits-Geschichte meines Landes, seine zehntausendjährige Kulturgeschichte und seine mehr als 5.000 Jahre alte Zivilisationsgeschichte.“ (实证了我国百万年的人类史、一万年的文化史、五千多年的文明史。中华文明探源工程成绩显著。)
Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler aller Disziplinen, im Auftrag der Partei die Anfänge der chinesischen Zivilisation dingfest zu machen. Historiker aber bleiben bei ihrem Urteil, schreiben von gerade einmal „mehr als 3.000 Jahren“, die sich mit der aus jener Zeit stammenden Schrift auf Orakelknochen noch datieren und dokumentieren lassen.
Die Partei will dieses Narrativ ändern. Chinas Zivilisation sei einzigartig auf der Welt. Es gebe zwar ältere Kulturgesellschaften, wie etwa die 8.000 Jahre zurückreichenden Ägypter mit ihren Hieroglyphen. Aber die alten Reiche gingen unter. Anders sei es mit China, so Xi: „Seine Zivilisation ist die einzige auf der Welt, die sich bis heute ohne Unterbrechung fortsetzen konnte.“ ( 中华文明是世界上唯一自古延续至今、从未中断的文明). Für ihn ist das neben Nationalstolz auch ein politisches und kulturelles Pfund, mit dem er wuchern kann. Er nannte etwa die Verbindungen, die Peking zu den 50 Millionen Auslandschinesen in aller Welt knüpfen will.
Wie sehr ihn das Thema der Periodisierung umtreibt, zeigte Xi beim ersten Peking-Besuch von US-Präsdent Donald Trump am 8. November 2017.
Als erster ausländischer Besucher sollte Trump Xi unmittelbar nach Ende des 19. Parteitages treffen, der Xis Machtfülle noch erweitert hatte. Nun bereitete Xi dem Ehepaar Trump eine imperiale Empfangsschau der Superlative vor. Donald und Melania wurden vom Flughafen direkt zum abgesperrten Kaiserpalast gebracht, wo Xi und Frau Peng Liyuan sie von 15:30 Uhr bis 19:30 Uhr vier Stunden lang durch alle Paläste führten und höfisch bewirteten. Chinas Fernsehen schnitt einen ihrer Dialoge mit. Es ging zuerst um die 300-jährige Geschichte der USA. Trump sagte zu Xi, er habe gehört, dass „China eine 5.000 Jahre alte Zivilisation besitzt.“ Xi sprach darauf von einer nachweisbar geschriebenen Geschichte von „über 3.000 Jahren.“ Doch lasse sich seine Zivilisation „5.000 Jahre zurück oder noch früher verfolgen.“

Als Trump auf Ägypten und dessen „8.000 Jahre Kultur“ verwies, sagte Xi: „Ja, Ägypten ist älter. Aber Chinas Zivilisation ist die einzige, älteste sich kontinuierlich bis heute erhaltene Zivilisation der Welt.“ Trump fragte nach, ob es sich „heute um eine originale Kultur“ handele und bekam zur Antwort: „Wir sind die originalen Menschen. Wir haben das gleiche schwarze Haar und die gleiche gelbe Haut. Wir nennen uns Abkömmlinge des Drachens.“ (是原来的人。黑头发、黄皮肤,传承下来,我们叫龙的传人。)
Dass China eine „mehr als 5.000 Jahre“ alte Zivilisation beansprucht, ist Xis Credo seit seinem Amtsantritt 2012. Kurz vor dem 20. Parteitag Ende 2022, der seine dritte Wiederwahl ermöglichen und die Weichen für eine „neue Ära des Sozialismus unter Xis Führung“ und die Wiederauferstehung der Nation stellen soll, greift Xi auf die Kultur zurück. China ist dabei besonders, sagte er bei der Studiensitzung: „Die chinesische Nation hat einen Entwicklungsverlauf genommen, der sich von anderer Zivilisationen unterscheidet.“
Alle Parteimedien des Landes veröffentlichten Zusammenfassungen von Xis Belehrungen seines Politbüros. Abgehoben von den Niederungen der Realität sucht er Rezepte für den Aufstieg der Nation auch aus der Vergangenheit zu gewinnen. Er lässt den alten Mao-Spruch wieder aufleben, „die Vergangenheit der Gegenwart dienen zu lassen“ (要坚持古为今用). Verschwurbelt spricht er wiederholt „vom kulturellen Gen der Nation,“ das „auch eine spirituelle Kraft ist, um die großartige Wiederauferstehung der Nation zu realisieren.“ Weil Xi weiß, welche Ängste Chinas Aufstieg im Ausland auslöst, spricht er auch vom „kulturellen Gen des Friedens“. Peking müsse „vom Boden Chinas aus das Narrativ über Chinas Zivilisation gut erzählen und der Welt ein vertrauenswürdiges, liebenswertes und respektables Bild von China vermitteln.“ (要立足中国大地,讲好中华文明故事,向世界展现可信、可爱、可敬的中国形象。)
Es ist das zweite Mal, dass Xi seine Obsession einer „mehr als 5.000 Jahre alten chinesischen Zivilisation“ zum Thema einer Politbürositzung machte. Am 28. September 2020 verlangte er, Chinas Archäologie für ihren Nachweis zu mobilisieren. Dabei sprach er vom tradierten „kulturellen Gen“, das die Nation „täglich nutzt, ohne sich darüber bewusst zu sein.“ (中华民族日用而不觉的文化基因。)
Ich habe als Korrespondent in Peking zwei Mal miterlebt, wie der politische Versuch scheiterte, die chinesische Zivilisation neu im Sinn der Partei zu periodisieren. Im November 2000 behaupteten 200 Wissenschaftler nach fünf Jahren interdisziplinärer Forschung, sie könnten Chinas legendäre ersten drei Dynastien der Xia, Shang und Zhou genau datieren und alle Herrschaftshäuser chronologisch auflisten. Die Xia hätten 2070 bis 1600 v. Chr. geherrscht, die Shang bis 1046 v. Chr. und die Zhou bis 771 v. Chr.. Damit sei Chinas Zivilisationsgeschichte nachweislich über 4.000 Jahre alt, jubelte damals die Volkszeitung. Rasch stellte sich heraus, dass die Forscher nur durch Schlussfolgerungen, Ableitungen und Neuuntersuchungen bereits bekannter Quellen zu ihrem Urteil gelangt waren.
Im Jahr 2010 versuchte es Peking erneut. In einer spektakulären Ausstellung wurden im Hauptstadtmuseum 400 uralte, zumeist noch nie gezeigte Fundstücke aus Ausgrabungen ausgestellt. Doch der damalige Kurator Wang Wei, der gleiche Archäologe, der Ende Mai auch vor dem Politbüro sprach, machte einen Rückzieher. Obwohl die Parteipresse behauptete, die Geschichte der chinesischen Zivilisation müsse neu geschrieben werden, nannten verantwortliche Wissenschaftler damals die Ausstellung eine Würdigung der 60-jährigen archäologischen Arbeit seit Gründung des Instituts für Archäologie 1950. Sie sei nicht dazu gedacht, eine neue Debatte über die Periodisierung der Geschichte anzustoßen.

Es gibt keinen Mangel an chinesischen Ausgrabungen in jüngsten Jahren, die zahllose Fundstücke, phantastische Bronzen, Jade-Ornamente, spektakuläre Kulturgüter ans Tageslicht gefördert haben. Sie entdeckten frühzeitliche menschliche Siedlungen, Grabanlagen, Wasserbau, Reis- und Agrarkulturen. Chinas Altertumsforscher aber halten sich an die gleichen Kriterien wie ihre ausländischen Kollegen, ab wann sie von einer ganzheitlichen Zivilisation sprechen. Zu deren Merkmalen gehören etwa Nachweise einstiger größerer Städte, eines Glaubenssystems, von Infrastrukturarbeiten, Sozialschichtungen in der damaligen Gesellschaft, sowie ein entwickeltes Schriftsystem. Viele der Ausgrabungen enthüllten einstige regional entwickelte Hochkulturen. Aber sie konstituierten offenbar noch nicht eine einheitliche chinesische Zivilisation.
Das Problem liegt wie bei allen Wissenschaften Chinas in ihrer politischen Vereinnahmung. Um seine absolute Herrschaft und die seiner Partei über China zu legitimieren, bettet Xi seine hundertjährige Partei in die Nachfolge der modernen chinesischen und sozialistischen Entwicklung bis zurück in die „mehr als 5000-jährige Entwicklungsgeschichte der chinesischen Zivilisation“ ein. In seiner „großen historischen Perspektive“ (大历史观) ist für ihn alles „aus einem Guss mit Blick auf die Vergangenheit wie in die Zukunft“ (既向过去看,又向未来看), schreiben marxistische Sozialwissenschaftler.
Was aber, wenn sich nicht nachweisen lässt, ob Chinas Zivilisationsgeschichte so alt und so besonders anders ist, wie von Xi erhofft? Zumindest stellt er die Frage im Politbüro rhetorisch: „Was wäre an China dann noch besonders, wenn es keine mehr als 5.000 Jahre alte chinesische Zivilisation aufweist? Wie könnten wir dann heute so erfolgreich Chinas besonderen sozialistischen Weg gehen?“ (如果没有中华五千年文明,哪里有什么中国特色?如果不是中国特色,哪有我们今天这么成功的中国特色社会主义道路?) Eine Antwort bleibt Xi schuldig.
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- KP China
- Xi Jinping
Personalien
Samuel Sun ist neuer Managing Director und Chief Risk Officer der Value Partners Group. Er folgt auf David Wong, der Ende März nach kurzer Zeit ausgeschieden ist. Sun wird am Hauptsitz in Hongkong arbeiten. Er war zuvor Chief Risk Officer (Asien) bei Manulife Investment Management. Davor war er bei Allianz Global Investors und HSBC Investments.
Dessert

Welttag der Ozeane: Forscher transplantieren Korallen auf den Meeresgrund vor dem Inselchen Fenjiezhou südlich von Hainan. Seit 2004 versuchen Wissenschaftler, die Unterwasserwelt durch solche Aktionen wiederzubeleben. Fenjiezhou liegt nicht weit entfernt vom Urlaubs-Hotspot Sanya. Tauchtourismus und Umweltverschmutzung haben den Riffen schwer zugesetzt. Immerhin scheinen die Aktionen kleine Erfolge zu bringen. Ein paar Meeresbewohner ließen sich bereits zurück locken.
China.Table Redaktion
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